"Das Wichtigste im Leben ist die Wahl des Berufes. Der Zufall entscheidet darüber." (Pascal) "Der Beruf ist das Rückgrat des Lebens und seine Wahl die wichtigste Entscheidung, die der Mensch treffen muss" (Nietzsche) "Von der Berufswahl hängt zu einem wesentlichen Teil die weitere Ausgestaltung unseres Lebens ab, und jede Veränderung kommt einem Schicksalsumschwung gleich." (Sacherl 1954). Diese drei Zitate, ausgewählt aus einer reichen Palette derartiger Stellungnahmen, zeigen einerseits die Bedeutung, die dem Phänomen Beruf zugemessen werden, andererseits aber auch die damit verbundenen Probleme. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff "Beruf" oft unscharf verwendet und nicht eindeutig von Bezeichnungen, wie "Arbeit", "Tätigkeit", "Qualifikation" oder "Job" unterschieden. "Das sprachlich von "rufen"/"Ruf" abgeleitete Wort "Beruf" ist zwar schon Jahrhunderte bekannt, die Geschichte seiner Verwendung ist aber noch nicht ausreichend geklärt und bedarf noch tiefer schürfender Nachforschungen" (Molle 1968).

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Beruf:

Der aus der Alltagssprache in die Sprache der Wissenschaft übernommene Begriff ist bis heute vielschichtig, mehrdeutig und umstritten. Der Beruf stellt die für eine vorgegebene Arbeitsaufgabe charakteristische Merkmalskombination dar. Beruf entsteht und besteht im Spannungsfeld zwischen Arbeitsplatz- und Arbeitskraftseite. Verfassungsrechtlich ist ein Beruf "jede auf Dauer berechnete und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung." Die freie Wahl des Berufes wird vom Grundgesetz garantiert, kann aber durch Gesetz eingeschränkt werden. In der Berufsforschung wird Beruf durch folgende Merkmale umschrieben:

  • Bündel von Qualifikationen im Sinne charakteristischer Ausprägungen und Anordnungen von Wissen (Sachverhalte kennen und anwenden sowie Arbeitstechniken/Fertigkeiten beherrschen) und Sozialkompetenz (als einer Bündelung typischer Verhaltensweisen, Orientierungen und Werthaltungen).
  • Aufgabenfelder, die den Qualifikationsbündeln zugeordnet sind und die durch eine Kombination aus Arbeitsmitteln, Objekt (Gegenstand) und Arbeitsumfeld geprägt sind.
  • Hierarchisch abgestufte Handlungsspielräume, die sich aus der Verknüpfung der Qualifikationsseite (Arbeitskraftseite) mit der funktionalen Ausprägung der Arbeitsaufgaben (Arbeitsplatzseite) ergeben. Sie sind bestimmt durch den Status (die betriebliche Position des einzelnen), die Organisationseinheit (Aufgabengebiet/ Abteilung) und das spezifische Arbeitsmilieu. In diesem Rahmen können persönliche Interessen im Sinne gestalterischer Ziele entfaltet werden.
  • Beruf wirkt über die Erwerbstätigkeit hinaus als Strukturmerkmal gesellschaftlicher Einordnung und Bewertung.

Zusätzlich wird Beruf durch die folgenden Merkmale abgerundet:

  • Gegenstand (Objekt/Subjekt), z. B. Werkstoff oder Produkt
  • Arbeitsmittel, z. B. Maschinen, Werkzeuge, Geräte
  • Arbeitsort und Arbeitsmilieu, geprägt durch Wirtschaftszweig, Branche, spezifische Belastungen, besondere Arbeitsbedingungen
  • Aufgabenbereich, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, z. B. Organisationseinheit, Abteilung

Über den Beruf in seiner hierarchischen, statusmäßigen Abstufung sind die Chancen des Einzelnen festgelegt, sein Einkommen zu sichern, sich selbst zu verwirklichen, autonom zu handeln, an Kulturgütern teilzuhaben, über die Arbeit seine Identität zu finden und an der Weiterentwicklung und Ausgestaltung der Berufemuster aktiv mitzuwirken.

Job:

Als Gegenbild zum umfassenden Berufsbegriff umschreibt der aus dem amerikanischen Sprachraum kommende Begriff "Job" eine "Tätigkeit zum Geldverdienen", die in einer Arbeitsgesellschaft höchster Arbeitsteiligkeit als voraussetzungslose, schnell zu lernende Teilaufgabe definiert ist und die eher kurzfristig wechselnd abgeleistet wird, ohne dass auf dieser Basis eine stabile Identifikation mit der Aufgabe entsteht. In dynamischen Wirtschaften ist diese Form der Erwerbstätigkeit in der Lage, schnell auf neue Herausforderungen einzugehen, sie zeigt aber dort Probleme, wo befriedigende Leistungen nur mit längerfristiger Identifikation möglich sind.

Beruf und Job sind somit die weit auseinander liegenden Pole eines Spektrums, in dem Erwerbstätigkeit verortet werden kann.

 

[/S. 441:] Das deutsche Berufsprinzip basiert u. a. auf ethisch-religiösen Bindungen. Seine Deutung lässt sich auf eine "göttliche Berufung" des Menschen für bestimmte Tätigkeiten oder Aufgaben bis in die Reformationszeit und sogar bis in die frühchristliche Theologie zurückverfolgen. Bereits im Mittelalter wurde der Ausdruck "berufen" jedoch auch im weltlichen Sinne gebraucht. Handwerker wurden an Höfe berufen; an Universitäten werden heute noch Professoren berufen, Soldaten werden zum Wehrdienst einberufen.

Im 16. Jahrhundert konnte sich das Wort Beruf gegenüber dem Ausdruck "Stand" offenbar nicht allgemein durchsetzen. In dem von Hans Sachs verfassten und von Jost Amman mit Kupferstichen bebilderten Werk "Eygentliche Beschreibung Aller Stände auf Erden" aus dem Jahre 1568 oder in dem 1698 in Regensburg erschienen Bilderwerk von Christoff Weigel "Abbildungen der Gemein-Nützlichen Haupt Stände" werden 122 bzw. 204 "Stände" vorgestellt und beschrieben. Molle (1968) weist nach, dass noch 1900 in Urkunden durchgehend "Stand" anstelle von "Beruf" gebräuchlich war. Für Preußen lässt sich dies noch für 1929 (für Formulare an bayerischen Gymnasien sogar bis 1970) belegen.

Im 18. Jahrhundert wurden Beruf und die berufliche Arbeitsteiligkeit Thema der sich entwickelnden Nationalökonomie und auch der deutschen idealistischen Philosophie (Fichte, Schleiermacher).

In seiner Gesellschaftskritik im 19. Jahrhundert beschreibt Karl Marx die Entfremdungsformen einer durch Berufsdifferenzierung sich vertiefenden Arbeitsteilung. Sein Gegenkonzept: "Morgens jagen, nachmittags fischen, nach dem Essen kritisieren ... wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer... zu werden" (Marx) soll die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsteiligkeit des damaligen Proletariats überwinden. Im allgemeinen Sprachgebrauch des 19. Jahrhunderts verfestigte sich der Begriff "Beruf" und trat vor allem in Verbindung mit anderen Begriffen auf, z. B. Berufsgenossenschaft, Berufskrankheit, Berufsvereine. Nach der Reichsgründung 1871 nahm die Verwendung des Ausdruckes Beruf stark zu. Die ab 1882 durchgeführten Berufszählungen verwenden schon kombinierte Fachausdrücke wie Berufsabteilung, Berufsart in Sinne von Gewerbe bzw. Wirtschaftszweig. Es werden aber, abgeleitet aus der historisch geprägten Hauswirtschaft, jeweils auch die Familienangehörigen und Dienstboten dem Beruf des "Familienoberhauptes" zugeordnet. Erst 1925 werden nur noch die Erwerbstätigen in Berufen erfasst. In den 20er Jahren wurde "Beruf" vor den Hintergrund der industriellen Arbeitsteilung zum Thema "konservativ kulturkritischer" Diskussion (Voß 1994). Dunkmann (1922) beklagte das System der tayloristischen Arbeitsteilung und der "reinen Vernunft" im Arbeitsleben. "Wo die Ökonomie allein das Wort hat, hat der Beruf nichts mehr zu sagen." Dem müsse begegnet werden, in dem "wir auch unter modernen Arbeitsbedingungen dennoch danach streben müssen, der arbeitenden Menschheit ihren Beruf wiederzugeben" (Dunkmann 1922: 204-206).

In der Zeit des Nationalsozialismus bekam der Beruf eine besondere Bedeutung. Im Rahmen gesellschaftlicher Umstrukturierung wurde der Beruf ein wichtiges Klassifizierungselement. In einem Arbeitsbuch wurden die Arbeitsverhältnisse im Detail dokumentiert. Ziel war es, über diese Instrumente einen Überblick zu dem vorhandenen Arbeitskräftereservoir zu bekommen, um damit den Arbeitskräfteeinsatz in der Rüstungswirtschaft planen zu können. Facharbeiter waren zunächst für den Kriegsdienst unabkömmlich, erst 1943 wurde dies zurückgenommen. Gleichzeitig wurde die Kriegswirtschaft so weit wie möglich auf Anlernberufe umgestellt, sodass die Dominanz der Facharbeiter abnahm. In der Nachkriegszeit wurden gesellschaftlicher und emanzipativer Aufstieg eng mit der Zugehörigkeit zu einem höher bewerteten Beruf verbunden. Berufswahl und Berufsqualifikationen wurden Schlüssel zu einer besseren Position in der Gesellschaft, während die Rolle von Herkunft und Besitz eher abnahm. Auch bei der Subsistenzsicherung wurde das Arbeitseinkommen dominant, während Kapitaleinkommen, Versorgung aus der eigenen Landwirtschaft und Transfereinkommen peripher wurden. "Der Beruf ist, neben der Familie, eine der großen sozialen Sicherheiten, die der Mensch in der modernen Gesellschaft, insbesondere in der westlichen Zivilisation noch besitzt, verglichen etwa mit seinem Verhältnis zur Politik, zur Freizeit, zur Kultur und, jedenfalls in den meisten Fällen, auch zur Religion." (Schelsky 1965: 238, auch zitiert bei Paul-Kohlhoff 1998: 15). Beruf als Begriff und als gesellschaftliches Phänomen hat sich demnach parallel mit der Industriegesellschaft etabliert, seine Bedeutung hat im Laufe der Zeit deutlich zugenommen. Eine Existenz ohne Berufsbezug ist heute - mit Ausnahme der Kinder und der Ruheständler - kaum denkbar.