Das praktische Interesse, das die Geschichtswissenschaft anleitet, gegenwärtige Probleme und damit verbundene Orientierungsbedürfnisse auf ihre Weise anzugehen, berechtigt sie dazu, verpflichtet sie dazu, ihre Forschungsergebnisse als ihre Antwort auf die Orientierungsbedürfnisse dorthin zu vermitteln, wo sie entstanden sind: in die Lebenswelt, in die Lebenspraxis der Gesellschaft.
Die Geschichtsdidaktik ist die Disziplin, die darüber nachdenkt, wie Geschichte Geschichte als Denkform und Geschichte in Form von lebensweltlich, gesellschaftlich angeregten Forschungsleistungen – in die Lebenswelt zurückvermittelt werden kann. Das "Wie" ist dabei auf den ersten Blick missverständlich. Sie fragt nach der "Orientierungsrelevanz" des Faches als Denkform; sie fragt nach der Orientierungsrelevanz historischer Forschungsergebnisse in einer Gegenwart, die von den Problemen geprägt ist, der die Geschichtswissenschaft ihre Fragen an die erkennbare menschliche (und unmenschliche) Vergangenheit entnimmt.
Die Geschichtsdidaktik fragt also – ich zitiere W. Hilligen – nach dem "Bedeutsam-Allgemeinen" der Geschichte für die Gegenwart und Zukunft von Schülerinnen und Schülern: Sie ist nicht "Abbilddidaktik". Sie befragt die selber von Gegenwartserfahrungen und Zukunftserwartungen ausgehende Geschichtswissenschaft daraufhin,
- welchen Beitrag sie durch ihre Forschungsleistungen zur Aufklärung gegenwärtiger und voraussichtlich zukünftiger Probleme leisten kann und
- inwieweit Geschichte als eine bestimmte Denkform Schülerinnen und Schüler befähigen kann, Gegenwartsprobleme more histerico anzugehen.
Da Schule, Unterricht, Schulfächer – und vor allem andern die an politischer Bildung im engeren Sinne beteiligten Schulfächer – auf vernünftige Orientierung in der Gesellschaft und auf vernünftiges gesellschaftliches Handeln vorbereiten sollen, sollen Schüler nach gesellschaftlicher Übereinkunft in ihnen lernen, Probleme der gesellschaftlichen Praxis vernünftig anzugehen. Dazu gehört nicht nur die Fähigkeit, bereits seit langem existierende, strukturelle gesellschaftliche Probleme also Probleme, deren Problemhaltigkeit seit langem bekannt ist zu kennen und Lösungsmöglichkeiten kennenzulernen und zu kennen.
Dazu gehört vielmehr auch, mit neu auftauchenden Problemen umgehen zu lernen, also Verfahren zu lernen, erprobte, bewährte, im historischen Lernprozess der Gattung als unverzichtbar erkannte Fragestellungen und zugehörige Denkmethoden zu erlernen, die einen vernünftigen Umgang mit Problemen und gerade auch mit neu (oder wieder neu) auftauchenden Problemen ermöglichen.