In sämtlichen neueren Dokumenten und Stellungnahmen zur Situation und zur Reform der Lehrerbildung wird darauf hingewiesen, dass in Deutschland bislang keine wirkliche empirisch gestützte Evaluation von Teilen der Lehrerbildung oder gar der Lehrerbildung insgesamt durchgeführt worden ist. Die von der KMK eingesetzte Gemischte Kommission Lehrerbildung hat in ihrem Abschlussbericht vom Oktober 1999 eindringlich auf dieses Defizit aufmerksam gemacht und eine solche Evaluation der Lehrerbildung empfohlen; der Wissenschaftsrat hat – in diesem Punkt – in seiner Empfehlung vom November 2001 ähnlich argumentiert. Insofern ist es zu begrüßen, dass die KMK diese Empfehlungen aufgegriffen und erste Schritte zur Initiierung einer breit angelegten Evaluation der Lehrerbildung unternommen hat.
Die folgende Expertise ist – auftragsgemäß – darauf gerichtet, vor dem Hintergrund der internationalen und nationalen Fachdiskussion Vorschläge zu entwickeln, "wie und auf welchem Wege eine Evaluation der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung durchgeführt werden könnte".(1) Lassen sich übergreifende Ausbildungsstandards entwickeln und benennen, die als Grundlage für eine Evaluation der ersten und zweiten Phase herangezogen werden können? Es geht also noch nicht um die konkreten Modalitäten eines Evaluationsverfahrens, sondern dem vorausliegend um die Frage der Standards, an denen sich eine solche Evaluation zu orientieren hätte. Im Mittelpunkt der Expertise steht die Frage: Was sind die Qualitätskriterien für ‚gute' Lehrerbildung? Die Erörterung und Beantwortung dieser Leitfrage bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Expertise. Daraus ergibt sich eine erste Anschlussfrage: Wie überprüft man die Einhaltung dieser Qualitätskriterien? Auch hierzu werden in der Expertise Aussagen getroffen. Die ‚nach PISA' vielfach erhobene Forderung nach einer Formulierung von Standards für Bildungswege und Bildungsabschlüsse betrifft insofern nicht nur den Bildungsweg der Schüler, sondern auch den Ausbildungsprozess sowie die weitere Berufsbiographie von Lehrern.
Weitere und letztlich entscheidende Anschlussfragen sollen an dieser Stelle zumindest formuliert werden: Welche Konsequenzen erwachsen gegebenenfalls aus der Evaluation? Was ist zu tun, wenn Qualitätsstandards verfehlt werden? Wie ist eine an Standards orientierte Evaluation der Lehrerbildung in deren kontinuierlichen Verbesserungsprozess einzubringen? Hierzu nimmt die Expertise nicht mehr Stellung: Die Beantwortung der Frage nach den operativen Konsequenzen einer zukünftigen Evaluation geht über [/S. 3:] den definierten Auftrag hinaus. Alle Verantwortlichen sollten diese Frage, oder besser noch: mögliche Antworten auf diese Frage allerdings schon jetzt bedenken. Denn Evaluationen werden nicht um ihrer selbst willen durchgeführt.
Der Rahmen und die Zielrichtung einer solchen Expertise lassen es nicht zu, dass der fachwissenschaftliche Hintergrund sowie die aktuellen Forschungsdiskussion in ihren verschiedenen Facetten vollständig dokumentiert und erörtert werden. Die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen von Standards für die Lehrerbildung sowie einer daran orientierten Evaluation eröffnet ein sehr breites Spektrum von Forschungsfragen. Dieses Spektrum kann nur punktuell und in Fußnoten angedeutet werden. Im gegebenen Kontext geht es jedoch auch nicht um die vollständige Ausleuchtung dieses Hintergrundes. Es geht vielmehr darum, bei aller Komplexität Unzulänglichkeit der Forschungssituation und unter Berücksichtigung von (allerdings nie schematisch übertragbaren) Erfahrungen im In- und Ausland Ideen und Vorschläge zu entwickeln, die zu einer verantwortlichen Form des Umgangs mit Standards und Evaluationen in der Lehrerbildung führen können. Münster, im August 2002 Ewald Terhart
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