Als globales Ziel der Berufsorientierung werden Berufswahlkompetenz, Berufswahlfähigkeit und Berufswahlreife der Jugendlichen genannt. Mit diesem Ziel werden Schlüsselqualifikationen, also grundlegende Einsichten, Einstellungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt, die den Jugendlichen die Gestaltung ihres individuellen Lebens und die Teilnahme am politischen Handeln der Gesellschaft besser ermöglicht.

Im Übrigen können übergeordnete Zielsetzungen und wesentliche Inhalte des Unterrichts nicht betrachtet werden, ohne dass sie im Zusammenhang mit der Aufgabe der Schule im Gesamtprozess der Berufswahlvorbereitung gesehen werden. Diese leitet sich aus dem verfassungsgemäßen Erziehungsauftrag der Schule her und wird näher bestimmt durch die Rahmenvereinbarung der Ständigen Konferenz der Kultusminister (KMK) vom 5.02.1971 und dem darauf aufbauenden Übereinkommen zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und der KMK über die Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung. Danach soll die Schule grundlegende Kenntnisse über die Wirtschafts- und Arbeitswelt vermitteln, während die Berufsberatung "auf die individuellen Erwägungen zur Berufswahl und auf die Berufsentscheidung" vorbereitet und insbesondere über den Arbeitsmarkt, über Anforderungen und Aufstiegsmöglichkeiten Orientierung vermittelt.

In Modellschulen und bei Schulversuchen sollten aber auch "neue Formen der Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung erprobt werden". Solche Erprobungen und die Weiterentwicklung der Schulfächer, in denen Kenntnisse über die Wirtschafts- und Arbeitswelt vermittelt werden, haben in der Zwischenzeit dazu geführt, dass durch länderspezifische Regelungen und Absprachen genauere inhaltliche und organisatorische Abstimmungen zwischen Schule und Berufsberatung erfolgten. Diese Absprachen schaffen auch Gestaltungsräume für die einzelne Schule und eröffnen Möglichkeiten, eigene Schulprofile (weiter) zu entwickeln.

Inhaltliche Abstimmungen erfolgten so, dass die Zielstellungen der Länder und Schularten in etwa den Anforderungen des Gegenstandsbereichs Beruf im "Material zum Lernfeld Arbeitslehre im Sekundarbereich I" entsprechen, das 1987 von den Kultusministern den Ländern zur Verfügung gestellt wurde. Nach diesen Anforderungen sollen die Jugendlichen mit Hilfe der schulischen Berufsorientierung

  • Überblick gewinnen über schulische Bildungsgänge und berufliche Ausbildungsmöglichkeiten in der Region;
  • Einflüsse von Familie, Umwelt und Schule auf die Berufswahl von Mädchen und Jungen erkennen und für die eigene Entscheidung nutzen;
  • individuelle Fähigkeiten und berufliche Erwartungen einschätzen lernen und mit Anforderungen beruflicher Tätigkeiten vergleichen;
  • eine Berufswegplanung entwerfen und dabei sowohl individuelle Voraussetzungen als auch Arbeitsmarktverhältnisse berücksichtigen und die Dienste der Berufsberatung nutzen;
  • Chancen und Gefahren beruflicher Flexibilität und räumlicher Mobilität erkennen;
  • Beschäftigungschancen und -probleme im Hinblick auf soziale, technische und ökonomische Bedingungen erkennen und sich mit ihren individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen auseinander setzen;
  • wichtige Bestimmungen aus dem Jugendarbeitsschutz und einige weitere Bestimmungen aus dem Arbeitsrecht kennen.

Was sich an diesen Zielstellungen schon erkennen lässt, spiegelt sich auch in den einzelnen Länderberichten wider: Es wird jeweils ein pragmatischer Ansatz praktiziert, der die wesentlichen theoretischen Ansätze zur Berufswahl zu verbinden versucht: den entscheidungs-, den entwicklungs-, den allokations- und den interaktionstheoretischen Ansatz. Dazu gehört auch

  • die Behandlung berufsbezogener Themen in den einzelnen Fächern,
  • die Verstärkung fächerübergreifenden Unterrichts über die Zusammenhänge in der Arbeitswelt,
  • der Erwerb von Schlüsselqualifikationen im Hinblick auf die Anforderungen der Berufswelt,
  • die Vernetzung des Lernens in der Schule mit Lernorten in Handwerk, Handel, Industrie und Dienstleistung sowie
  • die Vorbereitung, Durchführung, Betreuung und Auswertung von Berufs- und Betriebspraktika.

Deutlich wird auch, dass in dem für die Berufsorientierung typischen Spannungsverhältnis zwischen einer engen Ankopplung an das Beschäftigungssystem und einer völligen Abkopplung vom Beschäftigungssystem das Interesse der Jugendlichen in angemessener Weise wahrgenommen wird.

In einzelnen übergreifenden Zielstellungen wird schon auf diesem Abstraktionsniveau deutlich, dass insbesondere in neueren Lehrplänen immer mehr in Erscheinung tretende Probleme der Berufsorientierung gebührend Berücksichtigung finden:

  • die strukturellen Veränderungen der Arbeitswelt,
  • der Wandel im Verhältnis von Erwerbstätigkeit, Haus- und Familienarbeit und Freizeit,
  • die besonderen Berufswahlprobleme von Mädchen und Frauen auf dem Arbeitsmarkt,
  • die Schwierigkeiten für einen Teil der Jugendlichen, einen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz zu bekommen und die in Verbindung damit drohende Identitätskrise und
  • die speziellen Probleme von ausländischen Jugendlichen und Aussiedlern.

In den Zielstellungen werden zum Teil auch schon methodische Elemente sichtbar, die für die Berufsorientierung in dem betreffenden Land bzw. in der betreffenden Schulart für besonders wichtig gehalten werden. Dabei werden immer wieder die handlungsorientierte Methode und das Prinzip des Exemplarischen betont.