Wirkmächtigkeit der Ökonomie
Der Einfluss ökonomischer Denkweisen hat über die letzten Jahrzehnte massiv an Bedeutung gewonnen. So fand im Zeitalter des „ökonomischen Imperialismus“ eine geradezu einzigartige Ausweitung des Gegenstandsbereiches wirtschaftswissenschaftlicher Denkansätze statt. Ökonomische Kategorien, Paradigmen und method(olog)ische Grundannahmen wie etwa der Markt, das Kosten-Nutzen-Kalkül oder das rational handelnde Individuum wurden in den Rang von „Realfiktionen“ erhoben. Der gesellschaftliche Bedeutungszuwachs des ökonomischen Denkens lässt sich unter dem Schlagwort „Ökonomisierung der Lebenswelten“ subsumieren. Angesichts dieser Wirkmächtigkeit wirtschaftswissenschaftlicher Denk- und Erklärungsansätze sehen sich sozioökonomische Bildung und Wissenschaft mit gewaltigen Herausforderungen konfrontiert. Sie haben sich damit auseinanderzusetzen, dass die (Re-)Strukturierung einer wachsenden Zahl von Gesellschaftsbereichen nach Markt-, Effizienz- und Konkurrenzkriterien mit einem vielfach tolerierten Verzicht auf Ziele einer kritisch-emanzipatorischen Bildung einhergeht. Zugleich muss sie verdeutlichen, inwieweit eine allein auf die neoklassische Standardökonomie fokussierte ökonomische Bildung verkennt, dass historische Entwicklungsstränge, politische Gestaltungsmöglichkeiten, gesellschaftliche Rahmenbedingungen und rechtliche Vorgaben für ökonomische Sachverhalte immens bedeutsam sind. Daher müssen sozioökonomische Bildung und Wissenschaft die enge Verflechtung der Gegenstandsbereiche „Politik“, „Ökonomie“ und „Gesellschaft“ akzentuieren und die der sozialwissenschaftlichen Trias aus Politikwissenschaft, Ökonomie und Soziologie zugrunde liegenden Denkweisen, Kategorien und Methoden in einen systematischen Zusammenhang bringen, konzeptionell ordnen und wissenschaftlich durchdringen. Es ist Zeit, den unverändert vorherrschenden Modellen der neoklassischen Standardökonomie Alternativen gegenüberzustellen – oder jedenfalls zur Seite zu stellen.