Zukunftswerkstatt "Konsum und Umwelt im Jahr 2010"

Ursel Imhof

Inhalt

Wichtigste Zielpunkte einer Zukunftswerkstatt
Ablauf einer Zukunftswerkstatt
Zukunftswerkstatt "Konsum und Umwelt im Jahr 2010"
Intentionen
Möglicher Ablauf
Zeitreise in das Jahr 2010
Grundlegende Literatur

 

Wichtigste Zielpunkte einer Zukunftswerkstatt

Ein wesentliches Ziel der ökonomischen Bildung ist der Erwerb von Handlungskompetenz. Dies erfordert sowohl die Vermittlung von Fach- und Methodenkompetenz als auch von Personal- und Sozialkompetenz. Die Zukunftswerkstatt ist eine Methode, die im besonderen Maße grundlegende Kompetenzen fördert, z.B. problemlösendes Denken, Kreativität, Kooperationsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Als Themen für eine Zukunftswerkstatt eignen sich Probleme und Fragestellungen, die für eine Gruppe bedeutsam sind und als dringend lösungsbedürftig angesehen werden.

Wichtigste Zielpunkte einer Zukunftswerkstatt

  • Sie holt die Schülerinnen und Schüler mit ihren Ängsten und Befürchtungen, aber auch ihren verdrängten Wünschen dort ab, wo sie sind.
  • Sie mobilisiert aber nicht nur die Kritikfähigkeit, sondern überträgt sie in ökologische und soziale Fantasie und aktiviert die Handlungsbereitschaft.
  • Mit Hilfe von eingebauten Informationsphasen erweitert sie den Wissensstand der Schülerinnen und Schüler und befähigt dadurch zur eingreifenden Zukunftsgestaltung.
  • Sie bedarf der drastischen Veränderung der Rolle der Lehrkraft: Es wird großer Raum für die selbst gesteuerte Tätigkeit von Gruppen gegeben, die mit kreativen Materialien und Medien arbeiten.
  • Die Lehrkraft wandelt ihre Rolle vom Belehrer zum Moderator, der eher im Hintergrund wirkt. Sie sorgt für günstige Rahmenbedingungen, stellt Materialien und Informationen auf Abruf bereit und moderiert den gesamten Lernprozess behutsam und prozessorientiert.

Ablauf einer Zukunftswerkstatt

Die Zukunftswerkstatt läuft in mehreren Phasen ab:

  1. Vorbereitungsphase,
  2. Kritikphase,
  3. Fantasiephase,
  4. Verwirklichungsphase,
  5. Nachbereitungsphase

Um bei der Schülerinnen und Schülern ein Methodenbewusstsein zu erzielen, sind Piktogramme sinnvoll, die die jeweilige Phase symbolisieren und die wesentlichen Merkmale veranschaulichen.

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Zukunftswerkstatt "Konsum und Umwelt im Jahr 2010"

Intentionen

  • Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, Chancen und Gefahren im Bereich Konsum und Umwelt wahrzunehmen und sich mit ihnen und möglichen Lösungsansätzen auseinander setzen.
  • Sie sollen die heutigen umweltbelastenden Produktions- und Konsumformen in Bezug auf Verpackung und Abfall als Problem erkennen, das dringend gelöst werden muss und ihre Wünsche und Hoffnungen für eine intakte Umwelt ohne viel Müll in phantasievolle Zukunftsentwürfe umsetzen.

Möglicher Ablauf

Vorbereitungsphase

Sie dient der organisatorischen und inhaltlichen Vorbereitung, z.B.

  • Umordnung des Klassenraumes zu Arbeitsgruppen und zum Sitzkreis,
  • Beschaffung von anschaulichen Hintergrundinformationen zum Thema, z.B. Texte, Poster, Filme,
  • Bereitstellung von Materialien wie Farbstifte, Papier, Plakate, verschiedenfarbige Karteikarten, Pinnwände, Scheren Klebstoff, Musikaufzeichnungen,
  • Schaffung eines Problemgrundes zum Thema durch eindrucksvolle Bilder, Poster, etc.,
  • Einstimmung der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die ungewohnte Unterrichtsform und den Ablauf der Zukunftswerkstatt anhand der Piktogramme,
  • Gemeinsames Festlegen von Gruppenregeln sowie die Vereinbarung eines klaren organisatorischen und zeitlichen Rahmens.

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Kritik- bzw. Problematisierungsphase

In dieser Phase geht es darum, einen an dem Unbehagen und Problembewusstsein der Schülerinnen und Schüler orientierten Zugang zum Thema zu eröffnen. Sie sollen sich möglichst vielfältige Kritik- und Problempunkte überlegen, die mit der Entwicklung der Produktion und des Konsums von Gütern und die dadurch bedingte Umweltbelastung durch Verpackungsmüll zusammenhängen.

  • Die Kritikpunkte werden groß und für alle gut lesbar in Stichworten auf Zettel geschrieben und in den Sitzkreis gelegt oder an die Pinnwand geheftet.
  • Es können auch Bilder aus Zeitschriften und Broschüren zum Thema im Raum ausgelegt werden, die ausdrücken, was die Schülerinnen und Schüler bewegt.(Hierzu ist es erforderlich, langfristig Materialien zu sammeln, damit ein vielfältiges Angebot vorliegt. Institutionen wie Umweltamt, Verbraucherzentrale, BUND, Zeitschriften wie Natur oder TEST-Sonderausgaben bieten reichlich Materialien an.)
  • Jede(r) kann sich dann ein Bild auswählen, welches besonders das Unbehagen, die Befürchtungen und Ängste ausdrückt. Mit einem Wort oder Satz soll dazu auf eine Karte ein wesentlicher Kritikpunkt geschrieben werden. Beides wird dann in den Sitzkreis gelegt.
  • Die Schülerinnen und Schüler suchen sich nun passende Partner mit ähnlichen Bildern und Kritikpunkten aus und stellen in Kleingruppen (z.B. Fünfergruppen) gegenseitig ihr Bild oder ihren Satz vor. Sie sollen versuchen, 2-3 zentrale Kritikpunkte herauszuarbeiten, z.B. hohes Müllaufkommen durch Fastfood-Ketten, Wegwerfgetränkedosen, Fertiggerichte und dafür einen Oberbegriff zu finden, beispielsweise Ex- und Hopp-Mentalität. Diese werden mit den [/S.36:] Bildern auf einem Plakat festgehalten.
  • Die so in den einzelnen Gruppen gefundenen Problembereiche werden zusammen an einer Wand/Tafel zu einer "Problemlandschaft" angeordnet. Jede Gruppe stellt ihre Plakat vor und erläutert Bilder und Überschriften.
  • Danach werden die Ergebnisse von allen bewertet, um ein oder zwei Themen gemeinsam zu behandeln. Fällt die Entscheidung schwer, kann jede(r) eine festgelegte Zahl von Klebepunkten (3-5) nach Interesse auf die einzelnen Problembereiche verteilen. Dadurch schälen sich Themen heraus, die von allen für eine Bearbeitung als wichtig angesehen werden.

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Weitere Spielregeln:

  • Während der Kritikphase wird noch nicht diskutiert. Jeder hört jedem kommentarlos zu. Zugelassen sind lediglich Verständnisfragen.
  • Kritik nur in Stichworten.

Fantasie- bzw. Utopiephase

In dieser Phase geht es darum, die eingegrenzten Probleme ins Positive zu wenden und als Wünsche umzuformulieren, z.B. größeres Angebot an Speisen und Getränken in wieder verwertbaren Behältern, unverpackte Ge- und Verbrauchsgüter. Das ist aber erst die Vorbereitung auf die eigentliche Fantasiephase, weil die Wünsche in der Regel noch keine Fantasien und Utopien enthalten.
Die Schülerinnen und Schüler werden als Einstimmung eingeladen zu einer

 

Zeitreise in das Jahr 2010

Zum Fantasieren ist es günstig, sich bei leiser Musik zu entspannen und die Augen zu schließen...
Die Lehrkraft erzählt mit sanfter Stimme: Ihr befindet euch im Jahr 2010. Alle von euch kritisierten Probleme in Bezug auf Produktion und Konsum von Gütern sind gelöst. Wie?... Ja, es entstand sogar ein Wettbewerb um den umweltfreundlichsten Produzenten und Konsumenten, um die umweltfreundlichste Stadt... und das umweltfreundlichste Land... Was ist konkret passiert? Was hat sich alles verändert?... Ihr geht umher und entdeckt Neues und auch Bekanntes, schaut euch das genau an... Wie sieht das alles aus, was hat sich verbessert?... Ihr schaut euch das an, wo ihr bisher noch nicht gewesen seid... und sammelt weiter Eindrücke... Langsam verlasst ihr wieder diese Traumwelt - schaut zurück - was nehmt ihr mit?

 

  • Die Schülerinnen und Schüler malen nun diese Traumwelt auf ein Blatt Papier in einer beliebigen Farbe. Es geht hier nicht um Schönheit, sondern darum, dass die Eindrücke festgehalten werden.
  • Nun werden die Bilder und Symbole im Sitzkreis auf Stühle gelegt. Die Schülerinnen und Schüler gehen umher und schauen sich alle Ergebnisse an. Wer ähnliche Visionen hatte, findet sich zu Gruppen (ca. 4 Personen) zusammen. Die Bilder werden gegenseitig vorgestellt.
  • Das, was in der Fantasie gemalt wurde, wird jetzt in den verschiedenen Gruppen zu einem Zukunftsszenario entwickelt, d.h. zu utopischen Entwürfen über eine wünschenswerte Zukunft. Denkbar sind Rollenspiele, Pantomimen, Wandzeitungen, Collagen, Comics, gestaltete Produkte, Gedichte, Songs... den Ideen und Aktionen sind keine Grenzen gesetzt.
  • Jede Gruppe führt anschließend ihr Zukunftsmodell vor. Es kann dabei eine Fantasie- und Utopiewand als Ausstellung entstehen. Wichtig ist, dass alle Vorstellungsergebnisse festgehalten werden.


Verwirklichungsphase

In dieser letzten Phase geht es darum, die Zukunftsentwürfe und Fantasien mit den wirklichen Verhältnissen der Gegenwart zusammenzubringen, sowie Wege und Strategien zu ihrer Durchsetzung zu finden. Es sollen möglichst vielfältige, neuartige und erfolgversprechende Wege zur Verwirklichung einer besseren Zukunft gefunden werden.

  • In jeder Gruppe soll dazu ein Aktionsplan entwickelt werden.
  • Die Schülerinnen und Schüler überlegen, welche Schritte erforderlich sind, um ihre Visionen zu verwirklichen.
  • Es wird eine Zeitleiste auf einer Pinnwand angelegt und zu jedem Problembereich zu jeder Etappe überlegt, welche Forderungen die Gruppe zur Verwirklichung ihres Zieles hat.

In naher Zukunft 2005/2010

  • Was müsste von Seiten der Umweltpolitik geschehen?
  • Was müsste von Seiten der Unternehmen geschehen?
  • Umweltschutz fängt beim Einzelnen an: Was könnt ihr konkret tun?
  • Die Ergebnisse werden auf verschiedenfarbige Kärtchen geschrieben und unter die Spalten gepinnt.
  • Die Gruppenergebnisse werden vorgestellt und diskutiert.
  • Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten abschließend einen Maßnahmenkatalog, was in der eigenen Schule/Umgebung sofort an Aktionen zur Vermeidung von Verpackung und Abfall umgesetzt werden könnte.
  • Sie sollten dies möglichst in einer "Permanenten Zukunftswerkstatt" verwirklichen.

Es empfiehlt sich, dann eine Phase im Plenum anzuschließen, in der gemeinsam entschieden wird, wer, was, wann, wo, mit welchem Ziel und mit wem umsetzen will, damit die guten Verwirklichungspläne nicht im Schulalltag vergessen werden. Diese Vereinbarungen sollten auf Plakaten aufgeschrieben und in die Ausstellung der Ergebnisse eingefügt werden.

Nachbereitungsphase

Im Verlauf der Werkstatt hat sich der Unterrichtsraum radikal verändert: Die Wände sind reichhaltig ausstaffiert mit den vielfältigen Arbeitsprodukten und geben so ein eindrucksvolles Bild von der geleisteten Arbeit.
Eine abschließende Begehung der Ausstellung soll dazu dienen, den vollzogenen Lernprozess noch einmal im Zusammenhang nachzuvollziehen:

... Erinnern wir uns noch einmal an die Einführungsphase ... an die Kritikpunkte ... Welche Probleme standen im Vordergrund? - Ja, und dann kam die Fantasiephase. Wie erging es euch bei der Zeitreise? ... Welche Ideen kamen dabei, welche Symbole wurden gefunden? ... Wie war die Arbeit in der Gruppe? ... Nun gehen wir weiter zur Verwirklichungsphase ... Welche Visionen wurden zur Verwirklichung vorgenommen? ... Wie war die Präsentation? Für welche Schritte habt ihr euch entschieden? ... Kommt jetzt ins Plenum zurück, wo wir eine kurze Auswertungsphase machen.

  • In einer Auswertungsrunde erhält Jede(r) anhand eines herumgegebenen "Redestiftes" die Chance, sich zu den Stärken und Schwächen der abgelaufenen Zukunftswerkstatt zu äußern. Wer fertig ist, gibt den Stift weiter.
  • Eine andere Möglichkeit: Die Schülerinnen und Schüler können auch zwei Dinge nennen, die sie persönlich aus der Werkstatt mitnehmen und eines, das sie lieber zurücklassen.
  • Abschließend kann jede Schülerin/jeder Schüler einen "Brief an mich selbst" schreiben, indem sie beschreiben, was sie sich vorgenommen haben, in nächster Zeit zu verwirklichen. [/S. 39:]

 

Grundlegende Literatur:

Stiftung Verbraucherinstitut (Hrsg.): "Denken und Handeln für ein ökologisches Europa" "Eine Zukunftswerkstatt", Berlin (Reichpietschufer 74-76, 10785 Berlin).

Jungk, Robert; Müllert, Norbert R. (1989): Zukunftswerkstätten. Mit Fantasie gegen Routine und Resignation. München. Heyne (Nr. 73).

 

Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: arbeiten+lernen/Wirtschaft 7. Jg. (1997) Nr. 25, S. 35-39.
(c) 2001 Ursel Imhof, Buxtehude

Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
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