Im Mai 2001 haben sich DGB, BDA und BER auf die unten stehende Erklärung verständigt. Obwohl viele Anregungen und Überlegungen der GEW eingeflossen sind, hat sich die GEW der Initiative vor allem wegen der Forderung nach einem eigenen verbindlichen Unterrichtsfach "Wirtschaft" nicht vorbehaltlos anschließen können. Wir haben die Auffassung vertreten und halten daran fest, dass es nicht angeht, immer neue Inhalte durch immer neue Fächer "aufzusatteln", ohne eine gründliche Revision der Lehrpläne und der Lernorganisation in Angriff zu nehmen. Die GEW schlägt vor, das Lernen nicht über fächerbezogene Wochenstunden zu organisieren, sondern Zeitkontingente für Lernbereiche und Bildungsziele verbindlich zu machen, die konkrete Organisation des Lernens jedoch in die Zuständigkeit der Schulen zu geben.

Die Kultusministerkonferenz ist der Forderung nach einem verbindlichen Unterrichtsfach "Wirtschaft" nicht gefolgt. Sie hat auf ihrer 295. Plenarsitzung am 18./ 19. Oktober in Stuttgart einen Bericht über die "Wirtschaftliche Bildung an allgemein bildenden Schulen" verabschiedet. Darin erklärt sie, dass ökonomische Bildung unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung sei und somit zum Bildungsauftrag der allgemein bildenden Schulen in der Bundesrepublik Deutschland gehöre. Sie hat sich dafür ausgesprochen den Dialog Schule/ Wirtschaft zu intensivieren und ansonsten auf die "Ländervielfalt" verwiesen.

Die Unverbindlichkeit des Vorgehens und der Verweis auf die Länderzuständigkeiten können allerdings nicht befriedigen.

 

Erklärung BDA, DGB, BER

Wirtschaft - notwendig für schulische Allgemeinbildung

Gemeinsame Initiative von Eltern, Lehrern, Wissenschaft, Arbeitgebern und Gewerkschaften

Unverzichtbare Aufgabe der allgemein bildenden Schule ist es, Schülerinnen und Schüler zu einer selbst- und mitverantwortlichen Teilhabe in einer sich ständig wandelnden Arbeits- und Wirtschaftswelt zu befähigen. Dies folgt aus dem Auftrag der Schule, die Persönlichkeitsbildung der Jugendlichen zu fördern, als auch aus der zentralen Bedeutung des Wirtschafts- und Beschäftigungssystems für den Einzelnen und für die Gesellschaft als Ganzes.

Sozioökonomische Bildung ist damit ein wesentlicher Bestandteil der Allgemeinbildung. Ihre Ziele leiten sich aus den allgemeinen Bildungszielen ab und leisten ihren spezifischen Anteil, damit junge Menschen selbstständig und selbstbestimmt leben, für sich selbst und andere Verantwortung übernehmen und an der Entwicklung der gesellschaftlichen Belange reflektiert und konstruktiv mitarbeiten.

Sozioökonomische Bildung wird umso wichtiger, als die Arbeitsteilung und die damit verbundene Komplexität unseres Wirtschaftslebens ebenso zunehmen wie die Herausforderungen durch ein zusammen wachsendes Europa und die Globalisierung. Die materielle Basis der Gesellschaft - Arbeit und Erholung, Produktion und Konsum, Unternehmertum und Mitbestimmung - muss deshalb eine stärkere Rolle in den allgemein bildenden Schulen spielen. Denn Wirtschaft ist von existenzieller Bedeutung für den einzelnen Menschen wie für die Gesellschaft.

Damit Schülerinnen und Schüler sachgerecht und verantwortungsbewusst, selbstbestimmt und sozial handeln können, müssen sie sich im Unterricht verstärkt mit dem Wirtschafts- und Beschäftigungssystem auseinander setzen. Sie müssen Kenntnisse und Einsichten erwerben sowie Beurteilungskompetenz und Reflexionsfähigkeit entwickeln über

  • die herausragende Bedeutung der Erwerbsarbeit für die Persönlichkeitsentwicklung,
  • die Handlungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Individuen zur Realisierung ihrer Berufs- und Lebenspläne im Wirtschafts- und Beschäftigungssystem und für dessen Mitgestaltung,
  • die Möglichkeiten einer eigenverantwortlichen, sachkundigen und persönlichkeitsbezogenen Entscheidung für eine Ausbildung oder ein Studium und die folgende berufliche Laufbahn,
  • die politische Gestaltung des Wirtschafts- und Beschäftigungssystems und der internationalen Wirtschaftsbeziehungen.

Soziökonomische Bildung befähigt auch zur Reflexion über eigene Wertvorstellungen und Interessen, über die Rollen von Mann und Frau, über unterschiedliche Gesellschaftsbilder und zu einer rationalen Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Sachverhalten. Hierzu gehört auch, auf ein Leben vorzubereiten, in dem sich Phasen von Erwerbs- und Familienarbeit, Lernzeiten, selbstständige und unselbstständige Tätig-keiten mit Zeiten von Arbeitslosigkeit abwechseln können.

Eine zeitgemäße sozioökonomische Bildung ist interdisziplinär und praxisorientiert und sie behandelt ökonomische, soziale, politische, rechtliche, ökologische und technische Zusammenhänge von Arbeit und Wirtschaft.

Sie bezieht Betriebe als Lernorte und Fachleute aus der Arbeitspraxis in den Unterricht ein und nutzt die modernen Informationsmedien.

Die umfassenden Ziele der soziökonomischen Bildung erfordern wegen des Umfangs und der Komplexität ihres Gegenstandsbereiches ein eigenständiges Unterrichtsfach in allen Jahrgangsstufen ab Klasse 5, in welchem kontinuierlich und systematisch die notwendigen Fachkompetenzen erarbeitet und die Grundlagen für einen inhaltlich anspruchsvollen fächerübergreifenden Unterricht gelegt werden. Dies ist der Grundstein zur Entwicklung des Lernbereichs Sozioökonomie.

Ihre Realisierung setzt bei den Lehrenden differenzierte fachliche und didaktische Qualifikationen voraus, die nur in eigenständigen Studiengängen erworben werden können. Hierauf ist die Lehreraus- und -weiterbildung auszurichten.

Mit der Einführung eines eigenständigen Unterrichtsfachs Wirtschaft erfährt die Allgemeinbildung eine Weiterentwicklung, die der Bedeutung der Wirtschaft und Arbeitswelt für die Dynamik moderner Gesellschaften Rechnung trägt.

Die Träger dieser Initiative fordern die Kultusminister auf, diesen Vorschlag in ihren Ländern umzusetzen.