Die pädagogischen und bildungspolitischen Vorschläge, insbesondere die Beschlüsse der KMK von 1969, veranlassten die meisten Bundesländer, Lehrpläne, Richtlinien, Handreichungen bzw. Arbeitsgrundlagen für eine Arbeitslehre in Form eines Unterrichtsbereiches ("Arbeit - Wirtschaft - Technik") bzw. - seltener - in Form eines integrativen Unterrichtsfaches in der Hauptschule (sowie der Sonderschule) zu erlassen. Außerdem gehörte Arbeitslehre von Anfang an zum Curriculum der Gesamtschule. Während einige Bundesländer (z. B. Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) schon Ende der sechziger Jahre Lehrpläne für Arbeitslehre vorlegten, geschah dies in anderen Ländern (z. B. in Hessen) erst Ende der siebziger Jahre. In diesen Plänen hat die Berufsorientierung einen didaktischen Ort bekommen. In der Regel sahen sie eine der folgenden Formen vor:
- Die Berufsorientierung ist ein zentrales Aufgabenfeld (z. B. in Bremen).
- Die Berufsorientierung erfolgt in einem wählbaren Schwerpunktbereich: in Metalltechnik, Elektrotechnik u. a. (z. B. in Berlin). [/S. 22:]
- Die Berufsorientierung ist an Betriebserkundungen und Betriebspraktika angekoppelt (z. B. in Nordrhein-Westfalen und Bayern) und
- die Berufsorientierung fungiert als Prinzip, für dessen Vermittlung alle Sachgebiete der Arbeitslehre (Technik, Wirtschaft, Hauswirtschaft) zuständig sind (z. B. in Niedersachsen).
In den 1970er Jahren haben auch die Realschulen besondere Anstrengungen unternommen, den Schülerinnen und Schülern Hilfen bei der Berufswahl zu geben. Während es zunächst primär um organisatorische Aspekte ging (Zusammenarbeit mit der Berufsberatung, Durchführung von Betriebserkundungen und Betriebspraktika), rückten zunehmend inhaltliche Fragen in den Vordergrund (vgl. Wollenweber 1992, S. 469 f.). Berufsorientierung wurde entweder in dem neu eingeführten Fach bzw. Fächerverbund Arbeitslehre oder in einem vorhandenen Fach (Wirtschaft/ Politik u. a.) als Pflicht- und/ oder Wahlpflichtangebot (in der Regel in der 9. und 10. Klasse) angesiedelt oder als eine Aufgabe mehrerer Unterrichtsfächer betrachtet, wobei der Sozialkunde meist eine Leitfachfunktion zukam.
Die didaktischen Ansätze zur Berufsorientierung waren also unterschiedlich. Die Curriculumgestalter mussten die besonderen Schulsituationen in den Bundesländern (Vorläuferfächer, Schulausstattung, Vorbildung des Lehrpersonals u. a.) berücksichtigen, sie waren Eingriffen der Politik ausgesetzt und sie orientierten sich jeweils an bestimmten Konzeptionen, die mehr oder weniger kontrovers waren. Außerdem kam die Forderung nach Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung in Curricula und Unterrichtspraxis nur selten zum Tragen. Angesichts dieser Situation hat die Bundesanstalt für Arbeit an die Wissenschaftler Harald Dibbern, Franz-Josef Kaiser und Adolf Kell 1974 ein Gutachten zur Entwicklung eines Curriculums >> Berufswahlunterricht << mit dem Auftrag vergeben, die Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung unter Berücksichtigung der vorhandenen pädagogischen Ansätze und bildungspolitischen Empfehlungen didaktisch umzusetzen (vgl. Dibbern u. a. 1974).
Die Autoren weisen der schulischen Berufsorientierung ihren Platz in der Arbeitslehre zu. Diese verstehen sie als ein obligatorisches Unterrichtsfach für alle Schüler der Sekundarstufe I. Der Berufswahlunterricht soll ein kooperativer Aufgabenbereich von Bundesanstalt und Schule sein. Seine globale Aufgabe ist die Vermittlung einer Berufswahlreife, verstanden als "die erworbene Qualifikation zur Durchführung einer ersten Berufs- und Ausbildungsentscheidung unter der Perspektive einer langfristigen individuellen Berufswegplanung" (Dibbern u. a. 1974, S. 74). Diese enthält - im Hinblick auf die zentralen Bedingungen des Berufweges - drei Teilaufgaben: [/S. 23:]
- Analyse der familiären und schulischen Sozialisation der Berufswähler,
- Analyse der Berufsausbildung als Möglichkeit der Anpassung an die Anforderungen der beruflichen Tätigkeitsfelder,
- Analyse der Bedingungen der Arbeitswelt, mit denen der Jugendliche bei der späteren Berufsausübung konfrontiert sein könnte.
Für diese Teilaufgaben, die auf Themenfelder verweisen, werden einzelne Lernziele und Teillernziele mit Inhalten und methodischen Vorschlägen angegeben.
Dieses "Rahmencurriculum" hat zu mehreren, von der Bundesanstalt für Arbeit bzw. von Landesarbeitsämtern initiierten und geförderten Modellversuchen geführt. Außerdem gab es eine Reihe von Versuchen, die auf die Initiative der Bildungsverwaltung oder einzelner Schulen zurückgingen (vgl. Büchner u. a. 1979, S. 65 ff.). Diese Modelle und Ansätze zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie Curricula mit konkreten Arbeitsmöglichkeiten im Bereich der Berufswahlvorbereitung entwickelt und erprobt haben. Damit haben sie einen maßgeblichen Anteil an der unterrichtspraktischen Wende in der Arbeitslehre-Entwicklung in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre.