Geschichte und Politik lassen sich jeweils als Prozesse der Sinnbildung begreifen. Historische Sinnbildung entwickelt Zeitverlaufsvorstellungen, um Fragen an die Gegenwart durch Vergangenheitserinnerungen zukunftsfähig zu beantworten. Politische Sinnbildung entwickelt Herrschaftsvorstellungen, um den Transformationsprozess von individuellen Interessen in allgemeine Verbindlichkeit zu erklären. Das Geschichts- beziehungsweise das Politikbewusstsein bezeichnet mentale Teilstrukturen, die sich durch diese Denkprozesse aufbauen. Als Bereiche des allgemeinen Bewusstseins strukturieren sie die subjektive Konstruktion historischer und politischer Wirklichkeit. Geschichtsbewusstsein gibt kontingenter Zeiterfahrung Sinn. Das Politikbewusstsein macht Herrschaftsansprüche legitim.
In der Schnittmenge der beiden Fachperspektiven konstituiert sich mit dem historisch-politischen Bewusstsein das Reflexionsfeld der historisch-politischen Didaktik. Diese interessiert sich für die subjektiven Vorstellungen von der historisch-politischen Wirklichkeit als Ausgangspunkte und Ergebnisse von Lernprozessen.
Das historisch-politische Bewusstsein ist nicht statisch. Die durch Denkbewegungen aufgebauten Vorstellungen von der Wirklichkeit sind prozessual und werden beständig verändert oder bestätigt. Diese Bewusstseinsmobilität lässt sich als ein historisch-politischer Lernprozess verstehen, durch den sich die mentalen Strukturen permanent erweitern und umstrukturieren. Solange die Bewusstseinskapazitäten es erlauben, werden neue Erkenntnisse in die vorhandenen Schemata integriert. Sobald die historisch-politischen Erfahrungen nicht mehr assimiliert werden können werden die Denkfiguren grundlegend erneuert. Diese Konstruktivität macht das historisch-politische Bewusstsein lerntheoretisch relevant. Da der Wandel der mentalen Strukturen als eine Wirkung von Lernprozessen begriffen werden kann, stellt das historisch-politische Bewusstsein den zentralen Reflexionsgegenstand der historisch-politischen Didaktik dar.
Ausgehend vom Geschichts- und Politikbewusstsein lässt sich das historisch-politische Bewusstsein durch zwei differente Bezugnahmen entwickeln. Aus der Sicht des Geschichtsbewusstsein konstituiert sich historisch-politisches Bewusstsein als ein Überschneidungsfeld, in dem historisches Denken auf einen politischen Gegenstand bezogen wird. Als Teilstruktur des Geschichtsbewusstseins entsteht ein politikgeschichtliches Bewusstsein. In der Perspektive des Politikbewusstseins bildet sich das historisch-politische Bewusstsein, indem politisches Denken auf einen historischen Gegenstand gerichtet wird. So entsteht als Teilstruktur des Politikbewusstseins geschichtspolitisches Bewusstsein. Das historisch-politische Bewusstsein setzt sich aus den politikgeschichtlichen und den geschichtspolitischen Denkstrukturen zusammen.