Dostal, Werner/ Stooß, Friedemann/ Troll, Lothar (1998): Beruf - Auflösungstendenzen und erneute Konsolidierung.

In: Mitteilungen zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nr. 3, Nürnberg 1998, S. 438 - 460.

[/S. 438:] Der Beruf ist noch immer Basis für Orientierung, Beschäftigung und Arbeitsmarkt. Er ist in der Lage, die vielfältigen Strukturen in der Arbeitswelt und der Gesellschaft zu beschreiben. Berufszuordnungen und -bewertungen finden eine hohe Akzeptanz. Allerdings wird Beruf in seinem umfassenden Verständnis heute oft als Auslaufmodell bezeichnet und der Job als Gegenbild kurzfristiger und eher eindimensionaler Tätigkeitsstruktur als Zukunftsmodell propagiert.

Beruf hat viele Facetten: Raster für die Integration Jugendlicher, Tauschmuster, Arbeitsmarktregulator, Emanzipationsbasis, Identifikationskern bei sozialer und personaler Einordnung, Raum für Aufgaben- und Pflichterfüllung, Element sozialer Stabilität. Diese Aspekte sind in den letzten Jahrzehnten weitgehend in stabilen Stammbelegschaften aufgetreten. Die Auflösung dieser stabilen Rahmenbedingungen in der nachindustriellen Gesellschaft wird oft dahingehend interpretiert, dass mit dieser Entwicklung auch der Beruf seine Bedeutung verliere.

Als Indizien für die These, dass die Dauerhaftigkeit von Beruf gefährdet sei, werden angeführt, dass die berufliche Identität sich anderen Identifizierungsbereichen unterordne, dass Berufsausbildung und Berufstätigkeit sich voneinander abkoppeln, dass sich die Berufsausbildung zersplittere und damit für eine klare Identifikation nicht mehr geeignet sei, dass unscharfe Berufsangaben Signal für die schwindende Möglichkeit beruflicher Allokation seien und dass die Flexibilität enge Berufsabgrenzungen verbiete.

Bei der Analyse zukünftiger Arbeitswelten lassen sich Segmente vorstellen, von denen einige weiterhin betriebs- bzw. unternehmenszentriert sind und bei denen der Berufsbezug zwar sinnvoll - insbesondere für den Einstieg -, aber nicht unbedingt notwendig ist, während bei anderen Segmenten wegen des Verlustes dieser Betriebsbindung neue Identifikationsmuster erforderlich sind. Der Beruf in seiner umfassenden und zugleich offenen Struktur sowie seiner Beziehung zur Professionalität dürfte gerade in diesen offenen Arbeitsformen eine neue und wesentlichere Bedeutung erhalten.

Dieser Beitrag kann nur ein erster Schritt sein. Das komplexe Thema "Beruf" soll zunächst lediglich in seinen vielen Facetten beschrieben und eingeordnet werden. Weitere Arbeiten sollen folgen, in denen Einzelbereiche schärfer abgegrenzt und anhand von Forschungsergebnissen belegt werden.