Historisch-politisches Lernen transformiert Erfahrungen mit Geschichte und Politik in historisch-politisches Bewusstsein. Es lässt sich als ein Vorgang begreifen,
- an dem Lernende lebensweltlich beteiligt sind, indem sie Erfahrungen machen,
- in dem sich Lernende Lerngegenstände aneignen, indem sie Erfahrungen verarbeiten,
- der Lernenden historisch-politische Kenntnisse vermittelt und
- der Lernenden historisch-politischen Denkstrukturen erschließt.
Dabei interessiert nicht nur die Vermittlung von historisch-politischen Lerngegenständen in das Bewusstsein, sondern auch die dadurch bewirkte Umstrukturierung der historisch-politischen Sinnbildungsformen. Die didaktische Reflexion in der Erschließungsdimension interessiert sich nicht mehr für den Gegenstand selbst, sondern für die Struktur, in der historisch-politische Probleme gedeutet werden. Didaktisch muss deshalb danach gefragt werden, welche politikgeschichtlichen und geschichtspolitischen Sinnbildungskompetenzen durch den Lernprozess erschlossen werden.
Mit den politikgeschichtlichen und geschichtspolitischen Lerntypen Kategorien zur Verfügung durch die der Wandel historisch-politischer Bewusstseinsstrukturen didaktisch reflektiert werden kann. Die Lerntypen stellen der historisch-politischen Bewusstseinsanalyse Kriterien zur Verfügung, durch die im Lernprozess Denktätigkeiten identifiziert werden können. Bei der Untersuchung historisch-politischen Lernens lässt sich so bestimmen, welche historisch-politischen Sinnbildungsmodi sich durchsetzten beziehungsweise welche Mischungsverhältnisse sich ausprägen. Keinesfalls sollte die analytische Begrifflichkeit mit der realen Lebendigkeit historisch-politischen Lernens verwechselt werden.
Zur Orientierung und Partizipation in der Gesellschaft benötigt der "mündige Bürger" sowohl politikgeschichtliche als auch geschichtspolitische Kompetenzen. Es steht außer Frage, dass politische Probleme durch historisch fundiertes Handeln besser bewältigt werden können als durch gegenwartszentrierte und kurzsichtige Reaktionen. Die historisch-politische Bildung hat deshalb die Aufgabe, Wege aufzuzeigen, wie die Vergangenheit auf politische Gegenwartsfragen bezogen werden kann; entweder indem allgemeine Prinzipien begründet werden oder indem genetische Faktoren beleuchtet werden oder indem historische Analogien aufgezeigt werden.
Historisch-politische Bildung, die versucht, Deutungen aus der Geschichte zu zementieren, steht im Verdacht, Lernende zu überwältigen. Eine demokratische geschichtspolitische Bildung lehrt, dass die politische Geschichtsdeutung keine endgültigen Fakten vermittelt, sondern einen offenen und nur vorläufig abgeschlossenen Prozess darstellt, der durch neue Erkenntnisinteressen jederzeit wieder neu aufgenommen werden kann. Lernende sollten deshalb zur selbstständigen Reflexion von und zur aktiven Beteiligung an geschichtspolitischen Deutungskontroversen befähigt werden.