Würde auf Berufe im Erwerbsleben verzichtet oder gingen sie, aus welchen Gründen auch immer verloren, dann stünde auch die berufliche und personale Identität, die über den Beruf und die dort erlebte Selbstverwirklichung und Sinnerfüllung gestiftet wird, zur Disposition. Bislang war der Beruf ein Signet dafür, wo jemand Experte sei, wovon er/sie etwas verstehe, wo Kompetenz, Routine und Erfahrung, ja Könnerschaft vorhanden sei, die ständig auch durch hohe Arbeitsleistung bewiesen werde. Damit sind - meist dem Facharbeiter zugeschriebene, in allen anderen Statusbereichen ebenfalls relevante - Eigenschaften verbunden, beispielsweise die Verantwortung für die Produktqualität, die Identifikation mit dem Produkt oder dem Betrieb. Deutlich wird dies in der tiefen Verachtung jeglicher Art von "Pfusch", mit der auch der Berufsstolz ausgedrückt wird.
Möglicherweise werden hier glorifizierende Strukturen und Werte aus dem Handwerksbereich in die Gegenwart übertragen, die in der betrieblichen Wirklichkeit mit rigiden Vorgaben und hoher Arbeitsteiligkeit nur am Rande bedeutsam waren und jetzt - wo die Einsatzflexibilität auch innerhalb der Unternehmen über traditionelle Berufsgrenzen hinweg eine wichtige Rolle spielt - kurzerhand abgestoßen werden.
Die Modelle persönlichkeitsförderlicher Arbeitsgestaltung versuchen zwar durchaus, die berufsfachlich strukturierte Identität zu erhalten oder neu aufzubauen, doch sie stützen sich nicht auf traditionelle Berufsabgrenzungen, sondern [/S. 451:] empfehlen Aufgaben- und Tätigkeitsstrukturen, die oftmals quer zu überkommenen Berufen liegen. Daraus ergibt sich in der ersten Runde eine Tendenz zum Verzicht auf - konventionell - abgegrenzte Berufe. In einer zweiten Runde werden neue Berufsschneidungen vorgeschlagen, die der jeweiligen Aufgabenmischung und Arbeitsteiligkeit eher entsprechen. Diese Modelle haben aber die Tendenz zur Anreicherung und zunehmenden Komplexität der Aufgaben, sodass nur das obere Segment der Erwerbstätigen in der Lage ist, diese anspruchsvollen Strukturen abzudecken. Für das untere Segment ergeben sich aber Probleme: Gerade jene Personen, die den Beruf nötig als identitätsstiftendes Element brauchten, da sie in anderen Gesellschaftsbereichen nicht in der Lage waren, auf feste Einbindungen zurückzugreifen oder sie aufzubauen, verlieren offenbar mit der anspruchsvollen Neudefinition der Arbeitsstrukturen den einzigen noch zugänglichen Identifikationsanker und werden auf wenig identitätsstiftende Jobs mit kurzfristigen und flachen Aufgabenfeldern verwiesen.