New Public Management in der Schule: Ein Erfolgsmodell?
Im Kontext des internationalen Leistungsvergleichs zwischen Bildungssystemen in Studien wie TIMSS (Third International Mathematics and Science Study), PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study) und PISA (Programme for International Student Assessment) hat sich ein inzwischen weltweit herrschendes Paradigma der Governance von Schulen durchgesetzt, das sich im Zuge der weltweiten Verbreitung einer neoliberalen, an ökonomischen Modellen orientierten Reformagenda und deren Umsetzung in New Public Management (NPM) herausgebildet hat. Die Schulen sollen mehr Autonomie, die Eltern mehr Freiheiten in der Schulwahl und mehr Konsumentenrechte erhalten, die Lehrkräfte und Schulleiter sollen sich fortlaufend fortbilden, die Schulen sollen kontinuierlich verbessert werden. Regelmäßig durchgeführte und zentral koordinierte Evaluationen der Schulleiter und Lehrer sowie Leistungstests der Schüler sollen dafür sorgen, dass die neuen Freiheiten nicht missbraucht, sondern zur Verbesserung der Schülerleistungen eingesetzt werden. Von dieser Reformagenda verspricht man sich eine Steigerung der Bildungsleistungen. Das durchschnittliche Leistungsniveau soll gesteigert, der Abstand zwischen den besten und den schlechtesten Schülern soll verringert und der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Schülerleistungen soll eingedämmt werden.
Im internationalen Vergleich ist das Vereinigte Königreich seit den 1980er Jahren ein Vorreiter dieser Reformagenda. Nach dem Stand der Forschung spricht allerdings alles dafür, dass die Reformmaßnahmen das durchschnittliche Leistungsniveau der Schüler nicht gesteigert, aber die soziale Ungleichheit im Bildungssystem erhöht haben. Neben der Steigerung der Bildungsungleichheit wird zunehmend die Unterwerfung der Schulen unter ein umfassendes Kontrollregime beklagt. Die Einrichtung eines nationalen Curriculums und die Fokussierung auf standardisierte Tests und Ranglisten zur Ermittlung und öffentlichen Darstellung der Unterrichtsqualität einer Schule haben zu einer massiven Verengung der von der Schule vermittelten Bildung geführt.
In Deutschland waren erst die Ergebnisse des ersten PISA-Tests des Jahres 2000 der Auslöser für entsprechende Reformbemühungen. Diese Bemühungen sind allerdings nur im verstärkten Bildungsmonitoring der neoliberalen Reformagenda gefolgt, jedoch nicht in der Einführung von Bildungsmärkten. Allerdings wurde den Schulen auch in Deutschland in den einzelnen Bundesländern in unterschiedlicher Form mehr Selbstverantwortung bei gleichzeitig gesteigerter Dokumentations- und Rechenschaftspflicht übertragen. Ein wesentliches Element der Umstellung auf Outputsteuerung bedeutete z. B. in Niedersachsen die Einführung der Eigenverantwortlichen Schule nach einem von der Bertelsmann Stiftung erarbeiteten Modell im Jahre 2007. Der niedersächsische Landesrechnungshof (2016) hat allerdings nach zehn Jahren in seinem Jahresbericht 2016 ein vernichtendes Urteil über das Projekt „Eigenverantwortliche Schule“ gefällt und die Landesregierung dezidiert zu einer Korrektur dieser Fehlentwicklung aufgefordert. Es wurde moniert, dass das Projekt entgegen der ursprünglichen Absicht nicht Kosten gespart, sondern exorbitante Kosten in Höhe von 421 Mio. Euro verursacht habe. In großem Umfang seien neue Verwaltungsstellen zur Umsetzung des Programms geschaffen worden. Mangels Verwaltungserfahrung seien in den Schulen vielfach rechtswidrige Verträge mit hohen Folgekosten abgeschlossen worden. Die Lehrkräfte wären in hohem Maße mit nicht statusgerechten Verwaltungsaufgaben im Ministerium, in der Landesschulbehörde und in der Schule beschäftigt gewesen, statt zu unterrichten, und dies zum Schaden der Schüler.
Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die erhöhte Eigenverantwortlichkeit und das umfassende Monitoring der Schulen zu keiner signifikanten Verbesserung der Schülerleistungen und zu keiner signifikanten Verringerung der Leistungsdifferenzen nach sozialer Herkunft geführt haben, dagegen ein erhöhter Dokumentationsaufwand und eine Fehlallokation der verfügbaren Finanzmittel auf Kosten des Unterrichts festzustellen ist. Das Scheitern hinsichtlich der Leistungsziele erkennen wir allein schon anhand des Bildungsberichts 2019 des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Die Eigenverantwortliche Schule in Niedersachsen hat im Vergleich zwischen den Bundesländern sowie zwischen 2012 und 2018 gar nichts gebracht. Das Bundesland liegt nach wie vor leicht unterhalb des Durchschnitts aller Bundesländer, und es hat sich in mehreren Indikatoren von 2012 auf 2018 verschlechtert. Ein Blick auf die Leistungsbilanz des Vereinigten Königreichs und Deutschlands im PISA-Wettbewerb im Zeitraum von 2000 bis 2018 zeigt schließlich insgesamt, dass die Reformstrategien nach NPM auch gemessen an ihren eigenen Standards in beiden Ländern zu keinen nennenswerten Erfolgen geführt haben.
Prof. Dr. Richard Münch ist Professor emeritus an der Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Universität Bamberg. Er war Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie, insbesondere soziologische Theorie.