Anmerkungen

(1) Schreiben des Generalsekretärs der KMK, Herrn Prof. Dr. Thies, vom 04.03.2002.

(2) Globalisierung bzw. die Idee des Weltcurriculums ist natürlich in gewisser Hinsicht nicht neu: Schon immer haben mächtige Reiche ‚globalen' Anspruch erhoben und durchzusetzen versucht. Die politischen Strukturen im engeren Sinne sind zerfallen – gleichwohl waren einige dieser ‚Globalisierungsprojekte' kulturell äußerst folgenreich und zählebig. Die europäisch geprägten Zivilisationen kennen für die höhere, gelehrte Bildung das aus der Antike stammende Konzept der enkyklios paideia bzw. der septem artes liberales, an deren Grundstruktur sich der "Lehrplan des Abendlandes" (J. Dolch) für die höhere Bildung gut zwei Jahrtausende orientiert hat und in weiten Teilen weiter orientiert. In den bisherigen internationalen Leistungsvergleichsstudien dominieren bis vor kurzem aus verschiedenen Gründen die mathematisch–naturwissenschaftlichen Wissens- und Fähigkeitsbereiche; allmählich gehen large scale assessments zunehmend darüber hinaus (literacy, civic education, cross–curricular competencies). Kann man damit sagen, dass der Lehrplan des Abendlandes sich im Zeitalter von Naturwissenschaft und Großer Industrie und schließlich: von allgemeiner Globalisierung und Informatisierung zum Lehrplan der ganzen Welt verabsolutiert hat?

(3) Dies war und ist insbesondere in den USA anders. Eine sehr gute Übersicht über die Evaluation der Lehrerbildung in den USA, ihre Hintergründe, Unzulänglichkeiten und – wie der Autor diagnostiziert: ihr Scheitern – vermittelt der Beitrag von v.Prondczynsky (2001). Zugleich warnt er die Protagonisten einer Evaluation der Lehrerbildung in Deutschland vor der Wiederholung der dort gemachten Fehler.

(4) Als Übersichten über deutschsprachige empirische Forschung zur Lehrerbildung vgl. Schlee (1990); Fried (1997) und Schaefers (2002) sowie das Themenheft "Grundlagenforschung in der LehrerInnenbildung" der Zeitschrift für Pädagogik 2002, Heft 1. Zum Thema Evaluation der Lehrerbildung vgl. LSW 2000, das Themenheft "Evaluation in der Lehrerausbildung" der Zeitschrift "seminar" 2/2001 sowie die weiter unten angegebene Literatur. Zu Forschungsbefunden und Reformdebatten zum Lehrerberuf und zur Lehrerbildung generell vgl. Terhart (2001); zum aktuellen Stand des Reformprozesses in den Bundesländern vgl. Bellenberg, Thierack (2001); zu PISA und den Konsequenzen für die Lehrerbildung vgl. Gräsel, (2002).

(5) Cochran–Smith liefert eine überzeugende Periodisierung der Leitfragen in der US-amerikanischen Lehrerforschung: In den 50er und 60er Jahren habe die Frage nach den Eigenschaften des guten Lehrers im Mittelpunkt gestanden (attribute question). Seit den späten 60er bis zur Mitte der 80er gehe es um die erfolgreichen Strategien von effektiven Lehrern sowie um die Frage, wie man diese qua Lehrerbildung effektiv vermitteln könne (effectiveness question). Seit Mitte der 80er Jahre sei die Frage nach dem professionellen Wissen zum Mantra der Lehrerforschung geworden (knowledge question). Mit Beginn des 21. Jahrhunderts schließlich stehe die Frage nach den Wirkungen im Mittelpunkt (outcomes question). Diese Abfolge findet sich in gewisser Weise und mit den üblichen Verzögerungen auch in der deutschsprachigen empirischen Lehrerforschung wieder, allerdings – auch mangels Masse – nicht in dieser klaren Sequenzierung und Profilierung.

(6) Vgl. dazu exemplarisch einerseits die Arbeit von Darling–Hammond (2000b; How Teacher Education matters), die sich (zusammen mit A. Wise und in Verbindung mit dem NCTAF) in zahlreichen Arbeiten und Aktivitäten für eine Verbesserung der Lehrerbildung ausgesprochen und zahlreiche Forschungsevidenzen zusammengetragen hat, die belegen, dass gute Lehrerbildung sowohl bessere Lehrer wie auch höhere Lernleistungen bei Schülern erzeugt. Dagegen steht exemplarisch die Arbeit von Ballou, Podgursky (2000), die eine sehr gute Kritik des Umgangs des NCTAF mit solchen (vermeintlich) stützenden empirischen Forschungsdaten liefern.

(7) Alle Übersetzungen aus dem Amerikanischen von E. Terhart.

(8) Vgl. hierzu als ein Beispiel aus den Niederlanden Brouwer, ten Brinke (1995). Sie untersuchen den Zusammenhang zwischen der Art der Einbindung von Schulpraktika in das Lehramtsstudium und der Art der Kompetenzentwicklung in den ersten Berufsjahren. Ein Lehramtsstudium mit gut integrierten Praktika scheint vor einem heftigen Praxisschock zu schützen und zugleich zu verhindern, dass Berufsanfänger nach dem Schockerlebnis von der je gegebenen Schulpraxis absorbiert werden. Gut integrierte Schulpraktika befähigen dann auch zur adäquateren Umsetzung von neuen Unterrichtsformen.

(9) Für die englischsprachige Debatte vgl. z.B. King (1994), Piper, Robinsohn (1997) und Apple (2001), für die deutschsprachige Debatte vgl. die Skepsis bei v.Prondczynsky (2001) der aufgrund einer Analyse der US-amerikanischen Entwicklung zu dem Schluss kommt, dass die Evaluationswelle generell wie insbesondere in der Lehrerbildung ein vornehmlich rhetorisches Unternehmen ist, welches keineswegs bewiesen habe, dass es zu einer folgenreichen Veränderung in der Praxis der Lehrerbildung führe (Diagnose 1: wirkungslos). Zugleich werden jedoch starke Warnungen vor einer solchen Strategie ausgesprochen und mit der drohenden technizistisch–utilitaristischen Verengung der Lehrerbildung (unter Ausschluss der Erziehungswissenschaft) begründet (Diagnose 2). Fasst man beide Diagnosen zusammen, so wird befürchtet, dass die Lehrerbildung als Ergebnis von Evaluationen de facto genauso schlecht bleibt wie bisher – nur ohne Erziehungswissenschaft. – Eine grundsätzliche Ablehnung formuliert Sander (2002, S. 94): "Wer sich einredet, akademische Lehrerbildung sei in der Lage, zukünftigen Lehrern berufliche Kompetenzen der konkreten Organisation von Prozessen des Lehrens und Lernens zu vermitteln, wer sich darüber hinwegtäuscht, dass diese Kompetenzen schon immer in arbeitsplatzbezogenen Lernprozessen während der Berufsausübung erworben worden sind (und nirgendwo anders), lebt in einer Welt der Illusion und Träume. Indem die neuere Debatte gerade diese Kompetenzen in das Zentrum der Evaluationsprozeduren stellt, konstruiert sich Evaluation der Lehrerbildung realitätsfremde, fiktive, utopische Aufgabenkataloge und Leistungsbereichsbeschreibungen, denen Einrichtungen der Lehrerbildung niemals gerecht werden können – was immer sie auch tun mögen".

(10) Die in den späten 60–er und frühen 70–er Jahren des 20. Jahrhunderts erfolgende Umstellung vom geisteswissenschaftlich geprägten idealistischen Lehrerleitbild zum szientifisch geprägten, realistischen Lehrerleitbild ließ allerdings bestimmte Themen und Probleme des Lehrerberufs sowie auch manche Erwartungen an den Lehrerberuf außer Acht, die aber weiterhin auf Bearbeitung drängten. So entwickelte sich in den 80–er Jahren ein verstärktes Interesse an Fragen der Lehrerpersönlichkeit, an Fragen des Berufsethos in der Lehrerschaft sowie ein Interesse an der Definition von formalisierten berufsethischen Standards (vgl. dazu Terhart 1987; 1998). Als ein Beispiel für eine Neuauflage des idealistischen Erzieher–/Lehrerleitbildes kann von Hentigs "Sokratischer Eid" verstanden werden (von Hentig 1993, S. 246 f., s. Anlage 7.1).

(11) Die vorliegende Expertise formuliert Standards für die Lehrerbildung unabhängig von der organisatorischen Alternative zwischen grundständiger und konsekutiver Lehrerbildung.

(12) Zu Defizitanalysen und Reformdiskussionen in der Lehrerbildung vgl. Terhart 2000; 2001; 2002; Rotermund 2001; Wissenschaftsrat 2001; Bayer u.a. 2000; Zeitschrift für Pädagogik H.4/2001; für die europäische Debatte Campos 2000; Buchberger u.a. 2000; EURIDICE & EUROSTAT 2000; OECD 2001a, b; UNESCO/CEPES 2002). Eine umfassende Übersicht über den Wandel des Lehrerberufs und der Lehrerbildung in Europa vermittelt Vonk (1997).

(13) Demgegenüber formuliert v.Prondczynsky (2001) die These, dass hinter der neuen standard–basierten Lehrerbildung im Grunde die alte technokratisch–mechanische competency based teacher education steht.

(14) Oser schließt sich explizit folgender Charakterisierung von Standards aus der US–amerikanischen Diskussion um Leistungsstandards (für Schüler !) an:
– "Standards must reflect high expectations, not expectations of minimal competency.
– Standards must provide focus and direction, not become a national curriculum.
– Standards must be national, not federal.
– Standards must be voluntary, not mandated by the federal government. Standards must be dynamic, not static" (Oser 2001, S. 226).

(15) Die Überprüfung der Wirkung von Weiterbildungsmaßnahmen wird womöglich ein noch schwierigeres Unternehmen als die Evaluation der Erstausbildung. Im Übrigen würde sich eine Evaluation in der 3. Phase (Lernen im Beruf) erst dann wirklich lohnen, wenn es ein ausgebautes Weiterbildungssystem gäbe sowie Personalentwicklungsmaßnahmen breit etabliert wären. Zum Problem der Evaluation von Lehrerfort– und –weiterbildung vgl. Knab (1981); Eraut (1989); Graudenz u.a. (1995); Peter (1996) Wolf u.a. (1997); Landert (1998) und Rüegg (2000).

(16) Mit dieser an unterschiedlichen Ebenen orientierten Aufgliederung von Steuerungs- und Evaluationsaufgaben in der Lehrerbildung wird ein Gedanke aufgenommen, der in der Empfehlung einer Expertenkommission zur Neuordnung des erziehungswissenschaftlichen Studiums in der Lehrerbildung in NRW bereits formuliert worden ist (Baumgart u.a. 1997; vgl. auch California Commission on Teacher Credentialing 1997). In der internationalen Fachliteratur sind Fragen der Standards in der Lehrerbildung wie auch Fragen der Steuerung des Gesamtsystems Lehrerbildung vielfach erörtert worden (vgl. Clark, Nergney 1990 und Roth, Pipho 1990 sowie die einschlägigen Beiträge in Sikula et al. 1997; Yinger 1999; Wise 1999; Wise, Leibrand 2001). Zu diesem Thema vgl. auch das neueste Heft des Journals für LehrerInnenbildung: "Standards in der Lehrerinnen– und Lehrerbildung" 2002, Heft 1.

(17) Die Standards für Kompetenzen in den Unterrichtsfächern können zunächst nur fächerunabhängig benannt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt müssen dann fachspezifische Standards gebildet werden.

(18) Die empirische Erfassung von thematischen Verschiebungen der Lehrangebote in diesem Bereich zähle ich nicht dazu, da es im gegebenen Kontext um die Standards und Evaluationen von auszubildenden Personen geht. Für eine Formulierung von Institutionen– bzw. Programmstandards sind solche Analysen natürlich wichtig (s.u) (Hauenschild u.a. 1990; Plöger, Anhalt 1999; Wigger 2000b).

(19) Im Administrationsjargon werden die so Eingestellten derzeit "Nichterfüller" genannt. Früher gab es andere Bezeichnungen; im Englischen heißt es politisch korrekt: alternative ways to teaching oder nicht ganz so korrekt, aber angemessener: emergency certification.

(20) Zu dieser Frage führe ich derzeit eine empirische Untersuchung durch, die sich auf alle im Frühjahr 2002 in NRW ausgeschriebenen Stellen sowie deren Besetzung bezieht. Befragt werden Schulleiter, ein Mitglied der Auswahlkommission aus dem Kollegium sowie die ausgewählte und eingestellte Person. Im Jahr 2003 erfolgt an diesen Schulen eine zweite Befragung.

(21) Vgl. dazu die Beiträge und Materialien zu einem Workshop in Hamburg "Auf dem Weg zu Kerncurricula in der Lehrerbildung", Mai 2002 sowie den Abschlußbericht der Arbeitsgruppe Lehrerbildung der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen: Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung in Niedersachsen. Hannover, März 2002 (Auszug zum Kerncurriculum Erziehungswissenschaften und Fachdidaktik im Anhang 7.2).

(22) Wie immer bei solchen Studien ist man vor Überraschungen nicht sicher. So könnte sich zeigen, dass kaum Unterschiede festzustellen sind. Es könnte allerdings ein ähnliches Ergebnis eintreten wie bei den Studien zu den Effekten des dreigliedrigen und des integrierten Schulsystems: Am Ende sind die Differenzen zwischen Standorten größer als zwischen Systemen. Möglicherweise verschwinden kurzfristig feststellbare Effekte im Verlaufe der ersten Berufsjahre, und am Ende verlieren sich eventuelle positive Wirkungen von Modellversuchen, wenn man sie zur Regel macht. Und das Grundproblem wird durch die folgende Vermutung umrissen: möglicherweise wirken sich Qualitätsunterschiede in der Lehrerbildung nur sehr vermittelt auf Lehrerkompetenz und Lehrerhandeln aus – und Letzteres wiederum nur sehr schwach oder gar nicht auf das Lernen und Erfahrungsbildung der Schüler!

(23) Aus: Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung in Niedersachsen. Abschlußbericht der Arbeitsgruppe Lehrerbildung der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen. Hannover 2002, S. 44-47. In dem Abschlussbericht sind zusätzlich ausführliche Beispiele für Lehrveranstaltungen und Module zu finden.

(24) Orig: Abschlusskapitel aus L. Darling–Hammond: Standard setting in teaching: Changes in licensing, certification, and assessment. In: V. Richardson (Ed.): Handbook of Reseach on Teaching. Fourth Edition. Washington: Am. Educ. Res. Ass. 2001, S. 751-776; Auszug, S. 770-773. Linda Darling–Hammond ist Charles E. Ducommun Professor of Education an der Universität Stanford und Executive Director der National Commission on Teaching and America's Future (NCTAF). Sie war Mitglied des National Board for Professional Teaching Standards (NBPTS) und war Vorsitzende des Interstate New Teacher Assessment and Support Consortium (INTASC). Arbeitsübersetzung: E.Terhart.

(25) INTASC steht für Interstate New Teacher Assessment and Support Consortim, mit "National Board" ist das National Board for Professional Teaching Standards gemeint.