Nur jene Menschen werden zukünftig in ihrem eigenen Interesse Einfluss auf die Gestaltung ihrer Arbeit nehmen können, die Einsicht in die Zusammenhänge von Technologie, Ökonomie, Arbeitsorganisation und gesellschaftliche Entwicklung gewonnen haben und die auch über Kompetenzen verfügen, ihre Vorstellungen in die gesellschaftliche Auseinandersetzung einzubringen. Dies bedeutet Heranwachsende zu befähigen, die spezifischen Möglichkeiten der technisch und ökonomisch geprägten Lebenssituationen zu analysieren und zu bewerten, humane und ökologische Alternativen technischer Entwicklung zu denken, Handlungsstrategien zur Durchsetzung entsprechender Lösungen zu erörtern und in praktisch-technischen als auch in politischen Handlungsvollzügen zu erproben.
Junge Menschen müssen auf die Veränderungsprozesse in der Arbeitswelt vorbereitet werden. Aufgrund der generellen Bedeutung der Erwerbsarbeit für die Persönlichkeitsentwicklung sowie für die Integration des Einzelnen in die Gesellschaft kommt der erfolgreichen Eingliederung der Jugendlichen in das Beschäftigungssystem eine Schlüsselrolle zu. Erwerbsarbeit soll vielfältige, unterschiedlich bewertete Erwartungen erfüllen: Materielle Basis für eine selbst verantwortliche Lebensführung, interessante und verantwortungsvolle Tätigkeiten, Herausforderung und Weiterentwicklung der persönlichen Fähigkeiten, materielle und soziale Anerkennung der beruflichen Leistung, beruflichen und sozialen Aufstieg, soziale Kontakte und vielfältige, auch über den unmittelbaren beruflichen Tätigkeitsbereich hinausgehende Anregungen, Einsichten und gesellschaftliche Anerkennung.
In allen Industriegesellschaften findet gegenwärtig ein gravierender technologischer, wirtschaftlicher und sozialer Strukturwandel statt. Dieser Wandel verändert auch die individuellen und gesellschaftlichen Erfahrungen von Arbeit, beschleunigt durch den umfassenden Einsatz der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Mit der Informatisierung der Arbeit deutet sich das Risiko einer beschleunigten Individualisierung in der Gesellschaft an. In flexibleren Arbeitszeitregelungen, der Auflösung von Regelarbeitszeiten in Betrieben und vielfältigen, zum Teil ungesicherten Arbeitsverhältnissen kommt die Individualisierung von Arbeit zum Ausdruck - mit einschneidenden Auswirkungen auf die kollektive Interessenvertretung und die Mitgestaltung von Arbeitsorganisation durch die Beschäftigten. Bezogen auf die Arbeitsorganisation beginnt die bisher in vielen Wirtschaftsbereichen dominierende hochgradige Arbeitsteilung aufzubrechen mit einer Tendenz, stärker ganzheitliche und integrierte Arbeitsprozesse zu realisieren. Im Produktionsbereich geht die direkt produktionsbezogene Herstellungsarbeit zurück, statt dessen nehmen indirekt planende, steuernde und kontrollierende Arbeiten zur Systembetreuung zu.
Im Dienstleistungsbereich entstehen Arbeitstätigkeiten, die durch eine höhere Komplexität, die Erweiterung der Aufgaben zu komplizierten Sachverhalten gekennzeichnet sind. Die Hauptqualifikation für eine Gestaltung solcher Arbeitssituationen ist die Fähigkeit zum strategischen Umgang mit Informationen. Dies setzt gute Fachkenntnisse, analytische Fähigkeiten, intellektuelle Flexibilität und gute kommunikative Kompetenzen voraus.
Ausbildung und Arbeit wird deshalb von Jugendlichen - neben Partnerwahl und Familiengründung - als entscheidender Schritt für ihr Erwachsenwerden betrachtet. Im Leben des einzelnen Menschen bildet die Erwerbstätigkeit den Rahmen für die Gestaltung eines großen Teils der Lebenszeit. Die Mehrheit der Bevölkerung bestreitet ihren Lebensunterhalt aus dem Einkommen für abhängige Erwerbsarbeit. Wegen der seit Jahren bestehenden Massenarbeitslosigkeit sorgen sich die Menschen um ihre Arbeits- und Ausbildungsplätze.
Arbeitslosigkeit, gerade auch unter Jugendlichen, bleibt auf absehbare Zeit ein zentrales Problem unserer Gesellschaft. Vor allem weniger qualifizierte Jugendliche mit schlechten oder niedrigeren Bildungsabschlüssen sind betroffen. Auf dem Arbeitsmarkt werden für einfache Tätigkeiten immer weniger Arbeitsplätze angeboten. Ungelernte Arbeitskräfte sind deshalb besonders stark betroffen, weil auch die einfachen Tätigkeiten zu einem Drittel bereits von Absolventinnen und Absolventen mit beruflichem Abschluss übernommen werden. Das gilt für die Produktion ebenso wie für die primären Dienstleistungen, die direkt mit der Warenproduktion verbunden sind. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Fachkräften mittlerer Qualifikation in allen produzierenden Branchen.
Die Erwerbsarbeit ist und bleibt die wichtigste Quelle der Existenzsicherung. Dennoch: Mit steigender Produktivität ohne wachsende Absatzmöglichkeiten für die Produkte verringert sich der Anteil bezahlter Erwerbsarbeit in der Gesellschaft. Für die Menschen verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit, Nicht-Erwerbsarbeit und Freizeit. Im Betrieb, aber auch in der Familie, entwickeln sich neue anspruchsvolle und zum Teil irritierende Sozialisationsbedingungen für Heranwachsende. Jugendliche sind daher längst nicht mehr bereit, unreflektiert die Werthaltungen der Elterngeneration zu übernehmen. Flexible Arbeitsverhältnisse jenseits des sozial abgesicherten Normalarbeitsvertrages entstehen - zum Teil unsichere Arbeitsverhältnisse oder Formen der Selbstständigkeit. Gerade in diese Bereiche versuchen sich auch oft Jugendliche und junge Erwachsene einzubringen mit dem Ziel, eine sinnvolle Arbeit auszuüben und befriedigende Kommunikations- und Sozialbeziehungen aufzubauen.
In diesem tief greifenden Wandlungsprozess unserer Gesellschaft nimmt Bildung eine Schlüsselrolle ein. Mit dem Strukturwandel einher geht eine Expansion des Wissens. In einer wissensbasierten Wirtschaft ist die Produktivitätsentwicklung in immer stärkerem Maße von den "human ressources" abhängig und damit von Bildung, Forschung und innovativen Organisationsstrukturen.
Bildung ist heute eine strategische Größe: Nur mit guten Qualifikationen haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Dauer eine Chance auf einen Arbeitsplatz und berufliches Fortkommen. Sie müssen dafür die notwendigen Entscheidungskompetenzen erwerben. Jugendliche müssen schon in der Schule Schlüsselqualifikationen erwerben, die im Berufsleben wichtig sind. Ein modernes Bildungssystem muss dem ebenso gerecht werden wie der Tatsache, dass sich die Qualifikationen in raschem Tempo verändern.