Auf dem Weg zur 2. Auflage des Basiscurriculums: Wie sollte die Berufs– und Wirtschaftspädagogik mit Standards umgehen?

2003 war ein Meilenstein für die Professionsentwicklung der Berufs– und Wirtschaftspädagogik. Die Sektion Berufs– und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft verabschiedete unter Beteiligung der bedeutendsten Berufsverbände das Basiscurriculum für das universitäre Studienfach Berufs– und Wirtschaftspädagogik (BWP 2003). Auch das Institut für Berufs– und Wirtschaftspädagogik (IBW) der Universität Hamburg hat ein bemerkenswertes Kerncurriculum Berufs– und Wirtschaftspädagogik aufgebaut. Die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) hat Vorschläge für ein Kerncurriculum erarbeitet.

Unklar bleibt, wie erwähnt, das Verhältnis dieser Curricula zu den Standards. Im rheinlandpfälzischen Ansatz der Arbeitsgruppe "Curriculare Standards Bildungswissenschaften" scheinen die Standards Ausgangspunkt für die Entwicklung von Kerncurricula an den Hochschulen zu sein, was nicht so recht zur Vorstellung des Kerncurriculums der DGfE zu passen scheint. Sloane (2003) schlägt demgegenüber zwei Alternativen vor: "Eine Möglichkeit wäre eine kompetenzbasierte Reformulierung des Curriculums. Eine andere Möglichkeit … wäre es, das Kerncurriculum als fachwissenschaftliche Struktur der Berufs– und Wirtschaftspädagogik zu verstehen, um dann in … Matrixform eine systematische Verbindung zwischen diesen fachwissenschaftlichen Vorgaben (Wissenschaftsstandards des Faches) und den Kompetenzen (Standards der Lehrertätigkeit) herzustellen" (S. 491).

Man mag dazu geneigt sein, die weitere Entwicklung abzuwarten. Das Handeln nach dem Motto "Abwarten und Tee trinken" kann, nach den Erfahrungen des ostfriesischen Wunderdoktors Heinrich Ast, Wunder bewirken. Hier jedoch nicht. Erstens ist zu erwarten, dass diese Frage der Standards auf die Profession zukommt, ob sie will oder nicht, spätestens, wenn es bei der Akkreditierung notwendig wird, Kompetenzen zu Modulen auszuweisen. Zweitens besteht die Gefahr, dass im Zuge des Bologna–Prozesses die einzelnen Standorte das Basiscurriculum in unkoordinierter Weise ‚kleinarbeiten'. Damit würde eine ursprüngliche Zielsetzung des Basiscurriculums konterkariert. Drittens muss die Disziplin die Spezifika ihres Bereiches einbringen, will sie nicht Gefahr laufen, nachher sich am allzu Generellen orientieren zu müssen. Viertens wird der Diskurs um die Bildung von Lehrkräften zur Zeit im thematischen Medium der Standards organisiert.

Vor diesem Hintergrund ist aus meiner Sicht ein proaktives Vorgehen empfehlenswert: Im Sinne der Erstellung eines Basiscurriculums der zweiten Auflage sollte die Berufs– und Wirtschaftspädagogik einen Diskurs beginnen. Die Frage einer Integration der Standards (Kompetenzen) in das Basiscurriculum ist zu stellen. Dabei sollte auch überlegt werden, inwieweit eine erweiterte Dokumentation des Curriculums, wie oben beschrieben, vorgenommen werden sollte. Die Frage wäre zu stellen, ob die Disziplin auch methodische Standards setzen will. Zum Beispiel könnten Aussagen zur Sequenzierung des Studiums und zu den methodischen Großformen getroffen werden, z.B. zur Analyse videographierten Unterrichts oder Unterrichtsproben. Schon erste Blicke auf die vorliegenden Standards zeigen, dass diese nicht einfach für die Berufs– und Wirtschaftspädagogik übernommen werden können. Ebenso stehen die im letzten Abschnitt skizzierte Kritik und offene Fragen zur Bearbeitung an. [/S. 11:]

Gleichzeitig sollte der Bologna–Prozess – konkret beispielsweise Studiengangsmodelle oder Module – in einer zweiten Auflage berücksichtigt werden. Dabei sind die Entwicklungen in den Erziehungswissenschaften nicht aus den Augen zu verlieren. Für Wirtschaftspädagogik ist es dringend, zur Vermeidung der Fachwissenschaft für Lehrkräfte die curriculare Verbindung zu den Wirtschaftswissenschaften (wieder) herzustellen. Dazu wären die Studiengangmodelle der Wirtschaftswissenschaften zu berücksichtigen. Ähnlich wie in der letzten deutschen Rahmenordnung für die Diplomprüfung im Studiengang Wirtschaftspädagogik sind Überlappungen zu definieren. Außerdem wäre zu prüfen, inwieweit die Berufs– und Wirtschaftspädagogik, vor allem im Bereich der überfachlichen Kompetenzen, zuliefern kann. Dieser Bereich erhält im Zuge des Bologna-Prozesses eine stärkere curriculare Bedeutung.

Gegen meinen Vorschlag spricht vor allem der Aufwand. Gleichzeitig ist dies eine Chance, die Forschung zur Bildung von Lehrkräften für den berufsbildenden Bereich – und damit die Berufsbildungsforschung – zu stärken. [/S. 12:]