Ein Scheitern an diesem Punkt stellt in Frage, wie wichtig es uns ist, dass Menschen in demokratischen Prozessen ihre eigene Zukunft und die der Gesellschaft, deren Teil sie sind, zu lenken. Und doch findet eine Auseinandersetzung mit den sich einmischenden Akteuren und deren Interessen an Arbeits- und Absatzmärkten, der Rolle der einzelnen beteiligten Menschen als Produzenten und Konsumenten nicht statt. Indem im Unterricht lediglich Fakten der Abprüfbarkeit wegen vorgelegt werden, erkennen die Lernenden die Arbeitswelt als festgeschriebenen, beinahe naturgegebenen und nicht veränderlichen Zustand. Die Frage wirft sich auf, ob unter diesen Voraussetzungen wirklich davon gesprochen werden kann, dass junge Menschen ihren Platz frei wählen oder gegebenen Rollenbildern unreflektiert nacheifern.

Wollen wir erreichen, dass Menschen mündig ihre Entscheidungen treffen, und dies in jeder Phase ihres Lebens und gleichgültig welche Ebene betreffend, müssen wir das Verständnis fördern, dass sie selbst dazu auch in der Lage sind. Erhalten Jugendliche in der Schule keine Gelegenheit, ihren Schulalltag zusammen mit den anderen beteiligten Personengruppen zu gestalten, lernen sie über viele Jahre hinweg nur den Anweisungen der Erwachsenen in Form von Lehrern zu gehorchen und werden darauf vertröstet, irgendwann einmal, wenn sie selbst Erwachsene sind, über ihr eigenes Leben (mit)bestimmen zu dürfen, hat man einen für die Ausbildung eines menschlichen Charakters extrem wichtigen Lebensabschnitt ungenutzt gelassen. Wie sollen Menschen, die beinahe ihr ganzes Leben unmündige Bildungskonsumenten gewesen sind, auf einmal Verantwortung für sich und andere übernehmen?

Wie sollen sie selbst Perspektiven für die eigene Zukunft ermitteln, wenn sie sich in einem Bildungssystem bewegen müssen, das ihnen zunehmend weniger Wahlfreiheiten bietet? Der Ruf nach zentralen Abschlussprüfungen schallt von Bundesland zu Bundesland. Für die Schülerinnen und Schüler bedeutet dies konkret, dass sie sich nicht mehr gemäß ihrer eigenen Interessen für Fächer entscheiden dürfen, die sie vertiefen möchten. Sie werden gezwungen, allgemein verbindliche Vorgaben zu akzeptieren und auf eine Abschlussprüfung hin zugerichtet zu werden, so dass man, wenn schon nicht so ganz klar ist, wer in die Schule hineingesteckt wird, zumindest weiß, wer oder was aus der Schule wieder herauskommt. Das kann man nämlich einfach in Form von Ziffern von einem Blatt Papier ablesen.

Dass diese Art der schulischen Ausbildung nicht das individuelle Fördern im Sinn hat, liegt auf der Hand. Auch eine Vermittlung von Methoden- oder gar Lebenskompetenz ist ihr fern. Was weiter als "Du bist schlecht", oder "Du bist gut", kann die Note einem Schüler vermitteln? Wie kann die Schülerin aus einer Ziffernnote ihre Stärken und Schwächen ersehen? Was mehr lernt man aus der Notengebung, als dass es immer darauf ankommt, wie andere einen beurteilen und dass man abhängig ist vom Urteil anderer, die ähnlich wie Lehrer in der Schule mit ihrer Beurteilung über Zukunftschancen entscheiden? Auch an diesem Punkt lässt sich feststellen, dass die Qualifizierung zum mündigen Bürger der Schule fern ist.

Wird in der Schule nicht erlernt, dass das eigene Leben form- und gestaltbar ist, werden die Menschen auch immer weniger auf allen anderen gesellschaftlichen Feldern aktiv Demokratie üben. Und wie kann eine Zukunftsplanung erfolgreich durchgeführt werden, wenn es nicht selbstverständlich ist, solidarisch und verantwortungsbewusst zu agieren?

Berufsorientierung ist weit mehr als den Ablauf des Arbeitstages eines Schreiners oder eines Staatsanwalts kennen zu lernen. Sollen Jugendliche ihre Lebensplanung selbstständig gestalten, setzt dies ein entsprechendes Vorwissen praktischer Erfahrung voraus, das sie während ihrer Schulzeit sammeln sollen.