Ökonomische Bildung im sozialwissenschaftlichen Kontext – oder: Aspekte eines Konzepts sozioökonomischer Bildung

Tim Engartner/Balasundaram Krisanthan

Zusammenfassung

In Reaktion auf die in der öffentlichen Debatte intensiv diskutierte Frage nach der curricularen Verankerung ökonomischer Bildung sowie in Ergänzung zu einem Konzept sozioökonomischer Bildung, das derzeit im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung entwickelt wird, werden im vorliegenden Beitrag ausgewählte didaktische, methodische und inhaltliche Anknüpfungspunkte für eine Verzahnung politikwissenschaftlicher, soziologischer und wirtschaftswissenschaftlicher Zugänge benannt. Damit soll ein Kontrapunkt zu der mitunter zu beobachtenden „Engführung“ der ökonomischen Bildung entlang der neoklassischen Standardökonomie gesetzt werden. Ziel ist es, einen perspektivischen Monismus im Stile eines „Ökonomismus“ zu vermeiden und stattdessen heterodoxe und interdisziplinäre Inhalte zu befördern. Sozio-ökonomische Bildung soll demnach auch solche Positionen vermitteln, die der „Fürsprache des Marktes“ Argumente entgegensetzen, indem die Grammatik einer Gesellschaft gelesen und deren politische Konstitution gedeutet wird.

1. Ökonomisierung der Gesellschaft und fachdidaktische Reaktionen

Wir würden gegenwärtig Zeuge, wie ein neuer Mensch programmiert, eine neue Kodierung des Sozialen vorgenommen und ein neues Bild der Gesellschaft geschaffen werde. Der „Informationskapitalismus“ habe ein Raster über die Welt gelegt, dem niemand entkommen könne. Das auf die „Totalbewirtschaftung“ des Lebens zielende Kosten-Nutzen-Kalkül stelle alles Tun und Trachten – von der Aufnahme des Studiums bis hin zur Familiengründung – unter den ökonomischen Vorbehalt des „Sich-Rechnen-Müssens“. Der Mensch als vernunftbegabtes Wesen folge nur mehr der Vernunft des rationalen Egoisten: dem Eigennutz. Der homo oeconomicus, für den das Leben eine einzige Gewinn- und Verlustrechnung darstelle, habe das Labor verlassen und ersetze nun als rationaler Spieler auch im wirklichen Leben den von sozialen Beziehungen geprägten Menschen. Überhaupt sei das Menschliche Schritt für Schritt dem Ökonomischen gewichen. Auch deshalb sei es nicht verwunderlich, dass – der Ökonomie des selbstsüchtigen Herzens folgend – immer mehr Lebensbereiche den Gesetzen des Marktes unterworfen würden. Derartige Gesellschaftskritik zählt spätestens seit den 1960er-Jahren zum Standardrepertoire links-liberaler Autor(inn)en. Nun aber hat mit Frank Schirrmacher ein gestandener Konservativer seine Skepsis gegenüber der in nahezu sämtlichen Teilbereichen des Lebens aufkeimenden Allmacht des Ökonomischen mit der angedeuteten Präzision zum Ausdruck gebracht (2013). In seinem gerade erschienenen Buch mit dem Titel Ego. Das Spiel des Lebens hinterfragt er die kollektive Individualisierung, geißelt die Macht der Ökonomie und verweist auf die unheilvollen Konsequenzen einer allein von ökonomischen Parametern determinierten Gesellschaft. Die Intervention des seit beinahe zwei Jahrzehnten als Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung tätigen Autors kann als Beleg dafür angesehen werden, dass die Ökonomisierung des Sozialen zunehmend kritisch gesehen wird und die Frage, wie Politik, Ökonomie und Gesellschaft miteinander in Einklang gebracht werden können, an Bedeutung gewonnen hat. Das in zahlreichen Feuilletons überschwänglich gelobte Werk identifiziert eine Problemkonstellation, die für die gesellschaftspolitische Debatte und damit auch für die sozialwissenschaftliche Bildung von kaum zu überschätzender Bedeutung ist: Wie kann ökonomische Bildung vermittelt werden, ohne dass ökonomischen Erklärungsmustern für sämtliche individuellen und gesellschaftlichen Fragestellungen Vorschub geleistet wird? Schließlich ist davon auszugehen, dass diejenigen, die den ökonomischen Rationalismus in jeder Lebenssituation zum Maßstab ihres Denkens und Handelns erklären, weniger ökonomisch gebildet als vielmehr ökonomistisch verbildet sind. Aber bei aller berechtigten Kritik an der Ökonomisierung unserer Lebenswelt gilt es festzustellen, dass wirtschaftliche Tätigkeit eine gesellschaftliche Konstante darstellt, die dem Einzelnen ebenso wie den größeren sozialen Einheiten die (materielle) Existenz sichert, die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe bildet – und sich nicht allein durch Alltagserfahrungen erschließen lässt. Vor dem Hintergrund, „dass sich die ökonomische Urteils- und Handlungskompetenz der Menschen in dem Maße fortentwickeln muss, in dem sich die Lebenswelt ‚ökonomisiert‘“ (Retzmann 2008, 215), ist der von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden, Kirchen und Kreditinstituten sowie politischen Parteien und Pädagog(inn)en mit unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Intentionen formulierte Appell, Wissen über ökonomische Sachverhalte, Prozesse und Zusammenhänge stärker als bislang zu vermitteln, durchweg nachvollziehbar.

Denn auch dann, wenn es politisch zu fragen gilt, welche gesellschaftlichen Gruppen von bestimmten Steuersenkungen (in besonderer Weise) profitieren, bedarf es nicht nur eines Grundverständnisses von direkten und indirekten Steuern, sondern auch der Fähigkeit, zwischen Kommunal-, Länder- und Bundessteuern sowie „sozial blinden“ und „sozial gerechten“ Steuern zu unterscheiden. Sucht man angesichts der Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten nach Antworten auf die Frage, ob – und wenn ja, inwieweit – das Aufspannen milliardenschwerer Rettungsschirme zu Gunsten „systemrelevanter“ Banken gerechtfertigt ist, kommt man ohne einen tiefschürfenden Blick auf die internationale Finanzmarktarchitektur nicht aus. Und auch die Schattenseiten der Globalisierung lassen sich nicht frei von volkswirtschaftlichen Zahlen, Daten und Fakten ausleuchten.

2. Ausgangsbedingungen sozio-ökonomischer Bildung im Zeichen einer Neujustierung der Wirtschaftswissenschaften

Die Frage, welche Ziele sich mit ökonomischer Bildung verbinden lassen bzw. verbunden werden sollten, wird unterschiedlich beantwortet. Weitgehende Einigkeit besteht dahingehend, dass nicht wirtschaftswissenschaftliche Theorien und Methoden den Kern der ökonomischen Bildung kennzeichnen, sondern ihre Überführung in bildungsrelevante Kategorien, weshalb es einer normativen Ausrichtung bedarf – in Richtung „Persönlichkeitsentwicklung, Aneignung wissenschaftlicher und kultureller Traditionen, Bewältigung praktischer Lebensanforderungen und aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“ (Weber 2008 a, 53). Die „Zweibeinigkeit“ der Wirtschaftsdidaktik soll einerseits die Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen und anderseits das Spannungsverhältnis zwischen dem Lernenden, dem Lehrenden und den Lerngegenständen auflösen, um die Kluft zwischen der Intentionalität des Lehrenden und der Individualität der Lernenden zu schließen. Darüber hinaus ist allen einschlägigen Konzeptionen gemein, dass sich (ökonomische) Bildung an gegenwärtigen oder zukünftigen Lebenssituationen der Adressat(inn)en orientieren soll, dass die Struktur- und Funktionsprinzipien der Wirtschaftsordnung zu erörtern sind und dass „das Theorie- und Methodenwissen der Ökonomik das domänenspezifische Proprium für die ökonomische Bildung“ darstellt (Loerwald 2007, 30). Das nachfolgend noch näher zu explizierende Konzept sozio-ökonomischer Bildung (vgl. 3.) orientiert sich an den curricularen Vorgaben in den sozialwissenschaftlichen Verbundfächern, die sich in der Fächertradition nahezu sämtlicher Bundesländer widerspiegeln und dabei wahlweise unter „Wirtschaft und Recht“ (Bayern, Baden-Württemberg), „Wirtschaft, Arbeit, Technik“ (Berlin, Brandenburg), „Politik und Wirtschaft“ (Hessen), „Politik/Wirtschaft“ (Nordrhein-Westfalen), „Wirtschaft/Politik“ (Schleswig-Holstein) o. ä. firmieren. Überdies wird davon ausgegangen, dass die Lernenden die Lebenswirklichkeit nicht entlang von Fachdisziplinen, sondern in toto wahrnehmen (vgl. zuletzt Hippe 2012). Die Handlungsebene legt zudem nahe, „dass man Wissen aus mehreren Sozialwissenschaften systematisch und geplant zusammenführt. Das gilt insbesondere dann, wenn Lernende in den zentralen Inhaltsfeldern (…) kompetent handeln können sollen“ (Hedtke 2008, 298). Der Integration von Politik, Soziologie und Ökonomie wird „zugetraut und zugewiesen, daß (sic!) sie helfen können, soziale Erfahrungen aufzuschließen, Urteile zu prüfen und Entscheidungen vorzubereiten“ (Reinhardt 1997, 14). Sozio-ökonomische Bildung muss dem Umstand Rechnung tragen, dass formalisierte mathematische Modelle und Methoden, denen in der neoklassischen Standardökonomie lange Zeit eine geradezu naturgesetzliche Allgemeingültigkeit bescheinigt wurde, zumindest mit Blick auf die Forschung im Auflösen begriffen sind. In dem Memorandum besorgter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler plädieren nicht wenige Fachvertreter/innen für ein „Ende des ökonomischen Imperialismus“, indem sie u.a. eine grundlegende Erneuerung der Lehre fordern, „d.h. eine Abkehr vom derzeit vorherrschenden Kernparadigma als der einzig legitimen Perspektive der als wissenschaftlich geltenden Thematisierung des Wirtschaftens“ (Me’M. Denkfabrik für Wirtschaftsethik 2012). So werden allerorten Forderungen nach einer Erneuerung der Ökonomie laut, die ihrem Selbstverständnis nach weniger eine Natur- als vielmehr eine multiparadigmatische Geistes- und Sozialwissenschaft darstellen soll, um sich den Prinzipien der Interdisziplinarität und Kontroversität ebenso zu verpflichten wie der permanenten ethischen Reflexion. In Zeiten, in denen immer mehr Gesellschaftsbereiche nach dem Vorbild des Marktes geordnet werden, ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit dessen (Dys-)Funktionalitäten unabdingbar. Überdies sollte im Kontext sozio-ökonomischer Bildung Berücksichtigung finden, dass Märkte die Anwendung von Kategorien wie Gerechtigkeit, Solidarität und soziale Balance nach den herkömmlichen, zumeist noch immer in der Tradition der Neoklassik stehenden Modellen nicht zulassen. Insofern wirft Gerd Steffens eine wegweisende Frage auf: „Kann ökonomisches, also per definitionem auf individuelle Nutzenmaximierung gerichtetes Verhalten Gesellschaftlichkeit, soziale Synthese oder – bescheidener – Motive für den sozialen Zusammenhalt hervorbringen“ (2008, 28)? Weiterhin fragt er, wie sich im Kontext sozialwissenschaftlicher Bildung Potenziale entwickeln lassen, „die die zerstörerische Kraft rein egoistischen Denkens bändigen, begrenzen, womöglich in sozialen Zusammenhalt verwandeln“ (ebd.). Bislang konzentriert sich der Mainstream der Wirtschaftswissenschaften unverändert auf die Knappheit von Gütern und die Notwendigkeit ökonomischer Dispositionen, so dass kulturelle, historische und politische Dimensionen weitgehend ausgeblendet werden: „Dieser ‚ökonomische Imperialismus’, bei dem politische Handlungen und Motivationen dem Muster der rationalen Kosten-Nutzen-Überlegungen von Marktkontrahenten angeglichen werden, hat zwar in manchen Fällen einige neue Perspektiven und Einsichten geliefert, verfehlt aber vollkommen die – von der ‚Alten Politischen Ökonomie‘ angestrebte – Aufgabe, die Besonderheiten sich wandelnder politischer, soziologischer und historischer Konstellationen zu berücksichtigen, die bei einer isolierten wirtschaftstheoretischen Sicht (…) vernachlässigt werden“ (Rothschild 2004, 19). Aus dieser Haltung rührt ein Großteil der Skepsis gegenüber ökonomischen Lehr- und Lerninhalten, können diese doch sehr unterschiedlich definiert werden, z.B. entweder eine dezidiert betriebs- oder eine eher volkswirtschaftliche Dimension aufweisen. Um die wechselseitigen Bezüge zwischen Politik, Soziologie und Ökonomie einerseits und ihre bisweilen unterschiedlichen Logiken andererseits zu erklären, sollten verstärkt Lehr- und Lerninhalte thematisiert werden, die eine „Klammer“ zwischen diesen Sphären bieten. Darüber hinaus muss im Ökonomie-Unterricht verdeutlicht werden, dass ökonomische Erklärungsansätze auf viele Fragen keine Antworten geben: Welchen Wert haben sozialstaatliche Grundsätze wie die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse oder die Verteilungs- und Chancengerechtigkeit? Wie soll das Vertrauen der Bevölkerung in Verwaltung und Gerichtsbarkeit monetär bewertet werden? Nach welchen Kriterien sollen institutionelle Arrangements wie Demokratie, Mitbestimmung, Minderheitenschutz etc. beurteilt werden? Antworten auf derartige Fragen, die an den Kern der Staatlichkeit heranreichen und diese letztlich begründen, entziehen sich effizienztheoretischen Bewertungen, verlangen infolgedessen geradezu nach einer politischen, soziologischen, ethischen und/oder normativen Einschätzung.

3. Qualitätsaspekte sozio-ökonomischer Bildung

Den Anforderungen eines gelingenden Unterrichts entsprechend, soll auch sozio-ökonomischer Unterricht derart gestaltet werden, dass er einen hohen Anteil echter Lernzeit evoziert, die Kommunikation der Lernenden anregt sowie im Wege eines kumulativen Lernprozesses Handlungs-, Orientierungs-, Kritikund Urteilsfähigkeit befördert. Methodische Vielfalt und Variation der Sozialformen sollen gerade mit Blick auf Möglichkeiten der Binnendifferenzierung individuelle Förderung und eigenständiges Arbeiten erlauben. Dabei ist stets ein systematischer Beitrag zur politischen Willensbildung zu leisten. Aus diesem Grund sollen die Schüler/innen lernen, ökonomisches, soziologisches und politisches Wissen zusammenzuführen, so dass sie zu einem sachgerechten und tragfähigen Urteil gelangen können – gleich, ob der Mehrwertsteuersatz angehoben, die Pendlerpauschale gekürzt oder ein Bankenrettungsschirm gespannt wird. Aufgrund der in den Sozialwissenschaften gegebenen Themenfülle ist es unerlässlich, dem didaktischen Gebot der Exemplarität zu folgen, d.h. eine sach- und schülergerechte Inhaltsauswahl zu treffen (vgl. weiterführend Engartner 2010). Dieses sieht zum einen vor, dass die jeweiligen Fälle als Lerngegenstände beispielhaft sind – insofern einen praxisbedeutsamen Ausschnitt der Wirklichkeit repräsentieren –, verlangt jedoch zugleich auch eine (subjektive) Bedeutsamkeit für die Lernenden, befördert dies doch im Allgemeinen die Lernmotivation. Insofern müssen die Themen nicht nur die Möglichkeit bieten, Grundsätzliches, Wesentliches, Strukturelles und Gesetzmäßiges zu erarbeiten, sondern auch an die gegenwärtige und zukünftige Lebenswelt der Zielgruppe anknüpfen. Sozio-ökonomische Bildung folgt in erster Linie den in der politischen und ökonomischen Bildung entwickelten methodologischen Gesichtspunkten (Prinzipien der Problemorientierung, der Multidiziplinarität und der Empirie), nimmt Schüler- und Handlungsorientierung ernst und zeichnet sich durch eine pluralistische und wertoffene wissenschaftliche Grundhaltung aus (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Prinzipien zur Integration der sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen in Anlehnung an: Hedtke 2012, 19 Die Fokussierung auf die politische und ökonomische Bildung ergibt sich aus der jahrgangsstufen- und bundeslandübergreifenden Marginalisierung der Soziologie in den Curricula der sozialwissenschaftlichen Verbundfächer. Das Akzeptanzproblem der Soziologie dürfte zum einen auf das vorherrschende szientistische Bild von Wissenschaft zurückzuführen sein. So wird die erst zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Wissenschaft gereifte Disziplin in der Öffentlichkeit häufig als enttäuschend wahrgenommen, da sie dem vorherrschenden Glauben an ein szientistisches „Standardmodell von Wissenschaft“ nicht gerecht wird (Streeck 2012, 132). Zum anderen können sowohl Politik als auch Ökonomie „auf eine außeruniversitäre, primär nicht wissenschaftlich organisierte Praxis verweisen, die tagtäglich (…) Bildungspolitikern und Bildungsplanern, Schülern, Lehrern wie Eltern scheinbar unmittelbar als solche sichtbar ist: die ,Politik‘, die ,Wirtschaft‘. Eine vergleichbare soziologische Praxis gibt es nicht“ (Meuser 1997, 254). Pierre Bourdieu konstatiert, dass zwar täglich Wirtschaftswissenschaftler/innen und Politikwissenschaftler/innen in den Medien zu Wort kämen, „um Entscheidungen der Regierungen zu rechtfertigen“, Soziolog(inn)en hingegen kaum zitiert würden und wenn doch „nur in Krisensituationen, angesichts ,sozialer‘ Probleme“ (1996). Zuletzt dürfte die Marginalisierung der Soziologie darauf zurückzuführen sein, dass sich bis heute keine eigenständige Soziologiedidaktik entwickelt hat (vgl. u.a. Späte 2005; Hedtke 2005). Ausgehend von den in Abbildung 1 aufgezeigten Prinzipien für den integrativen Ansatz, können sechs inhaltliche, didaktische und methodische Aspekte als zentral für das Konzept einer sozio-ökonomischen Bildung formuliert werden (vgl. Abb. 2).

3.1 Arbeitnehmer(innen)-, Verbraucher(innen)- und Staatsbürger(innen)perspektive

Der im Beutelsbacher Konsens festgeschriebenen Schülerorientierung folgend, sind die Zugänge zum Lerngegenstand so zu gestalten, dass Verknüpfungen mit der Lebenswelt der Schüler/innen möglich sind, damit sie ihre Erfahrungen, Erwartungen und Perspektiven einbringen (können) (Holzkamp 1992). Deshalb dürfen nicht allein Fakten vermittelt werden, sondern deren Bedeutung für die Verwirklichungschancen der/des Einzelnen muss stets im Blick behalten werden. Sozio-ökonomische Bildung soll ferner vernetztes Denken befördern und an Alltagserfahrungen und -einstellungen der Schüler/innen anknüpfen, die Bedürfnisse und Wünsche der Lernenden in den Blick nehmen und produktive Irritationen schaffen, die zur kritischen Reflexion anregen. Dazu sollten nahezu alle ökonomisch und politisch geprägten Rollen, die von Menschen ausgefüllt werden, in den Blick genommen werden. Die politisch geprägten Rollen sind in der einschlägigen Fachliteratur hinlänglich beschrieben und reichen von der des Betriebsrats/der Betriebsrätin bis hin zu der des Wählers/der Wählerin und lassen sich weitestgehend unter dem Label des citoyen actif subsumieren. Selbiges gilt für die vorwiegend ökonomisch geprägten Rollen, wobei eine Schwerpunktsetzung in Richtung folgender Rollen zielführend zu sein scheint:

(1) Rolle der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers, (2) Rolle der Verbraucherin/des Verbrauchers und (3) Rolle der Staatsbürgerin/des Staatsbürgers.

Dies lässt sich – verkürzt formuliert – mit dem „Gesetz der Masse“ begründen. So ist zu berücksichtigen, dass die große Mehrheit der Lernenden später in abhängiger Beschäftigung berufstätig sein wird. Derzeit sind hierzulande 36 Mio. der 40,5 Mio. Beschäftigten Arbeitnehmer/innen – ein Sachverhalt, der es rechtfertigt, die Arbeitswelt weit überwiegend aus der Arbeitnehmerperspektive darzustellen. Die Verbraucherperspektive muss eingenommen werden, um einen Beitrag zur Rationalisierung von Konsumentscheidungen zu leisten, denn auch wenn die Etikettierungen der heutigen Gesellschaft von der Arbeits-, Industrie- und Wissensgesellschaft bis hin zur Medien-, Freizeit- und Risikogesellschaft reichen, so ist doch unstrittig, dass wir auch in einer Konsumgesellschaft leben. Schüler/innen in ihren Rollen als Verbraucher/innen zu stärken, ist unabdingbar, um für durch Werbung motiviertes Konsumverhalten zu sensibilisieren, Überschuldungsrisiken zu kennzeichnen sowie die Maßstäbe ethisch verantwortungsvollen Konsums aufzuzeigen. Als Staatsbürger/innen sind Menschen auch aus ökonomischer Perspektive in gesellschaftliche Strukturen und Prozesse eingebunden, d.h. sie sind etwa von den Bedingungen und Auswirkungen sozialer Ungleichheit betroffen oder in der Lage, diese mittels Engagement oder im Wege demokratischer Wahlen zu verändern.

ad (1) Die Rolle der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers umfasst eine Fülle von Ereignissen, insbesondere dann, wenn ein über die Erwerbsarbeit im engeren Sinne hinausgehender Arbeitsbegriff zu Grunde gelegt wird. Schüler/innen sollen auf typische, d.h. durch bestimmte Strukturmerkmale gekennzeichnete, „Arbeitssituationen“ vorbereitet werden, um in diesen annähernd planmäßig handeln zu können. Davon ausgehend, dass die Institution Schule u.a. dafür verantwortlich zeichnet, dass Schüler/innen für ihre berufliche Zukunft gewappnet werden, sollen neben (lebens)situationsbezogenen Inhalten auch gesellschaftspolitische Grundwerte vermittelt werden. Sollen diese über die Schulzeit hinaus tragen und damit auf den Erwerbsarbeitsprozess vorbereiten, gilt es, die Beschleunigung der Arbeitsprozesse, die gewachsenen Leistungsanforderungen, die in vielen Branchen eingeforderte (berufliche) Mobilität – kurzum: den durch die Globalisierung forcierten Wandel der Arbeits- und Berufswelt – umfassend zu beleuchten. Befristete Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeitarbeit und aus der Not heraus geborene Ein-Personen-Selbständigkeiten haben gemeinsam mit den gestiegenen Ansprüchen an den zeitlich und räumlich flexiblen Menschen zu einer bis in die Mitte der Gesellschaft reichenden Verunsicherung geführt. Davon ausgehend, dass der Arbeitsmarkt als „spezifischer“ Markt zu klassifizieren und als „vermachtetes Gelände“ mit zu Gunsten der Arbeitgeber/innen ausfallenden Machtasymmetrien zu begreifen ist, muss die Rolle der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers gerade auch mit Blick auf Möglichkeiten der Mitbestimmung umfassend expliziert werden. Dabei muss deutlich werden, dass es neben einem demokratischen Gesellschaftssystem kein undemokratisches Wirtschaftssystem geben kann. Zugleich gilt es darzulegen, dass Arbeit für die meisten Menschen das organisierte und organisierende Zentrum der Lebensführung darstellt und sich gesellschaftliche Integration noch immer in besonderer Weise über Erwerbsarbeit vollzieht. ad (2) In ihren Rollen als Verbraucher/innen sind Individuen nicht selten überfordert, so dass sie mitunter fremd- statt selbstbestimmt handeln. Dabei sind die Anforderungen in der globalen Warenwelt sicht- und spürbar gestiegen. Nie zuvor wurde eine derart große Menge an Gütern, Dienstleistungen und Informationen vorgehalten, war es derart (zeit)aufwendig, sachgerechte Auswahlentscheidungen zu treffen. Auch in ihren Rollen als Anleger/innen und Versicherungsnehmer/innen sind die Verbraucher/innen mehr und mehr gefordert. So hat die eigenverantwortliche finanzielle Planung massiv an Bedeutung gewonnen, seitdem der Leistungskatalog der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegekassen gekürzt und die Bismarcksche Sozialversicherungsarchitektur um die „Riester-“ und „Rürup-Rente“ als Instrumentarien der kapitalgedeckten Altersvorsorge ergänzt wurde. Hinzu kommt, dass Konsument(inn)en immer häufiger Leistungen erbringen müssen, die ursprünglich in die Zuständigkeit der Unternehmen und ihrer Kundenbetreuer/innen fielen – etwa bei Bankgeschäften oder Reisebuchungen. Aus Konsument(inn)en sind vielfach „produzierende Konsument(inn)en“, sprich: Prosument(inn)en, geworden. Ferner gilt es zu berücksichtigen, dass das konsumethische Bewusstsein zugenommen hat, so dass z.B. der Konsum von Waren mit Umwelt- und Sozialsiegeln nicht nur zu einem betriebs- und volkswirtschaftlich relevanten Phänomen geworden ist, sondern auch zu einer „Politisierung des Konsums“ geführt hat. ad (3) Die Rolle der Staatsbürger/innen umfasst Lebenssituationen, die der Tatsache geschuldet sind, dass der wirtschaftende Mensch Teil des politischen Gemeinwesens ist. So gilt es, die Rolle der Beitrags- und Steuerzahler/innen zu erörtern, leisten diese doch einen bedeutenden materiellen Beitrag zum Gemeinwesen. In die Rolle der Transferempfänger/innen fallen Lebenssituationen, in denen der Einzelne vom Gemeinwesen (materiell) profitiert. So konkretisiert sich der Solidargedanke als tragendes Fundament des Sozialstaates nicht nur in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, sondern auch in deren (gerechtfertigter oder ungerechtfertigter) Inanspruchnahme. Vermittelt werden sollte auch, dass Steuergerechtigkeit, -moral und -aufkommen untrennbar miteinander verbunden sind. Aufgegriffen werden sollte auch die Rolle der Spenderin/des Spenders und der Stifterin/des Stifters, nehmen private Geldgeber/innen doch immer häufiger eine zentrale Funktion bei der Überführung wirtschaftlicher in soziale Werte wahr. Zugleich soll deutlich gemacht werden, dass Stiftungen und Spenden ebenso wie Ehrenämtler/innen einen funktionsfähigen Sozialstaat nicht ersetzen, sondern allenfalls punktuell ergänzen können. Zuletzt kann auch aus der Rolle der Eigentümer/innen die Übernahme von Verantwortung verdeutlicht werden, da Eigentum soziale Beziehungen stiftet, verhindert und hierarchisiert.

3.2 Problem- und Konfliktorientierung

Die hier skizzierte Konzeption sozio-ökonomischer Bildung soll Lernende zum Erwerb einer politischen Streitkultur bewegen. Davon ausgehend, dass es vorrangiges Ziel der sozialwissenschaftlichen Bildung ist, Lernende dazu zu befähigen, nach sachlich begründeten und persönlich definierten Kriterien analysieren, urteilen und handeln zu können, beruht der Ansatz im Unterschied zu „kundlichen“ Didaktiken nicht in erster Linie auf einer den Fachwissenschaften entlehnten Systematik, sondern speist sich primär aus Fragen, mit deren Hilfe sich gesellschaftliche Strukturen und Prozesse erschließen lassen. Analytisch kann dabei zunächst das Prinzip der Problemorientierung von einer an Konflikten orientierten Didaktik unterschieden werden: Während die Problemorientierung den Inhalt des Politischen bzw. Ökonomischen thematisiert und gesellschaftlich kollektiv definierte Probleme wie Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise, Chancenungleichheit etc. fokussiert, betont die Konfliktorientierung politische, gesellschaftliche und ökonomische Prozesse, die von verschiedenen Akteuren beeinflusst und damit verändert werden können. Anders als in der neoklassisch geprägten ökonomischen Bildung sollen im Rahmen der sozio-ökonomischen Bildung persönliche und gesellschaftliche Schlüsselprobleme akzentuiert werden: „Ökonomische Relevanz erhält die Problemorientierung dadurch, dass jegliches Wirtschaften, ob auf der individuellen oder der politischen Ebene, grundsätzlich vor einem Problem steht: Wie können die verfügbaren Mittel rational zur Erreichung von Zielen eingesetzt werden? Dabei wird die Problemlösung erschwert durch die Wahl der Ziele oder Mittel, durch existierende Zielkonflikte, Opportunitätskosten, Unsicherheiten und Risiken sowie durch nicht intendierte Folgen“ (Weber 2008 b, 266). Auch Karl Homann und Andreas Suchanek unterstreichen den Stellenwert der Problemorientierung zur Behandlung ökonomischer Bildungsinhalte, indem sie anmerken, „dass der letzte Sinn ökonomischer Forschung (…) in der Erarbeitung von Erkenntnissen liegt (…), die zur Lösung der Probleme der sozialen Ordnung beizutragen vermögen“ (2005, 349). Die Konfliktorientierung kommt dann zum Tragen, wenn sich ein Problem in einem konkreten (tagesaktuellen) Konflikt mit unterschiedlichen Interessen und vor allem handelnden (Konflikt)Parteien niederschlägt (Giesecke 2000, 109). Dabei kann zwischen manifesten Konflikten, die struktureller Bestandteil der Gesellschaft sind (wie z.B. Tarifkonflikte) und den diesen meist zu Grunde liegenden latenten Konflikten (wie der Interessengegensatz von Arbeitgeber(inne)n und Arbeitnehmer(inne)n unterschieden werden (Giesecke 1997). Die differenzierte Betrachtung und Beurteilung von Problemen und Konflikten soll einer rein affirmativen Grundhaltung gegenüber der bestehenden Wirtschafts- und Sozialordnung entgegenwirken. Nur dann können Ökonomisierungsprozesse und -mechanismen mitsamt ihren Folgewirkungen von den Betroffenen erkannt, kritisiert und verändert werden.

3.3 Theorien-, Paradigmen- und Wertevielfalt

Vielfalt zielt in den sozialwissenschaftlichen Didaktiken auf die Koexistenz verschiedener Paradigmen, Theorien, Modelle, Methoden, Werte, Beurteilungskriterien und (Wissenschafts-)Kulturen. Als pluralistisches Minimum kann die Auseinandersetzung mit wenigstens einer alternativen Position benannt werden. Ferner bedarf es der Relationierung, d.h. der „In-BezugSetzung“ ökonomischer Themen mit historischen Entwicklungssträngen, politischen Gestaltungsmöglichkeiten, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und rechtlichen Vorgaben (vgl. insbesondere Graupe i.E.). Die Aufgabe besteht darin, den Pluralismus ökonomischer Theorien, Modelle und Methoden aus der Wissenschaft in den Unterricht zu überführen, so dass Kontroversen auch außerhalb der Hochschulen ihren Widerhall finden. So etwa manifestiert sich „ökonomische Multikulturalität“ (Bracht 1994, 30) in unterschiedlichen Organisationsformen der Produktion – von privaten Haushalten über Genossenschaften bis hin zu kleinen und mittelständischen Unternehmungen –, in unterschiedlichen Anspruchshaltungen an die berufliche Tätigkeit, aber auch in unterschiedlichen Selbstbildern, die von der „Selbstoptimierung“ bis hin zur Selbstverwirklichung gemäß dem „Suffizienzpostulat“ reichen. Letztlich sollen die Unterrichtsinhalte die Diversität (ökonomischer) Motive, Wertvorstellungen, Lebensformen und -situationen wiederspiegeln. Es gilt ferner festzuhalten, dass sich Pluralismus – verstanden als eine Haltung, die die Legitimität alternativer Ideen, alternativer Rahmenvorgaben und disziplinärer Bezüge anerkennt – nur unter den Bedingungen von vollständiger Offenheit, Chancengleichheit und Heterogenität sowie aus dem Zusammenspiel der verschiedenen sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen entwickeln kann (vgl. Abb. 3).

3.4 Reflexion von Alternativen

Sozio-ökonomischer Unterricht zielt in besonderer Weise auf die Entwicklung von Orientierungs-, Kritik- und Urteilsfähigkeit, geht mithin unter Bezugnahme auf die Reflexion von Alternativen über die bloße Faktenvermittlung hinaus, wobei der Wandlungscharakter gesellschaftlicher und damit auch ökonomischer Rahmenbedingungen herausgestellt wird. Einerseits wird Schüler(inne)n damit verdeutlicht, dass es aufgrund der historischen und regionalen Wandelbarkeit in den Sozial- gegenüber den Naturwissenschaften keine allgemeingültigen „Gesetze“ gibt; andererseits lernen sie, dass die von den Medien häufig als „geistiges Klima“ bezeichnete politische Kultur temporalen Transformationsprozessen unterliegt. „Insofern ist der Begriff der Mündigkeit nicht nur auf die Förderung des Individuums konzentriert, sondern zugleich auf eine Veränderung der Gesamtgesellschaft ausgerichtet, da alle gesellschaftlichen Verhältnisse, die dem Mündigwerden der Individuen entgegenstehen, zu kritisieren sind“ (Henkenborg 2001, 4). Um diese Erkenntnis zu befördern, bedarf es der Initiierung einer tragfähigen Reflexions- und Diskussionskultur, die die Lernenden in ihrer Eigen- und Fremdverantwortung stärkt. Wie Bildung und Erziehung insgesamt soll sozioökonomischer Unterricht einen Beitrag dazu leisten, dass das Gesellschaftssystem verstanden, gedeutet und entlang von Entwicklungsmöglichkeiten analysiert werden kann. Ein der sozio-ökonomischen Bildung verpflichteter Unterricht wirft z.B. die Frage nach der herkunfts- oder geschlechtsbedingten Zu weisung von Lebens- und Berufschancen auf. Ferner wird das Phänomen der „Macht“ als eine zentrale Lehr-/Lernkategorie verstanden, weist diese doch auf die Veränderbarkeit gesellschaftlicher Zustände hin. Im Einklang mit dem pluralistischen Prinzip audiatur et altera pars sollen die Schüler/innen nicht nur alternative Positionen skizzieren, respektieren und generieren lernen, sondern auch ein Gespür für die Veränderbarkeit des Wirtschafts- und Sozialsystems entwickeln: Was soll, kann oder muss sich ändern – und wenn ja, wie? Sozioökonomische Bildung soll demnach durch das Denken in Alternativen die Utopiefähigkeit der Lernenden fördern.

4. Schlussbemerkungen

Das hier skizzierte Konzept sozio-ökonomischer Bildung soll andeuten, dass die Integration der benachbarten sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen einen wertvollen Beitrag zur paradigmatischen und thematischen Öffnung der ökonomischen Bildung leisten kann, um der viel zitierten Mündigkeit als höchstem Ziel sozialwissenschaftlicher Bildung Rechnung zu tragen. Lernprozesse können schließlich nur dann als erfolgreich klassifiziert werden, wenn (eigene) Meinungen und Urteile überdacht, präzisiert, reflektiert, verifiziert oder gegebenenfalls auch falsifiziert werden müssen (vgl. u.a. Massing 2005, 20). Dem sozio-ökonomischen Ansatz liegt die Annahme zu Grunde, dass angesichts der engen Verflechtung und der zahlreichen Überschneidungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft keine Notwendigkeit besteht, einen „Verdrängungswettbewerb“ zwischen den sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen anzustoßen (vgl. Hedtke 2005; 2008, 1). Stattdessen sollen die der sozialwissenschaftlichen Trias aus Politikwissenschaft, Ökonomie und Soziologie zu Grunde liegenden gemeinsamen Denkweisen, Kategorien und Methoden in einen systematischen Zusammenhang gestellt, konzeptionell geordnet sowie curricular verortet werden. Gleichwohl gilt es darauf hinzuweisen, dass soziologische Paradigmen, Perspektiven und Positionen künftig einen deutlicheren Widerhall in der sozio-ökonomischen Bildung finden müssen, liefert die Soziologie doch für eine Vielzahl ökonomisch bedeutsamer Themen- und Inhaltsfelder (Arbeit, Finanzen, Globalisierung, Konsum etc.) ebenso aufschlussreiche wie den Interessen der Schüler/innen Rechnung tragende Erklärungen. Letztlich bietet sozio-ökonomische Bildung eine Gewähr dafür, dass ein perspektivischer Monismus vermieden und heterodoxe sowie interdisziplinäre Inhalts- und Themenfelder in die Lehrpläne aufgenommen werden. Die Annahme, dass eine Wissenschaft, die ihre paradigmatischen und damit auch normativen Grundlagen nicht mehr reflektiert, keine Wissenschaft im strengen Sinne des Wortes mehr darstellt, lässt sich auf die (sozialwissenschaftlichen) Fachdidaktiken übertragen. Daher soll sozio-ökonomische Bildung auch solche Positionen vermitteln, die sich nicht der „Fürsprache“ des Marktes verschreiben, sondern die Grammatik einer Gesellschaft deuten und deren politische Konstitution analysieren, explizieren und kommentieren. Als notwendig erscheint die Perspektiverweiterung vor allem dann, wenn man mit Sorge betrachtet, dass – wie eingangs ausgeführt – ökonomische Rationalitäten immer mehr Lebensbereiche erfassen, die vormals als originär privat und/oder politisch gestaltbar galten.

Literatur

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  • Giesecke, H. (2000): Politische Bildung. Didaktik und Methodik für Schule und Jugendarbeit. Weinheim
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