Bevor wir aber im Namen einer Institution oder einer gesellschaftlichen Notwendigkeit der Verbesserung des gegebenen Zustandes oder aus Rücksicht auf die Kraft der in diesem Zustand lehrenden Personen für die Verbesserung der Lehrerbildung votieren, müssen diese Grundlagen der Ausbildung, nämlich das eigene Wissen um notwendige Standards, verständlich [/S. 80:] gemacht werden. Eine positive Veränderung der Resultate dieser Ausbildung kann nur dann erwartet werden, wenn Grundlagen verändert werden. Man muss zurückgehen zu dem, was minimal für eine Profession einforderbar ist, und es muss dann versucht werden, es als vollständig selektionsträchtig zu etablieren. Diejenigen, die an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen Lehrerbildung machen, sind in die Pflicht zu nehmen; diejenigen aber die in Verwaltungsstuben im Trockenen sitzen, haben darüber nachzudenken, wie die Arbeit von Lehrpersonen, wenn sie wirklich standardorientiert und damit gut ist, differenziert belohnt werden kann. Sicherheiten im wohltuenden Leben hinter den Kulissen des Alltags werden in Unsicherheiten, die der Kern allen Erwachsenenlernens sind, überführt. Was aber heißt das?
Im Bereich der Lehrerbildung gibt es eine Reihe von Errungenschaften, die es ermöglichen würden, eine vollständig andere Ausbildung auf die Beine zu stellen. Die meisten dieser Errungenschaften stehen aber auf dem Spiel, weil diejenigen, die die Verantwortung für deren Umsetzung haben, nicht die Tragweite ihrer guten oder schlechten Resultate erkennen. Ein Beispiel dafür ist die vollständige Tertiarisierung der Lehrerbildung und ihre Integration in die Universität (oder in die Fachhochschule). Das wird heute als selbstverständlich entgegengenommen, wobei Dekane der unterschiedlichsten Fakultäten und Rektoren nicht verstehen, dass alles, was im Vermittlungsbereich geschieht, jedes kleinste Verhältnis zwischen Lehren und Lernen, jede Haltung im Umgang mit Kindern, jeder systematische Wechsel u.a. unbedingt und intensiv der Forschung zugänglich gemacht werden muss. Schulen sind heute die bedeutungsvollsten Felder für humanwissenschaftliche Forschung. Weil Universitäten dieser Tatsache aus dem Weg gehen, könnten die Geldgeber und die Verantwortlichen für Forschungspolitik ihre Geldverteilungspolitik in diese Richtung gestalten. (Dass es zum Beispiel heute noch kein Max Planck Institut für Lehrerbildungsforschung in Deutschland und kein Scherer– oder Carnegie– Institut für Instruction and Learning in der Schweiz gibt, ist ein politischer Skandal, der diesen Nationen den Weg zur Zukunft einer Bildungsgesellschaft abschneidet). Die großen Linien für die Schwerpunktbereiche solcher Forschung sind: 1. Das Verhältnis von Ökonomie und Bildungsertrag in diesem Bereich, 2. e–Learning und Lehrerbildung, 3. Lehr–Lernforschung, 4. Qualität des Unterrichts und der Lehrerbildung, 5. Systeme, Übergänge und Leistung, 6. Kanon der Inhalte und Ausbildung, und 7. Berufsidentität und Berufsmoral mit den entsprechenden Standards. All das aber bedeutet, dass der Praxis ein neuer und anderer Weg zugesprochen wird. Junge Lehrpersonen in die Praxis zu schicken, ohne systematischen und standardorientierten Aufbau der Ausbildungsschritte bezüglich zu erwerbender Standards ist unverantwortlich. Deshalb moniert Faust–Siehl (2002, S. 489), dass "Erwerbs– und Anwendungssituationen nicht zu trennen" seien. "Dies" so sagt die Autorin, "ist nur möglich, wenn der Erwerb der wissenschaftlichen Grundlagen der [/S. 81:] Lehrertätigkeit und das praktische Handeln im professionellen Kontext gleichzeitig betrieben werden. Auf berufliche Kompetenzen bezogenes Studieren in Verbindung mit praktischem Handeln hat in der deutschen Lehrerausbildung bislang keine Chance und wird an vielen Universitäten als unwissenschaftlich und praktizistisch eingeschätzt". Damit ist gesagt, dass diejenigen, die Standards ausbilden, zur jeweiligen Praxis unmittelbar die Theorie und die Empirie, aber auch Befunde zur Expertenforschung in diesem Bereich, der gerade geübt wird, mitliefern sollen.
Ein großes Problem der neuen Lehrerbildung ist also die Praxis– oder Ausbildungsverschwendung, wenn, was wir hier vorschlagen, nicht in minimaler Weise umgesetzt wird. (1)