Hier wird beispielsweise die Frage nach den Bezugswissenschaften der Arbeitslehrefächer einschließlich ihrer historischen Gewordenheit, sowie ihrem erkenntnistheoretischen Fundament thematisiert. Auf der Ebene des Schulfaches treten Programmatik und Selbstverständnis der Arbeitslehre sowie die Frage der Wissenschaftselementarisierung zutage, die einen Bezug zum didaktisch-methodischen und organisatorischen Aspekt der Zusammenarbeit notwendig machen (siehe Abschnitte vier und fünf).
Seit Anbeginn ist das Problem der Bestimmung des Gegenstandsbereiches der Arbeitslehre nicht gelöst worden. Durch das Fehlen einer eindeutigen wissenschaftlichen Bezugsdisziplin ist die Möglichkeit, diesen Gegenstandsbereich des Lernfeldes Arbeitslehre über eine entsprechende Pädagogik (Fachdidaktik) zu begründen, nicht leistbar. Damit ist auch jener Trennschärfeversuch erschwert, der als ein wichtiges Kriterium für die bildungspolitische Inkorporationschance jeder neuen Schulidee gilt. Damit geht eine 'Anbindungsoffenheit' gegenüber mehreren Fächern des schulischen Fächerkanons einher. Erinnert sei an die Diskussion um die Abgrenzung zwischen den Fächern Technik und Physik, die Abgrenzung zwischen Teilbereichen der Fächer Arbeit/Wirtschaft und Wirtschaftslehre zu den Fächern Sozialkunde, politische Bildung und Haushalt, die Abgrenzung des Faches Haushalt zu Teilbereichen der Biologie und Chemie oder die Abgrenzung zwischen bestimmten musischen Fächern und der Textilarbeit.
Diese Situation hat dazu geführt, daß das Lernfeld Arbeitslehre nie über die innere Ruhe verfügt hat, sich ein klar konturiertes und unstrittiges inhaltliches Profil mit entsprechenden Ausschließungskriterien für bestimmte Inhalte zu geben. Vielmehr wurden bestimmte inhaltliche Aufgaben zum freien Feld für 'politische Besetzungen' durch Verbände und bestimmte Fachdidaktiker oder zu Forderungskatalogen für neue Aufgaben und Inhalte definiert, die zuweilen mit der Gefahr verknüpft waren, einen Omnipotenzanspruch des Lernfeldes zu verbreiten. In den folgenden beiden Positionsbeschreibungen bzw. Aufgabendefinitionen der Arbeitslehre kommt dies exemplarisch zum Ausdruck.
Im Gegensatz zu Dauenhauer, der in einer Streitschrift dafür eintritt, über die komplexe gesellschaftliche Wirklichkeit "geknüpfte Fachnetze zu werfen" und nicht zu zerreißen (1983, S. 132), da der Fachunterricht jedem Integrationsunterricht überlegen sei, betont etwa Himmelmann (1980, S. 64 ff.), daß eine Differenzierung von Arbeitslehre in mehrere Fächer bzw. Wissenschaftsdisziplinen dysfunktional im Hinblick auf den Integrationsgedanken sei. Wenn 'Wissenschaftsorientierung' Bestimmungskriterium für die Inhalte von Arbeitslehre wird, bedeutet dies Verfachlichung und Verfachlichung impliziert Verselbständigung, mit der Folge auch einer verselbständigten Didaktik der Fächer.
Für Himmelmann steht fest, daß sich die Arbeitslehre auf die Suche nach einer neuen, integrierenden Bezugswissenschaft begeben müsse. Die traditionellen Wissenschaften können dies nicht sein, da sie die Realität durch Selektion und Spezialisierung zerschneiden, um auf diese Weise Komplexität zu reduzieren. Zwangsläufig sind damit Gegenstand der Zusammenarbeit im Lernfeld Arbeitslehre Sachgebiete, deren Fachgrenzen durch Bildung einer 'Schnittmenge' überwunden werden sollten, um zu einem Inhalt 'höherer Ordnung' zu gerinnen. Die Frage muß also lauten: Auf welchen neu gefundenen Inhaltssektor kann sich eine integrative (also fächerübergreifende) Arbeitslehre stützen? Sodann: Wer kann ein solches Inhaltssegment wie gewinnen?
Bei der Suche nach einem integrierenden inhaltlichen Zentrum der Arbeitslehre stößt man auf Vorschläge, die sich einerseits auf den Gegenstandsbereich, andererseits auf den Vermittlungssektor beziehen:
- Beispielsweise wird der Vorschlag gemacht, die Leitkategorie 'Arbeit' zur Integration der Teilbereiche Technik, Wirtschaft und Haushalt zu verwenden (Mende 1978, Himmelmann 1980, 1985, Hessische Rahmenrichtlinien 1978, Dedering 1982).
- Ein anderer, jedoch ähnlicher Vorschlag sieht in der 'Suche nach einem Ausbildungsplatz' den inhaltlichen Kristallisationspunkt der Arbeitslehre (vgl. Beinke 1982, Unterrichtseinheit 'Orientierung in Berufsfeldern' im AWT-Lehrplan für die Hauptschulen in Baden-Württemberg - siehe Bildungssplan 1994).
Die dritte Spielart versucht über mehrperspektivisch angelegte, fächerübergreifende Unterrichtseinheiten die Integration inhaltlich zu bewerkstelligen (z.B. die fächerübergreifenden Unterrichtseinheiten "Technisierung und Rationalisierung bestimmen unser Leben" und "Produkte kommen auf den Markt" für die Hauptschulen in Baden-Württemberg).
Während der erstgenannte Vorschlag weitgehend Programm geblieben ist - lediglich der frühere hessische Ansatz kommt ihm sehr nahe - sind die beiden anderen bereits praktisch weiter verbreitet. Dabei fällt auf, daß dort, wo berufsorientierende Inhalte integratives Moment der Arbeitslehre darstellen (sollen), ohne Schwierigkeiten dieser Anspruch eingelöst werden kann, da diese Inhalte ein Querschnittsspektrum darstellen, das 'über' den technischen, wirtschaftlichen und hauswirtschaftlichen Sektor gelegt werden kann, also nicht aus einer besonderen Fachwissenschaft abgeleitet werden muß (jedoch eine eigene Fachdidaktik erfordert). Da es i. R. kein eigenes Schulfach 'Berufsorientierung' gibt, steht zu vermuten, daß die Stundenanteile der Lehrpläne auf die einzelnen Arbeitslehre-Fächer verteilt werden. So wird die Beteiligung mehrerer Arbeitslehre-Lehrkräfte verständlich. Natürlich steht einer von mehreren Lehrerinnen und Lehrern getragenen Verantwortung eines solchen Projekts nichts im Wege. Prinzipiell ist hier aber kooperative Unterrichtsplanung und Unterrichtsdurchführung nicht notwendig, da genuine Fachkompetenzen aus den einzelnen Fächern nicht gefordert werden, sondern primär lediglich Organisationsmaßnahmen der Durchführung des berufsorientierenden Unterrichts notwendig sind. Diese Gestaltungsaufgaben bleiben hier sinnvollerweise in einer Hand, da somit unnötige Doppelarbeit vermieden werden kann (vgl. exemplarisch OIB [Orientierung in Berufsfeldern; d. Red.] in Baden-Württemberg).
Bei expliziten fächerübergreifenden Unterrichtseinheiten wird in der Regel lediglich eine Aufforderung zur Realisierung kooperativen Lehrens formuliert. Dabei wird die eigentliche inhaltliche (aber auch die didaktisch-methodische) Integrationsarbeit den Lehrern übertragen. Erfahrungen bei der Realisierung fächerübergreifenden Unterrichts zeigen, daß ein solches Vorgehen scheitern muß. Da heute in der Regel die Masse der Lehrkräfte des Faches Arbeitslehre, die derzeit in der Schule unterrichten, noch immer keine oder nur geringe, durch hochschulische Ausbildung oder Lehrerfortbildung vermittelte, umfassende Kooperations-Qualifikationen besitzen, muß bereits in den Lehrplanvorgaben die inhaltliche Integration geleistet sein. Das didaktische Zentrum eines fächerübergreifenden Arbeitslehre-Inhalts liegt jedoch meist außerhalb der kooperierenden Fächer. Notwendig ist also eine Thematik, die sui generis überfachlichen Charakter hat (vgl. etwa das Fach 'Sozialwissenschaft' an den Realschulen Nordrhein-Westfalens).
So weit ich sehe, sind drei systematische Möglichkeiten einer inhaltlichen Verknüpfung denkbar: die fachspezifisch-koordinative, die thematisch-systematische und die problemorientierte Verknüpfung.
Leitender Gesichtspunkt der fachspezifisch-koordinativen Verknüpfung ist die fachspezifische Erarbeitung eines Themas. Nur dort, wo es für das Verständnis des Gesamtzusammenhanges unumgänglich ist, wird eine Koordination mit einem anderen Fach geplant. Koordination bedeutet, daß für diese kurze Phase eine andere Lehrkraft die notwendige Ergänzung leistet oder Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellt, das von den Schülerinnen und Schülern bei Bedarf bearbeitet werden kann.
Die systematische Erschließung des Themas ist leitender Gesichtspunkt des zweiten Modells. Sie wird von der Lehrkraft durchgeführt, der die Unterrichtseinheit plant. Diese Lehrkraft bestimmt jene Teile, die von verschiedenen Fächern bearbeitet werden müssen. Danach wird mit den Fachlehrerinnen und -lehrern die Aufgabenstellung besprochen und der Unterricht in den einzelnen Fächern durchgeführt. Unerheblich ist hierbei, ob diese Teile von verschiedenen Fachlehrern oder von einem Lehrer allein bearbeitet werden.
Im dritten Fall sind Probleme leitend, die aus dem Spannungsverhältnis des Menschen zu Alltagssituationen erwachsen. Im Vergleich zu den beiden anderen Spielarten ist bei der problemorientierten Verknüpfung eine vollständige oder systematische Bearbeitung nicht möglich. Daß hier größere organisatorische Schwierigkeiten als bei den anderen Arten auftreten, liegt nahe. Denn hier ist es erforderlich, für die Problembearbeitung Erklärungsmuster verschiedener Fächer zur Verfügung zu haben. Insbesondere dieser letzte Ansatz verweist auf die didaktisch-methodische Problematik fächerübergreifender Unterrichtsplanung.