Für die Frage der Kommunikation und Kooperation von Arbeitslehre-Lehrkräfte muß die Struktur des Arbeitsplatzes Schule zum Ausgangspunkt genommen werden. Hier liegt der Schlüssel für die Beschreibung eines zentralen Problems fächerübergreifenden Lehrens und Lernens auch innerhalb der Arbeitslehre.
Im Vergleich zu anderen Berufen ist bei Lehrern die wechselseitige Durchdringung von Person und Beruf relativ stark. Dies rührt daher, daß sich der Kern der Arbeit im pädagogischen Binnenraum des Klassenzimmers bei sehr hohem Person-Involvement vollzieht. Diese prekäre, instabile und belastende Lage hat auch Konsequenzen für die Einstellung des Lehrers zu seinem Beruf, und sie hat Konsequenzen für die Situation, in der der Lehrer das Klassenzimmer verläßt und wieder betritt - also in kollegiale Kommunikation eintaucht. Fragen drängen sich auf.
Steht zu vermuten, daß nach der isolierten Arbeit im Klassenzimmer das Lehrerzimmer als 'Wiederaufbereitungsanlage' für berufliches Engagement wird? Wenn die einschlägige Literatur belegt (vgl. Bielefeldt & Scholz 1979, Pieper 1986, Bessoth 1989), daß kollegiale Kommunikation fast gar nicht zur inhaltlichen Erörterung pädagogischer Arbeitsprobleme genutzt wird, ist zu fragen, worauf dies zurückgeführt werden kann. Liegt es an der Isolation im Klassenzimmer, die einerseits als Belastung, andererseits auch als Schutz vor Beobachtung erlebt wird, allein? Muß die Kollegialitätsforderung für das Lehrerzimmer, nämlich sowohl als prinzipiell gleichwertig, gleich kompetent und gleichberechtigt behandelt zu werden nicht kollidieren mit dem Postulat der Nicht-Einmischung in die eigene Arbeit, die es zu verteidigen gilt? Wird nicht erst durch ein striktes Nebeneinander beim Arbeiten und gleichzeitiger Bekundung kommunikativer Absichten die Tatsache aushaltbar, daß jede Lehrkraft ständig das Gefühl des Nicht-Genügens haben muß? Ist es möglich, daß eine öffentliche Erörterung der eigenen beruflichen Probleme im Kollegium als große Bedrohung erlebt wird?
Hinzukommt, daß im Rahmen kollegialer Kommunikation unter formal Gleichen unterschieden werden muß zwischen den offiziellen Regeln, zu denen sich jemand bekennt und den inoffiziellen, unausgesprochenen, aber für das faktische Handeln sehr wichtigen Regeln des Miteinander-Umgehens. Im informellen Bereich werden dann auch Konflikte deutlich, z.T. auch angesprochen, um dann aber, wenn es offiziell wird (etwa in Konferenzen) sehr schnell mit der offiziellen Forderung nach Kollegialität abgekühlt zu werden. Kann die informelle Seite, die Kulisse des Geschehens, zur Ablagerungsstätte für die Folgen von unverarbeiteten Interessenkonflikten, Enttäuschungserlebnissen, Rivalitäten, kurz: für den sozial- und individualpsychologischen Abrieb werden?
Diese Fragen könnten ein erster Anknüpfungspunkt für die weitere Analyse der Gründe für Erfolg oder Mißerfolg der Lehrerkooperation innerhalb eines fächerübergreifenden Unterrichts der Arbeitslehre sein. Weitergehende Untersuchungen müßten den Stellenwert von formeller und informeller Kommunikation und Kooperation im Rahmen fächerübergreifender Unterrichtsplanung und Unterrichtsdurchführung analysieren. Auch müßte der Vermutung nachgegangen werden, ob informelle Kommunikation und Kooperation auf punktuell und auf spezifisch und häufig enge Ziele beschränkt bleibt oder nicht. Welchen Stellenwert hat dann eine formelle Kommunikation? Oder anders ausgedrückt: Wenn eine gute informelle Kommunikation und Kooperation in einem (kleinen) Lehrerkollegium gegeben ist, dann wird formelle Kommunikation und Kooperation (in Form von Fachkonferenzen) - meist eh als Arena für Profilsucher verschrieen und aufwendig im Verhältnis zum Ertrag - kaum mehr erforderlich. Die Grenzen eines Modell bürokratischer Kontrolle der Schularbeit könnten so sicherlich offengelegt werden. Natürlich müssen auch Überlegungen angestellt werden, um die Qualifikationen von Lehrerinnen und Lehrern bezüglich einer Verbesserung von Kommunikation und Kooperation zu erhöhen (vgl. Lackmann 1986).
Neuere Überlegungen der erziehungswissenschaftlichen Schulentwicklungsforschung betonen die zentrale Rolle der Schulleitung für eine erfolgreiche Kooperation im Lehrerkollegium (vgl. Rosenbusch & Wissinger 1989, Wissinger & Rosenbusch 1991). Entscheidend ist dabei, daß sich die Personen der Schulleitung gegenüber Lehrerinnen und Lehrern zurücknehmen, gleichzeitig jedoch offen sind. Das ist nur über eine Verständigung möglich, die strukturell abgesichert ist und eine funktionierende Kommunikation ermöglicht. Teamarbeit wird dabei nicht nur für Personen des Kollegiums, sondern auch für die Schulleitung relevant. "Site-Based-Management" (standortbezogenes Management), das in den späten 80er Jahren als Reformwelle die Schulen der USA durchlief (Ames & Ames 1990), zielt darauf ab, eine schulische Führungsstruktur zu schaffen, nach der von Lehrern getroffene Entscheidungen den Ausschlag geben: das hierarchische System der Schulaufsicht wird dabei abgebaut und als aktive Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Schulleitern und Eltern etabliert. "Instructional-Team-Leadership" (Teamführungsansatz) heißt das Gegenmodell zu einem Schulleiter, der seine Funktion und Rolle auf die des Administrators reduziert. Entsprechend überschreitet die Teamfähigkeit die Praxis administrativ verengter Schulleitung und wendet sich pädagogischen Problemlösungen zu, die nur durch Aktivierung, Koordinierung und Fortbildung aller real werden kann.
Kooperation im fächerübergreifenden Unterricht der Arbeitslehre vermag Organisationsentwicklung zu initiieren (wie auch Beispiele aus privatwirtschaftlichen Organisationen zeigen); Organisationsentwicklung begünstigt dann Schulentwicklung. Organisationsentwicklung bindet zugleich auch alle Beteiligten, indem sie sie zu Akteuren in einem Entwicklungsprozeß macht, der auf Motivation und Kooperation aller angewiesen ist.
Abbildung 1: Formalstruktur von Bedingungsebenen und Handlungsfeldern fächerübergreifenden Unterrichts innerhalb der Arbeitslehre
Abbildung 2: Bedingungsmatrix des Kooperationsproblems
Abbildung 3: Verhaltensmatrix des Kooperationsproblems