Am Ende der Schulzeit stehen junge Menschen vor der ersten Entscheidung, die sie wirklich selbstständig treffen und deren Folgen sie selbst tragen müssen. Bisher haben ihre Eltern Entscheidungen für sie oder mit ihnen getroffen: der Besuch einer weiterführenden Schule am Ende der Grundschulzeit, die Unterstützung und Förderung der Begabungen durch Finanzierung von Stunden und Kursen in Musik, Sport, Hobby usw. Sie haben ihren Kindern Chancen eröffnet.
Sie haben auch Einstellungen und Werthaltungen ihrer Kinder mitgeprägt, z. B. durch ihre Einstellung zur Gestaltung des Lebens und der Freizeit, zu Arbeit und Beruf. Nun erwarten sie, dass ihre Kinder sich selbstständig und eigenverantwortlich der Aufgabe des Übergangs von der Schule in den Beruf stellen.
Dieser Übergang ist für junge Menschen in zweifacher Hinsicht ein wichtiger Schritt:
Zum einen markiert er das Ende der Kindheit und Jugendzeit. Die Jugendlichen sollen ihre Rolle in der Welt der Erwachsenen eigenständig übernehmen. Diese ist geprägt von der Notwendigkeit, durch den Einsatz des eigenen Arbeitsvermögens ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft zu werden. Ihr Leben gestalten und bewältigen sie unabhängig von anderen.
Zum anderen markiert dieser Schritt eine Einordnung in die betrieblich oder institutionell gegliederten gesellschaftlichen Systeme von Arbeit, in den Arbeitsmarkt mit seinen Qualifikationsanforderungen und der Herausforderung, die Nützlichkeit des bisher erworbenen Wissens und Könnens am Markt unter Beweis zu stellen.
Die Übergangsphase zwischen Schule und Beruf hat sich verlängert und damit zu einer zeitlich verzögerten Berufswahl geführt. Die schulischen Angebote sind vielfältig und bieten, zwar mit jeder Entscheidung etwas weniger, eine Reihe von Übergangsmöglichkeiten und Chancen zum Weiterlernen. Gleichzeitig hat sich der Stellenwert der Berufswahl verändert: Nicht das konkrete Berufsziel steht im Mittelpunkt der beruflichen Entscheidung, sondern der Wunsch möglichst lange möglichst viele Bildungs- und Berufsmöglichkeiten offen zu halten. Damit wird deutlich, dass für die Jugendlichen der Weg klarer ist als das Ziel.
Durch dieses Verhalten kommt die starke Verunsicherung zum Ausdruck, die sich aufgrund der verschlechterten Ausbildungs- und Arbeitsmarktperspektiven und der zunehmenden Unübersichtlichkeit und Ausdifferenzierung der Bildungsgänge unter jungen Menschen ausbreitet und die Ausbildungswahl erschwert. Fehlende Erfolgsaussichten und der Wandel der Erwerbsarbeit überschatten bereits das Selbstgefühl der Jugendlichen und prägen beklemmende Zukunftserwartungen. Selbstzweifel, Abwendung und Lähmung bei Jugendlichen sind deprimierende und beobachtbare Folgen. Offensichtlich gelingt es uns nicht, den nachwachsenden Generationen in ausreichendem Maße Mut zu machen und Wege aufzuzeigen, trotz objektiver Problemlagen, mit Kraft und Selbstvertrauen an deren Überwindung zu gehen.
Gerade deshalb haben Berufsorientierung und spätere Berufswahl eine gesellschaftliche Funktion. Sie erfüllen aus gesellschaftlichem Blickwinkel die Aufgabe der Einordnung des Einzelnen in die Gesellschaft und der Zuweisung des Einzelnen zu bestimmten Berufspositionen. Gesellschaftliche Aufgabe ist es, Ungleichgewichte zwischen Arbeitsangeboten und deren Nachfrage zu vermeiden und beruflichen Fehlentscheidungen vorzubeugen. Ausbildungsabbrüche und Arbeitslosigkeit sind deshalb nicht nur für das Individuum, sondern auch aus gesellschaftlicher Perspektive problematisch.
Grundlage für die Stärkung der Ausbildungsfähigkeit muss deshalb eine Berufsorientierung sein, welche die Entwicklung der Ausbildungsfähigkeit von Schülerinnen und Schüler in dieser Phase unterstützt und Schlüsselkompetenzen vermittelt.