Rollenspiele

Inhalt

Arbeitsmaterial
Einführung
Durchführung
Auswertung
Spontanrollenspiel
Strukturrollenspiel
Plenarrollenspiele

Rollenspiele verbinden Lebenswirklichkeit mit spielerischem Agieren. Im Rollenspiel werden reale Situationen, Probleme oder Konflikte nachempfunden oder vorausschauend bearbeitet.

Dabei zielt das Rollenspiel auf soziales Lernen das Einstellungen und Verhaltensweisen deutlich werden läßt und Ansatzpunkte für Veränderungen aufzeigt indem spielerisch Realität simuliert wird und ein Probehandeln (das in der Realität ohne Folgen bleibt) stattfindet.

Rollenspiele können dazu beitragen,

  • eigene Verhaltensweisen bewußt zu erleben,
  • Beobachtungsfähigkeit und die Fähigkeit zur sozialen Wahrnehmung zu entwickeln,
  • Konflikte in der Gruppe und in anderen Lebensbereichen darzustellen und zu analysieren,
  • neue Verhaltensweisen einzuüben,
  • den gesellschaftspolitischen Zusammenhang individuell erlebter Probleme bewußt zu machen.

Zur Durchführung von Rollenspielen

Aufwärmphase

  • Spielsituation. Neugier wecken, Problem stellen, Erfahrungen ansprechen, betroffen machen, Rahmen vorgeben, Stellungnahme provozieren, Spontanreaktionen erzielen.
  • Rollenanalyse. Rollen beschreiben, Rollen markieren, Rollen üben: Gestik, Mimik, Sprache usw., Kernsätze erarbeiten, Verlauf fixieren.

Spielphase

  • Rollenzuteilung. Spielrollen, Beobachterrollen, Publikum.
  • Spiel. Die Spielerinnen und Spieler nehmen ihre Rollen an, erleben die Situation und reagieren auf die Reden und Handlungen der anderen so, wie sich ihrer Ansicht nach Menschen in diesen Rollen verhalten würden.

Reflexionsphase

  • Spielkritik. Beobachterinnen und Beobachter berichten. Bewertung der gespielten Rollen. Befragung der Akteure.
  • Rollendistanz. Das Rollenspiel wird in anderer Besetzung wiederholt, der Verlauf des Spiels wird verändert oder die Rahmenbedingungen werden verändert (in einem anderen Land, in einer anderen Zeit).
  • Transfer. Bewußtwerdung, Reflexion und Infragestellung der im Rollenspiel getroffenen Entscheidungen und Handlungsweisen.

Vgl. Xaver Fiederle: Grundkurs Politik. Methoden 1. Rollenspiel. Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg. Stuttgart o. J.


Zur Auswertung

Auf der Rollenebene:

  • Wie haben sich die Einzelpersonen in ihren
    Rollen verhalten (Gestik, Mimik, Sprache)?
  • Wie wurde die Rolle gespielt (engagiert,
    lässig, gar nicht)?
  • Wie fühlten sich die einzelnen Spielerinnen
    und Spieler in ihren Rollen?

Auf der Gruppenebene:

  • Was bedeutet dieses Spiel für die Gruppe?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich daraus
    für die weitere Arbeit der Gruppe?

Auf der Situationsebene:

  • Welche Ziele will (welche wird) die Einzelne
    bzw. der Einzelne erreichen, wenn sie bzw. er sich in der gespieltenWeise verhält?
  • Wie müßte das Verhalten aussehen, um
    zu einem besseren Ziel zu kommen?
  • Welche Alternativen wären denkbar?

Auf der gesellschaftspolitischen Ebene:

  • Welche Vorurteile und Einstellungen gegenüber Personengruppen oder bestimmten Situationen zeigten sich im Spiel?
  • Welche sozialen Mechanismen erkennen Sie?

Vgl. Chr. Arbogast: Rollenspiel. In: R. Feldmann u. a. : Theaterspiel als Methode der Jugendarbeit. Gautinger Protokolle Nr. 5. Gauting 1975, S. 16-19.

Mögliche Schwierigkeiten bei Rollenspielen

  • Hemmungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern; Angst sich zu produzieren.
  • Angst, den Anforderungen der anderen nicht gewachsen zu sein.
  • Angst, sich bloßzustellen bzw. lächerlich zu machen.
  • Mangelnde Hinführung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch zu abrupten Beginn oder fehlende Aufwärmübungen.
  • Zu starres Konzept der Rollenvorgaben läßt zu wenig Spielraum für die spielerische Ausgestaltung.
  • Rollenspiel knüpft nicht an Problemen und Lebenssituationen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Das Rollenspiel wirkt dann leicht gezwungen.
  • Zu enger Zeitrahmen. Gruppe hat den Eindruck, unter Zeitdruck zu arbeiten.
  • Spielleitung greift zu stark steuernd ein.



Spontanrollenspiel

Beim Spontanrollenspiel gibt es nur wenige Vorgaben und einen möglichst großen Gestaltungsraum für die Spielerinnen und Spieler.

Impulsrollenspiel

Die Spielleitung strukturiert die Spielhandlung durch besonders originelle Hinweise, die die eigene Kreativität herausfordern. Der Impuls erfolgt vor dem eigentlichen Spiel.
Beispiele:

  • "Das lasse ich mir nicht gefallen!" (Impuls: Strafzettel).
  • "Ich bin für den Frieden!" (Impuls: Musterungsbescheid).
  • "Baby oder Wohnwagen?" (Impuls: Autoschlüssel, Schnuller).

Überaschungsrollenspiel

Der Impuls erfolgt hier nicht vor, sondern während des Spiels. Der Impuls kann von der Spielleitung oder von einem (instruierten) Mitspieler kommen. Der Impuls sollte so eingebracht werden, daß keine Störung, sondern ein erhöhter Anreiz zu spontanem Spiel gegeben ist.

Beispiel:
Aufregung in einer kleinen Firma: der Chef will einen Vorbestraften einstellen. Mehrere Betriebsangehörige (ca. 5-8) diskutieren die neue Situation und überlegen, wie sie sich verhalten sollen.
Variante A: der Chef kommt plötzlich dazu.
Variante B: der "Neue" kommt plötzlich herein.
Varainte C: einer der Betriebsangehörigen sagt plötzlich: "Was wollt ihr denn, ich habe auch schon einmal gesessen".


Strukturrollenspiel


Beim Strukturrollenspiel ist eine möglichst klare Rollenvorgabe und eindeutige Spielsituation nötig, die aber dennoch genügend Gestaltungsraum läßt.

Situationsanalyse:
Als Einstieg in das Rollenspiel wird die betreffende Problem- und Entscheidungssituation so markiert, daß allen Beteiligten der gesellschaftliche Hintergrund deutlich werden kann.

Rollenanalyse:
Die für das Spiel notwendigen Rollen werden nicht der individuellen Interpretation überlassen wie beim Spontanrollenspiel. Sie werden vielmehr im sozialen Kontext beschrieben: welche Erwartungen von welcher Seite, welche Reaktionen und Sanktionen, welche eigenen Erfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer usw. sind mit der jeweiligen Rolle verbunden? Die Rolleninterpretation kann von einer Kleingruppe ausgearbeitet werden oder auch durch vorgefertigte "Rollenkarten" (auf denen die Rolle detailliert beschrieben ist) erfolgen.
Als weitere Strukturelemente können verschiedene Rollenstrukturen gesehen werden:

Partnerrollenspiele:
Rollenspiel in klassischen Partnerbeziehungen (Ehemann - Ehefrau, Lehrer - Schüler, Chef - Arbeiter usw.).

Gruppenrollenspiele:
Rollenkonflikte in und zwischen Gruppen.

Beispiel:
Eine Gruppe von 8 Preisrichterinnen und Preisrichtern soll den Fernsehpreis des Jahres vergeben. Es sind jeweils die Vertreterinnen und Vertreter von CDU/CSU, SPD, FDP, GRÜNE, Gewerkschaften, Kirchen und ein unabhängiger Künstler. Eine größere Arbeitsgruppe hat eine Vorauswahl getroffen und bietet folgende Vorschläge für die Preisverleihung an:

  • Das aktuelle Sportstudio;
  • Volkstümliche Hitparade;
  • Wetten, daß ?
  • Frontal, ein politisches Magazin;
  • Die Sendung mit der Maus.

Jedes Jury-Mitglied kann diese Liste noch durch einen eigenen Vorschlag ergänzen.

Rollenkarten

Auf Rollenkarten sind einzelne Personen (Spielrollen) beschrieben. Rollenkarten können selbst hergestellt oder in standardisierter Form von verschiedenen Verlagen bezogen werden. Auf Karteikarten (DIN A6) können Rollenkarten Informationen beinhalten über:

  • Name und Beruf
  • Bild einer Person zur persönlichen Interpretation
  • wichtige formale Angaben zur Rolle (Alter, Familienstand, Kinder, Geburtsland usw. )
  • ausführliche biographische Angaben (kurzer Lebenslauf) zur jeweiligen Rolle
  • Informationen zum Kontext der Rolle
  • Informationen über Ansichten und Meinungen


Plenarrollenspiele:

Das Rollenspiel findet mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Zuschauer gibt es nicht.
Merkmale des Plenarrollenspieles sind:
Direkteinstieg:
Ohne Überleitung beginnt die Spielleitung sofort mit der Spielsituation.
Rahmenhandlung:
Die Spielleitung hat seine Spielidee nur grob vorstrukturiert, so daß alle sofort in der Lage sind, ohne zusätzliche Erklärungen mitzuspielen.
Rollenimprovisation:
Außer der notwendigen Vorsitzendenrolle (Spielleitung) sind alle anderen Rollen dem Spielverlauf überlassen und können von der Spielleitung oder den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erfunden werden.
Kollektivrolle:
Alle spielen mit, es gibt keine Zuschauerinnen und Zuschauer oder Beobachterinnen und Beobachter. Die Spielleitung kann Rollen zuteilen oder jede bzw. jeder kann sich eine Rolle nehmen.
Leitregie:
Die Spielleitung bleibt in diesem Rollenspiel der Hauptakteur und muß über Einfühlungsvermögen und schnelle Improvisationsfähigkeit verfügen.

Beispiele
für solche Plenarrollenspiele können z. B. sein: "Mieterversammlung", in der konkrete Anliegen aller Mieter (z. B. Gemeinschaftsanlagen) beraten werden oder: "Betriebsversammlung", bei der z. B. das Thema "Vorsorge vor betriebsbedingten Entlassungen" diskutiert werden soll.

Nach: Xaver Fiederle: Grundkurs Politik. Methoden 1. Rollenspiel. Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg. Stuttgart o. J.



Spielszenen

  • Zwei Skinheads schlagen einen jungen Mann an einer S-Bahn-Haltestelle zusammen. Sie stehen in der Nähe. Wie reagieren Sie?
  • Drei Skinheads steigen in die S-Bahn und schlagen jedem Mann ins Gesicht. Sie sitzen in der vorletzten Reihe. Gleich sind Sie dran.
    Werden Sie sich wehren?
  • Alkoholisierte Jugendliche kippen einen Rollstuhlfahrer aus seinem Rollstuhl.
    Sie hören seine Hilferufe.
  • Jugendliche hetzen Ausländer durch die Stadt.
    Sie beobachten sie von Ihren Wohnungsfenstern aus.
  • Jugendliche werfen Molotowcocktails gegen ein Ausländerwohnheim. Sie erfahren über eine Telefonkette davon.
    Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?

Wie würden Sie reagieren?

"Sie sitzen in einem Zug und bekommen mit, wie ein Vietnamese zusammengeschlagen wird."

48 % Ich versuche, Helfer unter den Mitfahrenden zu finden
17 % Ich ziehe die Notbremse
14 % Ich rede auf den Schläger ein
11 % Ich steige aus
8 % Ich stürze mich auf den Angreifer

Ergebnisse einer Repräsentativbefragung unter 14-29jährigen Deutschen im Sommer 1994.
Spiegel special, 11/1994, S. 67.

"Man dürfte eigentlich nicht so unbeteiligt sein, denn ich finde es schlecht, daß bei uns Ausländer angepöbelt werden. Doch da ich nicht ganz gesund bin, mische ich mich aus Angst nicht ein, wenn Skinheads und andere Gröhler loslegen."
B. D., Sekretärin, jwz, Nr. 28/1994, S. 2.

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