Das Gesamtsystem Lehrerbildung wird m.E. derzeit nicht wirklich an einer Stelle zentral und aus einem Gedanken heraus organisiert und kontrolliert; es fehlt so etwas wie "governance" für Lehrerbildung als Gesamtaufgabe (vgl. Clark, McNergney 1990). Die Kompetenzen auf Bundesebene (KMK–Vereinbarungen etc.) sind begrenzt; in den Bundesländern erfolgt eine Organisation und Kontrolle durch die zuständigen Landesministerien. Auf Bundes– wie auf Landesebene ist die Verantwortung sehr verteilt, ja beinahe zersplittert, sodass sich auch am Ende niemand wirklich verantwortlich fühlt noch verantwortlich gemacht werden kann. Hinzu kommen unterschiedliche Sichtweisen und Interessen der beteiligten Instanzen: Erwähnt sei nur die sehr differente Sicht der Lehrerbildung durch die Wissenschaftsseite einerseits und die Kultus– und Schulseite andererseits; dies gilt bundesweit auf der allgemeinen Ebene der Diskussion wie auch dort, wo in einem Bundesland in einem Ministerium Wissenschafts– und Schulabteilung für Lehrerbildung zuständig sind. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang auch die beiden Phasen der Lehrerbildung, die ja immer noch weithin getrennte Welten sind.
Man kann sich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass in den Ministerien und auch in den unterschiedlichen Experten– und Evaluationskommissionen häufig nur sehr punktuelle, an persönliche Eindrücke gebundene und z.T. auch veraltete Informationen über den tatsächlichen Zustand der Lehrerbildung an den einzelnen Standorten und dort in den einzelnen Fächern vorliegen. Dies ist umso misslicher, weil auch weiterhin eine gewisse klassische Systemsteuerung durch Lehrerausbildungsgesetz, durch Lehramtsprüfungsordnung, durch Hinweise für Studienordnungen, durch die staatlichen Prüfungsämter ebenso unvermeidlich wie notwendig sein wird. Und auf dieser Lenkungs– [/S. 46:] ebene sollten möglichst ausführliche, präzise und aktuelle Informationen über die Realität der Lehrerbildung an den verschiedenen Hochschulen vorliegen. Es ist also für die Ebene der Systemsteuerung der Lehrerbildung von entscheidender Bedeutung, sich selbst Klarheit darüber zu verschaffen, wie viel man eigentlich wirklich über denjenigen Bereich weiß, den man zu organisieren hat – und woher man dies weiß.
Über die klassischen Steuerungsinstrumente wie Lehrerbildungsgesetze, Lehramtsprüfungsordnungen, dem Recht der Genehmigung von Studienordnungen, der Aufsicht über staatliche Prüfungsämter etc. hinaus (klassisches bürokratische Steuerung) sollte als ein neues Instrument die Erarbeitung eines Rahmens (!) für Kerncurricula in der Lehrerbildung oder zumindest eines Verfahrens zur Erarbeitung dieser Curricula in Angriff genommen werden.(21) Die bisherigen Themenkataloge in den Fächern und in Erziehungswissenschaft können dafür einen Ausgangspunkt bilden, sie sollten jedoch aktualisiert, stärker lehrplanbezogen formuliert und v.a. unter Einbezug von Kompetenzen reformuliert werden. International spricht man in diesem Zusammenhang von einem Trend weg von contents zu competencies. Mit Blick auf das deutsche, zweiphasige System der Lehrerbildung wird man das Verhältnis von content und competencies natürlich phasenspezifisch ausgestalten müssen, d.h. die 1. Phase wird noch stärker wissensorientiert sein bzw. auf den Umgang mit Wissen ausgerichtete Kompetenzen aufzubauen haben, wohingegen die 2. Phase auf dieser Basis stärker in Richtung auf den Aufbau von zwar wissensbasierten, aber dann doch praktisch–beruflichen Kompetenzen zu arbeiten hat.
Der entscheidende Punkt aber ist: Ein Lehrerbildungssystem hat als einen wichtigen Standard einen solchen inhaltlichen oder doch zumindest verfahrensbezogenen Rahmen für Kerncurricula in der Lehrerbildung auszuweisen.
Damit aber ist es natürlich nicht getan: Denn nun muss – siehe oben den Hinweis auf die Notwendigkeit zuverlässiger Informationsbeschaffung – geprüft werden, inwieweit die Lehrerbildungsinstitutionen diese ihnen übertragenen Aufgaben sowie den Rahmen der Kerncurricula auch tatsächlich erfüllen. Es ist ja in der Tat erstaunlich: als Ergebnis der Lehrerbildung liegen zahllose Noten vor – bis auf zwei Stellen hinter dem Komma scharf, individualbiographisch von höchster Relevanz, und bundesweit zunehmend besser werdend! Was aber die ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer wirklich wissen und [/S. 47:] können, wissen wir nicht. Ein immerhin positiver Nebeneffekt der Modellversuche zur gestuften Lehrerbildung wird sein, dass man vergleichend diese Modelle evaluiert, und zwar intern wie extern. Wenn dies wirklich ernst gemeint ist, wird man die Wirkung von Modellversuchen bzw. von herkömmlicher Lehrerbildung unter Bezugnahme auf die Fähigkeiten der Ausgebildeten empirisch vergleichen müssen – eine wirklich interessante forschungsmethodische Aufgabe. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.(22)
Fragen an das Steuerungssystem:
- Wie groß ist die Personalstärke ?
- Wie sieht es mit der Rekrutierung aus?
- Wie werden Informationen über den Zustand des Lehrerbildungssystems gesammelt und intern verarbeitet?
- Wie häufig/in welcher Form finden Treffen zwischen Ministerium und Universitäten in Sachen Lehrerbildung statt?
- Ausmaß der personellen Verflechtung zwischen Uni/Schulverwaltung/Ministerium?
- Wie wird systemintern die eigene Arbeit der Lehrerbildungsabteilungen beobachtet?
- Wie hoch ist die Regelungsdichte vom Ministerium
- auf die Universitäten
- In Richtung auf die 2.Phase
- In Richtung auf die Prüfungsämter ? [/S. 48:]