Heike Schmidt
Inhalt
I. Allgemeine Angaben
1. Gegenstand / Lernziele
2. Ablauf
Fabrikspiele
Arbeits- und Freizeitspiele
Reflexion
3. Einsatzmöglichkeiten
II. Spezielle Angaben zur Unterstützung des Ablaufs
Vorbereitung: Zusammenstellung der Materialien [/S. 130-131]
1. Warming up (Erfinder-Boogie) [/S. 131]
2. Von der Müllmusik zum Fabriklärm [/S. 132]
3. Fabrikspiele [/S. 132-134]
4. Arbeits- und Freizeitspiele [/S. 135-136]
SchülerInnenmaterial: Produktionsschema zur Herstellung von Papierbechern [/S. 137]
I. Allgemeine Angaben
1. Gegenstand / Lernziele
Der folgende Simulationsspielezyklus behandelt den Bereich "Arbeit und Freizeit" unter dem Aspekt der "Humanisierung". Für die Lernenden werden im Verlauf der ersten Spielsequenz vier Wege zur Humanisierung von Arbeitsplätzen erfahrbar.
- die Arbeitsplatzerweiterung,
- die Arbeitsplatzbereicherung,
- der Arbeitsplatzwechsel,
- die Gruppenarbeit.
Die SchülerInnen erhalten weiterhin die Möglichkeit
- zu erkennen, daß auch die Freizeit von außen organisiert und dadurch fremdbestimmt sein kann. Sie erleben - quasi "am eigenen Leibe" - die Gefahr, daß die während der Freizeit ausgeführten Tätigkeiten zu einseitig sein können und so den Erholungswert der Freizeit in Frage stellen.
- ihr eigenes Freizeitverhalten zu reflektieren,
- die "bewußte" Gestaltung ihrer Freizeit zu üben.
2. Ablauf
Einer Aufwärmphase durch den "Erfinderboogie " und einem "Müllspiel " zur "Herstellung von Fabriklärm" als Geräuschkulisse für die folgenden Spiele schließen sich Fabrikspiele an.
Fabrikspiele
In den vier Hauptphasen der Spielsequenz wird Arbeit in einer Fabrik simuliert, in der die Lernenden die Aufgabe haben, Becher zu falten. Dabei ändert sich in jeder Phase die Arbeitsorganisation bzw. der Arbeitsinhalt dergestalt, daß eine Veränderung von der Fließbandarbeit zur Arbeitserweiterung, darauf folgend zur Arbeitsbereicherung, anschließend zum Arbeitsplatzwechsel und schließlich zur Gruppenarbeit erlebbar wird. Danach findet ein Reflexionsgespräch statt.
Arbeits- und Freizeitspiele
Der Klassenraum wird in zwei Hälften unterteilt, in denen sich die SchülerInnen je nach Spielregeln bewegen. Durch die Bewegungen werden - zur Musik als bewegungsunterstützendes Element - Tätigkeiten simuliert. Diese entstammen in der ersten Spielphase in der einen Raumhälfte der Arbeitswelt und in der anderen Raumhälfte der Freizeitwelt, wobei sie aber starke Ähnlichkeiten aufweisen können. In der zweiten Phase werden dann zwei mit unterschiedlichen Möglichkeiten ausgestattete selbstbestimmte Freizeitwelten simuliert. Während im ersten Ablauf die Bewegungen aller SchülerInnen von denen einer LeaderIn abhängig sind, können die SchülerInnen in der zweiten Phase selbst bestimmen, ob sie sich führungsfrei bewegen wollen, die Freizeitangebote einer MitschülerIn wahrnehmen oder aber selbst eine Freizeittätigkeit für andere anbieten wollen.
Reflexion
Eine an die Spiele anschließende Gesprächsrunde ist unbedingt erforderlich, bedarf aber aufgrund der eventuell persönlichen Themen der SchülerInnen einen dementsprechend einfühlsamen Rahmen, wie z.B. sitzen in Kreisform, kein Berichtzwang, ausreden lassen und gegenseitige Akzeptanz.
3. Einsatzmöglichkeiten
Die Simulationsspiele wurden für die Sekundarstufe I konzipiert, sie sind jedoch ebenso im Primarstufenbereich durchführbar. Die beiden Spielsequenzen sind so angelegt, daß sie auch einzeln im Unterricht eingesetzt werden können. Für die Fabrikspiele sollte eine Doppelstunde angesetzt werden. Bei jüngeren SchülerInnen, die z.B. noch mehr Zeit in Experimentierphasen, bei Gruppengesprächen und beim Vorgehen nach Arbeitspapieren benötigen, kann für diese erste Spielsequenz eine Unterrichtsstunde mehr notwendig sein. Für die Arbeits- und Freizeitspiele ist eine Unterrichtsstunde erforderlich. Ferner sollte bei beiden Einheiten berücksichtigt werden, daß für die "Umgestaltung des Klassenraumes" Zeit benötigt wird. [/S. 130:]
II. Spezielle Angaben zur Unterstützung des Ablaufs
Vorbereitung: Zusammenstellung der Materialien
Erfinder-Boogie | Materialien für das Müllspiel |
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Weiterhin sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, denn viele Materialien, die üblicherweise als Müll bezeichnet werden, eignen sich hervorragend als Klangmaterialien. Der für das Spiel eingesetzte Müll kann entweder von der Lehrkraft gestellt oder von den SchülerInnen zu Hause gesammelt werden. |
Fabrikspiel | Arbeit- und Freizeitspiel | |
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Materialien - allgemein | Materialien je Gruppe | Materialien - allgemein |
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in den späteren Phasen:
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Arbeits - und Freizeitspiele | |
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Lose für Arbeitstätigkeiten | Lose für Freizeittätigkeiten |
Briefe austrägen (zu Fuß) | Spazieren gehen |
Essen austrägen (in einem gut besuchten Restaurant) | joggen |
Kontrollgang über das Firmengelände | Schaufensterbummel |
nach dem Wechsel | |
Monitor betrachten | fernsehen |
Maschinen überwachen | Computerspiele machen |
Akten sichten | lesen |
1. Warming up (Erfinder-Boogie)
Phase | Lernziele | Material | Spielschritte |
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Aufwärmphase | Kassettenrecorder mit Bewegungsmusik | Die SchülerInnen sitzen im Kreis.. Sie stellen
zur Musik Arbeitstätigkeiten dar. Eine Person macht eine Tätigkeit vor, die anderen machen diese nach. Zeigt die erste Person auf eine andere, so muß diese eine Tätigkeit erfinden etc. Die LehrerIn spielt mit. |
2. Von der Müllmusik zum Fabriklärm
Phase | Lernziele | Material | Spielschritte |
---|---|---|---|
2.1 Kennenlernen des Materials |
Müll, der in der Mitte des Stuhkreises ausgelegt wird | Die SchülerInnen
| |
2.2 Darstellung von Fabriklärm |
Diese Spielsequenz dient dazu, erste Erfahrungen mit einer Form der Streßbelastung am Arbeitsplatz (mit Lärm) zu machen, und sie schafft eine akustische Grundlage für die folgenden Spiele. | siehe 2.1 | Die Spielregel ist mit der des Erfinder-Boogies zu vergleichen:
Die LehrerIn nimmt diesen Lärm mit zwei Kassettenrecordern auf und spielt weiterhin mit. |
3. Fabrikspiele
Phase | Lernziele | Material | Spielschritte |
---|---|---|---|
3.1 Fließbandarbeit |
Die SchülerInnen sollen selbst erfahren, wie monoton und anstrengend diese einseitige Belastung sein kann. Auf der einen Seite können sie durchleben, wie durch die Einseitigkeit und Reizarmut Gefühle von Müdigkeit und Unterforderung entstehen, obwohl auf der anderen Seite körperliche Verspannung und Streß durch Leistungsdruck und Lärm etc. vorhanden sind. Es soll ein Bedürfnis zur Änderung und zum Ausgleich aufgebaut werden. |
Je Gruppe
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Die LehrerIn als Aufseherin
Die SchülerInnen
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3.2 Arbeits-erweiterung |
Die SchülerInnen sollen erleben, daß diese Arbeitsform zwar zunächst durch die Übernahme weiterer Aufgaben höhere Anforderungen stellt und damit scheinbar anspruchsvoller wird, doch das nach kurzer Einarbeitung kaum Unterschied zum ersten Spiel zu finden ist. Die geringere Lärmbelästigung vermag zwar den Arbeitsplatz zu humanisieren, doch werden die ArbeiterInnen auch durch geringeren Lärm weiterhin physisch und psychisch belastet. | s.o. Tabelle mit neuer Arbeitseinteilung |
Die SchülerInnen erstellen nun immer zu je 2 SchülerInnen mit 3 Handgriffen einen Becher. Die Produktionsdauer beträgt 5 Minuten. Der Fabriklärm ist geringer. Die LehrerIn hat dieselben Aufgaben wie in der Runde zuvor. (Achtung: Zeit- und Lautstärkenveränderung! Neue Arbeitseinteilung!) |
3.3 Arbeits-bereicherung |
Die SchülerInnen werden erleben, daß die Arbeit durch die weiteren Arbeitsschritte anspruchsvoller sowie durch die Herstellung von Spielmaterialien motivierender wird. Die Vermeidung des Lärms und die damit einhergehende Möglichkeit zur Wiederherstellung der Kommunikation stellt eine weitere Humanisierungsmöglichkeit am Arbeitsplatz dar. | s.o.
|
Die SchülerInnen
Die LehrerIn als Aufseherin hat die gleichen Aufgaben wie 3.1. (Achtung: Zeit- und Lautstärkenveränderung! Neue Arbeitseinteilung) |
3.4 Arbeits-platz-wechsel |
Die SchülerInnen können erleben, daß der ständige Wechsel der Tätigkeiten zwar zunächst verwirrend und stresserhöhend sein kann, aber daß sie mehr Abwechslung erhalten. Als weiterer "Abwechslungsfaktor" ist das bunte Papier anzusehen. | s.o.
|
Dieses Spiel verläuft wie 3.3, Die SchülerInnen dürfen jedoch nach 3 Minuten Arbeitszeit einen Arbeitsplatz weiterrücken. Hierzu rückt die SchülerIn vom 1. Arbeitsplatz auf den 2. etc. Die Gesamtdauer beträgt 12 Minuten. Die LehrerIn als Aufseherin hat die gleichen Aufgaben wie 3.1. (Achtung: Bekanntgabe des Arbeitsplatzwechsels alle 3 Minuten durch ein akustisches Signal). |
3.5 Gruppenarbeit |
Die SchülerInnen können so im Rahmen der Kleingruppe schon einmal Vor- und Nachteile einzelner Arbeitsformen reflektieren. Sie können dabei erfahren, daß es zwar nicht einfach ist, einen Produktionsablauf selbst zu organisieren, daß es aber so möglich wird, die eigenen Bedürfnisse besser zu berücksichtigen und sich weniger fremdbestimmt zu fühlen. | s.o. | Die SchülerInnen
Die LehrerIn als Aufseherin hat dieselben Aufgaben wie 3.1. (Achtung: Qualitätskontrolle?) |
3.6 Reflexion |
Die SchülerInnen haben einzelne Möglichkeiten der Humanisierung durchlebt und können sie benennen sowie deren Probleme reflektieren. Die hierbei erlebten Gefühle zu äußern ist sehr wichtig und bildet die Grundlage zum Verständnis der Vor- und Nachteile einzelner Organisationsformen. | s.o. | Anregungen zur Plenumsdiskussion:
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4. Arbeits- und Freizeitspiele
Phase | Lernziele | Material | Spielschritte |
---|---|---|---|
4.1 Verhältnis Arbeit - Freizeit |
Sowohl bei der Arbeit als auch bei der Freizeit kann es "AnführerInnen" geben. Diese bieten Orientierungsmöglichkeiten, können aber auch einengend wirken und im Freizeitbereich sogar manipulierend sein. Die SchülerInnen sollen erkennen, daß in diesem Spiel Arbeitsbereich und Freizeitbereich parallel gestaltet sind und in dieser Art der Freizeitorganisation die Gefahr der Einseitigkeit und damit die des Ausgleichverlustes gegeben ist, denn nicht nur die starke Organisiertheit und Strukturiertheit, sondern auch einige Bewegungen und Tätigkeiten der einzelnen Bereiche sind sich sehr ähnlich (Die Lose zeigen in beiden Bereichen ähnliche Bewegungsmuster). Die SchülerInnen erfahren, daß Arbeit und Freizeit nicht beliebig sind, sondern eingeteilt werden. |
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Die LehrerIn als "Meisterin" sorgt für die Verteilung der Materialien und die Einhaltung des Ablaufs. Sie unterteilt die Klasse in zwei Hälften, den Arbeits- und Freizeitbereich und erinnert mit einem akustischen Signal an den Wechsel der Tätigkeit. Die SchülerInnen teilen sich in die zwei Gruppen Arbeit und Freizeit auf und begeben sich in die entsprechende Raumhälfte. Jede Gruppe bestimmt eine LeaderIn, die mit der Kopfbedeckung der jeweiligen Gruppe gekennzeichnet wird. Beide LeaderInnen ziehen ein Los, führen die darauf benannte Tätigkeit aus und alle anderen SchülerInnen der Gruppe machen diese 5 Minuten lang nach. (Die LeaderIn der Freizeithälfte darf jedoch innerhalb dieser Zeit ein weiteres Los ziehen.) Die LehrerIn gibt durch das akustische Signal den Wechsel der Raumhälften an und vergibt den zweiten Teil der Lose. Die SchülerInnen wechseln auf ein akustisches Signal die Raumhälften. Die LeaderInnen der jeweiligen Gruppen bestimmen dann eine neue LeaderIn, indem sie ihre Kopfbedeckungen (bzw. auch das Schild) abgeben. Beide LeaderInnen ziehen ein neues Los und führen dazu passende Bewegungen aus. |
4.2 Selbstbestimmte Freizeitgestaltung |
Die SchülerInnen lernen, daß jeder auch ohne Anregungen von außen seine Freizeit sinnvoll nutzen können sollte, wobei auch die Erholungsphase durch "Nichtstun" eine sinnvolle Beschäftigung sein kann wie im Freizeitbereich 2. Andererseits gibt auch der Freizeitbereich 1 die Möglichkeit zur selbstbestimmten und aktiven Tätigkeit, wenn die Bereitschaft zur Eigeninitiative vorhanden ist und man sich nicht von den AnimateurInnen abhängig macht. Ebenso sinnvoll kann es aber sein, mit anderen zusammen etwas zu "unternehmen", Vorschläge anzubieten und anzunehmen. Die Lernenden können so üben, bewußt ihre Freizeitbeschäftigung zu wählen. Jede Person sollte fähig sein, in seiner Freizeit für sich und andere verantwortlich und kreativ zu sein. |
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Die LehrerIn als "Meisterin" sorgt für die Verteilung der Materialien und die Einhaltung des Ablaufs. Die SchülerInnen denken sich eine Freizeittätigkeit aus, die ihnen Spaß macht. Sie schreiben diese auf eine Pappe mit Band. Jede SchülerIn darf sich zu Beginn der neuen Spielphase ihr Spielfeld aussuchen. Im Gegensatz zu der vorherigen Phase unterteilen sich die Spielfelder nun in zwei Freizeithälften mit unterschiedlichen Möglichkeiten:
Anmerkung: Es kann bei beiden Spielen lustig und zur Bearbeitung sinnvoll sein, bei der Nachahmung der Bewegung der LeaderIn zu raten, welche Tätigkeiten eigentlich durchgeführt werden. |
4.3 Plenumsgespräch |
Die SchülerInnen sollen ihr Freizeitverhalten (durch die im Spiel und Gespräch gegebene Möglichkeit zur Selbstreflexion) kennenlernen. | SchülerInnen und LehrerIn reflektieren über ihre Erfahrungen im Arbeits- und Freizeitbereich, insbesondere auch über das Verhältnis von Selbst- und Fremdbestimmung, deren Chancen und Grenzen (vgl. Lernziele 4.1 - 4.2) |
SchülerInnenmaterial: Produktionsschema zur Herstellung von Papierbechern
Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Steinmann,
Bodo; Weber, Birgit (Hg.) (1995): Handlungsorientierte Methoden in der Ökonomie.
Neusäß: Kieser, S. 129-137.
(c) 1995 Kieser Verlag, Neusäß
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals
in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
sowi-online dankt dem Kieser
Verlag und der Verfasserin für die freundliche Genehmigung zum "Nachdruck"
dieses Textes im Internet.
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