Welche Konsequenzen lassen sich aus diesen Forderungen ableiten?

  1. Zunächst ist für historischen und politischen Unterricht zu fordern, dass die organisatorische Trennung der Fächer nicht einfach aufgehoben wird zu Gunsten eines Integrationsfaches, in dem dann die verschiedenen Fragestellungen und Erkenntnisinteressen, Prinzipien und Methoden, irgendwie miteinander verschmelzen würden. Die Aufrechterhaltung der Fächer darf jedoch nicht mit überkommenen Besitzständen an Themen oder überkommener Illusionen, das jeweils "eigene" Fach könnte die Aufgaben des Anderen quasi mit übernehmen, legitimiert werden, sondern allein durch die fachtheoretischen Erkenntnis, dass die beiden Fächer jeweils eigene Logiken von Kontingenzbewältigung, von Orientierung und Sinnbildung vermitteln können.

  2. Abzulehnen ist aber ebenso jegliche grundsätzliche Trennung der Sachgebiete und Themen. "Beide" Fächer bearbeiten mit ihren Mitteln und in gegenseitiger Verschränkung die gleichen Gegenwartsprobleme der Gesellschaft.

  3. Zu fordern ist in beiden Fächern und in ihrer Zusammenarbeit eine grundsätzliche Orientierung auf die Reflexion des eigenen Tuns, d.h. der Einbezug der Meta-Ebene der Erkenntnistheorie und -kritik. Auf dieser Ebene können dann auch die unterschiedlichen Orientierungs- und Lernmöglichkeiten durch politisches und historisches Denken aufeinander bezogen werden.

  4. In pragmatischer Hinsicht wird es wohl nur punktuelle, nicht aber eine durchgängige thematische Kooperation an ausgewählten Beispielen der Geschichtspolitik geben können. Themen müssten aktuelle politische Kontroversen und Themen mit Geschichtsbezug werden, die in Geschichts- und Politikunterricht jeweils mit deren eigenem Erkenntnisinteresse und deren eigener Methodik bearbeitet werden müssten:

    1. Im Geschichtsunterricht müsste ein Vergleich der in aktuellen Diskussionsbeiträgen erkennbaren verschiedenen Geschichtsauffassungen erfolgen. Das bedeutet unter anderem, politische Debattenbeiträge auf ihren Umgang mit Vergangenheit zu untersuchen, den von ihnen hergestellten Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft, also der behaupteten Kontinuitätsvorstellungen und der Triftigkeit(en) der Argumentation. Politische Beiträge müssen als Aussagen über Geschichte (de-)konstruiert werden (51).

    2. Im politischen Unterricht muss es unter anderem um die politikwissenschaftliche Erörterung der in den Beiträgen enthaltenen politischen Verortungen und Normannahmen innerhalb des gegenwärtigen politischen Spektrums gehen, um die Aufklärung hinsichtlich der in ihnen enthaltenen enthaltenen gegenwärtigen Optionen etc. Es geht um eine typisierende und klassifizierende Analyse von in historischen Aussagen enthaltenen politischen Implikationen ebenso wie um die Untersuchung der Struktur von (geschichts-) politischen Debatten. Historische Aussagen müssen somit aus ihrem vermeintlichen alleinigen Bezug auf Vergangenheit herausgelöst und als Instrumente in gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen bzw. in Versuchen von Integration und Abgrenzung etc. sichtbar gemacht werden.

  5. Methodisch empfehlen sich wohl thematisch und zeitlich gemeinsame Projekte, in denen historische und politische Aspekte arbeitsteilig bearbeitet werden (Fächer quasi als arbeitsteilige Gruppen, jeweils mit Doppelmitgliedschaft) und gemeinsamen Abschlusssitzungen, in welchen die Ergebnisse historiographischer und politikwissenschaftlicher Analysen gemeinsam vorgestellt und miteinander verglichen werden können (Aufhebung der Fachtrennung, Gruppeneinteilung ist wegen Doppelmitgliedschaft ja schon aufgehoben).

  6. Für die fachdidaktische Lehre bedeutet dieses unter anderem, dass die "klassischen Themen" von Geschichts- und Politikunterricht, wie sie z.B. in den Lehr- und Rahmenplänen enthalten sind, jeweils historisch und politisch reflektiert und analysiert werden.

  7. Die didaktische Forschung müsste sich unter anderem der Frage widmen, inwieweit in der Gesellschaft bzw. in verschiedenen Gruppen ein Bewusstsein für die Verschränkungen historischer und politischer Argumentationen gegeben ist. Zu klären ist dabei u.a. die Frage, inwieweit "Geschichte" als ein soziales Konstrukt wahrgenommen wird, in das immer soziale und kulturelle Perspektiven eingehen. Zu klären wäre zudem, inwieweit spezifische politische Grundhaltungen mit Formen der historischen Sinnbildungen und Argumentationen korrelieren. Möglichkeiten der Förderung derart "interrelationalen" Denkens (Grammes) sowohl im Unterricht als auch in anderweitigen Lehr- und Lernsituationen gehören ebenso in das Forschungsprogramm historisch-politischer Didaktik.