Social Entrepreneurship Education – oder: Förderung von Gründergeist im gesellschaftswissenschaftlichen Kontext
Laut einer im Juni 2019 veröffentlichten Studie des Finanzdienstleisters TransferWise fordern 74 % der 16- bis 25-Jährigen, dass Unternehmertum und Existenzgründung stärker in der Schule vermittelt werden sollten. Jungen Menschen fehlten grundlegende Kenntnisse für ihre gewünschte Existenzgründung. Zahlreiche bildungspolitische Initiativen wie z. B. das jüngst in Berlin gegründete Bündnis ökonomische Bildung fordern ebenfalls (mehr) Entrepreneurship Education, um Schüler/-innen ein positives Unternehmerbild zu vermitteln, sie für die berufliche Selbständigkeit zu begeistern und die hiesige Gründerkultur zu verbessern.
Die Diskussion, ob – und wenn ja, inwieweit – Entrepreneurship Education in der schulischen Allgemeinbildung Platz greifen soll, wird leidenschaftlich geführt. Während beinahe alle Unternehmensvertreter, die Mehrzahl der Arbeitgeberverbände und die meisten orthodoxen Wirtschaftsdidaktiker/-innen eine allein an betriebswirtschaftlichen Kriterien ausgerichtete Entrepreneurship Education befürworten, lehnen sozialwissenschaftliche Bildner/-innen dies ab. Ein zentraler Grund dürfte darin liegen, dass die Isolation betriebswirtschaftlicher Urteils-, Entscheidungs- und Handlungslogiken von gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Aspekten ihnen Unbehagen bereitet. Dabei können z. B. Schülerfirmen, denen eine auf die Integration der sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen zielenden Konzeption zugrunde liegt, den Lernenden wesentliche soziale und politische Kompetenzen vermitteln. So können sie im Rahmen von Schülerfirmen einen demokratischen Umgang im Betrieb erlernen, indem sie Arbeitsschritte verhandeln, Mehrheitsbeschlüsse umsetzen und Grundsätze der Mitbestimmung respektieren. In einer auf die Vermittlung von Demokratie- und Mitbestimmungsaspekten zielenden Schülerfirma lernen Jugendliche nicht nur, erfolgreich zu wirtschaften, sondern auch – wie es Moritz Peter Haarmann formuliert – "wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer und ökologischer Verantwortung zu verbinden".
Soll Entrepreneurship Education breitere Anerkennung finden, müssen z. B. Schülerfirmen verstärkt in Rechtsformen wie Genossenschaften oder gemeinnützige Stiftungen umgesetzt werden, sodass Aspekte der sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit ebenso Berücksichtigung finden können wie Grundlagen fairer Arbeitsbedingungen. Statt die Lernenden einseitig in die Perspektive von allein auf Gewinnmaximierung zielenden Unternehmer/-innen hineinzuversetzen, sollten Schüler/-innen auch die Perspektiven von Arbeitnehmer(inne)n und deren Interessenvertreter(inne)n analysieren und reflektieren lernen. Wenn die Vermittlung von Gründergeist Anerkennung erfahren sollen, dürfen betriebswirtschaftliche Aspekte nicht verabsolutiert und gesellschaftliche Faktoren nicht unberücksichtigt bleiben.