Mitte der 1960er Jahre - mit Beginn der Bildungsreform - hat der Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen die schulische Berufsorientierung in seinem Hauptschulgutachten in den umfassenden Begründungszusammenhang einer Arbeitslehre gestellt (vgl. Deutscher Ausschuss 1964).

Der Deutsche Ausschuss empfiehlt den Aufbau einer bis zum 10. Schuljahr verlängerten Hauptschule (die die Volksschuloberstufe ersetzen soll). Er setzt den "Beruf als didaktisches Zentrum" dieser neuen Schulform und versteht sie insgesamt als "Eingangsstufe des beruflichen Bildungsweges". Arbeitslehre als neue "selbstständige Unterrichtsform" der Hauptschule hat die Aufgabe, den Schülerinnen und Schülern eine "bildungswirksame Hinführung zur modernen Arbeitswelt" zu ermöglichen. "Dabei wird der Schüler mit Grundzügen des Arbeitens in der modernen Produktion und Dienstleistung so weit vertraut, dass er danach seine Berufswahl verständiger treffen kann" (ebd., S. 41).

Aus diesen Vorschlägen, die stark von den Arbeitslehre-Vorstellungen Heinrich Abels (der Mitglied des Deutschen Ausschusses war) geprägt sind (vgl. u. a. Abel 1966, S. 617 ff.), lässt sich schließen, dass in Arbeitslehre auch eine Hilfestellung bei der Berufswahl gegeben werden soll. Der Deutsche Ausschuss unterlässt es aber, die Berufswahlvorbereitung näher zu bestimmen. Ein besonderes Inhaltsangebot für das postulierte Ziel der "Berufswahlreife" sieht er nicht vor. Vielmehr erklärt er die Berufswahlvorbereitung als Grundprinzip, dem die ganze Arbeitslehre - mit Technik, Wirtschaft und Hauswirtschaft - verpflichtet ist. Dabei wird dem praktischen Tun in der Schule und dem Betriebspraktikum eine Zentralfunktion zugesprochen. Der vom Deutschen Ausschuss zugrunde gelegte traditionell-handwerkliche Berufsbegriff und die Konzentration seiner Arbeitslehre auf Industrie und Handwerk engt die Vorbereitung auf die Berufswahl jedoch stark auf den gewerblichen Bereich ein. Diese kann im 10. Schuljahr nach Berufsfeldern differenziert werden. Eine spezielle "Berufsreife" soll aber erst in der anschließenden Berufsausbildung angestrebt werden.

Aufgrund der vagen Vorstellungen des Deutschen Ausschusses zum Thema 'Berufsorientierung' bestand hierzu in den Jahren nach seinen Arbeitslehre-Empfehlungen ein großer Klärungsbedarf. Inzwischen lagen auch neue empirische Befunde und Theorien zur Berufswahl vor (z. B. von Scharmann, Jaide und Daheim), auf die die schulische Berufsorientierung zurückgreifen konnte (vgl. Steffens 1975). Außerdem traten in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre die Probleme des Berufs (Auflösung traditioneller [/S. 20:] Berufsbilder) und des beruflichen Ausbildungswesens (u. a. unbesetzte Lehrstellen, Unzufriedenheit der Lehrlinge sowie hohe Abbrecher- und Wechselquoten unter den Auszubildenden) auch in der Öffentlichkeit deutlicher hervor. Vor diesem Hintergrund begannen Pädagogik und Bildungspolitik sich stärker mit der Berufsorientierung zu beschäftigen. Zum einen wurden didaktische Entwürfe einer Berufswahlvorbereitung als ein Aufgabenfeld der Arbeitslehre und einer Arbeitslehre als vorberufliche Bildung (z. B. von Wiemann, Blankertz, Klafki, Stratmann und Kaiser) entwickelt (zum Überblick siehe Dauenhauer 1974 und Hendricks 1975). Zum anderen schlugen sich die Bemühungen in einer Reihe von Positionspapieren bildungspolitischer Institutionen und Gremien wieder (vgl. Dibbern u. a. 1974, S. 21 ff.). Diese zeugen - bei allen Unterschieden im Detail - von einem breiten politischen Konsens über die Notwendigkeit einer beruflichen Orientierung in der Schule. Richtungsweisend waren die Aussagen und Vorschläge der Kultusministerkonferenz (KMK), des Deutschen Bildungsrates und der Bundesanstalt für Arbeit.

Die Empfehlungen der KMK zur Hauptschule (1969) sehen in dem Fach Arbeitslehre ein eigenständiges Unterrichtsfeld "Hinführung zur Berufswahl" vor, in dem "auf der Grundlage praktischen Tuns und theoretischer Durchdringung" sowie in Betriebserkundungen und Betriebspraktika eine "Orientierung über Berufsfelder, Berufsgruppen und Berufe" ermöglicht werden soll, die "am Ende der 9. Klasse zu einer revidierbaren Berufsfeldentscheidung" führt (KMK 1969, S. 29).

Nach den Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates in seinem "Strukturplan für das Bildungswesen" (1970), der eine umfassende pädagogische sowie gesellschafts- und bildungspolitische Begründung für die Reform des deutschen Erziehungswesens enthält, gehört eine "Berufsbildungsberatung" (die gleichrangig neben der Schullaufbahnberatung und der individual-psychologischen Beratung steht) zu den Aufgaben des Bildungswesens. Sie ergänzt die berufliche Orientierung (über Berufsfelder, Berufsbilder und Berufschancen) in der Arbeitslehre, "damit der Lernende eine Berufswahl treffen kann" (Deutscher Bildungsrat 1970, S. 91). Grundsätzlich sollen die Lernangebote und die Wahl der Unterrichtsfächer auch an beruflichen Bildungsgängen und beruflichen Anforderungen orientiert werden. Damit nimmt der Deutsche Bildungsrat die Idee des Deutschen Ausschusses, die Hauptschule als Eingangsstufe des beruflichen Bildungsweges zu konzipieren, auf; er weitet sie aber auf alle allgemein bildenden Schulen aus (vgl. Dibbern u. a. 1974, S. 26).

§ 32 des Arbeitsförderungsgesetzes (1969) verpflichtet die Bundesanstalt für Arbeit, "mit den Einrichtungen der allgemeinen und der beruflichen Bildung" zusammenzuarbeiten. Dieser Kooperationsauftrag ist 1971 in einer [/S. 21:] "Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung" zwischen KMK und Bundesanstalt konkretisiert worden. Danach soll die Kooperation bei "berufsaufklärenden Maßnahmen" erfolgen. Die berufliche Einzelberatung, die Unterrichtung über die Berufsausbildung und die Vermittlung in berufliche Ausbildungsstellen sind ausschließlich Aufgabe der Bundesanstalt. "Bei ihren berufswahlvorbereitenden Maßnahmen stützt sich die Berufsberatung auf die durch die Schule geleistete Hinführung zur Wirtschafts- und Arbeitswelt" (Rahmenvereinbarung 1971, S. 449 ff.). Insbesondere den Berufsberatungsstellen der Arbeitsämter obliegt es, Verbindung zu den Schulen ihres Bezirkes zu halten und mit den Lehrerinnen und Lehrern zusammenzuarbeiten. Die Rahmenvereinbarung bildet die Grundlage für länderspezifische Richtlinien und Erlasse. In der Regel stehen der kooperativen Berufswahlvorbereitung folgende Möglichkeiten und Formen zur Verfügung (vgl. Landesarbeitsamt Hessen (Hrsg.) 1996):

  • Schulbesprechungen,
  • Elternveranstaltungen,
  • Vortagsveranstaltungen,
  • Seminare,
  • Schriften,
  • Berufsinformationszentren (BIZ) und
  • Berufserkundungen.