Wie im Berufsbildungsbericht 2002 festgestellt wird, haben sich die Ausbildungschancen der Jugendlichen im Jahre 2001 gegenüber dem Vorjahr um 1,3% bzw. 7841 weniger abgeschlossenen Ausbildungsverträgen verschlechtert. Gleichzeitig kam der öffentlich finanzierten Ausbildung durch außerbetriebliche Ausbildung sowie im Rahmen von Sonderprogrammen und durch das "Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit" auch im Jahr 2001 eine große Bedeutung zu. Ihr Anteil an der Gesamtzahl aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge lag in den neuen Ländern und Berlin bei 28,3% (2000: 26,9%), in den alten Ländern bei 4,0% (2000: 4,1%) (vgl. BMBF 2002, S. 5 ff).

Rechnet man zu der Zahl der unversorgt gebliebenen Jugendlichen noch diejenigen Jugendlichen hinzu, die gern eine Ausbildung absolvieren würden, aber aufgrund schulischer Leistungen keine Lehrstelle erhalten oder sich gar nicht erst beworben haben, so bleibt eine erhebliche Zahl von Jugendlichen in so genannten Warteschleifen im Berufsvorbildungs- oder Berufsgrundbildungsjahr oder hat die Hoffnung auf eine Lehrstelle ganz aufgegeben (vgl. Enggruber 1997, S. 203).

Die Gewerkschaften nennen in ihrem Sondervotum zum Berufsbildungsbericht 2000 eine Zahl von circa 200.000 Jugendlichen, die nach den Erfahrungen der Vorjahre trotz ihres Wunsches nach Ausbildung im kommenden Jahre keinen Ausbildungsplatz finden werden (vgl. GewBipol 3/4-2000).

Aus Berechnungen des Bundesinstituts für Berufsbildung wissen wir, dass rund 1,6 Millionen junge Erwachsene in der Altersgruppe zwischen 20 und 29 Jahren Un- oder Angelernte sind (vgl. Kloas 1996, S. 23). Zugleich wissen wir aufgrund von Erhebungen des Emnid-Instituts, dass 42 Prozent dieser jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss an einer Nachqualifizierung interessiert sind (vgl. Emnid 1991, S. 12). Vielleicht ahnen sie etwas davon, dass der Bedarf an Beschäftigten ohne Ausbildungsabschluss sich weiter verringern wird, und zwar bis zum Jahre 2010 von heute etwa 20 auf 10 Prozent (vgl. Enggruber 1997, S. 204).

Wie immer man diese Zahlen im Einzelnen hin- und herwenden mag, sie sind zumindest ein nachdrücklicher Hinweis darauf, dass das quantitative Lehrstellenproblem auch für die nächsten Jahre noch nicht als gelöst anzusehen ist. Selbst das derzeit quantitativ annähernd ausgeglichene Verhältnis von angebotenen zu nachgefragten Ausbildungsplätzen verfehlt noch deutlich die Marke von 12,5 % Überangebot, das erst die anerkannten Auswahlmöglichkeiten bieten würde (vgl. in diesem Sinne auch Pütz 2003). Das Defizit an betrieblichen Ausbildungsplätzen ist um so gravierender, als (1) die betriebliche Ausbildung im dualen System entscheidende Vorteile gegenüber schulischen oder anderen öffentlich finanzierten Ausbildungsmaßnahmen aufweist, und (2) grundsätzlich jeder junge Mensch, wenn er nicht im medizinischen Sinne geistig behindert ist, die Möglichkeit zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung haben soll, wozu ihm gegebenenfalls adäquate sozialpädagogische Unterstützung und eine verlängerte Ausbildungsdauer einzuräumen ist (vgl. von Bothmer 1996, S. 72; Strikker 1991, S. VIIf).

Fazit: Die Sicherung eines auswahlfähigen Ausbildungsplatzangebots ist aus sozial-, bildungs- und arbeitspolitischen Gründen geboten. Das Programm "Schule-Wirtschaft/ Arbeitsleben", das innovative Maßnahmen an der "ersten Schwelle" zum Arbeitsmarkt fördert, kann betriebliche wie staatliche Maßnahmen zur Verbesserung der quantitativen Lehrstellensituation nicht ersetzen. Letztere bleiben auf absehbare Zeit notwendig, um auch eher qualitativ orientierte Programme wie "Schule-Wirtschaft/ Arbeitsleben" schließlich erfolgreich werden zu lassen.