POPP (1997) hat in seinem klugen Aufsatz den Begriff der "Spezialisierung auf Zusammenhänge" aufgegriffen. Schüler dürften nicht nur Spezialisten für das Fachliche, für das Teilhafte sein, sondern Schule müsse ebenfalls (und genauso zentral) zur Spezialisierung auf Zusammenhänge qualifizieren. POPP (1997, 141 ff.) unterscheidet hierbei zwischen Verstand und Vernunft (der nach ethischen Prinzipien eingesetzte Verstand). Eine Spezialisierung auf Zusammenhänge müsse eine vernunftorientierte Rationalität zur Voraussetzung haben. Eine fächerübergreifende und an Mäßigung, Verständigung und Selbstbegrenzung bezogene Didaktik müsse u.a. folgende Merkmale aufweisen: Problem- und Handlungsorientierung, Verantwortlichkeit, Lebenswelt-orientierung und Mitbestimmung, Vernetzung, Perspektivität, Gespräch und außerschulische Kommunikation. POPP (1997, 149 f.) unterscheidet in seiner Systematik fächerübergreifenden Unterrichtens in additive und integrative Verfahren. Unter additiven Verfahren faßt er die Versuche, das Fachliche ergänzende Inhalte anderer Fächer ("Thema mit Anschlußstoffen") hinzuzufügen, dasselbe Thema in zwei oder mehreren Fächern fachspezifisch zu unterrichten ("Fächerspezialisierung") oder die Zusammenfassung mehrerer Fächer in Bezug auf ein Thema, z.B. im Rahmen des Team-Teaching ("Fächerkonzentration"). Zu integrativen Verfahren rechnet er das Erkunden, Reflektieren, Reproduzieren und Neustrukturieren ausgewählter Handlungsfelder ("Perspektivischer Unterricht") und die handelnde Erschließung und Bewältigung lebensweltbezogener Handlungsfelder und Phänomene ("Hand- lungsorientierter Unterricht"). Auch zählt er den "ganzheitlichen Unterricht" zu den integrativen Verfahren und ordnet diesem vor allem die Merkmale des Leiblichen und sinnlichen Lernens und das Ausgehen von Erlebnis- und Erfahrungssituationen zu. Hierbei wird allerdings die Trennlinie zu den beiden anderen Formen integrativer Verfahren unscharf, da diese ja auch ohne Schwierigkeiten als ganzheitlicher Unterricht vorstellbar sind.
HUBER (1995) hat in seinem grundlegenden Aufsatz eine Systematik fächerübergreifenden Unterrichts vorgelegt, die sich am (äußerlichen) Kriterium der Art der Unterrichtsorganisation orientiert und in fünf Typen fächerübergreifenden Unterrichts unterscheidet:
- Fächerüberschreitender Unterrichtstypus: Der Lehrer versucht in der Behandlung seines fachlichen Bezugs sein Fach zu überschreiten und Inhalte [/S. 58:] anderer Fächer oder verwandte Bezüge einzubeziehen. Dies geschieht im Unterricht des Faches selbst.
- Fächerverknüpfender Unterrichtstypus: Zwei oder mehrere Fächer wissen um die Inhalte des jeweils anderen Fachs in Bezug auf einen gemeinsamen thematischen Gegenstand und beziehen sich wechselseitig auf das fachliche Wissen des anderen Faches, wo dies angebracht erscheint, ohne daß es hier bereits zu einer intensiven Koordination kommt.
- Fächerkoordinierender Unterrichtstypus: Der gemeinsam geplante Unterricht zweier oder mehrerer Fächer wird aufeinander abgestimmt, zwischenzeitlich immer wieder koordiniert, jedoch noch nach Fächern und mit fachlichen Schwerpunkten versehen durchgeführt. Fächerverknüpfender und fächerkoordinierender Unterricht stellen also ähnliche unterrichtsorganisatorische Vorgehensweisen dar, die durch eine unterschiedliche Intensität der kollegialen Kooperation gekennzeichnet ist. Der fächerverknüpfende Unterricht könnte als Vorbereitung des fächerkoordinierenden Unterrichts begriffen werden.
- Fächerergänzender Unterrichtstypus: Es kommt hier zu einem systematisch angelegten und geplanten Aussetzen der Fächerordnung zugunsten themenorientierter Kurse und Projekte, die, die fachliche Thematik ergänzend, parallel und zusätzlich zu den Fächern angeboten werden. Hierbei ist auch eine andere Zusammensetzung der Lerngruppe, je nach interessengeleiteter Einwahl, möglich.
- Fächeraussetzender Unterrichtstypus: Der Fachunterricht wird für einen festgelegten Zeitraum völlig ausgesetzt. Hierfür werden phasen- bzw. epochenweise z.B. Projektwochen angeboten. Hierdurch ist ein leichteres Aufsuchen außerschulischer Lernorte möglich. Der fächeraussetzende Unterricht ist zeitlich und arbeitsmäßig nicht durch parallel stattfindenden Fachunterricht belastet.
Einen anderen Weg schlagen HILLER-KETTERER/ HILLER (1997, 179 ff.) ein, indem sie eine Systematik fächerübergreifenden Unterrichts nicht nach unterrichtsorganisatorischen, sondern nach didaktischen Funktionen entwickeln. Sie entwickeln ebenfalls fünf Typen des fächerübergreifenden Unterrichts:
- "Fächerübergreifender Unterricht zur Begründung der Notwendigkeit fachlicher Spezialkurse". Hierbei werden zur Bearbeitung anstehender Problemstellungen in dem einen Fach Leistungen parallel laufender Fächer verwendet, um deutlich zu machen, daß deren Leistungen sinnvoll sind, z.B. anstatt des Einsatzes deutschsprachiger Texte Verwendung von englischen Texten im Gemeinschaftskundeunterricht. [/S. 59:]
- "Fächerübergreifender Unterricht zur Demonstration der Nützlichkeit fachlicher Spezialkurse". Es geht hierbei um die Absicht, komplexere Vorhaben über vorauslaufende fachliche Spezialkurse vorzubereiten. Eine Reise nach Frankreich kann z.B. in verschiedenen Fächern vorbereitet werden (Französisch, Geografie, Sozialkunde etc.).
- "Fächerübergreifender Unterricht zur Relativierung von Fachperspektiven". Hier ist gemeint, daß im Fachunterricht die fachlichen Grenzen und die Verstümmlungen durch das Fachliche demonstriert werden können. Das Fach wird relativiert und erfährt eine kritische Bewertung, indem notwendige fachübergreifende Bezüge deutlich gemacht werden, ohne die das Fachliche defizitär bleiben würde.
- "Fächerübergreifender Unterricht zum Zwecke der Demonstration und Erprobung gemeinsamer Verfahren und formaler Wechselwirkungen". Es handelt sich um eine Konzeption, die in Kursen "Formen und Leistungen vergleichbarer Theorieansätze und methodischer Verfahren in verschiedenen Erkenntnisbereichen" erprobt, bzw. um die Exploration neuer Verfahren "zur Bewältigung interdisziplinärer Kooperationsprobleme" (182). Dies bedeutet also, daß mehrere Fächer an einem Thema arbeitsteilig und miteinander koordiniert mit dem Ziel zusammenarbeiten, eine Fragestellung bzw. ein Arbeitsvorhaben mehrperspektivisch bearbeiten zu können. Beispielsweise kann in diesem Sinne das Geräteturnen mit den Möglichkeiten der Biophysik, des Sports, der Geschichte und der Mathematik bearbeitet werden.
- "Fächerübergreifender Unterricht zum Zwecke der 'Entselbst-verständlichung' und 'Enträtselung' von Ausschnitten der Alltagswirklichkeit und zu deren Erprobung in begrenzten Aktionen". Die Kritik an der Einseitigkeit fachspezifischen Unterrichts hat zu einer Reihe brauchbarer Vorschläge geführt, wie Unterricht sein Spektrum weiten und seine Methodik verändern könnte. Diese Vorschläge sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie eine effektive Vorgehensweise bieten, in einer fächerübergreifenden Art und Weise gegenwärtige Probleme und lebensweltliche Bezüge der Schüler angemessen einzubeziehen und hier für subjektiv und gesellschaftlich sinnvolle Interpretationsmuster zu sorgen.
Beide Ansätze - die Systematiken von HUBER und auch von HILLER-KETTERER/ HILLER - stellen sinnvolle Möglichkeiten dar, die verschiedenen Perspektiven fächerübergreifenden Unterrichtens differenziert darzustellen und in eine Systematik zu bringen. Doch beide Systematiken schaffen zunächst nur Übersichtlichkeit und Zuordnungsmöglichkeiten, stellen aber noch keine ausführlicheren didaktischen Aussagen zur Gestaltung [/S. 60:] fächerübergreifenden Unterrichtens dar. So bemerkt auch HUBER (1995, 168) einschränkend: "Innerhalb dieser Formen kann die inhaltliche Beziehung zwischen den jeweils einbezogenen Fächern noch ganz verschieden akzentuiert sein: komplementär, konzentrisch, kontrastiv bzw. dialogisch oder reflexiv (mit Hilfe anderer Sichtweisen wird die des eigenen Faches reflektiert) - aber das ist Sache einer noch auszuarbeitenden Didaktik des fächerübergreifenden Unterrichts, die hier nicht beiläufig erledigt werden kann."