Während sich die Geschichtsdidaktik mit Hilfe der Bewusstseinskategorie bereits zu einer Wissenschaft vom historischen Lernen erweitert hat, befindet sich die Politikdidaktik noch auf dem Weg zu einer eigenständigen Wissenschaftsdisziplin (30). Noch viel zu oft wird sie als eine Didaktik ausschließlich intendierter politischer Bildungsprozesse begriffen. Etwa wenn festgestellt wird, dass "politische Bildung [...] nicht Wissenschaft, sondern pädagogische bzw. andragogische Praxis" (31) sei. Demnach bediene sich die Politikdidaktik zwar wissenschaftlicher Erkenntnisse, verfüge als "Zwischenhandel" (32) aber selbst über keinen eigenständigen Forschungsgegenstand.
Eine entfaltete Konzeption des Politikbewusstseins kann dazu beitragen, dass sich die Politikdidaktik zu einer Wissenschaft des politischen Lernens weiter entwickelt. Die Kategorie 'Politikbewusstsein' hat das Potenzial, die unterschiedlichen politikdidaktischen Zugänge zu bündeln und dadurch zu einem Zentralbegriff der Politikdidaktik zu avancieren (33) .
Politik transformiert Individualinteressen in allgemeine Verbindlichkeit. Politische Herrschaft stellt eine Institutionalisierung dieses Vorgangs dar. Demzufolge lässt sich das Politikbewusstsein als derjenige Teilbereich des allgemeinen Bewusstseins verstehen, in dem der Mensch subjektive Vorstellungen über diesen Transformationsprozess aufbaut. Das Politikbewusstsein produziert Vorstellungen über politische Herrschaft. Politisches Denken bildet also nicht tatsächliche politische Herrschaftsstrukturen ab, sondern entwickelt konzeptuelles Deutungswissen (34) , welches den Prozess der Herstellung von kollektiver Verbindlichkeit subjektiv erklärbar und kritisierbar macht.
Als Politikbewusstsein kann derjenige Bereich des menschlichen Bewusstseins angesehen werden, in dem Vorstellungen über Politik aufgebaut werden. Im Politikbewusstsein reduziert der Mensch die komplexe politische Wirklichkeit in Sinnzusammenhänge. Als Politikvorstellungen entstehen subjektive Muster, durch die politische Denk- und Handlungsformen strukturiert werden (35). Das Politikbewusstsein verschafft dem Menschen Orientierungs- und Handlungssicherheit, indem es Vorstellungen über die Legitimität des Herstellungsprozesses von allgemeinen Verbindlichkeiten entwickelt.
Das Legitimieren ist die innere Logik, welche das politische Denken als einen Spezialfall des allgemeinen Denkens charakterisiert. Politisches Denken erzeugt eine "Vorstellung vom Bestehen einer legitimen Ordnung" (36) . Das Legitimieren ist ein Erklärungs- und Rechtfertigungsvorgang zugleich. Im Politikbewusstsein entwickelt der Mensch sowohl seine Vorstellungen über das Zustandekommen von allgemein verbindlichen Regelungen als auch über die Anerkennungswürdigkeit von politischer Herrschaft. Der Glaube "an tatsächlich geltende oder gelten sollende Normen und Herrschaftsverhältnisse von Menschen über Menschen" (37) ist der Kern des Politikbewusstseins.