Erprobung der Konferenzspiel-Methode am Thema `Klimaschutz´ im Fach Wirtschaft an der Wirtschaftsoberschule im Rahmen der Lehrplaneinheit `Theorie und Praxis der Wirtschaftspolitik´

Ulrike Große

Inhalt

1. Einführung
2. Das Konferenzspiel als Methode des handlungsorientierten Unterrichts
2.1 Merkmale und Ziele des handlungsorientierten Unterrichts
2.2 Definition und Abgrenzung des Konferenzspiels
2.3 Gestaltungsmöglichkeiten von Konferenzspielen
2.4 Förderung von Schlüsselqualifikationen durch Konferenzspiele
2.5 Möglichkeiten der Evaluation von Konferenzspielen
3. Die didaktische Aufbereitung des Konferenzspiels am Thema 'Klimaschutz'
3.1 Die Analyse der Stoffstruktur
3.1.1 Stoffstruktur
3.1.2 Stoffschichtung
3.2 Stoffauswahl und Stoffabgrenzung
3.2.1 Qualitative Stoffauswahl und Stoffabgrenzung
3.2.2 Quantitative Stoffabgrenzung
3.3 Erkenntnisleitende Fragestellungen
3.4 Entscheidungsanalyse über Lernziele
3.4.1 Allgemeine Lernziele bzw. Schlüsselqualifikationen
3.4.2 Fachliche Lernziele
4. [Die Umsetzung des Konferenzspiels anhand einer fiktiven Klimakonferenz
4.1 Verknüpfung der Lernziele mit der gesellschaftlichen Realität
4.2 Vermittlung der theoretischen und praxisbezogenen Lehrinhalte
4.3 Erarbeitung der von den einzelnen Gruppen verfolgten Strategien
4.4 Durchführung der Konferenz
4.5 Reflexion des Konferenzspiels
5. Die Analyse der Unterrichtsumsetzung des Konferenzspiels
5.1 Erfahrungsbericht der Lehrerin
5.2 Erfahrungen der Schüler
5.3 Auswertung der Fragebögen
5.4 Beurteilung der Auswertung
5.5 Vorschläge zur Weiterentwicklung der Konferenzspiel-Methode
6. Schlussbemerkung
7. Literatur

Abbildungen:
Abb. 1: Ablauf einer vollständigen Handlung
Abb. 2: Modell der Simulation
Abb. 3: Ablauf eines Konferenzspiels
Abb. 4: Beziehungszusammenhang der Schlüsselqualifikationen
Abb. 5: Stoffstruktur
Abb. 6: Sitzplan bei der Konferenz

Materialien:
Mat. 1: Unterrichtsmaterialien zu 4.2
Mat. 2: Unterrichtsmaterialien zu 4.3
Mat. 3: Unterrichtsmaterialien zu 4.4
Mat. 4: Unterrichtsmaterialien zu 4.5

1. Einführung

Im November 2000 trafen sich im niederländischen Den Haag Delegierte aus fast allen Ländern der Welt, um das Kyoto-Protokoll zum Schutz des Klimas zu konkretisieren. Im Kyoto-Protokoll haben sich die Industrienationen das Ziel gesetzt, einzeln oder gemeinsam dafür zu sorgen, dass sie ihren CO2-Ausstoß „innerhalb des Verpflichtungszeitraums 2008 bis 2012 ... um mindestens 5 v.H. unter das Niveau von 1990 ... senken“ (Kyoto-Protokoll 1997, Artikel 3 (1)). Die Klimakonferenz in Den Haag ist gescheitert (o.V. 2000a). Die sogenannte Umbrella-Group, angeführt von den USA, konnte sich mit der EU auf keine konkreten Maßnahmen einigen (Braune 2000, 2). Dennoch war man zu diesem Zeitpunkt noch optimistisch, die Meinungsunterschiede in einer Folgekonferenz im ersten Halbjahr 2001 in Bonn zu überbrücken (o.V. 2000b). Mit dem Regierungswechsel in den USA kam jedoch der endgültige Bruch, als George Bush, der neue Präsident der USA, das Kyoto-Protokoll „für tot erklärt hat“ (o.V. 2001). Die neue Regierung der USA lehnt das Kyoto-Protokoll ab, weil es der US-Wirtschaft schaden würde. Außerdem verlangen die USA, dass nicht nur die Industrienationen zur CO2-Reduktion verpflichtet werden, sondern auch die Entwicklungsländer (Koar 2001). Vor dem Hintergrund dieser aktuellen politischen Geschehnisse stellt sich die Frage, wie die Schüler im Rahmen ihres schulischen Unterrichts Einblicke in den wirtschaftspolitischen Ablauf solcher Prozesse gewinnen können. Die Schüler sollen in der Lage sein, die Entscheidungsfindung politischer Entscheidungsträger nachzuvollziehen sowie das dabei erzielte Ergebnis zu beurteilen und kritisch zu hinterfragen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Schüler selbst tätig werden und die Situation einer solchen Klimakonferenz nacherleben können. Aus diesem Grund stößt der traditionelle Unterricht, mit seiner bewussten Zerlegung eines Problems in seine Einzelteile an seine Grenzen. Die Schüler müssen das Problem in seiner Ganzheit erleben und selbst versuchen zu lösen (Stommel 1995, 9). Dieses Ziel soll in dieser Arbeit anhand eines Konferenzspiels erreicht werden. Dazu wird das Konferenzspiel zunächst als Methode des handlungsorientierten Unterrichts dargestellt. An diese theoretische Abhandlung schließt sich die praktische Unterrichtsumsetzung beginnend mit der didaktischen Aufbereitung des Konferenzspiels am Thema `Klimaschutz´ an. Das Konferenzspiel wird ausgehend von den aktuellen Geschehnissen im internationalen Klimaschutz anhand einer fiktiven Klimakonferenz durchgeführt, an den sich die Analyse der Unterrichtsumsetzung des Konferenzspiels anschließt. Nach dieser kurzen Einführung in die Thematik und den Ablauf der Arbeit wird im folgenden Kapitel das Konferenzspiel als Methode des handlungsorientierten Unterrichts analysiert.

2. Das Konferenzspiel als Methode des handlungsorientierten Unterrichts

2.1 Merkmale und Ziele des handlungsorientierten Unterrichts

Sinnvolles Lernen bedeutet für Weinert „von Anfang an, neue Informationen in eine bereits verfügbare Wissensbasis einzugliedern“ (Weinert 1999a, 40). Dies ist im traditionellen Unterricht, der sich stark an der wissenschaftsorientierten Fachsystematik orientiert, nicht immer möglich. Häufig wird im traditionellen Unterricht abstraktes Detailwissen additiv aneinander gereiht (Lindemann 2000, 25 f.). Diesen dabei entstehenden Dualismus zwischen Denken und Handeln möchte der handlungsorientierte Unterricht überwinden (Speth 1995, 488; Arnold & Müller 1992, 99). Die Handlungsorientierung geht dabei von einem Modell der vollständigen Handlung aus (Lindemann 2000, 27; Bonz 1999, 111; Beck 1996, 14). Eine vollständige Handlung umfasst neben der Planung, Ausführung und Kontrolle der Tätigkeit (Eckert 1992, 60) im Vorfeld Überlegungen zur Zielsetzung sowie zum Abschluss eine Beurteilung der Tätigkeit (Bonz 1999, 111). Damit ergibt sich folgender idealtypischer Ablauf einer vollständigen Handlung:

 

Abb. 1: Ablauf einer vollständigen Handlung

 

Quelle: Beck 1996, 16.

 

Im Mittelpunkt sollen für die Schüler lebensnahe Problem- und Aufgabenstellungen stehen (Bonz 1999, 111). Eine Herauslösung der Lerninhalte aus der Lebensrealität findet nicht statt, vielmehr werden die Lerninhalte den Schülern im Zusammenhang mit der konkreten, realen Situation angeboten (Arnold & Müller 1992, 105).
Auch wenn es „die handlungsorientierte Unterrichtskonzeption nicht gibt“ (Speth 1995, 488), können doch zumindest aus der Vielzahl der in der Literatur vorfindbaren Ansätze (Beck 1996, 17 ff.), die wesentlichen Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts herausgearbeitet werden. Handlungsorientierter Unterricht ist geprägt durch die Merkmale der Ganzheitlichkeit, der Schüleraktivität, der Schülerorientierung und der Reflexion (Beck 1996, 57 f.). Ganzheitliches Lernen bedeutet, dass der ganze Mensch lernt: Mit Kopf, Herz und Hand ! (Arnold & Müller 1992, 103) Handlungsorientierter Unterricht ist daher immer ganzheitlich, da ein vollständiges Handeln nur möglich ist, wenn sowohl kognitive Prozesse als auch praktische Umsetzungen sowie affektive Einstellungen vorhanden sind (Bonz 1999, 113). Handlungsorientierter Unterricht bedeutet auch, dass die Schüler aktiv sind. Sie sollen sich möglichst selbstständig die Lerninhalte erarbeiten und verinnerlichen (Beck 1996, 57). Außerdem ist den Interessen und Bedürfnissen der Schüler Rechnung zu tragen (Kaiser & Kaminski 1999, 281). Die Unterrichtsarbeit soll sich also an den Interessen der Schüler orientieren (Meyer 1987, 413). Und schließlich ist die Bewältigung der Arbeitsaufgabe und des Lernprozesses zu reflektieren (Beck 1996, 57). Nach Meyer kann handlungsorientierter Unterricht daher wie folgt definiert werden:

„Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Organisation des Unterrichtsprozesses leiten, so dass Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden können.“ (Meyer 1987, 402)

Der handlungsorientierte Unterricht fördert dabei als oberstes Leitziel die berufliche Handlungskompetenz (Lindemann 2000, 27). Die Handlungskompetenz beinhaltet sowohl die Fachkompetenz als auch die Sozial- und Selbstkompetenz. Diese Kompetenzen können je nach Problem- und Aufgabenstellung noch um die Wertkompetenz, die ökologische und die politische Kompetenz erweitert werden (Bonz 1999, 115). Handlungsorientierter Unterricht möchte den Schülern ermöglichen,

„die bildende, aufklärende Einheit in der Vielfalt ihrer Lebens-, Arbeits- und Lernerfahrungen herzustellen und zu überprüfen, die komplexe, ganzheitliche Lebenswirklichkeit begrifflich aufzunehmen, Erkenntniskritik zu fördern und unterschiedliche Perspektiven zur jeweiligen Sache’ zu vermitteln“ (Pätzold 1992, 14).

Inwieweit diese Merkmale und Ziele des handlungsorientierten Unterrichts durch das Konferenzspiel zu verwirklichen sind, ist in den nächsten Gliederungspunkten zu analysieren.

2.2 Definition und Abgrenzung des Konferenzspiels

Um das Konferenzspiel von anderen Spielen abzugrenzen und zu definieren, ist zunächst ein Überblick über die im Unterricht einzusetzenden Spielformen zu geben. Meyer unterscheidet drei große Bereiche von Spielen je nach Spielzweck und Spielgegenstand: Erstens das Interaktionsspiel bei dem „eine an Spannung, Spaß und Erholung orientierte spielerische Auseinandersetzung mit den Spielpartnern“ im Mittelpunkt steht. Zweitens Simulationsspiele bei denen eine „regelgeleitete, absichtsvolle Simulation von Konflikten und Entscheidungsprozessen“ stattfindet. Und drittens szenische Spiele als „körperbezogene ästhetische Darstellung einer symbolisch vermittelten Wirklichkeit“ (Meyer 1987, 346). Das Konferenzspiel ist in dieser Einteilung dem Simulationsspiel zuzuordnen, da Konflikte im Rahmen einer nachgespielten Konferenz ausgetragen und Entscheidungen getroffen werden. Neben dem Konferenzspiel gehören zu den Simulationsspielen auch das Rollenspiel und das Planspiel (Kaiser & Kaminski 1999, 156). Der Ablauf von Simulationsspielen kann durch folgendes idealtypisches Schema veranschaulicht werden:

 

Abb. 2: Modell der Simulation

 

Quelle: in Anlehnung an Bonz 1999, 126.

 

Das Konferenzspiel als Unterform des Simulationsspiels setzt sich in der Organisationsform einer Konferenz mit Problemen und Konflikten auseinander (Hoffmann & Langfeld 2001, 104). Die Problem- und Aufgabenstellungen von Konferenzspielen liegen vor allem in gesellschafts-bezogenen Sachverhalten und weniger bei personenbezogenen Fällen. Die Schüler müssen sich eine große Menge an Informationen zunächst selbst erarbeiten, da sie sich nur so argumentativ mit den anderen Konferenzteilnehmern auseinandersetzen können. Die Schüler müssen eine klare Darstellung der Tatbestände verfassen, um in der späteren Konfrontation ihre eigenen Standpunkte vertreten zu können. Dadurch wird auch ihre Urteilsfähigkeit geschult und sie erleben mit welchen Problemen Entscheidungsträger konfrontiert werden, die sich in einer solchen Situation befinden (Weber 1995, 34).
Bei der Durchsicht der Literatur fällt auf, dass im Gegensatz zum Rollenspiel und zum Planspiel die Methode des Konferenzspiels kaum Beachtung findet. Nach Auffassung der Verfasserin liegt dies unter anderem daran, dass das Konferenzspiel sowohl Teile des Rollenspiels als auch Teile des Planspiels enthält, die in der besonderen Form einer Konferenz zusammengefasst werden. Es ist daher eine Abgrenzung des Konferenzspiels vom Rollenspiel und Planspiel vorzunehmen. Der erste Schritt beim Rollenspiel ist die Übernahme der Rolle. Ohne Rollenübernahme gibt es auch kein Rollenspiel, sie ist sozusagen die Grundvoraussetzung des Rollenspiels (Schaller 2001, 17). Auch beim Konferenzspiel ist der erste Schritt die Übernahme der Rolle, die auf der späteren Konferenz vertreten bzw. gespielt werden soll. Während beim Rollenspiel jedoch im Allgemeinen ein Schüler eine Rolle übernimmt (Mickel 1996, 52), können beim Konferenzspiel die zu vergebenden Rollen von einzelnen Schülergruppen übernommen werden (Klippert 1995, 201). Genau wie beim Planspiel findet auch beim Konferenzspiel eine „gruppenweise Konfliktaustragung“ (Meyer 1987, 366) statt. Im Gegensatz zum Konferenzspiel umfasst beim Planspiel der Spielverlauf jedoch mehrere Spielphasen (Bonz 1999, 131 ff.), das Konferenzspiel hingegen kann auch nur über eine Spielphase gehen. Wie beim Rollenspiel gliedert sich der Ablauf des Spiels in die Phasen Information, Vorbereitung, Spielphase und Reflexionsphase. Ein weiterer Durchlauf kann, muss aber nicht durchgeführt werden (Bonz 1999, 137; Weber 1997, 116 f.). Die einzelnen Positionen, die im Konferenzspiel dargestellt werden, sind in der Regel differenzierter und vielfältiger als in Rollenspielen (Weber 1995, 36). Im Konferenzspiel findet also aufbauend auf gesellschaftsbezogenen Problemstellungen eine argumentative Konfliktaustragung zwischen einzelnen Gruppen, die jeweils unterschiedliche Rollen übernehmen, statt.
Nachdem das Konferenzspiel definiert sowie vom Rollenspiel und Planspiel abgegrenzt wurde, sind im folgenden Gliederungspunkt die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten von Konferenzspielen darzustellen.

2.3 Gestaltungsmöglichkeiten von Konferenzspielen

Das Konferenzspiel kann durch folgendes vereinfachtes Ablaufschema abgebildet werden:

 

Abb. 3: Ablauf eines Konferenzspiels

 

Quelle: eigene Darstellung

 

In der Informationsphase werden die Schüler mit der Problemstellung konfrontiert. Sie teilen sich in Gruppen auf, um sich in der Vorbereitungsphase selbstständig und eigenverantwortlich mit dem Problem auseinander zu setzen und Lösungsstrategien zu entwickeln (Weber 1997, 116). Die einzelnen Gruppen übernehmen die Rolle der verschiedenen Teilnehmer der Konferenz, zum Beispiel Experten, Betroffene, Interessenvertreter (Klippert 1995, 201). Im Anschluss an die Vorbereitungsphase findet in der Spielphase die Durchführung der Konferenz statt. Die einzelnen Gruppen müssen argumentativ ihre Konflikte austragen und versuchen eine Einigung zu erzielen (Weber 1997, 117). Alle Schüler nehmen im Rahmen ihrer zugeteilten Rolle an der Konferenz teil (Klippert 1995, 201). Nach der Konferenz ist der Ablauf des Spiels zu reflektieren (Weber 1997, 117). Dieses sehr allgemein gehaltene Ablaufschema ist nun weiter zu präzisieren. Für die konkrete Ablaufgestaltung von Konferenzspielen schlägt Weber drei verschiedene Alternativen vor: das Tribunal, die Parlamentsdebatte und das Hearing (Weber 1995, 35 f.), die im Folgenden kurz vorgestellt werden. Weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten von Konferenzspielen sind zum Beispiel die Durchführung einer Abteilungsleiterkonferenz oder einer Gemeinderatssitzung (Hoffmann & Langefeld 2001, 104).

Beim Tribunal werden wie in einer Gerichtsverhandlung die vorliegenden Tatbestände aus Sicht des Anklägers, des Angeklagten, des Verteidigers, des Richters und der Zeugen erörtert (Klippert 1995, 203). Es findet eine Aufarbeitung der eingetretenen Entwicklungen statt mit dem Ziel, die zugrundeliegenden Ursachen zu erfassen. Entscheidungen und Handlungen, die hinter der Tat stehen sowie Vorstellungen und Ideen, welche die Tat ausgelöst haben, sollen erkannt und beurteilt werden (Weber 1995, 35).
Die Parlamentsdebatte stellt bisher ungelöste gesamtgesellschaftliche Probleme in den Mittelpunkt einer Konferenz. Am Ende der Debatte muss ein Beschluss stehen (Klippert 1995, 205).Wie in einem Parlament stellt eine Oppositionspartei ein bisher nicht gelöstes Problem zur Diskussion und fordert von der Regierungspartei eine Stellungnahme. Die Regierungspartei muss nun ein Lösungspapier vorstellen, welche Strategien sie zur Lösung des anstehenden Problems erarbeitet hat. Die von der Opposition und der Regierungspartei vorgebrachten Argumente und Beschlüsse werden von einer dritten Gruppe, den Journalisten, beurteilt und kommentiert (Weber 1995, 35).

Beim Hearing erarbeiten sich die Schüler zu einem vorgegebenen Thema verschiedene Standpunkte, welche sie in einer sich anschließenden Anhörung vorstellen (Klippert 1995, 202). Die Schüler werden in einzelne Gruppen eingeteilt, die sich die unterschiedlichen Standpunkte erarbeiten. Dadurch werden die Schüler der einzelnen Gruppen zu Experten. In der Konferenz vermitteln zunächst alle Gruppen den anderen Schülern ihr Expertenwissen. Die jeweiligen Vorschläge der einzelnen Expertengruppen werden gemeinsam diskutiert und beurteilt, um sich zum Abschluss der Konferenz auf einen gemeinsamen Vorschlag zu einigen (Weber 1995, 36).

Unter dem Gesichtspunkt des handlungsorientierten Unterrichts kann der Ablauf von Konferenzspielen wie folgt analysiert werden: Das Konferenzspiel stellt einen ganzheitlichen und schüleraktiven Unterricht dar, bei dem sich die Schüler mit einer komplexen Problemstellung selbstständig auseinandersetzen. Das Handlungsprodukt, die Ergebnisse der Konferenz, leiten den Unterricht, da sich die Schüler zunächst ihre Strategien erarbeiten, die sie in der sich anschließenden Konferenz umsetzen. Dabei wird auch die Kopf- und Handarbeit in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht: Die Schüler müssen die Problemstellung kognitiv durchdringen und selbst mit „ihren eigenen Händen“ Lösungsstrategien entwickeln. Damit sind alle Punkte der in Gliederungspunkt 2.1 gegebenen Definition von handlungsorientiertem Unterricht erfüllt. Im folgenden Gliederungspunkt ist zu analysieren, wie das Konferenzspiel das oberste Leitziel des handlungsorientierten Unterrichts, die Erlangung von Handlungskompetenz und die damit verbundenen Schlüsselqualifikationen, fördern kann.

2.4 Förderung von Schlüsselqualifikationen durch Konferenzspiele

Unsere heutige Gesellschaft ist durch einen ständigen technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Wandel gekennzeichnet (Pieper & Schwark 1994, 11). Die damit verbundene Vielfalt der wirtschaftlichen Realität und die immer kürzere „Halbwertszeit“ des beruflichen Wissens (Hoffmann & Langefeld 2001, 8) stellt für den einzelnen auf der einen Seite einen Anpassungszwang dar und eröffnet ihm auf der anderen Seite auch gleichzeitig Chancen. Um diesen ständigen Wandel mit nachzuvollziehen und die damit verbundenen Chancen wahrnehmen zu können, tritt neben die rein fachliche Qualifikation verstärkt eine soziale und personale Förderung (Pieper & Schwark 1994, 11). Das Ziel der Berufsausbildung muss daher die berufliche Handlungskompetenz sein, die neben der Fachkompetenz auch die Sozialkompetenz, Methodenkompetenz und Lernkompetenz umfasst (Kaiser & Kaminski 1999, 30) sowie die Selbstkompetenz und Wertkompetenz (Bonz 1999, 115). Diese auch als Schlüsselqualifikationen bezeichneten Kompetenzen können jedoch nicht einzeln gelehrt, sondern müssen in konkreten Handlungssituationen erworben werden (Kaiser & Kaminski 1999, 31). Dem Schüler sind also neben der Fachkompetenz weitere Fähigkeiten (= Schlüsselqualifikationen) zu vermitteln, mit denen er in der Lage ist, sich an die ständig verändernden Bedingungen anzupassen (Speth 1995, 166). Es wäre aber ein Irrtum zu glauben, dass alleine durch die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen der `mühsame´ Wissenserwerb ersetzt werden könnte. Der Schüler benötigt immer auch Kenntnisse in dem betreffenden Wissensgebiet, um diese dann in konkreten, berufsspezifischen Situationen anwenden zu können (Weinert 1999b, 30 f.). Das folgende Schema veranschaulicht das Konzept der Schlüsselqualifikationen:

 

Abb. 4: Beziehungszusammenhang der Schlüsselqualifikationen

 

Quelle: Speth 1995, 167.

 

Für den Erwerb von Handlungskompetenz „sind eigene Lernprozesse erforderlich, die unter lebensnahen Bedingungen stattfinden müssen“ (Weinert 1999b, 34). Das Konferenzspiel stellt einen solchen Lernprozess unter lebensnahen Bedingungen dar, da ein gesellschaftsbezogenes Problem, von dem auch die Schüler betroffen sind, analysiert und nachgespielt wird.

Die Schüler analysieren und werten differenziertes Informationsmaterial aus, um sich eine Strategie zu erarbeiten (Klippert 1995, 201). Durch die selbstständige Erarbeitung dieser Informationsmaterialien eignen sich die Schüler neue Kenntnisse an, die ihre Sachkompetenz fördern (Weber 1997, 117). Die Schüler erkennen, dass sie auf den Spielablauf nur Einfluss nehmen können, wenn sie sich zuvor das benötigte Wissen angeeignet haben (Keim 1992, 144). Auf welchem Fachgebiet die Schüler ihre Fachkompetenz steigern, ist abhängig von der jeweiligen Problemstellung des Konferenzspiels. Da sich die Schüler eigenständig anhand der bereitgestellten Informationen ihre Lösungsstrategien selbst erarbeiten, werden sie auch in ihrer Methodenkompetenz gestärkt. Hier verbessern sie ihre Planungsfähigkeit von Strategien, beim Konferenzspiel vor allem die Planung ihrer beabsichtigten kommunikativen und kooperativen Prozesse. Außerdem lernen sie, wie sie Informationen auswerten sowie beurteilen müssen und sie werden in ihrer Fähigkeit der Antizipation des Verhaltens ihrer Gegenspieler geschult. Das Konferenzspiel fördert auch die Wertekompetenz der Schüler. Die Schüler werden hinsichtlich ihrer Kritik- und Urteilsfähigkeit, ihrer Solidaritätsfähigkeit und ihrer Verantwortungsbereitschaft sensibilisiert (Weber 1997, 118). Die weitere Konkretisierung und inhaltliche Spezifizierung der einzelnen Bereiche der Wertekompetenz ist wiederum wie bei der Sachkompetenz von der jeweiligen Problemstellung des Konferenzspiels abhängig. Und schließlich werden die Schüler in ihrer Sozialkompetenz gestärkt. Die Schüler müssen hinsichtlich des zu lösenden Problems eine Entscheidung treffen. Diese Entscheidung kann aber nicht alleine getroffen werden, sondern muss in Abstimmung mit den jeweiligen anderen Interessenvertretern erfolgen. Die Schüler müssen sich daher in der Konferenz argumentativ mit den anderen Konferenzteilnehmern auseinandersetzen. Damit verbessern die Schüler sowohl ihre Entscheidungs- und Kooperationsfähigkeit als auch ihre Kommunikationsfähigkeit (Weber 1997, 118).

Das Konferenzspiel fördert also im Rahmen eines handlungsorientierten Unterrichts die Schlüsselqualifikationen der Schüler. Wie der Erfolg von Konferenzspielen ausgewertet werden kann, ist zum Abschluss des Theorieteils im folgenden Gliederungspunkt zu analysieren.

2.5 Möglichkeiten der Evaluation von Konferenzspielen

Die Ergebnisse und Auswirkungen des Konferenzspiels sind in einem letzten Schritt zu reflektieren und zu bewerten. Dieser Schritt wird als Evaluation bezeichnet. Unter Evaluation wird in der Pädagogik „eine methodisch kontrollierte Beschreibung und Bewertung von pädagogischen Programmen, Maßnahmen, Methoden u. ä. verstanden. (...) Vorrangig geht es hierbei um die Messung der in Lehr-/Lernsituationen herbeigeführten Veränderungen des Adressatenverhaltens“ (Geise 1992, 198). Geise unterscheidet drei Möglichkeiten der Evaluation von Rollenspielen (Geise 1992, 196 ff.), die analog auch auf das Konferenzspiel übertragbar sind: die immanente, die lernzielgesteuerte und die responsive Evaluation. Im Folgenden werden diese drei Ansätze bezogen auf Konferenzspiele dargestellt.

Bei der immanenten Evaluation ist die Auswertung des Konferenzspiels integraler Bestandteil des Spielablaufs. Der Lehrer führt nach der abgehaltenen Konferenz die Evaluation durch, mit dem Ziel den Lernerfolg der Schüler zu bestimmen und abzusichern (Geise 1992, 196). Die Bewertung des Spielablaufs umfasst sowohl inhaltliche Aspekte (Prozessbewertung) als auch das individuelle Spielverhalten (Verhaltensbewertung) (Geise 1992, 199). Die Bewertung des Spiels sollte folgende Gesichtspunkte enthalten: die Realitätstreue der Darstellung, die Interaktion der Spieler und das Verhalten bei der Auseinandersetzung um den eigentlichen Konflikt. Zur Erhebung der Daten können verschiedene Methoden eingesetzt werden. An das Spiel kann sich direkt ein Interview anschließen. Die Schüler behalten ihre Rollen und beantworten die Fragen immer noch aus Sicht der Rolle, die sie übernommen haben. Eine andere Möglichkeit ergibt sich bei der Rekapitulation des Spielverlaufs. Hier wird das Spiel über eine Tonband- oder Videoaufnahme aufgezeichnet. Dadurch ergibt sich eine größere Distanz zum Spiel und Wesentliches kann besser von Unwesentlichem getrennt werden. Eine weitere Methode ist die freie Assoziation. Die Schüler geben nach dem Spiel spontan ihre Eindrücke wieder. An die spontanen Aussagen kann sich dann ein systematischer Bewertungsprozess anschließen. Und schließlich kann als letzte Methode vor Spielbeginn ein Beobachtungsbogen ausgegeben werden, der im Anschluss an das Spiel auszuwerten ist (Kluge & Schmitz 1982, 102 f.).
Die lernzielgesteuerte Evaluation stellt die Lernziele in den Mittelpunkt der Auswertung. Die mit den Lernzielen verbundenen Postulate werden den real eingetretenen Geschehnissen gegenübergestellt, um so eine Entscheidung hinsichtlich der weiteren Programmplanung treffen zu können. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge sollen mittels eines Hypothesentests in einem kontrollierten Untersuchungsdesign bestimmt werden. Die Fragestellungen der Evaluation leiten sich aus den Lernzielen ab. Ausgehend von diesen Fragestellungen werden dann die zu überprüfenden Hypothesen aufgestellt. Der Evaluator und der Leiter des Konferenzspiels sind jeweils unterschiedliche Personen, die in verschiedenen Handlungsfeldern und Verwendungszusammenhängen eingebunden sind. Aufgabe des Evaluators ist es, von außen mit einem eindeutigen Forschungsplan an das Konferenzspiel heranzutreten (Geise 1992, 204 ff.).

Die responsive Evaluation ist ein sogenannter offener Evaluationsansatz, d.h. Fragestellungen, die die Evaluation leiten sollen, sind selbst Gegenstand des Evaluationsprozesses. Die responsive Evaluation zielt mehr auf die Programmaktivitäten als auf die Lernziele. Sie ermittelt die Informationsbedürfnisse der Teilnehmer des Konferenzspiels, um so sinnvolle Informationen beschaffen zu können, die zu einer Verbesserung des Konferenzspiels beitragen. Die Interessen der Teilnehmer sowie deren Vorstellungen bezüglich wichtiger Fragestellungen, akzeptabler Erhebungsmethoden und der anschließenden Information über die Ergebnisse stehen im Mittelpunkt des Evaluationsprozesses. Ziel der responsiven Evaluation ist es, die Verwendbarkeit eines pädagogischen Programms (zum Beispiel ein Konferenzspiel) zu verbessern (Geise 1992, 208 ff.).

Je nachdem welche Zielsetzung mit der Evaluation verfolgt wird, ist ein anderer Evaluationsansatz zu wählen. In der vorliegenden Arbeit wird die Evaluation als ein didaktisches Element des Konferenzspiels aufgefasst, das zur Lernerfolgssicherung beitragen soll. Die Vorbereitung, Durchführung und Reflexion des Konferenzspiels stellen einen didaktisch aufeinander aufgebauten Lehr-Lern-Prozess dar (Geise 1992, 216). Das in den folgenden Kapiteln dargestellte Konferenzspiel zum Thema Klimaschutz wird daher im Rahmen einer immanenten Evaluation reflektiert.
Nach der theoretischen Abhandlung des Konferenzspiels als eine Methode des handlungsorientierten Unterrichts ist das Konferenzspiel in die Unterrichtspraxis umzusetzen. Aufgrund des in der Einführung beschriebenen aktuellen Anlasses wird in dieser Arbeit eine internationale Konferenz zum Thema Klimaschutz nachgespielt. Im folgenden Kapitel wird die für die unterrichtspraktische Umsetzung erforderliche didaktische Analyse erstellt.

 

3. Die didaktische Aufbereitung des Konferenzspiels am Thema `Klimaschutz´

3.1 Analyse der Stoffstruktur

3.1.1 Stoffstruktur

Der Lehrplan im Fach Wirtschaft an der Wirtschaftsoberschule schreibt vor, den Schülern Denktechniken zu vermitteln, „die die Interdependenz von Wirtschaft und Gesellschaft aufzeigen und die damit zur verantwortungsbewussten Teilnahme am politischen und sozialen Handeln befähigen“ (Kultus & Unterricht 1999, 70). Die aktuelle Diskussion um den internationalen Klimaschutz und die damit verbundene Umsetzung des Kyoto-Protokolls eignet sich in besonderem Maße, dieses Lernziel mittels einer nachgespielten Klimakonferenz zu erreichen, da hier die Interdependenz zwischen Wirtschaft und Gesellschaft und die damit einhergehende politische und soziale Verantwortung aufgezeigt werden kann. Der Lehrplan der Berufsoberschule sieht in der Lehrplaneinheit 12 `Theorie und Praxis der Wirtschaftspolitik´ vor, wirtschaftspolitische Zielsetzungen zu begründen und Zielbeziehungen zu untersuchen sowie die Grenzen und Gefahren des Wachstums zu beurteilen (Kultus & Unterricht 1999, 86). Diese Lernziele lassen sich an den aktuellen Streitigkeiten und Uneinigkeiten bei der Umsetzung des Kyoto-Protokolls besonders gut verdeutlichen. Aus diesem Grund wird diese Unterrichtseinheit vorgezogen und zwischen der Lehrplaneinheit 4 `Bestimmung der Nachfrage und des Angebots´ und der Lehrplaneinheit 5 `Preisbildung´ angesiedelt. Da vor der Durchführung des Konferenzspiels zum Klimaschutz die `Bestimmung der Nachfrage und des Angebots´ behandelt wurde und im Anschluss an das Konferenzspiel die `Preisbildung´ behandelt wird, beschränkt sich die Analyse der Stoffstruktur auf die Hauptstruktur des Themas, da sowohl Vor- als auch Nachstruktur in keinem direkten Zusammenhang zum Konferenzspiel stehen.

Um die internationale Klimapolitik verstehen und beurteilen zu können, ist ein chronologischer Abriss der internationalen Konferenzen zum Klimaschutz erforderlich. 1985 entdeckten amerikanische Satelliten das Ozonloch über der Antarktis. Am 1. Januar 1989 trat daraufhin das Montrealer Protokoll zum Schutz des Klimas in Kraft (Cansier 1996, 350). Nach dem Montrealer Protokoll fanden noch mehrere Konferenzen statt bis im Jahre 1992 die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro stattfand. Hier wurde die Klima-Rahmenkonvention abgeschlossen, welche die völkerrechtliche Vertragsgrundlage für den internationalen Klimaschutz bildet. Nach Rio de Janeiro schließen sich weitere Konferenzen 1995 in Bonn und 1996 in Genf an, bevor 1997 im japanischen Kioto das Kyoto-Protokoll verabschiedet wurde. Weitere Konferenzen waren 1998 in Buenos Aires und 1999 in Bonn. Im November 2000 stand dann die Konferenz in Den Haag an, bei der eine Konkretisierung des Kyoto-Protokolls angestrebt wurde (Smid 2000). Der Klimagipfel in Den Haag scheiterte jedoch, weil die EU als Befürworterstaat und die Entwicklungsländer mit den USA als Führer der Bremserstaaten in den strittigen Punkten der Anrechnung von Senken, der Ausgestaltung des Emissionshandels, der Frage des Clean Development Mechanism (CDM) und der Frage, wo die Reduktionsziele zu erfüllen sind, keine Einigung erzielen konnten (Trittin 2000). Aufbauend auf diesen strittigen Punkten kann anhand der Umweltprinzipien (Nachhaltigkeitsprinzip, Vorsorgeprinzip, Verursacherprinzip) erläutert werden, welche Möglichkeiten die politischen Entscheidungsträger haben, um weltweit für alle gültige Standards zu setzen. Abschließend sind die umweltpolitischen Instrumente zu behandeln, mit denen die Umweltprinzipien umgesetzt werden können. Aufbauend auf dieser Stoffstruktur erarbeiten sich die Schüler selbstständig ihre Strategien für die sich anschließende Klimafolgekonferenz. Die Stoffstruktur lässt sich durch folgende Abbildung veranschaulichen:

 

Abb. 5: Stoffstruktur

 

Quelle: eigene Darstellung

3.1.2 Stoffschichtung

Die internationale Klimapolitik kann unter verschiedenen Gesichtspunkten analysiert werden. In der Makroökonomie stehen sich die beiden Ziele des Wirtschaftswachstums und der Erhaltung einer lebenswerten Umwelt gegenüber. Die Frage ist, ob ein Wirtschaftswachstum um jeden Preis wünschenswert ist. Die USA stellt ihre wirtschaftlichen Interessen vor denen des Umweltschutzes. Ob dieses Verhalten zu rechtfertigen ist, lässt sich aber alleine aus der makroökonomischen Sicht nicht hinreichend erörtern. Hier müssen auch soziale und moralische Gesichtspunkte Berücksichtigung finden. So haben die USA zum Beispiel einen zehnmal so hohen Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 wie die Entwicklungsländer. Unter Gerechtigkeitsgesichtpunkten ist es also durchaus zu vertreten, dass die USA ihren CO2-Ausstoß verringern, um die wirtschaftliche Entwicklung in den Entwicklungsländern voranzutreiben, die auch mit einem höheren CO2-Ausstoß verbunden sein wird (Töpfer 2001, 46). Die internationale Klimapolitik kann aber auch aus Sicht der Mikroökonomie betrachtet werden. Der Handel mit Emissionszertifikaten führt zu einem Preis, der Angebot und Nachfrage nach Emissionen zum Ausgleich bringt. Wer einen höheren CO2-Ausstoß hat, muss diesen von einem anderen Emittenten abkaufen. So sorgt der Preismechanismus dafür, dass die Emittenten von CO2 die dadurch entstehenden externen Kosten in ihre Preise mit einkalkulieren müssen. Unternehmen mit einem geringeren CO2-Ausstoß können ihre Zertifikate verkaufen und ihre Produkte billiger anbieten. Unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten muss jedoch ein Ausgleich zwischen den Zielen der Wirtschaft sowie den sozialen und umweltpolitischen Interessen geschaffen werden. Diese Zielsetzungen stehen sich nicht immer konträr gegenüber, da durch umweltschonende Innovationen Wettbewerbsvorteile erzielt werden können. Umweltschutz kann auch zum Wachstum der Wirtschaft und zum Erhalt von Arbeitsplätzen beitragen. Auch die Finanzpolitik ist von der Klimapolitik betroffen. Der Staat kann seine Einnahmen durch eine Steuer auf schädliche Emissionen erhöhen und diese auf der Ausgabenseite für umweltpolitische Aktivitäten wieder ausgeben. Die Schwierigkeit der internationalen Klimapolitik besteht jedoch in der juristischen Absicherung der Vereinbarungen. So haben das Kioto-Protokoll zwar 98 Staaten unterzeichnet, ratifiziert wurde es aber bisher nur von 14 Entwicklungsländern (Smid 2000). Auch die Überwachung und Einhaltung der vereinbarten Punkte ist schwierig, ebenso wie die eindeutige Feststellung des Verursachers von Umweltschäden. Die in den Konferenzen vereinbarten Schutzmaßnahmen sind für die Unternehmen in der Regel mit zusätzlichen Kosten verbunden. Betriebswirtschaftlich gesehen können diese zusätzlichen Kosten entweder Anreiz sein, neue umweltschonendere Produkte zu entwickeln oder sie werden neben den bereits bestehenden Kosten als zusätzliche Belastung empfunden. Diese Ausführungen zeigen, dass die Klimapolitik ein sehr vielschichtiges und differenziertes Thema ist.

3.2 Stoffauswahl und Stoffabgrenzung

3.2.1 Qualitative Stoffauswahl und –abgrenzung

Der Klimawandel wird heutzutage nicht mehr in Frage in gestellt (Töpfer 2001, 46). Die Schüler sind hiervon direkt betroffen und haben ein Interesse daran, dass die politischen Entscheidungsträger konkrete Maßnahmen zum Schutz des Klimas erlassen. Die aktuelle politische Klimaschutzdiskussion hat für die Schüler einen hohen Realitätsbezug, der aber nur vollständig durchdrungen und kritisch hinterfragt werden kann, wenn den Schülern bewusst ist, auf welche Weise politische Entscheidungsprozesse ablaufen. Deshalb müssen sie mit dem Instrumentarium der Umweltpolitik vertraut gemacht werden und die Entwicklungen, die zu der Kontroverse in der Klimapolitik geführt haben, kennen und verstehen. Nur so können sie in der Zukunft Entscheidungen, die im Bereich der Klimapolitik getroffen werden, nachvollziehen und kritisch reflektieren. Somit hat das Thema für die Schüler auch eine starke Zukunftsbezogenheit, die dadurch noch unterstrichen wird, dass umweltpolitische Maßnahmen oftmals erst in der Zukunft ihre positiven Auswirkungen zeigen. Politisch effiziente Maßnahmen bringen kurzfristig oftmals Nachteile mit sich, dagegen haben kurzfristig attraktive Maßnahmen längerfristig häufig Ineffizienzen zur Folge (Kruse & Berger 1996, 97). Die aktuelle Diskussion zum internationalen Klimaschutz soll den Schülern exemplarisch den Ablauf wirtschaftspolitischer Prozesse verdeutlichen sowie die Notwendigkeit und Möglichkeiten der Umweltpolitik aufzeigen. Die Schüler sollen erkennen, welche Chancen wirtschaftspolitische Konferenzen bieten und mit welchen Problemen die Teilnehmer solcher Konferenzen konfrontiert werden. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse können die Schüler dann auf andere wirtschaftspolitische Entscheidungsprozesse übertragen.

3.2.2 Quantitative Stoffabgrenzung

Im Mittelpunkt der Stofferarbeitung sollen aus der volkswirtschaftlichen Schicht die makro- und mikroökonomischen Gesichtspunkte sowie die wirtschaftspolitischen Abläufe stehen. Die volkswirtschaftliche Darstellung des Sachverhalts alleine reicht aber nicht aus, um das Thema umfassend zu erarbeiten. Den Schülern muss auch die soziale und moralische Verantwortung deutlich sein, die jedes Land trägt, unabhängig davon, ob es sich um ein Industrieland oder ein Entwicklungsland handelt. Deshalb werden ausgehend von einer Videoeinspielung zum Thema „Klimaschutz“ gemeinsam die wichtigsten UN-Klimaverhandlungen erarbeitet. Aus Vereinfachungs- und Zeitgründen werden nur die Konferenzen in Rio de Janeiro, Kyoto und Den Haag erläutert. Die Schüler erarbeiten sich dann in einer Gruppenarbeit die Vertragspunkte, an denen die Klimakonferenz in Den Haag scheiterte. Aus Gründen des Methodenwechsels werden die Umweltprinzipien in Form eines Lehrervortrags erarbeitet, an den sich eine Partnerarbeit zu den Instrumenten der staatlichen Umweltpolitik anschließt. Die Schüler bilden dann selbstständig fünf Gruppen. Jede Gruppe hat eine der folgenden Rollen zu übernehmen: Befürworterstaaten, Bremserstaaten, Entwicklungsländer, Presse, Umweltschutzgruppe. Die Gruppen erarbeiten sich ihre Strategie für die Konferenz. Hierzu bekommen sie von der Lehrerin weitere Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt, welche die zuvor behandelten theoretischen Grundlagen weiter differenzieren und präzisieren. Nachdem sich die einzelnen Gruppen ihre Strategie für die anstehende Konferenz erarbeitet haben, wird die Konferenz durchgeführt. Im Anschluss an die Konferenz findet zum Abschluss der Unterrichtseinheit eine Reflexion des Konferenzspiels statt.

3.3 Erkenntnisleitende Fragestellungen)

Das erkenntnisleitende Interesse der Schüler soll auf die Frage der Grenzen und Gefahren des wirtschaftlichen Wachstums gelenkt werden. Die sich immer stärker abzeichnenden Klimaveränderungen sollen das Interesse der Schüler an umweltpolitischen Fragestellungen wecken und so das Umweltbewusstsein der Schüler fördern. Die Schüler sollen ein Interesse an den hinter den Konferenzergebnissen ablaufenden wirtschafts- und umweltpolitischen Prozessen entwickeln und erkennen, inwieweit sich wirtschaftspolitische und umweltpolitische Ziele auf der einen Seite konträr gegenüberstehen und sich auf der anderen Seite aber auch ergänzen können. Folgende erkenntnisleitende Fragestellungen sollen die einzelnen Lernschritte einleiten:

  1. Welche politischen Meinungen standen sich bei der Klimakonferenz in Den Haag im November 2000 gegenüber?
  2. Welche klimaschutzpolitischen Ereignisse gingen der Klimakonferenz in Den Haag voraus?
  3. Welche Gründe führten zu einem Scheitern der Klimakonferenz in Den Haag?
  4. Auf welchen Umweltprinzipien kann ein effizienter Klimaschutz aufgebaut werden?
  5. Welche umweltpolitischen Instrumente stehen den politischen Entscheidungsträgern zur Umsetzung dieser Umweltprinzipien zur Verfügung?
  6. Welche Strategien können die Befürworterstaaten, die Bremserstaaten, die Entwicklungsländer, Journalisten und Umweltschutzgruppen entwickeln, um auf der nächsten Klimakonferenz einen mit den eigenen Interessen in Einklang stehenden Kompromiss zu erzielen?
  7. Welche Forderungen stellt die Umweltschutzgruppe?
  8. Wie sieht die Berichterstattung der Presse aus?
  9. Welche Forderungen stellen Befürworterstaaten, Bremserstaaten und Entwicklungsländer?
  10. Wie kann zwischen diesen unterschiedlichen Länderinteressen eine Einigung erzielt werden?
  11. Wie ist das Ergebnis der durchgeführten Konferenz zu beurteilen?
  12. Welche Erfahrungen wurden bei der Durchführung des Konferenzspiels gemacht?

3.4 Entscheidungsanalyse über Lernziele

3.4.1 Allgemeine Lernziele bzw. Schlüsselqualifikationen

Die allgemeinen Lernziele werden anhand der Abbildung 4 `Beziehungszusammenhang der Schlüsselqualifikationen´ analysiert. Die Fachkompetenz der Schüler wird durch die Vermittlung neuer wirtschafts- und umweltpolitischer Zusammenhänge gefördert. Sie erkennen das Beziehungsgefüge zwischen den einzelnen Klimakonferenzen und können begründen, warum die Klimakonferenz in Den Haag gescheitert ist. Ausgehend von diesen aktuellen Geschehnissen werden sie mit den verschiedenen Umweltprinzipien und dem umweltpolitischen Instrumentarium vertraut gemacht. Da sich die Schüler die Lerninhalte selbstständig in Partner- und Gruppenarbeit erarbeiten, werden sie auch in ihrer Methodenkompetenz geschult. Sie lernen eine Aufgabenstellung zielorientiert und selbstständig zu strukturieren und zu lösen. Aufbauend auf ihrem erarbeiteten Wissen müssen sie für ihre jeweilige Gruppe eine Strategie für ihre Verhandlungsposition in der nachgespielten Klimakonferenz entwickeln. Auch hier können sie methodisches Vorgehen lernen und einüben, ebenso wie bei der Konferenz selbst, da die Schüler diese selbstständig durchführen und moderieren.

Neben diesen fachlichen Qualifikationen werden die Schüler auch in ihren fachübergreifenden Qualifikationen gefördert. So findet eine Stärkung der Sozialkompetenz statt, da sich die Schüler innerhalb ihrer Gruppe in einem kooperativen und zielorientierten Prozess auf eine gemeinsam durchzuführende Strategie einigen müssen. Eine weitere Förderung der Sozialkompetenz erfolgt während der Konferenz selbst. Die einzelnen Gruppen müssen sich mit den Argumenten der jeweils anderen Gruppen auseinandersetzen. Sie müssen die Standpunkte der anderen Gruppen tolerieren und gleichzeitig unter Berücksichtigung ihrer eigenen Ziele versuchen einen Kompromiss zu finden. Somit wird sowohl ihre Durchsetzungsfähigkeit als auch ihre Kompromissfähigkeit und Entscheidungsfähigkeit gefördert. Die argumentative Auseinandersetzung der Schüler untereinander zum einen während der Erarbeitung ihrer Gruppenstrategie und zum anderen während der Konferenz selbst fördert auch deren Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit. Auch die Wertekompetenz der Schüler wird gestärkt. Die Schüler lernen die Standpunkte der einzelnen Länder zu beurteilen und zu kritisieren. Da sie jeweils ein Land bzw. eine Institution vertreten, lernen sie auch Verantwortung sowohl für ihre übertragene Rolle zu übernehmen als auch für die berechtigten Interessen der zu schützenden Umwelt. Innerhalb dieses Spannungsfelds müssen sie ihre Strategie entwickeln. Diese fachübergreifenden Qualifikationen fördern zusammen mit der Sachkompetenz die berufliche Handlungskompetenz, die dann wiederum nach Abbildung 4 zu einer Förderung der Kompetenz der Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit führt.

3.4.2 Fachliche Lernziele

Ausgehend von dem in Abbildung 3 dargestellten Ablauf eines Konferenzspiels, werden mit jeder Phase des Konferenzspiels andere fachliche Lernziele verfolgt. In der Informationsphase ist den Schülern der theoretische und praxisbezogene Lernstoff zu vermittelt. Hier sollen die Schüler

  • die politischen Meinungen zum Klimaschutz wiedergeben können.
  • die wichtigsten internationalen Konferenzen zum Klimaschutz nennen können.
  • die Gründe erklären können, die zum Scheitern der Klimakonferenz in Den Haag führten.
  • die Gründe beurteilen können, die zum Scheitern der Klimakonferenz führten.
  • die Umweltprinzipien erklären können.
  • die Instrumente der Umweltschutzpolitik erklären können.

Aufbauend auf diesen Kenntnissen erarbeiten sich die Schüler in der nun folgenden Vorbereitungsphase ihre Strategie, die sie auf der sich anschließenden Konferenz verfolgen wollen. Die Schüler sollen hier je nachdem welcher Gruppe sie angehören

  • eine Strategie für die Befürworterstaaten entwerfen.
  • eine Strategie für die Bremserstaaten entwerfen.
  • eine Strategie für die Entwicklungsländer entwerfen.
  • eine objektive Presseberichterstattung gestalten.
  • eine Aktion einer Umweltschutzgruppe zum Schutz des Klimas entwerfen.

In der nun folgenden Spielphase setzen die einzelnen Gruppen ihre entworfenen Strategien um. Die Schüler sollen jetzt

  • die Strategie ihrer Gruppenarbeit realisieren.
  • die Strategien der anderen Gruppen interpretieren.
  • das Ergebnis der Konferenz kommentieren.

Zum Abschluss findet noch die Reflexion des Konferenzspiels statt. Die Schüler sollen

  • ihre eigene Strategie kritisch hinterfragen.
  • die Strategie der anderen Gruppen kritisch hinterfragen.
  • die im Spiel gemachten Erfahrungen auf die Realität übertragen.
  • das Konferenzspiel kritisch würdigen.

An die didaktische Aufbereitung des Konferenzspiels zum Thema Klimaschutz schließt sich im folgenden Kapitel die konkrete Durchführung an.

4. Die Umsetzung des Konferenzspiels anhand einer fiktiven Klimakonferenz

4.1 Verknüpfung der Lernziele mit der gesellschaftlichen Realität

Im Gliederungspunkt 2.1. `Merkmale und Ziele des handlungsorientierten Unterrichts´ wurde festgestellt, dass lebensnahe Problem- und Aufgabenstellungen im Mittelpunkt des Unterrichts stehen sollen. Die Schüler sollen mit realen Situationen konfrontiert werden, anhand derer die Lerninhalte zu vermitteln sind. Für die Lehrplaneinheit `Theorie und Praxis der Wirtschaftspolitik´ der Wirtschaftsoberschule bedeutet dies, dass deren spezifische Lerninhalte anhand aktueller wirtschaftspolitischer Vorkommnisse zu behandeln sind. Die Schüler können die Theorie und Praxis der Wirtschaftspolitik nur verstehen und beurteilen, wenn Problemstellungen behandelt werden, von denen sie selbst betroffen sind und die in der aktuellen politischen Diskussion stehen. Ein solches Thema stellt zurzeit die internationale Klimapolitik dar. Hier kann den Schülern sowohl die Theorie der Wirtschaftspolitik verdeutlicht werden als auch die in der Praxis tatsächlich durchgesetzten Beschlüsse. Somit können die vom Lehrplan vorgesehenen Lernziele mit der für die Schüler vorfindbaren gesellschaftlichen Realität verknüpft werden. Die nachfolgenden Gliederungspunkte geben den konkreten Stundenablauf des Konferenzspiels wieder, der sich an dem Ablaufschema des Konferenzspiels in Abbildung 3 orientiert.

4.2 Vermittlung der theoretischen und praxisbezogenen Lerninhalte

Die erste Phase des Konferenzspiels stellt nach Abbildung 3 die Information der Schüler dar. Die Schüler müssen mit der Problem- und Aufgabenstellung des Konferenzspiels vertraut gemacht werden. Die Informationsphase dauerte zwei Schulstunden. Um die Schüler an das Thema der internationalen Klimapolitik heranzuführen und eine emotionale Betroffenheit hervorzurufen, wurde als Einstieg in das Thema ein Videoausschnitt aus dem Arte-Themenabend zur Klimapolitik (ausgestrahlt im Februar 2001) gezeigt. Der Videoausschnitt warf die Frage auf, wer für die zunehmende Erderwärmung verantwortlich ist: der Mensch oder natürliche Vorgänge, beispielsweise Vulkanausbrüche. Der Videoausschnitt zeigte Bilder von Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen, Hurrikane, Feuersbrünste, einstürzende Häuser in Küstennähe, die eine starke Betroffenheit hervorrufen. Am Schluss stellte der Videoausschnitt die zwei sich konträr gegenüberstehenden politischen Meinungen gegenüber: Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore, der ein internationales Abkommen zum Schutz des Klimas befürwortet und seine Gegner, die die Einschränkung fossiler Brennstoffe als wirtschaftliche Apokalypse sehen. Der Videoausschnitt hat bei den Schüler eine starke Betroffenheit hervorrufen und das Interesse am Thema geweckt. Die zwei sich politisch gegenüberstehenden Meinungen waren ihnen ebenso wie die aktuellen Geschehnisse in den USA bekannt. George Bush hatte sich in der Zwischenzeit bei den Präsidentschaftswahlen in den USA gegen seinen Mitstreiter Al Gore durchgesetzt. Bush lehnt das internationale Klimaschutzabkommen im Gegensatz zu Gore aus wirtschaftlichen Gründen ab.

In dem Videoausschnitt wurde auch die gescheiterte Klimakonferenz in Den Haag angesprochen. Dieser Teil des Videoausschnittes war der Bezugspunkt für die gemeinsame Erarbeitung der einzelnen Klimakonferenzen. Auch hier konnte auf das Vorwissen der Schüler zurückgegriffen werden, das aber nur sehr unstrukturiert vorhanden war. So war einigen Schüler die 1992 in Rio de Janeiro abgehaltene UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung bekannt. Einzelne Schüler wussten, dass hier von allen beteiligten Ländern das Prinzip der Nachhaltigkeit anerkannt und zur Grundlage des weiteren wirtschaftlichen Handelns gemacht wurde (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1997, 10 f.). Den Schülern war auch bekannt, dass es nach Rio de Janeiro noch weitere Konferenzen zum Klimaschutz gegeben hatte, konnten diese aber nicht mehr einordnen. Gemeinsam wurde daraufhin das Tafelbild mit den grundlegenden Konferenzen zum Klimaschutz erarbeitet. Nachdem der Zusammenhang zwischen den einzelnen Konferenzen aufgezeigt war, stellte sich die Frage, warum nach der in Rio de Janeiro noch überall spürbaren Euphorie die Klimakonferenz in Den Haag scheiterte. Dazu erhielten die Schüler von der Lehrerin folgende Arbeitsmaterialien: Zusammenfassung der strittigen Punkte von Den Haag, Informationen zum Treibhauseffekt und der Kohlendioxid-Emissionen, OHP-Folien zum Visualisieren ihrer Arbeitsergebnisse. In einer arbeitsteiligen Gruppenarbeit erarbeitete sich jede Gruppe selbstständig einen der strittigen Punkte von Den Haag und beurteilte diesen. Die Gruppen arbeiteten während der Erarbeitungsphase sehr intensiv an ihrer jeweiligen Aufgabenstellung. Es fanden innerhalb der Gruppen lebhafte Diskussionen statt, ob die auf der Klimakonferenz in Den Haag erörterten Punkte hinsichtlich des Klimaschutzes überhaupt sinnvoll seien. Auch die Positionen, die die einzelnen Länder zu diesen Punkten einnahmen, wurden von den Schülern angeregt diskutiert. Die Lehrerin griff in die Diskussionen der einzelnen Gruppen nur bei Fragen der Schüler ein und blieb ansonsten während dieser Erarbeitungsphase im Hintergrund. Im Anschluss an die Erarbeitungsphase präsentierten die einzelnen Gruppen ihre Ergebnisse am OHP. Die Inhalte der strittigen Punkte wurden von den einzelnen Gruppen sehr gut erfasst. Die Vorträge waren stichhaltig und für die Schüler sehr gut zu verstehen, so dass eine gute und verständliche Zusammenführung der einzelnen Gruppenergebnisse erfolgte. Dies zeigte sich auch an der Diskussion, die sich bei der Präsentation der einzelnen Gruppenergebnisse ergab. Auch hier wurde die emotionale Betroffenheit der Schüler durch das Thema wieder spürbar.

Nach der Erarbeitung und Diskussion der strittigen Punkte von Den Haag war die Frage zu klären, auf welchen umweltpolitischen Prinzipien die politischen Entscheidungsträger ihre Arbeit aufbauen können, um so zu weltweit anerkannten Umweltstandards zu kommen. Nach der vorausgegangenen Gruppenarbeit wurde aus Gründen des Methodenwechsels zu diesem Teilaspekt der fragend-entwickelnde Lehrervortrag gewählt. Der Lehrervortrag wurde von der Klasse begeistert mit Applaus aufgenommen. Nach der Gruppenarbeit war es für die Schüler gut, sich in dieser Phase etwas zurückzunehmen. Die Schüler hörten aufmerksam und interessiert zu und hinterfragten die von der Lehrerin vorgestellten Umweltprinzipien kritisch. Der Lehrervortrag wurde durch eine Visualisierung an der Tafel ergänzt. Zur Ergebnissicherung erhielten die Schüler ein Informationsblatt zu den Umweltprinzipien. Zum Abschluss der Informationsphase erarbeiteten sich die Schüler selbstständig in einer Partnerarbeit, mit welchen umweltpolitischen Instrumenten diese Umweltprinzipien umgesetzt werden können. Die Ergebnisse des Lehrervortrags wurden in den Arbeitsauftrag der Partnerarbeit mit eingearbeitet, um so eine Sicherung und einen Transfer der Umweltprinzipien zu ermöglichen. Da die Schüler der Wirtschaftsoberschule auch zur Studierfähigkeit erzogen werden sollen, erhielten sie einen relativ abstrakt gehaltenen Text zu den Instrumenten staatlicher Umweltpolitik, anhand dessen sie sich die umweltpolitischen Instrumente selbstständig erarbeiten sollten. Dadurch wurden sie in ihrem abstrakten Denkvermögen gefördert, das für ein späteres Studium unabdingbar ist. Die Schüler konnten die umweltpolitischen Instrumente ohne Probleme erklären und den Umweltprinzipien zuordnen. Die Ergebnisse der Partnerarbeit wurden auf einer vorbereiteten Powerpoint Präsentation festgehalten. Bei der Besprechung dieser Partnerarbeit entwickelte sich wieder eine angeregte Diskussion in der Klasse bezüglich der Nützlichkeit und Anwendbarkeit der erarbeiteten umweltpolitischen Instrumente. Die Schüler hinterfragten die einzelnen umweltpolitischen Instrumente sehr kritisch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Auch hier wurden wieder die emotionale Betroffenheit und das Interesse der Schüler am Thema Umweltschutz deutlich.

Zum Abschluss dieser Sitzung wurde den Schülern der weitere Verlauf des Konferenzspiels erläutert. Es wurde den Schülern gesagt, dass sie die Klimafolgekonferenz im Juli 2001 in Bonn vorwegnehmen und diese Konferenz hier durchspielen. Dazu sollten sich die Schüler zunächst in Gruppen zusammenfinden, die jeweils die Rolle der Befürworterstaaten, der Bremserstaaten, der Entwicklungsländer, der Journalisten und der Umweltschutzgruppen übernehmen. In der folgenden Sitzung haben sie dann Zeit, sich eine Strategie für die in der darauffolgenden Sitzung abzuhaltenden Klimakonferenz zu erarbeiten. Wie die Erarbeitung der Gruppenstrategien erfolgte, wird im nächsten Gliederungspunkt dargestellt.

Unterrichtsmaterialien zu 4.2.

1. Planung des Unterrichtsverlaufs

2. Tafelbild: Die Klimapolitik der Vereinten Nationen

3. Tafelbild: Umweltprinzipien

4. 6. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention in Den Haag

5. Kohlendioxid-Emissionen in Zahlen

6. Arbeitsaufträge der Gruppen 1-4

7. Umweltprinzipien

8. Instrumente staatlicher Umweltpolitik

4.3 Erarbeitung der von den einzelnen Gruppen verfolgten Strategien

Die Erarbeitung der Strategien, welche die Gruppen bei der Konferenz verfolgen, stellt nach dem Ablaufschema des Konferenzspiels in Abbildung 3 die Vorbereitungsphase dar. Die Einteilung der Gruppen wurde von der Klasse selbstständig und eigenverantwortlich vorgenommen. Die Schüler sollten sich nach ihrer eigenen Interessenlage und in Auseinandersetzung mit den anderen Mitschülern entscheiden, wer in welcher Gruppe am Konferenzspiel teilnimmt. Aus diesem Grund griff die Lehrerin in den Gruppenbildungsprozess bewusst nicht ein. Die Lehrerin übernahm die Rolle einer neutralen Stelle, die zusätzliches Informationsmaterial zur Verfügung stellte und auftretende Fragen beantwortete. Die Arbeitsgruppen der verschiedenen Ländergruppen bekamen eine Arbeitsmappe, die folgende Materialien enthielt: Eine Rollenkarte, auf der die Schüler Informationen über ihre Position bekamen, die sie spielen und vertreten sollten (Bonz 1999, 139), Formblätter zur Entwerfung eines Positionsbogens auf dem sie ihre Strategie entwerfen konnten und Formblätter zur Entwerfung eines Protokollbogens, um geheime Taktiken festhalten zu können. Außerdem erhielten sie Formblätter für Anfragen bei anderen Gruppen und Briefbögen, mit denen sie an sie gerichtete Anfragen beantworten konnten. Außerdem bekamen sie zusätzliche Informationen zum Klimaschutz. Die Pressegruppe und die Umweltschutzgruppe erhielten ebenfalls eine Rollenkarte, Formblätter für Anfragen bei anderen Gruppen und eigene Briefbögen sowie spezielle Informationen. Daneben bekamen sie noch ein Formblatt zur Entwerfung eines Beobachtungsbogens, auf dem sie die Vorkommnisse der Konferenz festhalten konnten. Die Umweltschutzgruppe erhielt darüber hinaus noch Materialien zur Erstellung eines Plakats. Um die Identität mit der eigenen Gruppe zu fördern, wurde für jede Gruppe ein einheitliches und durchgängiges Design für die Vordrucke der Anfragen bei anderen Gruppen, für die Briefbögen und für die Gruppen- und Namensschildern gewählt.

Aufbauend auf den bereits erarbeitenden theoretischen und praxisbezogenen Kenntnissen sowie den in den Arbeitsmappen und von der neutralen Stelle zur Verfügung gestellten weiteren Informationen konnten die Schüler die Erarbeitung ihrer Gruppenstrategie beginnen. Dazu mussten sie zunächst das Informationsmaterial sichten und analysieren, welche Informationen für ihr weiteres Vorgehen von Wichtigkeit sind. Sie mussten sich in ihrer Gruppe organisieren und das weitere Vorgehen planen. Nach dieser ersten Orientierungsphase setzte innerhalb der Gruppen ein engagierter und intensiver Arbeitsprozess ein. Die einzelnen Gruppen hatten die Möglichkeit, Anfragen an andere Gruppen zu schicken, um so deren beabsichtigtes Verhalten in ihre Strategie mit einzubauen. Es bestand jedoch keine Verpflichtung der Gruppen, an sie gerichtete Anfragen zu beantworten. Die Gruppen machten von dieser Austauschmöglichkeit regen Gebrauch. Auch die von der neutralen Stelle bereitgestellten Informationen wurden von den Gruppen genutzt. Es fand sowohl innerhalb der Gruppen als auch aufgrund des erlaubten Briefverkehrs zwischen den Gruppen ein reger Gedankenaustausch statt.

In der Gruppe der Befürworterstaaten entwickelte sich relativ schnell ein arbeitsteiliges Vorgehen. Die Schüler bildeten innerhalb der Gruppe sogar weitere Rollen: der Leiter der Gruppe mit einer ihm zugeordneten Sekretärin und den restlichen Gruppenmitgliedern als Sachbearbeiter. Die Schüler der Befürworterstaaten setzten sich sehr differenziert mit ihren eigenen Forderungen und den Standpunkten der Bremserstaaten auseinander, um darauf aufbauend ihre Strategie für die Klimakonferenz zu erarbeiten. Sie hatten keinerlei Probleme sich mit ihrer Rolle zu identifizieren und diese überzeugend auszufüllen. Besonders zu erwähnen ist die von ihnen gewählte Taktik, die Entwicklungsländer zu überzeugen, ihre Forderungen gegenüber den Bremserstaaten zu unterstützen. Die Entwicklungsländer waren bereit den Klimaschutz zu unterstützen, benötigten hierfür aber finanzielle Mittel. Die Befürworterstaaten stimmten dem zu und schickten den Entwicklungsländern einen Verrechnungsscheck. So waren sich Befürworterstaaten und Entwicklungsländer schnell einig, eine gemeinsame Strategie gegen die Bremserstaaten zu fahren. Durch diese gemeinsame Absprache fand zwischen diesen beiden Gruppen ein intensiver Austausch statt.

Die Bremserstaaten standen bereits zu diesem Zeitpunkt etwas abseits, da sie in diese geheime Taktik nicht mit eingebunden werden konnten. Die Identifizierung mit ihrer Rolle fiel den Schülern der Bremserstaaten sehr schwer. Dadurch war es für sie auch nicht leicht, eine entsprechende Strategie für die Konferenz zu entwerfen. Die Ergebnisse dieser Gruppe sind aus diesem Grund besonders hoch anzusiedeln, da die Schüler gegen ihre eigene Überzeugung argumentieren mussten. Sie hatten eine Stellung zu vertreten, die in keiner Weise den Werten und Auffassungen entspricht, die hier in Europa hinsichtlich der Klimapolitik publiziert werden. Dennoch haben sie sich in ihrer Rolle zurechtgefunden und eine stichhaltige Argumentationskette entworfen, die sie gegen die Befürworterstaaten, und, was sie zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht wissen konnten, auch gegen die Entwicklungsländer, anbringen konnten.

Die Presse und die Umweltschutzgruppe hatten die Aufgabe die Geschehnisse rund um die Klimakonferenz kritisch zu beobachten und zu kommentieren. Beide Gruppen gaben sich zunächst einen Namen: die Presse nannte sich „Global Reader“ und die Umweltschutzgruppe `Robin Wutz´. Die Pressegruppe startete sofort an alle anderen Gruppen Anfragen hinsichtlich der anstehenden Klimakonferenz und setzte sich differenziert mit den unterschiedlichen Standpunkten der Ländergruppen auseinander. Sie hatte als Aufgabe einen Zeitungsartikel zu verfassen, der zu Beginn der Konferenz vorzutragen war. Die Umweltschutzgruppe hatte als Aufgabe ein Plakat zu gestalten und eine Protestaktion zu entwerfen. Die Gruppe entschied sich zwei Plakate zu entwerfen: ein selbstgemaltes Plakat und ein Plakat in Form einer Fotocollage. Die Protestaktion sollte wie die Presseberichterstattung vor der Konferenz stattfinden. Die Gruppen hatten zwei Schulstunden Zeit, ihre Arbeitsaufgabe zu lösen. Alle Gruppen konnten sich so organisieren, dass ihnen die zur Verfügung gestellte Zeit ausreichte. So konnte die im nächsten Gliederungspunkt dargestellte Konferenz ohne Verzögerungen beginnen.

Unterrichtsmaterialien zu 4.3.

1. Zusammensetzung der Arbeitsgruppen für das Konferenzspiel

2. Planung des Unterrichtsverlaufs

3. Rollenkarte Befürworterstaaten

4. Rollenkarte Bremserstaaten

5. Rollenkarte Entwicklungsländer

6. Rollenkarte Presse

7. Rollenkarte Umweltschutzgruppe

4.4 Durchführung der Konferenz

Nach der Erarbeitung der Strategien der einzelnen Gruppen stand in der folgenden Sitzung die Durchführung der Konferenz an. Im Ablaufschema des Konferenzspiels in Abbildung 3 wird diese Phase auch als Spielphase bezeichnet. Hierfür wurden zwei Schulstunden angesetzt. Die Schüler diskutierten die einzelnen Punkte aber so intensiv und differenziert aus, dass ein Abbrechen der Konferenz nach zwei Schulstunden nicht gerechtfertigt erschien. Aufgrund der sehr angeregten Diskussion wurde deshalb die Entscheidung getroffen, die Konferenz um eine weitere Schulstunde zu verlängern. Der Lehrer, der die folgende Stunde in der Klasse unterrichtete, stellte seine Stunde zur Verfügung, so dass die Konferenz ohne eine Unterbrechung weiter geführt werden konnte. Vor dem Beginn der Konferenz mussten aber zunächst die Tische und Stühle im Klassenzimmer in eine für die Konferenz förderliche Position gestellt werden. Hierzu wurde die Hufeisenform gewählt.

 

Abb. 6: Sitzplan bei der Konferenz

 

Quelle: eigene Darstellung

 

Um die Konferenz so realistisch wie möglich erscheinen zu lassen, erhielt jeder Schüler ein bereits vorgefertigtes Namensschild, das auch den Namen seiner Gruppe enthielt. Auch hier wurde wieder auf eine einheitliche Gestaltung geachtet: Die Namensschilder hatten das gleiche Design wie die Vordrucke und Briefbögen, welche die Gruppen bei ihrer Gruppenarbeit bereits benutzten. Ziel dieses durchgängigen Designs war es, den Gruppenzusammenhalt während der Konferenz und die Identifizierung mit der Gruppe und der damit verbundenen Rolle weiter zu verstärken. Diese Vorgehensweise wurde von den Schülern sehr positiv aufgenommen, so dass die damit verfolgte Zielsetzung als erreicht eingestuft werden kann. Die Schüler fanden sich zunächst in ihren einzelnen Gruppen zusammen und gingen nochmals die von ihnen geplante Strategie durch. Danach nahmen die einzelnen Gruppen ihre zugewiesenen Plätze ein. Die Lehrerin legte fest, dass die Entwicklungsländer den Vorsitzenden der Konferenz stellen. Dieser hatte die Konferenz zu leiten und musste darauf achten, dass die Redebeiträge nicht zu lang und die vorgegeben Zeitvorgaben eingehalten wurden. Diese Aufgabe wurde von dem Schüler hervorragend bewältigt. Die Befürworterstaaten und die Bremserstaaten stellten jeweils einen Protokollanten. Zwei Schülerinnen erklärten sich hierzu bereit, die mit einem Laptop ausgestattet waren. Dadurch war es möglich, das Protokoll direkt in den Computer einzugeben. Nachdem die abschließenden Vorbereitungen für die Konferenz getätigt waren, konnte die Spielphase beginnen.

Zunächst präsentierte die Umweltschutzgruppe „Robin Wutz“ ihre Plakate und stellte verschiedene Forderungen an die Teilnehmer der Konferenz, die abwechselnd von den Gruppenmitgliedern vorgetragen wurden. Mit dem Slogan „Nieder mit dem CO2-Ausstoß, sonst geht die ganze Welt in d’Hos’“ beendeten sie ihre Aktion, die breite Zustimmung seitens der Zuhörer fand. Bereits hier agierten nicht nur die Schüler der Umweltschutzgruppe in ihren Rollen, sondern auch die anderen Schüler. Dies zeigte sich daran, dass die Bremserstaaten dieser Aussage überhaupt nicht zustimmen konnten. Nachdem die Umweltschutzgruppe ihre Forderungen vorgetragen hatte, meldeten sich die Pressevertreter vom Ort des Geschehens. Sie berichteten, welche Ereignisse zu dieser Klimakonferenz geführt haben und gaben die Erwartungen wieder, die sich mit dieser Konferenz verbinden. Nachdem die Presse und die Umweltschutzgruppe die Erwartungen an diese neue Klimakonferenz nachhaltig vorgetragen hatten, eröffnete der Vorsitzende die Konferenz. Nach einer kurzen Begrüßung wurde das Wort an die vertretenden Ländergruppen gerichtet, die jeweils ein kurzes Eröffnungsstatement abgaben. Es begannen zwei Vertreter der Entwicklungsländer, die in einer sachlichen und schlüssigen Argumentation ihre Standpunkte und Forderungen darlegten. Als zweite Gruppe stellten die Befürworterstaaten ihre Standpunkte vor. Sie gaben eine sehr stichhaltige und ausführliche Begründung, warum das Kioto-Protokoll umgesetzt werden muss. Als letzte Ländergruppe wurden die Bremserstaaten vom Vorsitzenden aufgefordert ihre Argumente vorzutragen. Gleichzeitig mit dieser Aufforderung kamen `Buh´- und `Pfui´-Rufe aus dem Publikum. Diese Reaktion zeigt, wie sich die Schüler im Laufe des Spiels immer mehr mit ihrer Rolle identifizierten und in den anderen Schülern nicht mehr ihre Klassenkameraden sahen, sondern Länder, die sie unterstützen bzw. nicht unterstützen wollten. Die Bremserstaaten reagierten auf die Zwischenrufe relativ gelassen und führten ihre in sich schlüssige Argumentationskette aus. Nach den Eröffnungsstatements der einzelnen Ländergruppen läutete der Vorsitzende den TOP 1 die Anrechnung von Senken ein. Die Befürworterstaaten und Entwicklungsländer trieben die Bremserstaaten sehr schnell in die Enge. Was sich bereits bei der Gruppenarbeit gezeigt hatte, zeigte sich auch hier wieder: für die Schüler der Bremserstaaten ist es sehr schwer, in der „amerikanischen“ Denkweise zu argumentieren. Trotzdem ließen sie sich von den beiden anderen Ländergruppen nicht überzeugen und verteidigten den Standpunkt der Bremserstaaten. Die Abhandlung der weiteren TOP 2-5 verlief ähnlich wie der TOP 1. Die Bremserstaaten wurden immer wieder in die Enge getrieben und ließen sich doch nicht von ihren Überzeugungen abbringen. Sie zeigten zwar immer wieder ihren guten Willen und machten Kompromissvorschläge, diese gingen aber den Befürworterstaaten und den Entwicklungsländern nicht weit genug. Dieser Prozess schaukelte sich immer weiter hoch und endete am Schluss sogar in gegenseitigen Drohungen. So drohten die Bremserstaaten, keine Entwicklungshilfe mehr zu bezahlen, worauf die Entwicklungsländer den Bremserstaaten androhten, mit Flüchtlingsbooten in ihr Land einzufallen. Die Fronten verhärteten sich zusehends und ein annehmbarer Kompromiss zeichnete sich für keine der beteiligten Ländergruppen ab. Nach dieser sehr intensiven und auch emotionsgeladenen Diskussion zogen sich die Ländergruppen zu einer kurzen Beratung zurück. Die Konferenz stand damit kurz vor ihrem Ende. Der Vorsitzende fragte nochmals die einzelnen TOPs ab, aber die Ländergruppen konnten sich auf keinen Kompromiss einigen. Die Klimakonferenz war gescheitert.

Im Anschluss an die Konferenz wurde noch eine Pressekonferenz durchgespielt, bei der die einzelnen Ländergruppen sich den Fragen der Pressegruppe und der Umweltschutzgruppe stellen mussten. Auch hier zielten die Fragen hauptsächlich auf die Bremserstaaten. Es zeigte sich, dass für die Haltung der Bremserstaaten keinerlei Verständnis aufgebracht wurde. Ein Abschlussstatement der einzelnen Gruppen zur durchgeführten Klimakonferenz beendete die Spielphase. Um das Konferenzspiel als Ganzes zum Abschluss zu bringen, schließt sich im folgenden Gliederungspunkt noch die Reflexion des Konferenzspiels an.

Unterrichtsmaterialien zu 4.4.

1. Planung des Unterrichtsverlaufs

2. Ablauf des Klimagipfels am 06.04.2001 in Stuttgart

3. Richtlinien für den Vorsitzenden des Klimagipfels am 06.04.20001 in Stuttgart

4. Klimagipfel am 06.04.2001 in Stuttgart - Tagesordnung

4.5 Reflexion des Konferenzspiels

Nach der Konferenz wurde in einer weiteren Schulstunde die im Ablauf des Konferenzspiels in Abbildung 3 als letzte Phase dargestellte Reflexion durchgeführt. Wie bereits im Gliederungspunkt 2.5. `Möglichkeiten der Evaluation von Konferenzspielen´ dargelegt, wird in der vorliegenden Arbeit die Reflexion als ein Teil des Lehr-Lernprozesses aufgefasst. Deshalb ist für die Auswertung des Konferenzspiels die immanente Evaluation heranzuziehen. In diesem Gliederungspunkt werden zunächst die Vorgehensweise und der Ablauf der durchgeführten Reflexion dargestellt. Die Analyse der hier erfassten und ermittelten Aussagen zum Konferenzspiel erfolgt im folgenden Kapitel 5.

Die Schüler konnten zunächst im Rahmen einer freien Assoziation ihre Eindrücke von dem Konferenzspiel wiedergeben. Damit dieses spontane Sammeln der ersten Eindrücke nicht völlig unstrukturiert ablief, wurden die Aussagen über die ABC-Methode gesammelt. Es wurde eine Folie mit dem ABC aufgelegt und die Schüler sollten zu jedem Buchstaben eine spontane Aussage tätigen. Die gemachten Äußerungen können in folgenden Punkten zusammengefasst werden: Die Schüler sahen die Aufgabenstellung als notwendig, aber fast unlösbar an. Äußerungen zum Ablauf des Spiels beschränkten sich fast ausschließlich auf die Konferenz selbst, bei der nach Auffassung der Schüler viel und fast ohne Pausen geredet und diskutiert wurde. Dass sich die Schüler nur zur Konferenz selbst äußerten, ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass zwischen der Konferenz und der Reflexion die Osterferien lagen. Die Schüler gaben somit nur die Eindrücke wieder, die unmittelbar vor den Ferien lagen. Unter methodischen Gesichtspunkten stellte das Konferenzspiel nach Meinung der Schüler eine Abwechslung dar, die Spaß gemacht hat, aber auch sehr zeitaufwendig ist. An diese spontanen Aussagen hat sich dann mittels eines Fragebogens ein systematischer Bewertungsprozess angeschlossen. Der Fragebogen gliederte sich in drei Teile. Im Teil I sollten die Schüler zunächst ihre eigene Rolle beurteilen. Im Teil II sollten sie einen Abgleich des Konferenzspiels mit der Realität vornehmen. Und im abschließenden Teil III sollten sie das Konferenzspiel als Ganzes beurteilen. Eine ausführliche Auswertung und Bewertung der Fragebögen wird in den Gliederungspunkten 5.3. und 5.4. vorgenommen. Die Schüler konnten sich also zunächst spontan und unsystematisch äußern und mussten sich dann mittels eines Fragebogens nochmals strukturiert mit dem Spiel auseinandersetzen. Nach dieser intensiven Auseinandersetzung mit dem Spiel wurde zum Abschluss der Einheit das ganze Konferenzspiel in der Klasse diskutiert und bewertet. Die Einschätzungen und Aussagen die hier diskutiert wurden, werden im Gliederungspunkt 5.2. ausführlich dargestellt. Das folgende Kapitel analysiert nun die während des Konferenzspiels gemachten Erfahrungen der Schüler und der Lehrerin.

 

Unterrichtsmaterialien zu 4.5.

 

Planung des Unterrichtsverlaufs

5. Die Analyse der Unterrichtsumsetzung des Konferenzspiels

5.1 Erfahrungsbericht der Lehrerin

Das besondere an der Umsetzung des Konferenzspiels war die Aktualität des Themas. Dies ermöglichte es, die aktuelle politische Diskussion um die internationale Klimapolitik mit den Lerninhalten der Volkswirtschaftslehre zu verknüpfen und so eine Verbindung von Theorie und Praxis herzustellen. Gleichzeitig brachte die Aktualität des Themas auch Probleme mit sich. Es musste eine aufwendige Quellenrecherche durchgeführt werden, um den Schülern Unterrichtsmaterialien an die Hand geben zu können, mit denen diese die Gruppenarbeitsaufträge selbstständig umsetzen konnten. Diese Problematik wurde noch durch die sich ständig überstürzenden Ereignisse in den USA verstärkt: Waren die USA während der Regierungszeit von Bill Clinton noch in Maßen kompromissbereit ohne das Kyoto-Protokoll in Frage zu stellen, fand mit dem Regierungswechsel in den USA die totale Kehrtwende statt. Durch die Ablehnung des Kioto-Protokolls verhärteten sich die Fronten zwischen den USA und der EU zusehends. Bemerkenswert ist es, wie die Schüler diese Entwicklung mit berücksichtigt haben und sich die Gruppe der Bremserstaaten nicht von ihren Forderungen abbringen ließen. Ein weiteres Problem bei der Quellenrecherche war, Informationen zu finden, die die Sichtweise der USA ohne Wertungen darstellt. Dies war so gut wie nicht möglich. Bei jeder Quelle, die sich mit der Klimapolitik der USA auseinander setzte, klang im Unterton immer die europäische Sichtweise mit. Diese Problematik erschwerte auch die Arbeit der Schüler, die die Rolle der Bremserstaaten übernommen hatten.

Das Thema „Klimaschutz“ fand bei den Schülern großen Anklang. Dies zeigte sich an der engagierten Mitarbeit der Schüler, die an den behandelten Problemstellungen großes Interesse zeigten. Bemerkenswert war auch, dass die gute Mitarbeit der Klasse, die sich bereits bei der Behandlung anderer Unterrichtsthemen zeigte, bei der Erprobung des Konferenzspiels nochmals eine Steigerung erfuhr. Damit bestätigt sich die These, dass Unterrichtsthemen, die einen aktuellen Bezug aufweisen und die Lebenswelt der Schüler tangieren, einen zusätzlichen Motivationsschub auslösen, der sich in einer verbesserten Mitarbeit auswirkt. Durch die Behandlung aktueller Problemstellungen werden die Schüler auch sensibilisiert, das gegenwärtige politische Geschehen zu verfolgen und kritisch zu hinterfragen. Die Schüler konnten bei der Umsetzung der Konferenz darüber hinaus auch noch ihre planerischen, kreativen und kommunikativen Fähigkeiten ausleben und verbessern. Sowohl den Schülern als auch der Lehrerin bereitete die Umsetzung des Konferenzspiels großen Spaß. Das bereits gute Verhältnis zwischen Schülern und Lehrerin wurde durch die intensive Zusammenarbeit bei der Erprobung des Konferenzspiels weiter gefestigt und verstärkt.

5.2 Erfahrungen der Schüler

Bei der abschließenden Diskussion hinterfragten die Schüler das Konferenzspiel sehr kritisch. So stellten sie fest, dass rein quantitativ die Rollenverteilung ungleich verteilt war: einer Gruppe, die sich gegen das Kyoto-Protokoll stellte, standen vier Gruppen gegenüber, die sich bei der Konkretisierung des Kyoto-Protokoll bereits einig waren. Diese Aussage muss von der Lehrerin jedoch dahin gehend revidiert werden, dass es den Entwicklungsländern und der Presse offen stand, für welchen Standpunkt sie Partei ergreifen wollten. Ein weiterer Verbesserungsvorschlag wurde hinsichtlich der zeitlichen Einteilung des Konferenzspiels gemacht. Die Spielphase war durch eine lange Phase der Diskussion zwischen den einzelnen Ländergruppen geprägt. Die Pressegruppe und Umweltschutzgruppe waren hier nur als stille Beobachter in das Geschehen einbezogen. Deshalb kam von diesen beiden Gruppen die Anregung, die Konferenz in einzelne Phasen einzuteilen, zwischen denen sich die Pressegruppe und die Umweltschutzgruppe zu Wort melden können und nicht erst am Ende der Konferenz. Die Schüler der Bremserstaaten bestätigten die von der Lehrerin während des Konferenzspiels gemachte Beobachtung, dass sie sich nur sehr schlecht mit der Rolle identifizieren konnten und sie daher Probleme hatten, eine überzeugende Strategie zu entwerfen. Schüler der Pressegruppe sahen in der Konferenz ihre Erwartung bestätigt, dass die anderen Gruppen auf die Bremserstaaten `losgehen würden´. Sie machten also die Erfahrung, dass sie in der Lage waren, das Verhalten anderer Personen zu antizipieren. Die von den Entwicklungsländern vorgebrachten Argumente wurden im Nachhinein als sehr realitätsfremd eingestuft. Die Schüler sind einhellig der Meinung, dass die Entwicklungsländer in Wirklichkeit nicht so viel Macht haben, wie dies im Konferenzspiel suggeriert wurde. Diese Äußerung zeigt, dass die Schüler auch nach dem Spiel sehr wohl in der Lage sind zwischen Spiel und Realität zu unterscheiden. Nach Aussagen der Schüler ging in der Vorbereitungsphase trotz der intensiven Ausarbeitung der Strategien alles noch `recht spaßig´ zu, vor allem durch die Möglichkeit des Briefaustausches. Diese Stimmung schlug während der Konferenz dann aber um. Hier steigerten sich nach Aussage eines Schülers alle in ihre Rolle hinein. Dies verdeutlicht nochmals die hohe Identifikation, die die Schüler mit ihrer Rolle hatten. Die Schüler erfuhren also im Laufe des Konferenzspiels, wie schnell eine Stimmung umschlagen und `aus Spaß Ernst werden kann´. Einen weiteren Punkt, den die Schüler hervorhoben, war die Art und Weise, wie die Konferenz durchgeführt wurde. Durch die Stellung der Tische, die vor ihnen liegenden Papierstöße aus der Gruppenarbeit, die Namensschilder und die herumliegenden Handys sowie die zwei am Laptop sitzenden Protokollantinnen, konnte unter realistischen Bedingungen die Situation eines Konferenz nachgespielt und auch nachempfunden werden. Die Schüler waren einstimmig der Meinung, dass diese Art und Weise der Aufarbeitung eines Themas sehr gut, aber auch zeitintensiv ist.

5.3 Auswertung der Fragebögen

Die während der abschließenden Diskussion aufgeführten Punkte können durch die Auswertung des Fragebogens fundiert und ergänzt werden. Was die Beurteilung der eigenen Rolle anging, so konnte der Großteil der Schüler sich mit ihren zugewiesenen Rollen gut identifizieren, nur Schüler aus der Gruppe der Bremsersatten hatten Probleme mit der Identifikation ihrer Rolle, da sie nicht ihrer persönlichen Überzeugung entsprach. Fast alle Schüler stuften im Nachhinein ihre verfolgten Strategien als gut ein. Wenn sie die Konferenz nochmals durchspielen könnten, würden sie darauf achten, mehr zu verhandeln, offensiver aufzutreten und ihre Argumente im Vorfeld besser auszuarbeiten. Den Zielerreichungsgrad ihrer Strategie beurteilten die meisten Schüler im Gegensatz zur gewählten Strategie als schlecht. Nur die Bremserstaaten stuften ihren Zielerreichungsgrad überwiegend als gut ein, da sie sich mit ihren Interessen durchsetzen konnten. Die Beurteilung der Strategien der anderen Gruppen wurde überwiegend mit gut bewertet. Die Schüler konnten auch das Verhalten der anderen Gruppen gut voraussehen, ebenso wie das Ergebnis der Klimakonferenz. Zweidrittel lagen mit ihrer Einschätzung richtig, dass die Konferenz keine Einigung erzielen wird. Die Schüler führten dies auf eine zu geringe Kompromiss- und Verhandlungsbereitschaft aller Gruppen sowie auf die Machtposition der Bremserstaaten zurück. Die Zielsetzungen der Ländergruppen waren nach Meinung der Schüler zu weit voneinander entfernt.

Bei dem Vergleich des Konferenzspiels mit der Realität sahen knapp Zweidrittel den Realitätsbezug als hoch bis sehr hoch an. Die Konferenz spiegelte für sie einen Sachverhalt der Realität wider, der von ihnen nachgespielt wurde. Auch das realistische Verhalten der Bremserstaaten und die realistische Argumentation unterstrichen für die Schüler den Realitätsbezug. Schüler, die den Realitätsbezug nicht so hoch einschätzten, führten an, dass das Thema zu komplex sei. Außerdem dauerten in der Realität Konferenzen immer länger und es finde dort eine detailliertere Argumentation statt. Dennoch gehen 80 % der Klasse davon aus, dass die nächste UN-Klimakonferenz zum gleichen Ergebnis kommen wird wie sie bei ihrer nachgespielten Konferenz. Sie begründen diese Auffassung mit dem Ausstieg der USA aus dem Kioto-Protokoll und dem Kurswechsel der amerikanischen Umweltpolitik seitdem George Bush neuer Präsident der USA ist. Für gut die Hälfte der Schüler hatte die internationale Klimapolitik vor dem Konferenzspiel nur eine niedrige Bedeutung. Nach dem Konferenzspiel nimmt die Klimapolitik bei allen Schülern einen hohen bis sehr hohen Stellenwert ein. Die Schüler können durch das Konferenzspiel auch die Geschehnisse im Bereich der internationalen Klimapolitik besser nachvollziehen. Sie führen dies vor allem auf ihr verbessertes Hintergrundwissen zum Klimaschutz zurück. Auf die Frage, ob es Vorkommnisse im Klimaschutz gibt, die im Konferenzspiel vermisst wurden, antworteten Zweidrittel der Klasse mit nein. Eindrittel führte Vorkommnisse auf, die im Schulalltag nicht oder nur sehr schwer umzusetzen sind, wie zum Beispiel Demonstrationen, informelle Kontakte oder Lobbyismus. Aus Vereinfachungsgründen wurden diese Gesichtspunkte im vorliegenden Konferenzspiel nicht mit eingearbeitet. Die Schüler beabsichtigen nach dem Konferenzspiel den Verlauf der internationalen Klimapolitik weiterzuverfolgen.

Bei der Beurteilung des Konferenzspiels als Ganzes bewerteten die Schüler die bereitgestellten Materialien sowohl unter qualitativen als auch quantitativen Gesichtspunkten als gut bis sehr gut. Auch die Eindeutigkeit der Aufgabenstellung wurde von den Schülern als gut beurteilt. Die Erreichbarkeit der Aufgabenstellung bewerteten einige Schüler nur unter dem Aspekt, welches Ergebnis am Ende der Klimakonferenz erreicht wurde. Der Prozess, der zu diesem Ergebnis geführt hat, wurde von diesen Schülern nicht beurteilt. Daher stuften 40 % der Schüler die Erreichbarkeit als schlecht und 60 % als gut ein. Der zeitliche Ablauf des Konferenzspiels wurde von der überwiegenden Mehrheit als nicht zufriedenstellend beurteilt. Einigen Schüler war die Vorbereitungszeit von einer Doppelstunde zu kurz. Außerdem sollte in der Spielphase die Diskussion der Konferenzteilnehmer in Phasen eingeteilt werden, zwischen denen sich die Umweltschutzgruppe und die Pressegruppe zu Wort melden können. Die Mehrzahl der Schüler konnte während des Konferenzspiels neue Erfahrungen sammeln. So erwarben sie neue Kenntnisse im Bereich des Klimaschutzes. Insbesondere die Schüler der Gruppe der Bremserstaaten machten die Erfahrung, dass man auch mit einer unpopulären Meinung bestehen kann. Die anderen Gruppen nahmen aus dem Konferenzspiel die Erfahrung mit, dass derjenige, der die Macht hat, machen kann was er will. Auch die wirtschafts- und umweltpolitischen Abläufe verstehen die meisten Schüler nach dem Konferenzspiel besser. Durch das neu vermittelte Wissen, das eigene konkrete und selbstständige Handeln sowie das Nachspielen politischer Abläufe wurden den Schülern die Zusammenhänge und Interessenkonflikte deutlich, die in einer solchen Situation auftreten. Auf die Frage, was ihnen nicht an dem Konferenzspiel gefallen hat, gaben die Schüler an, dass es sehr zeitaufwendig war und die Diskussionen sich stellenweise zu langwierig und langatmig gestalteten. Außerdem waren sie mit dem auf der Konferenz erzielten Ergebnis unzufrieden. Gefallen hat ihnen am Konferenzspiel das sich Hineinversetzen in eine bestimmte Rolle, der Aktualitätsbezug, die Teamarbeit, die Diskussionen und die Organisation des Spiels. Außerdem sahen sie in dem Konferenzspiel eine Abwechslung zu den bisherigen Unterrichtsmethoden. Im folgenden Gliederungspunkt sind die im Fragebogen gemachten Aussagen noch zu beurteilen.

5.4 Beurteilung der Auswertung

Die Auswertung der Fragebögen zeigt, dass das Interesse der Schüler zum Thema Klimaschutz geweckt wurde und eine kritische Auseinandersetzung mit den politischen Standpunkten stattfand. Die Schüler sind in der Lage, die von ihnen gewählten Strategien kritisch zu hinterfragen und zu verbessern. Sie können sich in die Positionen anderer Personen hinversetzen, um so deren voraussichtliches Verhalten in ihre eigenen Überlegungen mit einzubauen. Sie verfügen folglich über ein ausgeprägtes Empathie- und Antizipationsvermögen, das durch das Konferenzspiel eine weitere Förderung erhielt.

Die Schüler verstehen es zwischen Spiel und Realität zu unterscheiden. Gleichzeitig sind sie in der Lage, die in der Realität stattfindenden Ereignisse in das Spiel mit einfließen zu lassen. Da für die Schüler der Stellenwert des Klimaschutzes nach dem Konferenzspiel hoch bis sehr hoch ist und sie auch nach Abschluss des Spiels den Verlauf der internationalen Klimapolitik weiterverfolgen wollen, kann daraus geschlussfolgert werden, dass sie die Wichtigkeit des Klimaschutzes erkannt haben und bereit sind, dafür auch Verantwortung, im Sinne eines politischen Bewusstseins und eventuell auch durch eigenes Handeln, zu übernehmen.

Die Beurteilung des Konferenzspiels durch die Schüler kann bis auf den zeitlichen Ablauf als sehr positiv bewertet werden. Die Aussagen zum zeitlichen Ablauf müssen jedoch auch unter didaktischen Gesichtspunkten bewertet werden. So ist eine Verlängerung der Vorbereitungszeit aus zeitlichen Gründen fast nicht möglich. Eine Alternative wäre, das Konferenzspiel im Rahmen eines Projekts durchzuführen. Auf die Verbesserungsvorschläge wird jedoch im Gliederungspunkt 5.5. ausführlich eingegangen werden. Da sowohl die Eindeutigkeit als auch die Erreichbarkeit der Aufgabenstellung überwiegend als gut beurteilt wurde, waren die Schüler weder unter- noch überfordert. So konnten sie sich selbstständig und eigenverantwortlich mit dem Thema auseinandersetzen und zu einer Lösung kommen. Nach der Auswertung der Fragebögen lässt sich festhalten, dass die Schüler das Konferenzspiel als methodische Abwechslung zum Unterrichtsalltag sahen, bei dem auf spielerische Art und Weise Wissensinhalte vermittelt und wirtschafts- und umweltpolitische Abläufe nachgespielt wurden, um so den komplexen Ablauf politischer Entscheidungsprozesse besser zu verstehen.

Welche Verbesserungsvorschläge zum Konferenzspiel gemacht werden können, werden zum Abschluss des Kapitels 5 im folgenden Gliederungspunkt dargelegt.

5.5 Vorschläge zur Weiterentwicklung der Konferenzspiel-Methode

Das Konferenzspiel stellt eine sehr komplexe und didaktisch anspruchsvolle Methode dar. Zur weiteren Verbesserung können daher folgende Vorschläge gemacht werden. Je nach Dauer der Konferenz sollte die Diskussionsphase durch kleine Pausen unterbrochen werden, in denen sich die Beobachter der Konferenz, in dem vorliegenden Konferenzspiel die Pressegruppe und die Umweltschutzgruppe, einbringen können. Die Beobachter können dann entweder das bisherige Konferenzgeschehen kommentieren oder selbst in eine kurze Diskussion mit den Konferenzteilnehmern treten. Wie viele und wie lange diese Unterberechungen der eigentlichen Konferenz sein sollten, hängt von der Gesamtlänge des kompletten Konferenzspiels und der beabsichtigten Spielphase ab.

Das Konferenzspiel der vorliegenden Arbeit wurde wöchentlich freitags in einer Doppelstunde durchgeführt. Das bedeutete, dass sich die Schüler nach einer Woche zunächst wieder in ihre Aufgabenstellung einarbeiten mussten. Wenn es der zeitliche Rahmen zulässt, ist daher zu überlegen, ob das Konferenzspiel nicht im Rahmen eines Projekts an einem oder mehreren Tagen durchgeführt werden kann. Dadurch ergibt sich auch eine gewisse Flexibilität bei den einzelnen Phasen des Konferenzspiels. Die einzelnen Phasen müssen dann zum Beispiel nicht mit dem Klingelzeichen beendet werden.

In der vorliegenden Arbeit wurden aus zeitlichen Gründen die Informationen, die die einzelnen Arbeitsgruppen zum Erfüllen ihrer Aufgaben benötigten, vorgegeben. Die einzelnen Arbeitsgruppen können sich diese Informationen aber auch selbst beschaffen, zum Beispiel über eine Internetrecherche. Je nachdem wie umfangreich diese Informationsbeschaffung ausfällt, ist unter didaktischen und methodischen Gesichtspunkten abzuwägen, ob die Informationsbeschaffung durch die Schüle selbst vorgenommen wird oder der Lehrer die benötigten Informationen zur Verfügung stellt.
Nach diesen Verbesserungsvorschlägen wird die vorliegende Arbeit mit einer Schlussbemerkung zu Ende geführt.

6. Schlussbemerkung

Die Methode des Konferenzspiels stellt eine Möglichkeit dar, wirtschaftspolitische Vorgänge im Unterricht schülernah zu vermitteln. Um die komplexen Abläufe, die sowohl in der Theorie als auch in der Praxis der Wirtschaftspolitik stattfinden, verstehen und nachvollziehen zu können, müssen sich die Schüler selbstständig mit diesen Problemstellungen auseinander setzen. Nur wenn sie die Interessenkonflikte zwischen den politischen Entscheidungsträgern selbst nachspielen und nachempfinden können, sind sie in der Lage, wirtschaftspolitische Vorgänge zu analysieren und kritisch zu hinterfragen. Die Schüler lernen so, auf eine spielerische Art und Weise mit Konfliktsituationen umzugehen und einen Lösungsweg zu finden. Sie lernen trotz des kritischen Hinterfragens der anderen politischen Meinung, diese zu tolerieren und erkennen, dass nur über ein Entgegenkommen beider Seiten ein Kompromiss erzielt werden kann. Im Konferenzspiel erhalten die Schüler die Freiräume, die sie brauchen, um diese Erfahrungen sammeln zu können. Aktuelle politische Ereignisse können durch das Konferenzspiel aufgegriffen und im Unterricht behandelt werden. So ist es möglich, die gesellschaftliche Realität unter Berücksichtigung der vom Lehrplan vorgegebenen Lernziele in den Unterricht einzubinden und wirtschaftspolitische Problemstellungen schülergerecht zu behandeln.

Die an das Konferenzspiel zum Thema Klimaschutz gestellten hohen Erwartungen wurden erfüllt. Die Schüler setzten sich in einem ganzheitlichen Lernprozess mit den Standpunkten der unterschiedlichen Ländergruppen auseinander. Sie erlebten während der Konferenz in welchem Spannungsfeld politische Diskussionen stattfinden können und dass solche Verhandlungen nicht immer zu einem Ergebnis führen müssen. Ihr Verständnis für den Ablauf wirtschafts- und umweltpolitischer Vorgänge wurde ebenso wie ihr Bewusstsein zum kritischen Hinterfragen politischer Entscheidungen gestärkt. Damit stellt das Konferenzspiel eine sinnvolle methodische Alternative zum traditionellen Unterricht dar, bei der die Schüler mit Kopf, Herz und Hand ein Thema durchleben und durchdringen können.

7. Literatur

Arnold, Rolf; Müller-Hans-Joachim (1992): Ganzheitliche Berufsbildung. In: Pätzold, Günter. Hg. Handlungsorientierung in der Beruflichen Bildung. Frankfurt a.M., S. 97-121.

Beck, Herbert (1996): Handlungsorientierung des Unterrichts. Anspruch und Wirklichkeit im betriebswirtschaftlichen Unterricht. Darmstadt.

Bonz, Bernhard (1999): Methoden der Berufsbildung. Stuttgart.

Braune, G. (2000): Klimagespräche gescheitert. In: Stuttgarter Zeitung 09.12.2000, S. 2

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (1997): Umweltpolitik, Agenda 21. Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro. Bonn.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2001): Unterbrochene Weltklimakonferenz von Den Haag wird in Bonn fortgesetzt. 28.02.2001.

Cansier, Dieter (1996): Umweltökonomie. Stuttgart.

Eckert, Manfred (1992): Handlungsorientiertes Lernen in der beruflichen Bildung – Theoretische Bezüge und praktische Konsequenzen. In: Pätzold, Günter. Handlungsorientierung in der Beruflichen Bildung. Frankfurt a.M., S. 55-78.

Geise, Wolfgang (1992): Möglichkeiten der Evaluation von Rollenspielen. In: Keim, Helmut; Buddensiek, Wilfried. Hg. Planspiel, Rollenspiel, Fallstudie. Zur Praxis und Theorie lernaktiver Methoden. Köln, S. 196-218.

Hoffmann, Bärbel; Langefeld, Ulrich (2001): Methoden-Mix. Unterrichtliche Methoden zur Vermittlung beruflicher Handlungskompetenzen in kaufmännischen Fächern. Darmstadt.

Kaiser, Franz-Josef; Kaminski, Hans (1999): Methodik des Ökonomie-Unterrichts. Grundlagen eines handlungsorientierten Lernkonzepts mit Beispielen. Bad Heilbrunn/Obb.

Keim, Helmut (1992): Zur kategorialen Klassifikation von Fallstudie, Rollen- und Planspiel. In: Keim, Helmut; Buddensiek, Wilfried. Hg. Planspiel, Rollenspiel, Fallstudie. Zur Praxis und Theorie lernaktiver Methoden. Köln, S. 122-151.

Kyoto-Protokoll (1997):

Klippert, Heinz (1995): Kommunikations-Training. Unterrichtsbausteine für den Unterricht II. Weinheim, Basel.

Kluge, Karl-Josef; Schmitz, Leo (1982): Die Lösung von Konfliktsituationen durch Rollenspiel. Hannover.

Koar, J. (2001): Lächelnd ertragen Bush und Schröder ihren Streit. In: Stuttgarter Zeitung, 30.03.2001, S.4.

Kruse, Jörn; Berger, Ulrike (1996): Skript Ordnungspolitik zur Begleitung und Ergänzung der Vorlesungen `Ordnungspolitik´ und `Einführung in die Wirtschaftspolitik´. Stuttgart-Hohenheim.

Kultus und Unterricht (1999): Bildungsplan für die Berufsoberschule. Ergänzungsband für die Oberstufe, 28. Juli 1999. Lehrplanheft 7/1999. Neckar-Verlag.

Lindemann, Meike (2000): Kreative Bausteine für den kaufmännischen Unterricht. Rinteln.

Meyer, Hilbert (1987): Unterrichtsmethoden II. Praxisband Frankfurt a.M.

Mickel, Wolfgang (1996): Methoden-Leitfaden durch die politische Bildung: eine strukturierte Einführung. Schwalbach/Ts.

o.V. (2000a): Klimakonferenz gescheitert. In: Sonntag aktuell, 26.11.2000, S.1.

o.V. (2000b): Wut über Scheitern der Klimakonferenz. In: Stuttgarter Zeitung, 27.11.2000, S.1.

o.V. (2001): USA wegen Klimaschutz am Pranger. In: Stuttgarter Zeitung, 31.03.2001, S.1.

Pätzold, Günter (1992): Handlungsorientierung in der Beruflichen Bildung – Zur Begründung und Realisierung. In: Pätzold, Günter). Handlungsorientierung in der Beruflichen Bildung. Frankfurt a.M., S. 9-29.

Pieper, Jürgen; Schwark, Wolfgang (1994): Wege zur beruflichen Mündigkeit. Didaktische Materialien zur integrierten Vermittlung und Förderung von fachlichen Inhalten und Schlüsselqualifikationen in der betrieblichen Ausbildung. Teil 2: Didaktische Materialien zur integrierten Vermittlung von fachlichen Inhalten und Schlüsselqualifikationen. Reihe Neue Formen des Lernens im Betrieb, Band 6. Weinheim.

Schaller, Roger (2001): Das große Rollenspiel-Buch. Grundtechniken, Anwendungsformen, Praxisbeispiele. Weinheim, Basel.

Smid, Karsten (2000): Chronologie der Klimaverhandlungen. 11/2000.

Speth, Hermann (1995): Theorie und Praxis des Wirtschaftslehre-Unterrichts. Rinteln.

Stommel, Axel (1995): Handlungsorientierter und traditioneller Unterricht. Aus dem Labyrinth der Unmittelbarkeit. Rinteln.

Töpfer, Klaus (2001): `Beim Klimaschutz muss Deutschland Vorreiter bleiben´ In: Greenpeace 3/01, S.46-47.

Trittin, Jürgen (2000): Die Stagnation beim Klimaschutz überwinden. Regierungserklärung von Bundesumweltminister Jürgen Trittin zur 6. Klimakonferenz in Den Haag vor dem Deutschen Bundestag am 07.12.2000.

Weber, Birgit (1995): Handlungsorientierte Methoden. In: Steinmann, B.; Weber, B. Hg. Handlungsorientierte Methoden in der Ökonomie. Neusäß, S. 17-45.

Weber, Birgit (1997): Handlungsorientierte ökonomische Bildung. Nachhaltige Entwicklung und Weltwirtschaftsordnung. Neusäß.

Weinert, Franz Emanuel (1999a): Begabung und Lernen. Zur Entwicklung geistiger Leistungsunterschiede. In: Max-Planck-Gesellschaft. Jahrbuch 1999, S.35-48.

Weinert, Franz Emanuel (1999b): Die fünf Irrtümer der Schulreformer. In: Psychologie heute, Juli 1999, S. 28-34.

Dieser Text ist unter dem gleichen Titel im Rahmen der Zweiten Staatsprüfung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an beruflichen Schulen am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Berufliche Schulen) in Stuttgart, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, unter der Betreuung von StD Hartmut Sperling verfasst worden.

© 2004 Ulrike Große (geb. Fohrer); © 2004 sowi-online e.V., Bielefeld

Sowi-online dankt dem Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Berufliche Schulen) in Stuttgart, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, und der Verfasserin für die freundliche Genehmigung zur Zweitveröffentlichung des Textes im Internet.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Copyright-Inhabers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, auch im Internet.