Wirtschaftslehre soll - dies war auch eine Forderung KAMINSKI s - aktuell sein. Müßte man heute aktuelle Wirtschaftsfragen benennen, käme einem sofort die Europäische Währungsunion in den Sinn. Für viele Bürger ist die Vorstellung, in naher Zukunft kein deutsches Geld mehr in der Hand zu haben, statt dessen einen "Euro", mit gemischten Gefühlen verbunden. BÖNKOST geht sogar soweit, das Funktionieren der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion von der ökonomischen Bildung der Europäer abhängig zu machen. (BÖNKOST 1996). Anfang der 60er Jahre führte SCHMIDTCHEN eine Untersuchung in der Bundesrepublik durch, die den Kenntnisstand der Bürger in Wirtschaftsfragen ermitteln sollte. Ein Ergebnis war, daß fast 90 Prozent der Befragten den Begriff Marktwirtschaft falsch oder unbefriedigend definierten. Dieselben Bürger hatten gerade das sogenannte Wirtschaftswunder vollbracht. (SCHMIDTCHEN 1965)

Eine solche Randnotiz will keineswegs die These vorbereiten, daß nur "wirtschaftlich unverbildete" Bürger ökonomisch erfolgreich sein können. Offenbar gibt es aber außerökonomische Bestimmungsstücke, die Prosperität bzw. Konjunkturperioden erklären können. Die Nachkriegsgeneration etwa hatte eine hohe Arbeitsmoral, war gleichzeitig genügsam und sparwillig. Da konnte selbst ein mangelhafter Kenntnisstand über Marktmechanismen das Anlaufen eines Wirtschaftswunders nicht verhindern. Nachdem der Investitionsgüter-Sektor florierte, folgte auch eine Zunahme der Konsumlust.

Man fragt sich, ob eine kognitive Verarbeitung der recht komplizierten Probleme der europäischen Währungsunion eine Voraussetzung für ihr Gelingen ist. Wenn alle Wirtschaftseuropäer Bescheid wüßten, warum die Staatsverschuldung der Mitgliedstaaten eine bestimmte Marke nicht überschreiten darf, und wie die Kontrollmechanismen aussehen könnten - wäre damit viel gewonnen? Ist es nicht vielmehr so, daß nationale Vorurteile, die nachweislich existieren, abgebaut werden müssen. Sollten nicht für die Jugend Europas Aufenthalte in den Mitgliedstaaten während der Schulzeit die Regel sein? Damit würden Vertrauen, Verständnis für Unterschiede, die Wertschätzung regionaler Produkte usw. sich entwickeln. Derlei Voraussetzungen könnten Europa wahrscheinlich besser befördern als die in Schulstuben gewonnenen wirtschaftstheoretischen Einsichten.

Wenden wir uns nun, der begonnenen Systematik folgend, den veröffentlichten Unterrichtsdokumentationen zu. Anders als beim Schulfach Technik ist die Zahl der publizierten Materialien im Kontext eines Schulfaches Wirtschaft verhältnismäßig groß. Und natürlich spielt das Thema Europa eine Rolle. (Der Unterricht mit wirtschaftskundlichen Inhalten muß nicht in einem gleichnamigen Fach abgelaufen sein, es kann sich auch um Unterricht im Fach Gesellschaftslehre bzw. Politische Bildung handeln.)

Eine allgemeine Methodenlehre, wie sie WILKENING für das Fach Technik versucht hat, gibt es ansatzweise auch für die Wirtschaftslehre. KOLB veröffentlichte seine "Methoden der Arbeits-, Wirtschafts - und Gesellschaftslehre" allerdings schon 1978. In dem Band sind drei Methodenkomplexe getrennt behandelt. Einen großen Raum nehmen die Simulationsverfahren ein (Fallstudie, Planspiel, Rollenspiel). Es folgen die Realbegegnungen, worunter Betriebspraktika und Betriebserkundungen zu verstehen sind. (Die Bezeichnung "Realbegegnung" ist eine unglückliche Wortwahl; haben die anderen Methoden etwas mit dem Irrealen zu tun?) Den dritten Komplex bilden die Projekte, die natürlich, sofern sie die Bezeichnung verdienen, etwas mit Realität zu tun haben.

In der Methodenlehre von KOLB sind es die Simulationsverfahren, die wirtschaftskundliche Inhalte im engeren Sinne vermitteln sollen. Betriebspraktika und Betriebserkundungen sind [/S. 199:] fachunabhängige Lernortwechsel. Wie wir gesehen hatten, werden sie auch vom Fach Technik eingesetzt und natürlich haben sie in der Arbeitslehre eine lange Tradition. Bei KOLB finden sich unter der Überschrift "Projekte" nur Beispiele aus dem Bereich Technisches Werken und Arbeitslehre, so z.B. zwei Projekte von BLÖDORN/BÜTTGEN/REUEL aus den 70er Jahren.

Es hat sich in den letzten zwanzig Jahren kaum etwas an dem Umstand geändert, daß Wirtschaftslehre in den meisten Fällen mit Simulation zusammenfällt. Wir gehen deshalb kurz auf das Charakteristische dieser Verfahren ein. Fallstudien sind Szenarien, die vorgestellt werden und zur Weiterentwicklung die Entscheidung zwischen mehreren Alternativen provozieren. Nach einer Informationsphase müssen sich die Schüler entscheiden und die Entscheidung gegenüber anderen Schülern vertreten. Bei etwa gleichplausiblen Entscheidungsvarianten kommt auch ein interessanter Meinungspluralismus zustande.

Eine der "klassischen" Fallstudien ist die von KAISER: Der Hof des Landwirts T. ist unrentabel" (KAISER 1972) Nach Schilderung der Lage des Landwirtes werden fünf Alternativen angeboten:

  • Er stellt auf reine Milchwirtschaft um
  • Er eröffnet eine Ferienpension
  • Er läßt sich zum Schlosser umschulen
  • Er macht Hilfsarbeiten in der Industrie und führt die Landwirtschaft nebenberuflich
  • Er schließt sich mit anderen Landwirten zu einer Genossenschaft zusammen.

Rollenspiele gehen davon aus, daß zu einem gegebenen Sachverhalt die Träger von Rollen auch rollenspezifische Einstellungen haben. Schüler übernehmen versuchsweise die Rolle von Menschen, die wesentlich älter, einflußreicher, hilfsbedürftiger, krimineller usw. als sie selbst sind. Sie projizieren vermutete Wert- und Vorurteile, Kenntnisse und Attitüden in dieses Rollenmuster hinein, und gestalten damit einen Kommunikationsprozeß. Beispielhaft sei hier das Rollenspiel "Nur eine single" skizziert: Der Schüler Peter hat einen Ladendiebstahl begangen, eine Schallplatte geklaut. Der Geschäftsführer des Schallplattenladens, der Klassenlehrer, die Mutter des Schülers, der Vertrauensschüler und Peter selbst (bis auf die Lehrerrolle von Schülern gespielt) diskutieren anhand von vorbereiteten Rollenkarten, die mögliche Argumente enthalten, aber nicht deterministisch den Ablauf bestimmen. Die Autoren wollen auf diese Weise Kenntnisse des Straf- und Zivilrechts vermitteln, Unrechtsbewußtsein anbahnen usw. (FARBER/HENSE 1978)

Das Planspiel ist die Simulation eines einerseits offenen Entwicklungsprozesses, der gleichwohl von einer finalen Orientierung ausgeht. Da der Ursprung im Strategiedenken des Militärs zu suchen ist, könnte das übergeordnete Ziel die Vernichtung des Gegners sein. Die auf dem Wege dorthin zu treffenden Entscheidungen können sich als zieladäquat erweisen, oder aber als kontraproduktiv. Qua höherer Einsicht ist die Metaentscheidungsebene durch die Konstrukteure des Planspiels vorgegeben.

Nicht die Vernichtung des Gegners aber die Eroberung des Marktes durch die Firmen "X" und "Y" mit einem neuen Produkt ist ein Planspiel, das HINZ vorstellt. (HINZ 1978) In dem Beispiel "produzieren" die Schüler etwas und versuchen durch Materialeinsparung und Personalreduzierung konkurrenzfähiger zu werden.

Allen Simulationsverfahren ist gemeinsam, daß sie die Realität auf mehr oder weniger einfache Modelle reduzieren müssen. Die Schüler "handeln" fast immer nur [/S. 200:] verbalsymbolisch, d.h. ihre Argumente werden durch "bessere" Argumente falsifiziert - im günstigen Falle bestätigt.

Im folgenden stellen wir eine Anzahl neuerer Unterrichtsdokumentationen resp. Schulbücher vor, die einen Eindruck davon vermitteln sollen, wie zeitgenössische Wirtschaftslehre abläuft.

Zuvor die Beurteilungskriterien, die an die Materialien angelegt werden.

  1. Wird Erwerbsarbeit als entscheidende Voraussetzung für die Partizipation an Wirtschaftsprozessen behandelt; darunter sind sowohl Konsumchancen wie auch Möglichkeiten der Vermögensbildung (Sparen) zu verstehen?
  2. Werden Gründe für nicht ausreichend vorhandene Erwerbsarbeit untersucht und Möglichkeiten der Kompensation von Einkommensausfällen durch verstärkte Hausarbeit behandelt?
  3. Wird der wirtschaftliche Interessengegensatz zwischen Unternehmern und Gewerkschaften behandelt und die gewerkschaftliche Solidarisierung als eine - wenn auch unvollkommene - wirtschaftliche Absicherung verstanden?
  4. Wird die Solidarisierungschance der Konsumenten als Gegengewicht zur Macht der Anbieter illusionslos betrachtet, und werden alle Möglichkeiten der individuellen Verbraucheraufklärung genutzt? (Kontaktaufnahme mit Verbraucherschutzverbänden, Rechtsfälle aus dem Alltag des Konsumenten, Qualitätskriterien bei der Beurteilung von Waren- und Werkstoffgruppen, Immunisierung bzw. Distanzierung gegenüber Modediktaten, Sicherheitskenntnisse ( Gerätesicherheit().
  5. Wird die Rolle der Banken im Wirtschaftsprozeß kritisch behandelt oder herrscht eine formale Betrachtungsweise vor, die die Banken lediglich in Kreislaufmodellen verortet? Dazu gehören Aufklärungsmaßnahmen über die große Zahl der überschuldeten Haushalte und eine Kontaktaufnahme mit Schuldnerberatungsstellen.
  6. Werden ökologische Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns thematisiert und an wenigen Beispielen möglichst mehrdimensional analysiert? Beispiel: Getränkeverpackungen.
  7. Werden Restriktionen oder besser: Opportunitätskosten bei wirtschaftlichen Entscheidungen an Beispielen untersucht?
  8. Wird die Möglichkeit der Existenzgründung als Alternative zur abhängigen Erwerbsarbeit realistisch betrachtet?
  9. Werden "buchhalterische" Kenntnisse vermittelt, d.h. Führung einer Registratur, Terminüberwachung, Ablage von Zahlungsbelegen, Abfassen von Mängelrügen usw.
  10. Werden reale wirtschaftliche Aktivitäten in der Schule durchgeführt? (Pausenverpflegung, Herstellung und Verkauf von einfachen Produkten, Serviceleistungen wie Wartung und Reparatur für das schulische Umfeld.) [/S. 201:]

Folgende Unterrichtsmaterialien wurden untersucht:

Doku. 1:
Alfred Zahner: Steinzeitökonomie - Ein Simulationsspiel zum Tauschhandel für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I, in: AWT Info, Heft 1/1996, Hrsg.: Forschungsstelle an der PH Weingarten, S.4 ff

Doku 2:
Heinz Klippert: Konjunktur und Wachstum, ein Würfelspiel zur Simulation des Wirtschaftsprozesses, in: arbeiten ( lernen, Heft. 67/1990, S. 67 ff

Doku. 3:
Joachim Günther: Die Europäische Union - die Wirtschafts- und Währungsunion, Unterrichtsempfehlungen für die Sekundarstufe I und II, in: Arbeit und Technik in der Schule, Heft 9/ 1996, S. 323 ff

Doku. 4:
Herbert Müller: Die Krise des Beschäftigungssystems und das Dilemma der Stabilitätspolitik, ein Thema für den Wirtschaftslehre-Unterricht, in: Arbeit und Technik in der Schule, Heft 1/ 1995, S. 26 ff

Doku. 5:
Hans Kaminski: Der jugendliche Konsument: Eine Arbeitsblattreihe, in: arbeiten ( lernen Wirtschaft, Heft 24/1996, S. 14 ff

Doku. 6:
Dietmar Krafft (Hg.): Wirtschaft 7/8. Berlin 1996, Bd. 1

Doku. 7:
Dietmar Krafft (Hg.) Wirtschaft 9/10. Berlin 1996, Bd. 2

Doku. 8:
Regine Hebestreit: Von wegen Pleiten, Pech und Pannen Unternehmensgründung richtig vorbereiten, in: arbeiten u. lernen / Wirtschaft, Heft 23/96, S. 23 ff

Doku. 9:
Angela Kirsch: Weltmeister im Export von Arbeitsplätzen? in: arbeiten u. lernen / Wirtschaft, Heft 22./96, S. 23 ff

Doku. 10:
Heiko Feeken: Computergestütztes Warenwirtschaftssystem (WWS), ein Beispiel für die Verschmelzung von Kommunikations- und Informationstechnologien, in: arbeiten . u. lernen / Wirtschaft, Heft 21/96, S. 32 ff

Doku.11:
Josef Hartmann/Reinhard Neudeck: Gehört der Grüne Punkt auf den Müll?, in: arbeiten u. lernen / Wirtschaft, Heft ....../94, S. 36 ff

Doku. 12:
Manfred Hübner: Fallstudie Kündigung, in: arbeiten u. lernen / Wirtschaft, Heft 14/94, S. 26 ff

[/S. 202:]

Doku. 13:
Bruno Weber: Lernspiel "Börse", Vorbereitung auf das Börsenspiel der Sparkassen, in: arbeiten u. lernen / Wirtschaft, Heft 13/94, S. 44 ff

Doku. 14:
Theo Wolsing: Jugend, Geld, Schulden, Unterrichtsanregung zur Verschuldungsproblematik, in: arbeiten u. lernen / Wirtschaft Heft 13/94, S. 23 ff

Doku. 15:
F. Lönne /C. Szkolaja./J. Wünnecker: Ökologisches Handeln im Planspiel: Tourismus aber wie? in: arbeiten u. lernen / Wirtschaft Heft 10/93, S. 23 ff

Kurze Inhaltsangaben zu den untersuchten Dokumenten folgen.

Doku 1
Acht Schülergruppen (jeweils 2 bis 3 Schüler) bekommen "Tauschgüter", von denen ihnen gesagt wird, diese seien für den Steinzeitmenschen überlebenswichtig gewesen: Felle, Salz, Weizen, Fische, Äxte, Muscheln, Pfeil und Bogen, Feuer, Hühner u.a.. Diese Güter können als Atrappen (Fische aus Holz) auf den Tischen liegen, es genügt auch den Begriff auf einen Zettel zu schreiben und diesen zu tauschen. Die Schülergruppen haben unterschiedliche Güter, so daß zur Bedürfnisbefriedigung getauscht werden muß. Es geht darum, Wertäquivalente zu bestimmen und festzustellen, welche Güter unentbehrlich sind.

Doku 2
Jeder Spieler stellt den Wirtschaftsminister eines europäischen Landes dar. Auf dem Spielfeld sind Konjunkturzyklen abgebildet. Der Spieler trifft durch Würfeln entweder auf ein Tief oder ein Hoch. Dementsprechend bekommt er Punkte. Gewinner ist dasjenige Land mit der höchsten "Wachstumsrate". Ereigniskarten signalisieren u.a. Arbeitslosigkeit oder Umweltverschmutzung, die das Wachstum positiv oder negativ beeinflussen können. Wissenskarten können im Falle der richtigen Antwort Punkte bringen. Ein Beobachter führt ein Protokoll, in das die erreichten Punkte eingetragen werden. Beispiel für eine Wissenskarte: Wie nennt man die Abschwungphase im Konjunkturverlauf? Antwort: Rezession. Beispiel für eine Ereigniskarte: Die Zentralbank deines Landes kauft Wertpapiere und erhöht dadurch den Geldumlauf in der Wirtschaft. Die Zinsen sinken und die Wachstumsaussichten verbessern sich (plus ein Punkt).

Doku 3
Die Schüler sollen wissen, was die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) will, wie weit die Vorstufe gediehen ist, welche Probleme es gibt (unterschiedlicher Entwicklungsstand der Nationen), wie die Konvergenzkriterien aussehen usw. Die Schüler bekommen sogenannte Materialien, die sie lesen sollen und an die sich Fragen anschließen. (Auszug aus: Handbuch zur Europapolitik, Brittan: Die europäische Herausforderung, Wirtschaftsteil der Zeitung u.a.) Beispiel für eine Frage: "Charakterisieren sie die Ziele der WWU und benennen sie die einzelnen Phasen, die im Vertrag von Maastrich vorgesehen wurden." [/S. 203:]

Doku 4
Die "Unterrichtskonzeption" ist eigentlich nur eine vereinfachte volkswirtschaftliche Modellbildung. Die Arbeitslosenquote wird in Abhängigkeit von Konjunkturzyklen untersucht und festgestellt, daß es eine Asymmetrie gibt, was soviel besagt, daß selbst in Zeiten des Konjunkturaufschwungs die Zahl der Arbeitslosen nicht oder nur sehr langsam abnimmt. Die Interventionsmöglichkeiten des Staates werden als in der Tradition des Keynesianismus stehend kritisiert. Die Gewerkschaften werden als Organisationen bezeichnet, die den Wirtschaftsliberalismus hemmen, indem sie auf die "Einstellungs- und Entlassungspolitik der Arbeitgeber" Einfluß nehmen und so Mitglieder an sich binden wollen.

Doku 5
Es wird dargetan, daß Arbeitsblätter in der Wirtschaftslehre drei Funktion hätten: Eine Motivierungsfunktion (die Schüler fühlen sich inhaltlich herausgefordert), eine Aktivierungsfunktion (der Schüler muß selbständig - also nicht im Team - arbeiten), eine Leistungsgewöhnungsfunktion (Arbeitsblätter bereiten auf Klausuren und Klassenarbeiten vor). Die Arbeitsblätter zum Thema "Der jugendliche Konsument" gehen davon aus, daß Jugendliche eine Kaufkraft haben, um die sich die anbietende Wirtschaft bemüht. 12 Arbeitsblätter behandeln, die Einkommensarten der Jugendlichen, die Konsumschwerpunkte, die Orientierung an sogenannten Meinungsführern, die Analyse von Jugendzeitschriften, insbesondere die dort veröffentlichte Werbung, den Aufbau eines Supermarktes und ein Kreuzworträtsel.

Doku 6
Das 128 Seiten umfassende Schulbuch besteht etwa zur Hälfte aus Text, zur anderen Hälfte aus Fotos, Karikaturen, Grafiken und Sprechblasen, die einmontierte Kurztexte enthalten. Jedes Kapitel schließt mit Aufgaben, für die sich die Autoren entschuldigen. Lieber wäre es ihnen, wenn die Schüler eigene Fragen hätten. Das Buch behandelt nicht nur wirtschaftliche Fragen im engeren Sinne sondern geht auf die Arbeitsteilung im Privathaushalt ein, stellt die Arbeit verschiedener Handwerke und Branchen vor, wobei die technische Seite der Produktion in Abbildungen verständlich gemacht werden soll. Angelehnt an die Materialien der Bundesanstalt für Arbeit wird die Berufswahl behandelt. Einen breiten Raum nimmt die Stellung des Verbrauchers ein. Betriebliche Konflikte werden angesprochen (Arbeitsbummelei und gesundheitsbedingte Leistungsminderung). Wirtschaftliche Themen im engeren Sinne sind: die "Kreislaufbeziehungen" und der "Kapitalmarkt".

Doku 7
Band 2 des Schulbuches für die Klassen 9 und 10 ist sehr ähnlich aufgebaut. Einige Themen werden in verändertem Kontext erneut aufgegriffen, andere treten hinzu. So der Strukturwandel einer Region (Beispiel Ruhrgebiet). Arbeitszufriedenheit, Arbeitsschutz, soziale Sicherung und Mitbestimmung sind Themen, die starke politische, rechtliche und arbeitspsychologische Implikationen aufweisen. Unter der Überschrift "Ökologie contra Ökonomie" werden kontrovers diskutierte Fakten ausgebreitet, die diskussionsanregend erscheinen. Der Versuch, die scheinbare Objektivität von Statistiken durch diametrale Interpretation zu entlarven, ist interessant. In beiden Schulbüchern finden sich zahlreiche Anregungen für Exkursionen und Praktika. [/S. 204:]

Doku 8
Nach Eingangsinformationen (3 Mill. Selbständige in Deutschland, jährlich 400 000 Betriebsgründungen und 300 000 Konkurse) wird das Profil der Unternehmerpersönlichkeit skizziert. Zu einem Unternehmer gehören u.a.: Führungserfahrung kaufmännische Erfahrung, Belastbarkeit, Unterstützung durch die Familie, Selbstdisziplin, Opferbereitschaft, Risikofreudigkeit usw. Die Schüler sollen dann eine Checkliste für ein fiktives Unternehmenskonzept aufstellen, dazu wiederum gehören Marktanalyse, Branchenanalyse, Rentabiltätsvorstellungen u.a. An der eigenen Schule soll recherchiert werden, ob ein fiktives Produkt "Erfolg" haben könnte. Es gibt Anregungen, Gründerbeispiele zu untersuchen und das Beratungsangebot der Kammern und Innungen kennenzulernen.

Doku 9
Eingangs wird auf den Entschluß der Firma Daimler Benz eingegangen, den neuen Kleinwagen "Smart" in Frankreich zu produzieren. Siemens baut Elektrogeräte in Böhmen, Henkel produziert Persil in Slowenien. 1994 hat die deutsche Industrie 22 Mrd. Mark im Ausland investiert. Die Schüler bekommen 17 (!) Schaubilder aus denen viele Details herauslesbar sind. Drei Motive für die angesprochene Entwicklung werden genannt: Das Markterschließungsmotiv (sichert auch Arbeit zuhause), das Rentabilitätsmotiv (im Falle eines Verzichts würde nicht automatisch in Deutschland investiert), das Kostensenkungsmotiv (Kosten können auch auf anderen Wegen gesenkt werden). Mit 44,-DM liegt die Arbeitsstunde in Deutschland auf Platz 1.in der Welt. Der Arbeitnehmer erhält jedoch nur 24,-DM (Platz 4) Die hohen Lohnnebenkosten werden als Problem bezeichnet. An einem Fallbeispiel wird dies weiter verfolgt (Automobilarbeiter bei AUDI).

Doku 10
Die Schüler lernen den EAN-Code kennen (Europäische-Artikel-Nummer). Scannerkassen sind den Schülern aus vielen Alltagsbeobachtungen vertraut. Mit Hilfe von "Expertenbefragungen" sollen die Schüler Handelsbetriebe vergleichen, die zum einen. bereits mit einem ausgebauten Warenwirtschaftssystem arbeiten und solche, die ihre Warendisposition noch ohne Computerunterstützung (oder erst partiell) bewältigen. An Beispielen wird demonstriert, welche Auswirkungen es hätte, wenn Campingartikel erst nach Saisonbeginn bestellt würden, bzw. wenn die Lagerbestände einer CD nicht rechtzeitig aufgefüllt wurden, obwohl bekannt war, daß eine sehr populäre Pop-Gruppe ein Konzert gibt usw.

Doku 11
Die Schüler werden mit der provozierenden These konfrontiert, der Grüne Punkt gehöre auf den Müll, denn er bitte den Verbraucher zweimal zur Kasse. Nach Informationen über das DSD (Duales System Deutschland) Gesellschaft für Abfallvermeidung und Sekundärrohstoffe m.b.H. (diese Gesellschaft entlastet bekanntlich Abfüller, d.h. Hersteller und Händler von ihrer Entsorgungspflicht.) wird behauptet, der Konsument bezahle einen Aufpreis für Waren mit dem Grünen Punkt, wegen verschiedener Engpässe landeten die Verpackungen aber schließlich doch auf dem Müll und die Entsorgung müsse noch einmal bezahlt werden. Die Schüler erkunden eine Mülldeponie, eine Verbrennungsanlage und einen Verwertungsbetrieb. Sie lernen den Unterschied zwischen echtem Recycling und der Herstellung eines dann nicht weiter recycelbaren Zwischenprodukts kennen. [/S. 205:] Videoaufnahmen und eine von Schülern aufgebaute Ausstellung sollen die gewonnenen Erkenntnisse verbreiten.

Doku 12
In einem mittelständischen Unternehmen der Werkzeugmaschinenherstellung hat sich die Auftragslage stark verschlechtert. Von vier Drehern soll einem gekündigt werden. Die vier Dreher werden vorgestellt (Alter, Familiensituation, Leistungsniveau) Die Fallstudie setzt sich nun mit der Kündigung eines der Facharbeiter auseinander. Der Gekündigte protestiert beim Betriebsrat. Das BVG (§ 102) wird besprochen, Kündigungsarten untersucht (Betriebsbedingte K., personenbedingte K., verhaltensbedingte K., ordentlich K., außerordentliche K., usw.) Die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellt wird am Beispiel der Kündigungsfristen diskutiert.

Doku 13
Die Sparkassen veranstalten in vielen Regionen ein sogenanntes Börsenspiel, bei dem die Schüler Wertpapiere kaufen und spekulieren und dementsprechend auch über Gewinn und Verlust belehrt werden. Die Simulation bekommt durch den "Lernort Sparkasse" eine gewisse Realitätsnähe. In dem vorliegenden Unterricht wurde auf das Spiel vorbereitet. Die Schüler müssen den Wirtschaftsteil der Zeitung auswerten und Begriffe im Zusammenhang mit Börsengeschehen erklären können. Die Kurse einer ausgewählten Aktie werden über einen längeren Zeitraum akribisch aufgeschrieben, anschließend wird die maximale Kursschwankungsbreite errechnet. Einen Text über Marktwirtschaft sollen die Schüler in der Weise umformulieren, daß an die Stelle von "Gütern und Preisen" die Begriffe "Aktien und Kurswert" eingesetzt werden.

Doku 14
Es wird von der begründeten These ausgegangen, die Kreditbranche "verleite" die Jugendlichen zum Geldausgeben. Statistische Angaben über die Zahl der verschuldeten Jugendlichen /jungen Erwachsenen werden diskutiert. Die Markenfixierung vieler Jugendlicher ist erheblich (nur Jeans von der Firma XY sind tragbar). Eine solche Haltung ist durch persönliche Appelle nicht änderbar. Deshalb soll versucht werden, einen Gruppenkonsens in der Klasse herzustellen, erst dieser könnte den einzelnen Jugendlichen von Konsumzwängen "befreien". Das "Schuldenkarussel", ein Würfelspiel, wird eingesetzt. Der Besuch einer Verbraucherberatungsstelle wird vorbereitet. Ein kleiner Fragebogen erhebt Daten, wofür die Jugendlichen ihr Geld (Taschengeld u.a.) ausgeben. Bei einem Experiment versucht eine 17jährige Schülerin in sechs Bankinstituten einen Kredit zu bekommen. Nur zwei Banken verhalten sich korrekt und fordern die entsprechende Zustimmung der Eltern.

Doku 15
Ein kleines Dorf in Dithmarschen mit viel Wald und Seen steht vor der Frage, ob es einem amerikanischen Tourismusunternehmen die Genehmigung für den Bau eines Ferienclubs am See geben soll. Der Bürgermeister, der Förster, der Bäcker, die Leiterin einer Bürgerinitiative, der Vorsitzende eines Wandervereins und der amerikanisch Manager tauschen Argumente aus.(Rollenübernahme durch Schüler) Die Gemeinde könnte Einkünfte gebrauchen, die Naturfreunde haben große Bedenken. Die Schüler müssen schriftlich kommunizieren, Durchschläge der Argumente werden vom Spielleiter gesammelt, bewertet und problematisiert. [/S. 206:]

In der schon bekannten Weise werden die Dokumente mit den Beurteilungskriterien konfrontiert.

Liste: Ausgewählte Unterrichtsmaterialien "Wirtschaft"

Tabelle

Die Unterrichtsbeispiele schneiden schlecht ab, das vermittelte Wissen ist meistens zusammenhanglos, von "außen" an die Schüler herangetragen, es sind kaum Chancen für Selbsttätigkeit und entdeckendes Lernen erkennbar. Die Schulbücher sind thematisch variationsreicher, sie sammeln deshalb mehr Punkte. Erfahrungsgemäß kann ein ganzes Buch wegen des geringen Stundenanteils des Faches aber nicht durchgearbeitet werden.

Unser Kriteriensatz vereint normative und logische Aussagen. So glauben wir, daß Erwerbsarbeit und Hausarbeit der Referenzrahmen sind, auf den sich jede Belehrung über "Wirtschaft" beziehen müßte. Dies hat nicht nur damit zu tun, daß Arbeit die Basis jeder Wertschöpfung ist, wir sehen in Arbeit auch das Medium, in dem sich eine Persönlichkeit bildet. Wirtschafts-"Pädagogik" ist also auf dem falschen Wege, wenn sie Strukturwissen oder gar Gleichgewichtsmodelle vom anthropologischen Bezugspunkt ablöst. Und das tut sie unablässig. Eine logische Konsequenz des hinlänglich bekannten, aber fast nie ernstgenommenen Diktums: "alles Wirtschaften dient dem Endverbraucher" wäre es, die Wohlfahrt des Konsumenten stets in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen. Der Wohlfahrtsbegriff ist längst nicht mehr quantitativ im Sinne von hohen Konsumchancen definiert, er ist qualitativ gewendet und vor allem ökologisch zu verantworten. In den Wirtschaftslehrekonzepten trifft man zwar auf solche Themen, sie sind aber oft eines unter vielen.

Die in der Wirtschaftslehre dominierenden Simulationsverfahren sind durchaus zieladäquat, denn der Unterricht besteht auf weiten Strecken in der Auslegung von Begriffen. Um ein solches didaktisches Milieu zu vitalisieren, müssen Gespräche in Gang kommen. Simulationsverfahren eignen sich dazu. Oft produzieren die Schüler realitätsentlastete Lösungsvorschläge in großer Zahl. Ein auf Sachfragen zugespitzter Unterricht der nur richtige oder falsche Antworten zuläßt, soll hier nicht als Alternative empfohlen werden. Ob allerdings ein Schüler in der Rolle des Wirtschaftsministers (bei der Steuerung von Konjunkturzyklen) noch die Verbindungsfäden zur Realität halten kann, wird [/S. 207:] unwahrscheinlich. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, daß in einigen Fällen die Fabulierlust mit dem Schüler durchgeht.

Vorstellbar ist natürlich eine ganz andere Wirtschaftslehre, die ohne Simulation auskommt, weil sie reale Prozesse reflektiert: Die Schüler stellen ein Produkt her, und versuchen es zu vermarkten. Oder: die Schüler kaufen (bezahlbare) Konsumgüter ein, untersuchen diese auf Gebrauchstauglichkeit, Preisbildung, Herkunft usw. Aber damit würden wir die Grenze zur Arbeitslehre überschreiten.

[/S. 208:]