Es ist kein Zufall, dass Bildungspolitik und Bildungsadministration in jüngerer Zeit bei der Vorbereitung der Reform der Lehrerbildung und bei der Umsetzung getroffener Strukturentscheidungen – wie auch in anderen schulpolitisch bedeutsamen Fragen (z.B. in der Diskussion die Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungswesens oder um "Bildungsstandards") – in verstärktem Maße um die Beteiligung renommierter Vertreter der Wissenschaft bemüht sind. Man kann die Entwicklung, wie sie sich derzeit in der Bundesrepublik – mühsam genug, in bestürzender Langsamkeit und ohne, dass sich die Beteiligten der Logik dieser Entwicklung in jedem Falle wirklich klar sein müssten – vollzieht, in mehrfacher Hinsicht als prinzipiell bedeutsam ansehen. Es geht nicht allein um eine pragmatische Entlastung von einem aktuellen Entscheidungsdruck oder gar um den Ausdruck der in der Öffentlichkeit vielfach als "Kommissionitis" kritisierten Verlagerung politischer Entscheidungen in politisch nicht verantwortliche Gremien von Sachverständigen.

Der Prozess hat seine Logik vielmehr darin, dass als Folge der Verwissenschaftlichung der Lehrerbildung die Wissenschaft selbst in die Vorbereitung der komplexer werdenden Strukturentscheidungen in geeigneter Form einbezogen sein muss. Man kann darin zugleich eine Annäherung an Konsequenzen aus der Entwicklung zur "Informationsgesellschaft" sehen, in der nicht mehr die herkömmliche "Trial–and-Error–Methode", sondern zunehmend systematisches theoretisches Wissen die Neuerungen steuern und das Handeln von Politik und Verwaltung bestimmen muss (Bell 1975, S. 361 ff.). Letzteres heißt nicht, dass politische Entscheidungen nunmehr mit dem Wahrheitsanspruch wissenschaftlicher Erkenntnis getroffen werden können. Sie bleiben Ausdruck eines Handelns unter Unsicherheit, das sich seiner Folgen nie sicher sein kann, das deshalb auch um die Klärung der Folgen bemüht sein und für [/S. 10:] sie Verantwortung übernehmen muss. Dies schließt die Verpflichtung ein, vorhandenes Wissen zu nutzen und sich fehlendes Wissen zur Klärung der Voraussetzungen und der möglichen Folgen des Handelns zu beschaffen, wo Wissen möglich ist.

Vertreter der Wissenschaft spielten sowohl in der "gemischten Kommission" der Kultusministerkonferenz als auch im Wissenschaftsrat bei der Vorbereitung wesentlicher Strukturempfehlungen eine maßgebende Rolle. Sie sichten in Konsequenz dieser Entscheidungen konkret die Wissenschaftslandschaft in einzelnen Ländern zur Vorbereitung grundlegender Strukturentscheidungen und zur Beförderung konkreter Reformschritte in den einzelnen Hochschulen (vgl. z.B. Arbeitsgruppe Lehrerbildung Niedersachsen 2002) und sie unterstützen die Hochschulen in deren eigenen Bemühungen um die Evaluation von Forschung und Lehre als Basis konkreter Prozesse der Hochschulentwicklung in diesem Bereich (vgl. z.B. Expertengruppe Frankfurt 2003).


Mit diesen beispielhaft angesprochenen Vorgängen sind zugleich die unterschiedlichen Handlungsebenen und die damit verbundenen unterschiedlichen Formen eines Peer Reviews angesprochen. Damit wird der Begriff des Peer Reviews zugleich sehr weit gefasst. Er betrifft nicht nur Verfahren, in denen die Peer Group als geschlossenes Gutachter– oder Beratungsgremium dem Beratenen gegenübertritt, sondern auch solche, in denen im Beratungsprozess von Anfang an Berater und Beratene zusammenwirken. Gremien, die – wie die "gemischte Kommission Lehrerbildung" der Kultusministerkonferenz oder der Wissenschaftsrat – politisches Handeln vorbereiten sollen, sind häufig nach dem lehrerbildung des "policy–advisor–interface" strukturiert. In ihnen wirken Wissenschaftler und Vertreter des politisch-administrativen Bereichs zusammen. Die Beteiligung der Wissenschaft öffnet den Blick für die Vielfalt der Aspekte, die zu bedenken sind, macht die Entwicklung von Handlungsalternativen möglich, die den Rahmen der von den Apparaten getragenen Üblichkeiten sprengen, sichert die Einbeziehung vorhandenen Wissens, unterstützt die Akzeptanzbeschaffung bei den Betroffenen und schützt den Beratungsprozess davor, sich in einer vorurteilsgeleiteten Bestätigung der gegebenen Praxis zu erschöpfen. Die Beteiligung des politisch-administrativen Bereichs bezieht diesen von Anfang an in die Klärung der gegebenen Handlungsalternativen ein und sichert zugleich, dass die unvermeidlichen Restriktionen politisch-administrativer Entscheidungen in der gebotenen Weise zur Geltung kommen.

Fruchtbar ist die gemeinsame Beratung von Wissenschaft und Bildungspolitik dann, wenn beide Seiten sich wirklich aufeinander einlassen und einen konstruktiven Dialog führen und nicht nur ideologische Grundpositionen austauschen. Dies stellt vor allem Anforderungen an die politisch-administrative Seite, welche sich auch auf eine ernsthafte Diskussion von Überlegungen zu einer weit reichenden Veränderung der gegebenen Situation einlassen muss und den Peer Review nicht lediglich zur Legitimation bereits getroffener Entscheidungen benutzen darf. Positionsbestimmungen und Vorschläge, welche aufgrund eines solchen Beratungsprozesses formuliert werden, haben den Charakter von Empfehlungen, die die politisch Verantwortlichen nicht binden und von ihnen ggf. in eigener Verantwortung umzusetzen sind. Wenn der gemeinsame Beratungsprozess nicht ad absurdum geführt werden soll, bedarf es freilich triftiger Gründe, wenn den Empfehlungen nicht gefolgt werden soll. [/S. 11:]

Von den durch die Bildungspolitik oder die Bildungsadministration initiierten Beratungsprozessen zu unterscheiden sind Peer Reviews, die von einzelnen Institutionen zur Unterstützung ihrer eigenen Entwicklung veranlasst werden. In ihnen spielen die Peers die Rolle der "critical friends", welche den Entwicklungsprozess der jeweiligen Institution aus einer Außenperspektive unterstützend begleiten sollen. Die "critical friends" sind dabei zumeist Personen mit "Reputation" auf der Ebene der beratenen Institution, bei der Beratung von Hochschulen also selbst renommierte Hochschullehrer, bei der Beratung von Institutionen der Fort– und Weiterbildung oder von Schulen leitende Mitarbeiter vergleichbarer Einrichtungen. Aber es empfiehlt sich, auch das eine oder andere Mitglied aus einem anderen Arbeitsbereich hineinzunehmen, um den Blick zu weiten. Für das Verfahren eines solchen Peer Reviews wird häufig eine Struktur gewählt, bei der die betroffene Institution zunächst selbst ihre Situation analysiert und ihre Zielsetzungen und Entwicklungsvorstellungen artikuliert, um sie dann im Rahmen einer Begehung mit Peers zu erörtern und daraus Schlüsse für die nächsten Entwicklungsschritte zu ziehen (Bülow–Schramm 1996; Watschinger, Schenk, Zangerle 1999; Stifter 2002). Den Auftrag und damit auch den Referenzrahmen seiner Erledigung bestimmt die Institution, um deren Entwicklung es geht. Aufgabe der Peers ist es, die Positionsbestimmung der beratenen Institution zu hinterfragen und damit zur Klärung der Zielsetzungen und der Schlüssigkeit des darauf gerichteten Handelns beizutragen, "blinde Flecken" in der Selbstwahrnehmung der Beratenen sichtbar zu machen, durch neue Sichtweisen weitere Entwicklungshorizonte zu eröffnen und mögliche Handlungsalternativen in Vorschlag zu bringen.

Die Peers wirken insofern als wichtige Katalysatoren und Verstärker der innerorganisatorischen Klärungs–, Meinungsbildungs– und Konsensanbahnungsprozesse. Eine solche Beratungsaufgabe ist nicht einfach. Sie macht die Einfühlung in die Position der beratenen Institution und ihrer Entwicklungsvorstellungen erforderlich. Die Peers müssen deren Ausgangsposition keineswegs unkritisch hinnehmen. Aber es hilft nichts, wenn Berater und Beratene in Grundfragen, welche durchaus kontrovers beurteilt werden können, fundamental im Dissens sind, die Peers etwa, um ein aktuelles Beispiel zu wählen, eine konsekutive Lehrerbildung in Vorschlag bringen und daran alle Pläne der beratenen Hochschule messen, wo sich diese mit einer nachvollziehbaren Argumentation für das Festhalten an dem Modell der grundständig-integrierten Lehrerbildung entschieden hat. In einer solchen Situation ist es nützlich und notwendig, die Argumente für und gegen die eine oder die andere Lösung auszutauschen und die jeweiligen Präferenzen zu begründen, sich im übrigen aber auf den von der beratenen Institution gewählten Ansatz einzulassen und diesen von seiner eigenen Logik her zu beurteilen.

Es ist deshalb unerlässlich, die Beurteilungsmaßstäbe, von denen die Peers ausgehen, vorab sorgfältig zu klären und offen zu legen. Dies dürfte in der Vergangenheit nicht immer in der gebotenen Klarheit geschehen sein. Hier können "Standards der Lehrerbildung" ungemein hilfreich sein, wie sie derzeit aufgrund einer Expertise (Terhart 2002) in der Kultusministerkonferenz beraten werden. In der Expertise werden näher benannte Standards für die Individuen (Absolventen), die Ausbildungsinstitutionen (1. und 2. Phase) und für das Steuerungssystem der Lehrerbildung in Vorschlag gebracht. Angesichts der oben angesprochenen [/S. 12:] Schwierigkeiten, die Wirkungskette zwischen Lehrerbildung, Lehrerhandeln und Schülerlernen in empirisch belegter Weise nachzuzeichnen und demgemäß die Qualität der Lehrerbildung unmittelbar an den Lernergebnissen von Schülerinnen und Schülern zu klären, thematisieren die vorgeschlagenen Standards zunächst nur die Ergebnisse der Ausbildung auf der Ebene von Studium und Referendariat. Sie formulieren in plausibler Weise Aspekte, auf die es auch im Blick auf ihre Wirkung im schulischen und unterrichtlichen Handeln der Lehrkräfte "ankommen könnte", um diese einer offensiven Erörterung und Erprobung zugänglich und sie damit transparent, diskutierbar und überprüfbar zu machen (Terhart 2002, S. 14 f.). Dies ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung rationaler und konstruktiver Beratungsverfahren.