- Zielsetzung
- Ablauf der Methode
- Forschungsstand
- Auswahl der Inhalte für die Problemstudie
- Pro und Contra in der Anwendung
- Beispielthemen/-skizze für ein Umsetzungsbeispiel
- Literatur und Hinweise zu Unterrichtsmaterialien
1. Zielsetzung
Die Problemstudie als Methode des gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichts wurde maßgeblich von Wolfgang Hilligen entwickelt. Bei dem Ansatz der Problemorientierung und der dazugehörenden Methode der Problemstudie geht es darum, „(…) durch die Bearbeitung konkreter Probleme das Politische verstehbarer und evtl. handhabbarer (…) [zu machen]“ (Reinhardt 2009, S.95). Der Lehrlernmethode Problemstudie liegt das politikdidaktische Prinzip der Problemorientierung zu Grunde. Im Unterricht sollen gesellschaftliche Probleme behandelt werden, die ursprünglich ausgehend von Klafki exemplarisch für weltweite fundamentale oder existentielle Probleme (Schlüsselprobleme) stehen, wie z. B. Umweltzerstörung (Engartner 2010, S.99f & 103-105; Reinhardt 2009, S. 95; Breit 2005, S. 116f; Gagel 2005, S.300ff). Zentral für diesen Ansatz ist, dass zum vermeintlich objektiven Problem ein subjektiver Bezug der Lernenden erstellt werden muss (vgl. Hilligen 1985/2011, S. 122f; Breit 2005, S. 109; Reinhardt 2009, S. 95f). „Aufgrund der Dringlichkeit und der Unerträglichkeit des Problems werden die Schüler*innen dazu herausgefordert, sich produktiv und kreativ mit verschiedenen Möglichkeiten der Diskussion von Problemlösungsansätzen auseinanderzusetzen“(Hoppe 2007, S. 54).
2. Ablauf der Methode
Hilligens Ansatz der Problemorientierung beruht auf einem methodischen Dreischritt: Sehen-Beurteilen-Handeln. Ausgehend vom diesem „methodischen Dreischritt hat Walter Gagel die Durchführung der Problemstudie in fünf Phasen eingeteilt. Reinhardt hat diese übernommen und um einen weiteren, letzten Schritt der „Stellungnahme der Lernenden“ ergänzt (siehe unten).
Ablauf der Problemstudie nach Reinhardt ( 2009, S. 99):
- Definition (Worin besteht das Problem?): „In dieser Phase wird (…) im Prozess der Gruppenarbeit das Problem definiert.“
- Ursachen (Wie ist das Problem entstanden?): „In der Regel gehen die Arbeitsgruppen auf offensichtliche Ursachen ein, benennen also keine strukturellen oder historischen Hintergründe.“
- Interessen (Wessen Interessen werden durch das Problem berührt?): „Hier können sowohl individuelle als gruppeninteressen, bewusste und unbewusste Interessen, subjektive (manifeste) Interessen und „wahre“ (Aufgeklärte) Interessen angeführt werden.“
- Lösungen (Welche „Lösungen“ des Problems sind denkbar?): „Da perfekte Lösungen nicht realistisch sind Illusionen von Politik fördern würden, sollte konsequent der Begriff in Anführungszeichen gesetzt werden.“
- Konsequenzen (Welche Bedeutung haben die „Lösungen“ für …?): „Die unterschiedlichen Antworten auf das Problem haben Konsequenzen für manchmal viele direkt und indirekt Betroffene und Beteiligte. Hier gilt es den Folgen der „Lösungen“ nachzugehen, damit Konsequenzen nicht erst durch Ausprobieren erfahren werden müssen.“
- Entscheidung (Wo stehe ich/wo stehen wir?): „Aus der Arbeit an dem Problem kann eine Beurteilung des Problems entstehen, die nicht mehr nur unbewusst – z.B. über die Ursachenzuschreibung – Stellung bezieht, sondern die die Problemstudie zuspitzt und zusammenfasst.“
3. Forschungsstand
Laut Hilligen hat die Problemorientierung nicht den Anspruch, abfragbares Faktenwissen zu vermitteln. Es geht vielmehr darum, die Lernenden zu befähigen, inhaltlich ein gesellschaftliches Problem zu erschließen, sodass sie in der Lage sind, die politischen, sozialen und ökonomischen Ursachen, politischen Interessen und Zusammenhängen zu analysieren, zu erkennen und zu beurteilen, um politische und individuelle Handlungsstrategien zur Bewältigung des Problems entwickeln zu können (vgl. Hilligen 1985/2011, S. 120). Bei der Problemstudie erkennen die Schüler*innen, dass sie ohne Informationsverarbeitung das Problem nicht erfassen und Problemlösungsansätze entwickeln können (Breit 2005, S. 110). Die Bereitschaft zur selbstständigen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand soll gefördert werden, was zu einem nachhaltigeren Lernen führt. Der Anspruch, dass Lernende gesellschaftliche Probleme lösen sollen ist kontrovers. Erstens, weil es sie überfordern könnte, wenn die Lernenden das für die Bearbeitung des jeweiligen Problems nötige (Vor-)Wissen nicht haben (Goll 2014, S.262). Zweitens, weil sie ein verkürztes Politikverständnis gewinnen können, wenn sie innerhalb weniger Stunden für ein gesellschaftliches Schlüsselproblem eine Lösungen finden, wozu die Politik nicht in der Lage ist. Drittens, sind gesellschaftliche Probleme so definiert, dass sie aufgrund ihrer Komplexität kaum gelöst werden können (siehe Hilligen und Abgrenzung zu Konflikt bei Giesecke).
Dennoch hat der Anspruch der Problemlösung seine Berechtigung, weil die politischen Akteure und auch die Lernenden Teil der Problemlösung sind, denn die Achtung der Menschenwürde, Umweltschutz muss von jedem einzelnen Bürger*in geleistet werden. Zudem können die Lernenden ein Verständnis dafür entwickeln, dass Problemlösung in einen Demokratie, in die Interessen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen berücksichtigt werden, komplexer ist als in autoritativen Staaten. Die gezielte unterrichtsbegleitende Vermittlung von (Hintergrund-)Informationen reduziert die Komplexität und macht den problemorientierten Unterricht zugänglicher und somit handhabbarer.
4. Auswahl der Inhalte für die Problemstudie
Probleme sind i.d.R. nie objektiv gegeben, sondern werden erst durch die Aushandlung und Anerkennung von Gruppen zu einem Problem (Engartner 2010, S. 99f, 103). Die Auswahl der Unterrichtsinhalte, also des zu behandelnden politischen Problems, muss so gewählt werden, dass es sich zum einen um ein aktuell dringendes Problem (Dringlichkeit) handelt, was gesellschaftlich und politisch gelöst werden muss und zum anderen muss der konstruktive Ausgang des Problem ungewiss (Ungewissheit) sein, sodass neue Lösungen gesucht werden müssen, da es von vornerein keine klaren Lösungswege gibt (Engartner 2010, S. 101). Hilligen hat fünf Problemfelder als mögliche Lerngegenstände angeben. 1989 hat Wolfgang Sander angelehnt an Hilligens Problemfeldern und an Klafkis Katalog von Schlüsselproblemen sieben Schlüsselprobleme definiert, die übergeordnet für das konkrete im Unterricht zu behandelnde Problem stehen sollten: Umweltkrise, Friedensfrage, Ungleichheit, Demokratie in komplexen Gesellschaften, Gefahren und Chancen der technologischen Entwicklung, Entwicklung von Subjektivität in Ich-Du-Beziehungen und Entwicklung von überinternationalen politischen Strukturen (Breit 2005, S. 116f; Engartner 2010, S. 103-105; Gagel 2005, S.300ff). Schlüsselprobleme sind nicht naturgegeben, sondern veränderbar (Reinhardt 2009, S. 95; Engartner 2010, S. 99f, 104). Sie sind abhängig von den politisch-gesellschaftlichen und den jeweiligen zeitlichen Einflüssen, sodass heute z. B. auch Terrorismus, Migration und Flucht sowie Globalisierung zu den Schlüsselproblemen gezählt werden können. Im Anschluss werden noch Argumente aufgeführt, die den Einsatz der Problemstudie in Lehrlernprozessen abwägen.
5. Pro und Contra in der Anwendung
Pro:
- Problemorientierung stellt Betroffenheit und Bedeutsamkeit bei den Lernenden her und berücksichtigt damit im Sinne Schmiederers Ansatz der Schülerorientierung die Sozialerfahrung, die Lebensrealität, Bedürfnisse und Interessen der Lernenden. Es Unterscheidet sich u.a. auch damit vom reinem „stofforientiertem Unterricht“, da in der Problemorientierung die Aneignung von Wissen Mittel zum Zweck ist und dies zu einem nachhaltigerem und problemlösendem Denken und Lernen führt (Schmiederer 1977, S. 118).
- Da Lösungswege nicht vorgegeben werden, können die Lernenden sich mehr einbringen und gestaltender Teil der Unterrichtsreihe werden.
- Problemlösendes Denken kann die Neugierde der Lernenden wecken und kann diese anregen, aktiv zu werden und begründete, umsetzbare politische Lösungsmöglichkeiten zu suchen (Breit 2005, S. 109; Sander 2008, S.194).
- Im Unterricht werden exemplarisch konkrete Themen behandelt die für existentielle Probleme in der Gesellschaft stehen.
Contra:
- Ähnlich wie in der Konfliktanalyse gehe manche Interessen (-gruppen) unter, da sie in den Materialien nicht genannt werden (Reinhardt 2009, S. 103). Unabhängig von der Wahl der didaktischen Prinzipien können im Unterricht nie alle Positionen bzw. Interessen dargestellt werden. Entscheidend ist, dass man im Sinne des Beutelsbacher Konsens unterschiedliche kontroverse Positionen und Interessen deutlich macht.
- Wenn es nicht gelingt Betroffenheit und Bedeutsamkeit herzustellen, werden die Schüler*innen sich nicht kritisch und vor allem interessiert mit dem Unterrichtsgegenstand beschäftigen.
- Wenn Probleme angesprochen werden, die die (intime) Lebenswelt der Lernenden betreffen, können einige Schüler*innen abblocken.
- Damit die Lernenden ein forschendes Interesse entwickeln dürfen Lösungswege nicht vorgegeben werden.
- Ohne entsprechende (evtl. unterrichtsbegleitende) Wissensaneignung können Lernende bei der Bearbeitung des Problems überfordert werden.
6. Beispielthemen/-skizze für ein Umsetzungsbeispiel
7. Literatur und Hinweise zu Unterrichtsmaterialien
- Breit, G. (2005): Problemorientierung. In: Sander, W. (Hrsg.) (2005): Handbuch politische Bildung
- Engartner, T. (2010): Didaktik des Ökonomie- und Politikunterrichts
- Gagel, W. (2005): Geschichte der politischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1989
- Didaktischer Koffer (2015): http://www.zsb.uni-halle.de/archiv/didaktischer-koffer/unterrichtsreihen/ [Stand: 03.05.16]
- Goll, T. (2014): Problemorientierung. In: Sander, W. (2014): Handbuch politischer Bildung
- Hilligen, W. (1985/2011): Zur Didaktik des politischen Unterrichts. In: May, M./Schattschneider,, J. (2011): Klassiker der Politikdidaktik neu gelesen. Originale und Kommentare. Schwalbach/Ts
- Hoppe, H. (2007): Problemstudie. In: Reinhardt, S./Richter, D. (Hrsg.): Politik Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II
- Reinhardt, S. (2009): Politik Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II
- Sander, W. (2008): Politik entdecken- Freiheit leben. Didaktische Grundlagen politischer Bildung
- Schmiederer, R. (1977): Politische Bildung im Interesse der Schüler
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