Schule, Wirtschaft und Arbeitsverwaltung befinden sich auf dem Weg in die Informationsgesellschaft. Für Lehrerinnen und Lehrer, für Berufsberaterinnen und Berufsberater und für die Kunden der Berufsberatung bedeutet dies eine Fülle neuer Informationsmöglichkeiten und das Herausbilden eines veränderten Informationsverhaltens. Es zeichnet sich ab, dass der Beratungsbedarf der Jugendlichen sich ändern wird. Sie verfügen tendenziell über die gleichen Informationsquellen wie ihre Berater, sind häufig aber besser in der Lage, die technischen Möglichkeiten zu nutzen. Für die Beratungsfachkräfte bedeutet dies, dass sie Helfer bei der Verarbeitung, Individualisierung und Nutzbarmachung von Informationen sind oder als Informations-Broker Informationsquellen erschließen und aufbereiten.

Der Einsatz neuer Medien, speziell des Internets, prägt die Wahrnehmung der Fachaufgaben Berufsberatung und Berufsorientierung in der Bundesanstalt für Arbeit und die Zusammenarbeit mit Schulen und weiteren Kooperationspartnern.

Bereits heute besteht im Internet ein differenziertes Informationsangebot der Bundesanstalt für Arbeit für Ausbildungs-, Berufs- und Studienwähler unter www.arbeitsamt.de.

 

Tab. 1:

Ausbildungssuche/ Ausbildungsvermittlung

Ausbildungsformen

Ausbildungsstellen

Beratung

Einzel-/ Gruppen-/ Teamberatung

Sprechstunden

Europäische Berufsberatungszentren

Berufsinformationszentrum (BIZ)

Treffpunkt Beruf und Arbeit

Informationen und Veranstaltungen

BIZ-mobil

Bewerbung/ Test

Bewerbungsunterlagen

Auswahltests

Vorstellungsgespräche

Bildungs-/ Berufsinformation

Bildungswege

Ausbildungsberufe und Studiengänge

Berufstätigkeiten

Förderung der Ausbildung

Unterstützung vor und während der Berufsausbildung

Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit

Hochschulteam

Studienwahl

Studienorganisation/ -praxis

Beschäftigungsperspektiven

Medien

Ausbildungen, Berufe und Studiengänge

Vorgehen bei Berufs- und Studienwahl

Speziell für Eltern und Lehrer

Veranstaltungen

rund um Ausbildung, Studium, Beruf

zur Berufs- und Studienwahl

für Eltern, Lehrer und Arbeitgeber

 

Die stark zunehmende Nutzung des Internets bringt weitreichende Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen allen an der Berufsorientierung Beteiligten mit sich. Vor dem Hintergrund zunehmender Informationsangebote in elektronischen Medien erhalten folgende Thesen über die zukünftige Entwicklung in der Berufsberatung und Berufsorientierung Bedeutung:

  • Das Internet verändert die Verfügbarkeit von berufskundlichen Informationen und damit die Inhalte und Methoden von Beratung und Orientierung.
  • Nicht Sammlung, Aufbereitung und Weitergabe von Informationen, sondern die Hinführung zur Beurteilung und Nutzung der gewonnenen Informationen für die berufliche Entscheidung nach den Bedürfnissen der Kunden wird Aufgabe der Berufsberaterinnen und Berufsberater.
  • Dadurch, dass immer mehr Berufswähler das Internet nutzen, wird sich die Erwartung an weitergehende Informationen durch die Berufsberatung erhöhen.
  • Die Kluft zwischen Berufswählern, die heute bereits das Internet nutzen können und denen, die es nicht können, wird zunehmen. Die Berufsberatung muss aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages hier ausgleichend wirken.
  • Durch die wachsende Informationsfülle und die qualitativ sehr unterschiedlichen Informationsangebote wird die Berufsberatung immer mehr die Rolle eines Pfadfinders durch den Informationsdschungel übernehmen.
  • Die Einordnung und Bewertung der Informationen auf die individuelle Problemlage der Kunden durch einen neutralen und objektiven Berater wird an Bedeutung zunehmen.
  • Berufsberaterinnen und Berufsberater, die nicht "medienkompetent" sind, werden Zugangswege zu Kunden und Kooperationspartnern verlieren.
  • Auch in Zukunft werden Informationen durch Medien nicht das Beratungsgespräch ersetzen.

In absehbarer Zukunft sind folgende Situationen vorstellbar:

  • Per E-Mail erreicht die Anfrage eines Ratsuchenden den Berufsberater. Aufgrund der Anfrage schickt der Berater erste Informationen, die er unter anderem aus dem Internet und im elektronischen BIZ recherchiert hat, zurück. Aufgrund der Fragestellung erkennt er den weiteren Beratungsbedarf und lädt per E-Mail zu einem Beratungsgespräch ein.
  • In einem Chatroom diskutieren Schüler Fragen zur Berufswahl, die der Berater aufgrund seiner Kompetenz fachlich beantwortet. Termine für Berufsorientierungsveranstaltungen werden vom Berater in seinem elektronischen Terminkalender freigegeben. Seine Ansprechpartner in den Schulen sind zugriffsberechtigt und können Termine für Veranstaltungen "buchen".
  • Per Videokonferenz werden Sprechstunden in den Schulen abgehalten. Die Termine wurden ebenfalls via E-Mail und elektronischem Kalender vereinbart (vgl. Pompe 2000, S. 7 f); dieses Verfahren wurde bereits im Arbeitsamt Trier in Zusammenarbeit mit der Berufsbildenden Schule in Bitburg erfolgreich erprobt.

In der Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit, den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern bestehen vielfältige Ansätze, die sich mit den Herausforderungen des Einsatzes elektronischer Medien auf die Beratungs- und Orientierungsaufgaben der Berufsberaterinnen und Berufsberater befassen. Beispielhaft wird auf zielgruppenspezifische Internetangebote (unter www.arbeitsamt.de), auf die Informationen zu Ausbildung, Studium und Beruf, die von der Abteilung Berufsberatung in jedem der zehn Landesarbeitsämter mit regionalspezifischen Inhalten auf CD-ROM, aber auch in Zusammenarbeit mit den Bildungsservern in den Ländern als Internetangebot herausgegeben werden, hingewiesen. Didaktische, methodische aber auch praxisorientierte Ansätze zur Arbeit mit neuen Medien geben die im Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen "Fachlichen Arbeitsmittel und Informationen für Berufsorientierung und Berufliche Beratung (FAI-BB)" Nr. 87 und 91 "Neue Medien im Internet" oder das Berufserkundungsprogramm von Wolfgang Braun, Leiter der Berufsberatung des Arbeitsamtes München, das unter www.berufswahl.de aufzurufen ist.

Alle diese Ansätze zeigen, dass in der Berufsberatung, neben den eher technischen Aspekten des Medien-Handlings, Antworten darauf gesucht werden, welche Auswirkungen die globale Bereitstellung von berufskundlichen Informationen und berufswahlrelevanten Inhalten auf die Rolle der Berufsberaterinnen und Berufsberater in der Zusammenarbeit mit ihren Kunden und Kooperationspartnern haben und welche Änderungen sich in Bezug auf die Beratungs- und Orientierungskonzepte ergeben.

Die globale Bereitstellung von berufskundlichen Informationen führt dazu, dass "Medienkompetenz" nicht nur eine Anforderung an die Ratsuchenden der Berufsberatung darstellt, sondern für die Berufsberaterinnen und Berufsberater zu einer Schlüsselqualifikation bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben wird. Folgende Faktoren können dabei eine Rolle spielen:

  • Kenntnis, für welche beruflichen Fragen oder Probleme welche Medien geeignet sind,
  • Motivation und Kompetenz, diese Informationsquellen auch in Anspruch nehmen zu wollen,
  • Selektionsfähigkeit nach Merkmalen der Medien, der Adressaten sowie der Funktionalität für die Problemlösung,
  • Harmonisierung von medialen und personalen Hilfen in der Berufsberatung,
  • Kenntnis des Informationsverhaltens, der Informationsstile, der Mediengewohnheiten und der Vorurteile der Schülerinnen und Schüler, der Beraterinnen und Berater und der Lehrerinnen und Lehrer,
  • Informationsmarketing einschl. Marktbeobachtung,
  • Kritisch reflexive Kompetenz für Medien, Evaluation und Medienkritik,
  • Beteiligung an der Medien-Weiterentwicklung und
  • Didaktische Kompetenz zur Einführung neuer Medien (vgl. Ertelt 1999).

Als Einstieg in die Schlüsselqualifikation "Kompetenz im Umgang mit neuen Medien" wird es Aufgabe der Berufsberaterinnen und Berufsberater werden, berufs- und arbeitsweltbezogene Informationen aus allen relevanten Medien beschaffen und einschätzen zu können, um diese Informationen ihren Kunden je nach persönlicher Problemlage nicht nur zugänglich zu machen, sondern auch Quellenlage, Herkunft und Glaubwürdigkeit zu erläutern und in der Einzelberatung oder Gruppenberatung transparent zu machen (vgl. Griepentrog 2000, S. 7).