[/S. 13:] In der Bundesrepublik Deutschland beobachten wir seit den achtziger Jahren die Auflösung von Normalitätsmustern der abhängigen Arbeit, die als Erosion des Normalarbeitsverhältnisses bezeichnet wird. Sie drückt sich in einer wachsenden Heterogenität von Beschäftigungsformen und einer Entstandardisierung und Destabilisierung der Erwerbsbiografien aus. Das institutionelle Normengefüge, das sich nach wie vor am herkömmlichen Normalarbeitsverhältnis orientiert, büßt an Regulierungs- und Schutzfunktionen ein; Normalität im Erwerbssystem und die Schutzwirkung rechtlicher Normen fallen immer mehr auseinander, und es setzen sich neue Formen der sozialen Ungleichheit durch.
Die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses wird häufig auf die Veränderungen am Arbeitsmarkt - namentlich auf das von Konjunkturzyklus zu Konjunkturzyklus wachsende Niveau der Arbeitslosigkeit - sowie Politiken der Deregulierung zurückgeführt. Eine solche Erklärung greift aber zu kurz, wenn sie nicht den ökonomischen Strukturwandel einbezieht und auch die gesellschaftlichen Veränderungen berücksichtigt, welche die früheren Normalitätsmuster sprengen und zu gleich die in diesen verborgenen Ungleichheitsstrukturen offen legen.
Arbeitsmarktpolitik kann sich daher kaum mehr an Leitbildern der Vollbeschäftigung und standardisierter Beschäftigungsformen nach dem Vorbild der frühen siebziger Jahre orientieren; es sind Konzepte und Politiken nötig, die Differenzierungen in der Beschäftigung nicht beseitigen, sondern sozial regulieren und absichern und damit zugleich versperrte Zugänge zum Erwerbssystem öffnen.
Im Folgenden werde ich zunächst Charakteristika des Normalarbeitsverhältnisses sowie die Ausdrucksformen und Ursachen seiner Erosion skizzieren und dann einige Ansätze der Neuordnung der Erwerbsarbeit vorstellen und diskutieren.