Sozialwissenschaftliche Bildung: Der Zukunft zugewandt!
Unbestritten liegt eine Kernaufgabe schulischer Bildung in der Vermittlung eines belastbaren Wertekompasses, der Kindern und Jugendlichen auch für künftiger gesellschaftliche Herausforderungen Orientierung bietet. Vor diesem Hintergrund sollten zentrale Prinzipien der sozialwissenschaftlichen Fachdidaktik wie Exemplarität und Kontroversität oder Handlungs- und Problemorientierung in Erinnerung gerufen werden. Denn allzu häufig werden in Klassenzimmern Herausforderungen der Vergangenheit thematisiert, weil Schülerinnen und Schülern nur die Diskussion althergebrachter Zielkonflikten zugetraut werden. Sozialwissenschaftlicher Unterricht sollte jedoch systematisch in die Zukunft blicken (lassen), d. h. die Lernenden mit Frage- und Problemstellungen konfrontieren, für die es (noch) keine Lösungen gibt. Derer gibt es viele, wie der Einfluss von IT-Monopole wie Amazon, Google und Facebook, aber eben auch die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen künstlicher Intelligenz (KI) und die Fragmentierung des politischen Diskurses durch soziale Plattformen dokumentieren.
Eine hilfreiche Methode zur Bearbeitung dieser zentralen Herausforderungen stellt der Design Thinking-Ansatz dar, den Ingenieure und Produktdesigner in den 1960er-Jahren an der Stanford University entwickelt haben (https://www.centreforpublicimpact.org/design-thinking-in-policymaking). Der Ansatz bietet die Möglichkeit, sich einem Problem aus der Perspektive der Betroffenen mittels Interviews zu nähern, um deren Sichtweisen zu ergründen. Nach deren Identifikation wird eine Vielzahl von kreativen Ideen bzw. Prototypen generiert, die das Problem für die Betroffenen lösen. Diese Ideen werden anschließend spielerisch erprobt, getestet, mit einer Lösung versehen – und schließlich weiterentwickelt. Das Verfahren ist iterativ, forschend und im Zentrum stehen Problemlösungen für die Betroffenen. Design Thinking erlaubt es in bislang unbekannter Weise, Lösungen für bedeutsame Probleme unserer Zeit zu generieren, diese zu überprüfen und schließlich zu reflektieren.
Ein Beispiel: KI wird zu einer grundlegenden Transformation des Arbeitsmarktes führen, so dass Arbeitnehmerinnen und -nehmer künftig über sehr spezifische Qualifikationen werden verfügen müssen. Im Einklang mit dem Design Thinking-Ansatz führen die Schülerinnen und Schüler in einem ersten Schritt Interviews mit Arbeitnehmer(inne)n durch, deren Arbeitsplätze durch Digitalisierung, Computerisierung und Automatisierung gefährdet sind oder bereits entbehrlich geworden sind. Dadurch lernen die Schülerinnen und Schüler, sich in die Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hineinzuversetzen, ihre jeweils besonderen Herausforderungen zu verstehen und schließlich zu formulieren. Anschließend brainstormen die Lernenden und entwerfen Lösungsansätze, die aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer analysiert, bewertet und weiterentwickelt werden. Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und kritisches Denken der Lernenden werden gefördert, so dass sie zur Lösung individueller und gesellschaftlicher Probleme befähigt werden. Die daraus erwachsende Stärkung der Schülerinnen und Schüler, die es ihnen erlaubt, in den Herausforderungen der Zukunft fortan bestenfalls eher Chancen als „Stolperfallen“ zu sehen, wird damit genutzt.