Während man über die in konzentrischen Kreisen zu veranschaulichende Struktur an vielen Beispielen noch lange diskutieren könnte, ist die nächste Figur relativ kurz abzutun: Die nebeneinander stehenden, voneinander isolierten Kreise. Das wäre eine politische Bildung, die den Bezug zur Geschichte, zur Veränderbarkeit der Welt verloren hat und nur noch auf das Funktionieren in gegebenen Systemen abzielt. Eine Art kybernetische Didaktik, die Denken, Urteilen und Verhalten nach der systemimmanenten Rationalität einübt. Herwig Blankertz (1974: 51ff.) hat das beschrieben, und ich gehe hier nicht weiter auf solche Entwürfe ein. Die Entsprechung beim historischen Lernen wäre die Präsentation einer Geschichte, die mit der Gegenwart nichts zu tun haben will, Gegenwartsbezüge als Verformung der historischen Wahrheit ablehnt in der Ansicht, nur auf solche Weise Parteilichkeit und Verzerrung der Geschichte vermeiden zu können. Es gibt solchen gegenwartsabstinenten Positivismus nach großen historischen Enttäuschungen oder Zusammenbrüchen als eine Art Flucht in die Geschichte; aber im Grunde erliegt eine solche Konzeption der bekannten Selbsttäuschung, die ihre geheimen steuernden und sehr gegenwärtigen Antriebe nicht erkennt oder nicht wahrhaben will.

Theoretisch ist über diese Modell nicht viel zu diskutieren. Aber praktisch kann es sich sehr wohl einstellen, wenn sich die Vertreter des Politikunterrichts und des Geschichtsunterrichts, genervt durch jahrelange Auseinandersetzungen oder durch Lehrplan- und Stundentafeln getrennt, auf ihre Bastionen zurückziehen, wenn im Schulalltag kein fachliches Gespräch zwischen beiden zustande kommt, wenn die Lehrpläne nur ein isoliertes Nebeneinander vorsehen und wenn nicht die Lehrer selbst je für sich diese Schwächen durch einen Geschichts- oder Politikunterricht vermeiden, der die Gegenwartsdimension der Geschichte und den Prozesscharakter des Politischen berücksichtigt.

Durchdenkt man dieses Modell nicht bis in seine Konsequenzen, sondern sieht es pragmatisch, kann natürlich eine Menge an für die politische Bildung wichtigem Wissen und auch an nützlichen Verhaltensformen für die Gegenwart herauskommen, kann das Bildungspotential der Geschichte jenseits von politischer Bildung entfaltet werden, kann anschauende Kontemplation, Empathie, kann Staunen geweckt werden. Die Frage ist jedoch, ob dies dem Auftrag der öffentlichen Erziehung entspricht und ob es den Bildungsbedürfnissen der Jugendlichen angemessen ist, wenn der Politikunterricht absieht vom vergangenen Prozess und also auch von der kommenden Geschichte, von der Zukunft, der Geschichtsunterricht aber Menschen in einem Alter, das nach Selbstfindung, nach Deutung der gegenwärtigen Welt strebt, in ein Panoptikum führt, das der alte Mensch vielleicht einordnen kann in Lebenserfahrung und Bildungswissen, um, wie der späte Burckhardt, "weise für immer" zu sein, das dem jungen Menschen aber als belanglos, ohne Beziehung zu seiner eigenen Welt erscheinen wird.