Aus den bisherigen Überlegungen können sich einige Fragen ergeben:

Aus welchem Grunde sollte es unmöglich oder nicht sinnvoll sein, die an politischer Bildung beteiligten Fächer zu der Benennung gemeinsam interessierender gesellschaftlicher Herausforderungen zusammenwirken zu lassen? Aus welchem Grunde sollte es unmöglich sein, Fächer darauf zu verpflichten, die ihnen gemeinsamen Probleme auf ihre je eigene Art anzugehen und an ihnen ihre Eigenständigkeit voll zur Geltung zu bringen – ihre Eigenständigkeit, die darin besteht, dass sie ihre fachspezifischen Errungenschaften einsetzen, um sozialkundliche, geographische und historische Antworten auf das gemeinsame Problem zu geben?

Warum sollte es nicht möglich sein, Lehrpläne so zu konzipieren, dass Zeit und Raum bleibt, um die Kooperation zu ermöglichen und die Fächer nicht völlig isoliert voneinander arbeiten zu lassen?

Warum sollte es nicht möglich sein, die traditionellen Bildungsinhalte im Lehrplan so zu streuen, dass sie allesamt zwar "durchgenommen" werden müssen, ohne doch in der traditionellen Darstellungsform des chronologischen Durchgangs behandelt werden zu müssen?

Warum sollte es nicht möglich sein, die lebensweltlich entstandenen und aufbrechenden Interessen der Schüler an Geschichte und an bestimmten Inhalten des Geschichtsunterrichts variabel zu befriedigen, d.h. dann, wenn sie aufbrechen? Warum sollte es nicht möglich sein, das auch bei Schülerinnen und Schülern wirkende Ensemble von Traditionen, Gegenwartserfahrungen und Zukunftserwartungen, das allererst zur Auseinandersetzung mit vergangenem menschlichen Handeln und Leiden reizt, durch entsprechende Konzeption des Lehrplans und Hinweise auf organisatorische Möglichkeiten zu berücksichtigen? Die Zeitgenossenschaft von Schülerinnen und Schülern, aus der das Interesse an Geschichte als einer bestimmten Frage und Denkweise resultiert, ist eine generationsspezifisch wache Zeitgenossenschaft, die zu ertragreichen, spannenden Anfragen an die Geschichte führt und – wenn es befriedigt wird – das Interesse an Geschichte nicht abtötet.

Die Folgerungen können m. E. nur lauten für die Fächer bzw. Fachvertreter – ich sage damit nichts Neues (8):

  1. Kooperation, unbedingte Kooperation bei der Benennung gemeinsam interessierender gesellschaftlicher Herausforderungen; Kooperation heißt dabei Kooperation der Fachvertreter von Sozialkunde, Geographie und Geschichte. Kooperation heißt Suche nach gemeinsam interessierenden, für Gegenwart und voraussehbare Zukunft bedeutenden, gesellschaftlichen Herausforderungen.
  2. Eigenständigkeit, unbedingte Eigenständigkeit in der Vermittlung der je facheigenen Fragestellungen, Kategorien und Denkmethoden, die eine – ich betone: eine – je eine Zugangsmöglichkeit zum betreffenden Problem darstellen.
  3. 3. Die Integration der dabei innerhalb der einzelnen Fächer erbrachten, erarbeiteten Ergebnisse zu einer vernünftigen, vielseitigen Problemwahrnehmung und Handlungsperspektive ist das Resultat von Kooperation und Eigenständigkeit.

Kooperation, Eigenständigkeit, Integration sind Phasen der Planung und Durchführung von Unterricht. Es geht dabei nicht nur um die Ergebnisse. Wichtig ist vor allem, dass die verschiedenen Zugangsmöglichkeiten, die durch die verschiedenen Fächer repräsentiert werden, eingeübt werden, und dass die Integration der fachspezifischen Ergebnisse erkennbar durch die Fachvertreter hilfreich angeleitet wird. Mündigkeit kann nur heißen, dass die Schülerinnen und Schüler in einem durch die Fachvertreter angeleiteten Prozess lernen, die Frage und Denkweisen der Fächer und ihre Ergebnisse anzuwenden.

Gesellschaftslehre als Lernbereich war und ist kein "Flop", sondern ein zukunftsweisender Ansatz. Denn sie fordert nur, was wissenschaftlich allenthalben zu beobachten ist: gemeinsame Problemwahrnehmung und Problembenennung, Konstituierung von entsprechenden Forschungsbereichen – Ökologie, Friedensforschung, Frauenforschung z.B. –, die mit den Frage und Denkweisen der traditionellen Fächer angegangen, bearbeitet werden und in den Fächern zu Ergebnissen führen, die zu einer differenzierten Einschätzung des Problems führen und zu einem Zusammenhangwissen. Ökologie, Friedensforschung, Frauenforschung z.B. sind dabei keine Fächer, sondern Forschungsbereiche, die durch Fächer bearbeitet werden, die etwas zu fragen und zu sagen haben und deren Ergebnisse zu einer differenzierten Sicht integriert werden.

Im übrigen ist unmittelbar einsichtig, dass neue Inhalte des Geschichtsunterrichts – so z.B. die politische Argumentation mit historischen Sachverhalten und Erfahrungen ("Geschichte als politisches Argument") oder die Werbung mit Geschichte ("historisierende Werbung") – in einem fächerverbundenen Unterricht besser zu besprechen sind als in einem traditionellen Fachunterricht.