Die Frage nach Chancen und Grenzen der Kooperation von Geschichte und Politik stellt sich gleichermaßen für Curricula der Primarstufe, der Sekundarstufen und der wissenschaftlichen Hochschulen. Zu leisten ist wissenschaftstheoretische Legitimierung und methodische Absicherung. Das Thema ist durch zwei gescheiterte Versuche belastet:
Nach der Saarbrückener Rahmenvereinbarung von 1960 sollten die Schulfächer Geschichte, Geographie und Sozialkunde für die Oberstufe des Gymnasiums als Fach [/S. 543:] Gemeinschaftskunde zusammengefügt werden. Die Mehrzahl der Geschichtslehrer und der Verband der Geschichtslehrer Deutschlands traten für die Beibehaltung eines eigenständigen Geschichtsunterrichts ein. Trotz des Auftrages, das Fach Gemeinschaftskunde einzuführen, blieb es in den meisten Bundesländern bei einer Addition der dominierenden Fächer Geschichte und Geographie. Da an dem Anspruch festgehalten wurde, pB werde durch historische Bildung mit abgedeckt, verzichteten die Historiker darauf, neue fächerübergreifende geschichtsdidaktische Ansätze zu entwickeln.
Erneut in die Defensive gedrängt sahen sich Historiker und Geschichtslehrer, als 1973 mit den Hess. Rahmenrichtlinien Gesellschaftslehre (HRRG) ein Fach konzipiert wurde, das die volle Integration eines reduzierten Geschichtsunterrichts in ein sozialwissenschaftliches Curriculum vorsah. Mit der Einführung der HRRG wurde die bisherige Praxis schulischer Lehrplanrevision insofern durchbrochen, als die Priorität der fachwissenschaftlichen → Bezugsdisziplinen für curriculare Entscheidungen des Schulfaches in Frage gestellt wurde und eine stärkere Gesellschaftsorientierung zum Tragen kam. Der Ansatz war konsequent lernzielorientiert, erwies sich mit dem Leitziel → Emanzipation jedoch als politisch nicht konsensfähig. Hinzu kam, dass die den fachwissenschaftlichen Bezugsdisziplinen spezifischen Fragestellungen, Begriffe und Methoden, d. h. die jeweilige Struktur der Disziplinen nicht berücksichtigt war. Ungelöst blieb auch das Problem der Lehrerausbildung für das neue Unterrichtsfach. Die Diskussion wurde auf zwei Ebenen geführt. Wissenschaftliche und politische Argumente standen nebeneinander und vermischten sich bisweilen. Als Ergebnis lässt sich zusammenfassen, dass weder die wissenschaftstheoretischen Grundlagen erarbeitet noch die personellen Voraussetzungen zur Realisierung der HRRG vorhanden waren oder der notwendige politische Konsens bestand.