Planung und Durchführung von Rollen- und Planspielen im Wirtschaftslehreunterricht

Heribert Völler

Inhalt

  1. Rollen- und Planspieloptionen
    1. Determinanten von Rollenspiel
    2. Determinanten von Planspiel
  2. Vorbereitung auf die Rollen- und Planspiele
  3. Hinweise zur Organisation und Durchführung eines Rollen- oder Planspiels
    1. Phasen des Rollenspiels
    2. Phasen des Planspiels
    3. Einige Auswertungshinweise für das Planspiel

Anmerkungen

1. Rollen- und Planspieloptionen

1.1 Determinanten von Rollenspiel

Je nachdem, wie gesellschaftliche Wirklichkeit interpretiert wird, kommt man zu einem anderen Verständnis dessen, was Rolle ist und damit auch zu einer anderen Art Rollenspiel. Um welche Art Rollenspiel es sich in einem kommunikativen-handlungsorientierten Unterricht handelt, wird erst nach einer kurzen Darstellung der verschiedenen Rollentheorien deutlich.

Das konventionelle Rollenkonzept, deren wichtigste Vertreter Parson und Dahrendorf (1) sind, geht davon aus, "dass es für den Zusammenhalt einer Gesellschaft und für ihren Fortbestand nötig ist, die Kooperation innerhalb und zwischen verschiedenen Gruppen ihrer Mitglieder zu sichern." (2) Erfolgreiches Rollenhandeln des Individuums ist dann möglich, wenn u. a. folgende Bedingungen (3) vorliegen:

  1. Rollen enthalten in ihrer Definition eindeutige Verhaltensanweisungen, wenigstens für die zentralen Tätigkeitsbereiche.
  2. Die Handlungen der Rollenpartner sind komplementär zueinander und die gegenseitigem Erwartungen stimmen miteinander überein.
  3. Es wird unterstellt, dass sich das Individuum nur an jeweils einer Rolle orientiert.
  4. Die individualisierten Bedürfnisse der Handelnden entsprechen der institutionalisierten Wertvorstellung der Gesellschaft. Von einem gelungenem Sozialisationsprozess ist dann zu sprechen, wenn Rollennormen und Bedürfnisdispositionen übereinstimmen.

Ein Rollenspielkonzept, das von einer solchen Rollentheorie ausgeht, muss deshalb gewährleisten, dass die Schüler Gelegenheit haben, die Erwartungen, die sie erfüllen sollen, zu erlernen. Über das Rollenspiel werden soziale Vorgänge und Verhaltensweisen vorweggenommen und eingeübt, und die Schüler lernen im Spiel die in der Gesellschaft bestehenden Normen kennen. So schreibt z. B. Shaftel und Shaftel: "Rollenspiel ist das spontane Üben von Rollen zur Einübung des Verhaltens, das in bestimmten kulturellen Situationen erforderlich ist." (4) Ergebnis dieser Rollenspiele wäre, "dass die Schüler sich in den Rollen, die sie im Alltag in den verschiedenen Situationen einnehmen, besser zurechtzufinden und sicherer agieren." (5) Die Gefahr eines so verstandenen Rollenspielkonzepts kann darin liegen, dass Schüler das Rollenverhalten nur als ein Erfüllen normativer Erwartungen verstehen und das Verhalten innerhalb einer Rolle verabsolutieren. Rollennormen werden rigide definiert und als nicht veränderbar erfahren. "Für Spontaneität, Kreativität und Individualität scheint nach diesem Rollenkonzept kein Platz mehr vorhanden zu sein." (6) So gesehen, kann diese Rollentheorie direkt oder indirekt dazu dienen, "Schüler zur Anpassung, zur kritiklosen Übernahme vorgegebener Verhältnisse zu erziehen." (7)

Das interaktionistische Rollenkonzept, deren wichtigste Vertreter Krappmann und Goffmann (8) sind, geht von der Tatsache aus, dass Rollenhandeln in unserer Gesellschaft viel komplexer und differenzierter ist als die konventionelle Rollentheorie darstellt, und dass Rollen, die sich in Verhaltenserwartungen niederschlagen, nicht von vornherein eindeutig festgelegt sind. Rollennormen sind grundsätzlich interpretationsbedürftig.

Rollenhandeln wird hier als Fähigkeit bezeichnet, zwischen den Rollenerwartungen der Interaktionspartner und den eigenen Rolleninterpretationen zu balancieren. (9) Für das Rollenspiel bedeutet dieses interaktionistische Rollenkonzept, dass der Schüler Gelegenheit bekommt, neue Verhaltesweisen zu entwerfen. Dabei erfährt er die Veränderbarkeit von Rollenvorstellungen und lernt, bestehende Rollennormen in Frage zu stellen. So z. B. müsste in der Reflexion über das durchgeführte Rollenspiel infrage gestellt werden, aus welchem Grund Schüler X seine Rolle so aufgefasst hat und nicht anders. [/S. 23:]

Oder es muss gezeigt werden, dass ein bestimmtes Verhalten erklärbar, aber dennoch nicht das einzig mögliche ist.

An dieser interaktionistischen Rollenkonzeption ist hauptsächlich zu kritisieren, "dass die Illusion vermittelt, individuell als Rollen- und Sprachstrukturen ausbrechen zu können, ohne dass die Abhängigkeit des Rollenverhaltens und damit auch jeder Veränderung von den sozioökonomischen Verhältnissen reflektiert wird." (10)

Demgegenüber betont die materialistische Rollentheorie die Korrelation von Rollenhandeln und gesellschaftlicher Totalität. Das heißt: Schüler müssen lernen gesellschaftliche Antagonismen "nicht als interpersonelle Konflikte, sondern als strukturell bedingte Gegensätze (zu) sehen ..., soziale Prozesse als historisch bedingt und gestaltbar anzusehen und gesellschaftliche Ordnungen und Institutionen als an gesellschaftlichen Interessen orientiert, von Menschen geschaffene und deshalb durch politische Praxis veränderbar zu begreifen." (11)

Welche Forderungen sind nun aus der Beschreibung und Kritik der verschiedenen Rollenkonzepte zu ziehen? Wenn unter sozialer Kompetenz die Möglichkeit des Schülers verstanden wird, Handlungsintentionen neu zu entwickeln und Handlungsstrategien kennenzulernen und neue zu entwerfen, ohne jedoch die Abhängigkeit von der gesellschaftlichen Realität zu negieren, dann leitet sich ein emanzipatives Rollenspiel aus der Synthese von interaktionistischer und materialistischer Rollentheorie ab. Konkret für den Unterricht kann das u.a. heißen:

  1. Reflexion über das im Rollenspiel gezeigt Verhalten.
    Zu fragen ist z.B.:
    • Hat der Schüler X die typische Rolle eines Arbeitgebers oder Gewerkschaftlers gespielt?
    • Sind Abweichungen von der normierten Rolle festzustellen?
    • Von welcher Bedingung war das gezeigte Verhalten abhängig (Angst, Macht usw.)?
    • Hätte das Rollenspiel auch so in der Realität stattfinden können?
    • Welche Verhaltensalternativen wären möglich?
  2. Herausstellen der gesamtgesellschaftlichen Dimension.
    Zu fragen ist z.B.:
    • Hat das Rollenspiel nur eine Scheinlösung vermittelt oder sind die tatsächlichen, vielleicht unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht lösbaren, Widersprüche angedeckt worden?
    • In welchem konkreten gesellschaftlichen Zusammenhang ist der im Rollenspiel gespielte Konflikt zu sehen?
    • Was haben wir allgemein durch dieses Rollenspiel gelernt?

1.2 Determinanten von Planspiel

Die Strukturelemente des Planspiels lassen sich durch zwei Bestandteile beschreiben:

  • Die Spielkomponente: Sie bestimmt die Entscheidungsmöglichkeiten der Spieler im Rahmen bestimmter allgemein akzeptierter Grenzen bzw. Regeln.
  • Die Modellkomponente: Sie versucht die Situation des wirklichen Lebens in einem vereinfachten Modell wiederzugeben, in dem sie versucht, die vielschichtigen, komplexen, betriebs- und gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge durch eine Reduktion auf das Wesentliche durchschaubarer und verstehbar zu machen.

Nicht jedes Thema eignet sich für die Konstruktion eines Planspiels. Die Determinanten von Planspieloptionen sind:

  1. Mehrere Interessengruppen sind vorhanden (z.B. zweiseitiges Rechtsgeschäft).
  2. Die Interessengruppen treten in einen kommunikativen Prozess.
  3. Eine konfliktträchtige Situation bzw. Problemstellung liegt vor.
  4. Die Konflikte können zwischen den Spielgruppen angelegt sein, indem diese unterschiedliche Interessen vertreten, aber auch innerhalb des Entscheidungsbereiches einzelner Gruppen, wenn die Gruppe mehrere Ziele verfolgt und ein Zielkonflikt vorliegt.
  5. Es liegt eine entscheidungsorientierte Blickrichtung vor. [/S. 24:]
  6. Die Situation bzw. die Problemstellung ist kein einmaliger Vorgang, der keine Erweiterungsmöglichkeit lässt (Komplexität, exemplarisch).
  7. Die Planspielidee muss in das inhaltliche und methodische Unterrichtsgefüge integrierbar sein.
  8. Die Lernzielinhalte können von den Schülern selbst oder aus Lernbüchern und andere Informationsmaterialien erarbeitet werden.
  9. Der Ablauf des Geschehens lässt sich in mehreren Perioden (Spielzüge) simulieren.
  10. Jede Periode führt zu einer Auswahl von Entscheidungsalternativen und zu neuen Ergebnissen innerhalb der Interaktion der einzelnen Planspielgruppen.
  11. Die neuen Ergebnisse führen zu einer Entscheidungssituation in der folgenden Periode.
  12. Mehrere Lernziele lassen sich miteinander vernetzen (fächer- und lehrgangsübergreifend).
  13. Es sollen Gewinn- und Erfolgskriterien aufgestellt werden. Der ökonomische Erfolg (z.B. Gewinn) ist aber nicht das einzige Erfolgskriterium.

Bei einem computergestützten Planspiel spielt der Computer und die auf das Planspiel abgestimmte Software eine zentrale Rolle. Die Simulation der betrieblichen Wirklichkeit und die Simulation unternehmerischer Entscheidungen erfolgt mit Hilfe des Computers. Die einzelnen Planspielgruppen nutzen den Rechner als Planungsinstument, zur Dokumentation ihrer Entscheidungen sowie als Datenbank. Die Kommunikation zwischen den einzelnen Spielgruppen und der Spielleitung findet oftmals, soweit das Programm mehrbenutzerfähig ist, über den Computer statt, d.h., Nachrichten und Spielzüge werden elektronisch gespeichert und verschickt. Der Spielleitung dient der Rechner als Auswertungshilfe. Die qualitative Auswertung z.B. in Form von Spielzugmatrizen, Blockdiagrammen und grafischen Übersichten über den Spielverlauf kann automatisch abgerufen werden.

Computerintegrierte Planspiele, wie sie in der vorliegenden Reihe vorliegen, (12) kommen prinzipiell ohne Computer und entsprechender Software aus. Anwenderprogramme wie z.B. Text- oder Tabellenkalkulationsprogramme können jedoch zur Erleichterung bei der Entscheidungsvorbereitung und Auswertung genutzt werden.

Die Vorteile von computergestützten Planspielversionen gegenüber schriftlichen Planspielen ohne Rechnerunterstätzung liegen in der Zeitersparnis bei der Erstellung und Weiterleitung der Spielzüge und Nachrichten (kein Vervielfältigen, kein Abheften, keine Arbeitsbelastung der Spielleitung durch Briefträgerfunktion) während des Spiels. Ebenso ist die Auswertung für die Spielleitung einfacher, wenn das Planspiel in kompakter Form gespielt und hauptsächlich durch quantitative Erfolgskriterien bestimmt wird.

Demgegenüber stellt sich die Frage, "welche Erkenntnisse auf der durch den Einsatz des Computers eingeführten doppelten Abstraktionsebene gewonnen werden können und ob die solchermaßen gewonnenen Erfahrungen auf konkrete Situationen transferiert werden können." (13)

Ebenso ist zu bezweifeln, ob computerunterstützte Planspiele tatsächlich zu einer Zeitersparnis im gesamten Unterrichtsprozess führen. Obwohl die Softwareindustrie seit Jahren behauptet benutzerfreundliche Systeme zu entwickeln, die eine umfangreiche Einarbeitung erübrigen, sieht die Realität meist anders aus. (14)

2. Vorbereitung auf die Rollen- und Planspiele

Rollen- und Planspiele können nicht einfach als Methode plötzlich im Unterricht eingesetzt werden, besonders dann nicht, wenn im Unterricht das lehrerzentrierte Unterrichtsgespräch bisher hauptsächlich praktiziert wurde. Sie bedürfen einer Vorphase, in der die Lernenden über entsprechende Übungen bereit gemacht werden, später auch Rollen- und Planspiele zu akzeptieren. Die Bereitschaft, Rollen zu übernehmen, sind reflexiv in den Standpunkt eines anderen hineinzuversetzen, die Fähigkeit, von einmal übernommenen Verhaltensstandards Abstand [/S. 25:] zu nehmen und entgegengesetzte Bedürfnisspannungen und Interessenlagen auszuhalten, d.h. mehrdeutige Situationen ertragen zu können, bedarf einer angstfreien Atmosphäre in der Lerngruppe. Es bedarf eines Angstabbaus sowohl für die Schüler als auch für den Lehrer. Die Schüler und der Lehrer müssen sich miteinander vertraut gemacht haben. Erst auf dieser Basis können Plan- und ganz besonders Rollenspiele im Unterricht für alle Beteiligten zum Erfolg führen.

Solche Kennenlern- und Anwärmspiele (15) können folgende Funktionen haben:

  1. Kennenlernen
    Der Einsatz erfolgt oft am Anfang des Schuljahres als Mittel, sich gegenseitig kennen zu lernen. Besonders bei neuen Lerngruppen, die sich noch nicht kennen und wo der Einzelne erst seine Rolle innerhalb der Masse finden muss, ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen und jedem die Gelegenheit zu geben, den anderen mit seinen Vorstellungen und Bedürfnissen kennen zu lernen. Die Atmosphäre innerhalb der Klasse beeinflusst stark die jeweilige Lernhaltung der gesamten Lerngruppe.
  2. Übungen zur Unterstützung isolierter Einzelaspekte, orientiert am Unterrichtsziel
    Der Einsatz solcher Übungen erfolgt, oftmals ganz spontan, während des Unterrichts. Dabei werden einzelne Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für eine Handlungskompetenz notwendig sind, erlernt. Zum Beispiel:
    • Bedeutung des Blickkontaktes im Verkaufsgespräch,
    • Übertragbarkeit von Stimmung und Auswirkungen auf die Motivation von Mitarbeitern,
    • Förderung von Beobachtungsfähigkeit, Spontaneität und Kreativität,
    • Körperhaltung und Auswirkungen auf die Gesprächssituation,
    • Stimmübung - lautes deutliches Sprechen, Fähigkeit präzise Anweisungen zu geben.
    Schüler spielen, teilweise unbewusst, während des Unterrichts verschiedene Rollen. Beispielsweise übernehmen sie die Positionen ihres Arbeitgebers ("Ich kann meinen Chef gut verstehen, dass er..."), identifizieren sich mit ihrem Betrieb ("Wir von ... machen das ganz anders.") oder entwickeln als Auszubildende in der Rolle eines anderen eigene Vorstellungen ("Wenn ich Personalchef wäre, dann..."). Mit einer entsprechenden Sensibilität kann der Lehrer diese spontanen und kleinen Rollenspiele aufgreifen, bewusst machen und Schüler ermutigen, die Rolle weiter zu spielen.
  3. "warming-up"
    Über diese Übungen soll man sich vertraut machen, "warmlaufen". Ziel ist hier nicht das Kennenlernen, sondern die Schaffung einer gelockerten Arbeitsatmosphäre.
    Hier können verschiedene Aspekte im Vordergrund stehen, z.B.:
    • Körper und Bewegung,
    • Anspannen und Entspannen,
    • Nähe und Distanz,
    • Geben und Nehmen,
    • Wahrnehmung und Beobachtung,
    • Feed-back,
    • Gefühle,
    • Ich und die anderen.

Wenn auch diese Übungen zur Vorbereitung auf Rollen- und Planspiele notwendig sind und das Einfühlungsvermögen der Schüler in Situationen und Personen verstärkt, dürfen die zu spielenden Rollen nicht zu weit von dem Erfahrungshorizont der Lernenden entfernt sein.

3. Hinweise zur Organisation und Durchführung eines Rollen- oder Planspiels

Das Rollenspiel besteht in der Grundform aus mehreren Phasen:

  • Vorbereitungsphase
  • Spielphase
  • Auswertungsphase [/S. 26:]

3.1 Phasen des Rollenspiels:

a) Szenario kurz beschreiben
b) Spielpersonen auswählen
1. Vorbereitungsphase c) Spielnamen finden
d) Rollenkarten mit Rollenbeschreibung an die Spieler verteilen
e) Beobachtungsbogen an die Beobachtungsgruppe austeilen und Beobachtungsauftrag kurz besprechen

Hinweise:
An die Spieler:
  • Spielen Sie frei und spontan; halten Sie sich an die vorgegebenen Rollenprofile und Vorgaben.
  • Versuchen Sie realistisch zu bleiben
2. SpielphaseAn die Beobachter:
Während des Rollenspiels erfolgt keine Einmischung von außen:
Requisiten/Szene:
  • Rollenunterstützung durch Requisiten, z.B. Kittel für die Arbeiter, Krawatte für Vorgesetzten
  • Trennung von Beobachter und Spielszene, z.B. in einer Ecke im Klassenraum wird das Rollenspiel gespielt.

Spielregeln:
1. Zunächst äußern sich die Spieler
  • Herstellung einer Spieldistanz
  • emotionale Auswertung wichtig: keine Bewertung des Spiels und der Spieler
2. Sammlung der Beobachtung (Beobachtungsbogen).
3. Auswertungsphase3. Rückfragen an die Spieler, ob die Beobachtungen den eigenen Einschätzungen entsprechen.
4. Übertragung auf die Realität.
5. Finden Sie mögliche neue/andere Spielsituationen/Verhaltensweisen.
6. Möglichkeit zu einem neuen Rollenspiel

In der Vorbereitungsphase geht es darum, alle Lernenden mit einem bestimmten Problem oder Konflikt zu konfrontieren. Nachdem die Situation geklärt, die beteiligten Personen benannt und die Ausgangslage festgelegt worden ist, unterteilt sich die Klasse in Spieler und Beobachter. Es empfiehlt sich, jedem Rollenspieler oder jeder Spielgruppe einen oder mehrere Berater beizuordnen. Dies hat einmal den Vorteil, dass alle Schüler entweder als Spieler oder Beobachter beteiligt sind und zweitens besteht eine größere Möglichkeit mehrere Rollenspiele (dann mit Double) durchzuführen. Im Folgenden sollten die Rollenspieler kurz die Gelegenheit haben eine grobe Handlungsstrategie zu entwerfen, ohne dass dadurch die Spontaneität eingeschränkt wird.

Damit eine effektive Reflexion über das Rollenspiel möglich ist, werden den Beobachtern Beobachtungsaufträge zugeteilt, die vorab in der Gruppe abzusprechen sind. Wie sich bei der praktischen Durchführung von Rollenspielen gezeigt hat, empfiehlt sich auch das Verwenden von Requisiten, um die Spielszenen plastischer zu gestalten.

Die Spielphase ist zwar durch die Problemsituation bestimmt, in ihrem Verlauf jedoch nicht [/S. 27:] festgelegt. Im Spiel sollten die Schüler so spontan wie möglich die jeweilige Rolle nach eigener Interpretation darstellen. Voraussetzung dafür ist eine sanktions- und angstfreie Atmosphäre. Die wichtigste Phase ist die Auswertung des Rollenspiels. Der Einstieg erfolgt, indem die Darsteller erzählen, was sie bei der Darstellung ihrer Rollen gedacht und empfunden haben. Ziel ist, die Spieler aus ihren Rollen herauszuführen, eine Rollendistanz herzustellen. Mithilfe der Beobachtungsbögen der Zuschauer wird der Spielinhalt und -verlauf verbalisiert. Die subjektiven Gründe für ein bestimmtes Verhalten werden herausgestellt. Einzelheiten des Spielverlaufs werden in Beziehung zueinander gesetzt, um Widersprüche aufzudecken (z.B. auch Widersprüche zwischen verbalem und nonverbalem Verhalten). Zum Schluss erfolgt eine Generalisierung der dargestellten Situation, z. B.:

  • Wer hat eine solche Situation (auch) schon erlebt?
  • Wie beurteilen Sie diese Erfahrung jetzt? Würden Sie sich in einer ähnlichen Situation anders verhalten?
  • Welche Schlüsse ziehen wir aus dem Rollenspiel?
  • Warum gibt es derartige Probleme?

3.2 Phasen des Planspiels

  1. Hinführung
    • Technische und organisatorische Voraussetzungen klären
    • Motivation für das Spiel schaffen
    • Methodik und Zielsetzung des Planspiels kurz darstellen
  2. Einführung in das Planspiel
  • Darstellung des Planspielfalls (Szenarium, Konflikt)
  • Spielregeln erläutern, Fragen klären
  • Rollenverteilung, Gruppenbildung
  • Beschaffung und Verteilung der notwendigen Informationen (z.B. Gesetzestexte, Lehrbücher, Spielunterlagen)
  • Einstieg in das Planspiel
    Dies kann durch einen handlungsorientierten, szenisch dargestellten Impuls (z.B. durch ein kurzes Rollenspiel) als Auslöser für die folgenden Interaktionen erfolgen.
  • Analyse der Ausgangssituation und vorläufige schriftliche Festlegung der Zielsetzung und der Vorgehensweise (Strategie) durch die einzelnen Spielgruppen.
  • Durchführung des Planspiels - Spielphasen - Beobachtung und Lenkung des Spielverlaufs durch die Spielleitung, u.a. durch:
    1. Sammeln und Bearbeiten der Spielzug-ormulare und Kontaktprotokolle
    2. Genehmigung bzw. Ablehnung von beantragten Kontakten/Maßnahmen
    3. Lenkung durch Interviews, Hinweise, kurzfristige Rollenübernahme (z.B. Presse, Rechtsanwalt), d.h. möglichst keine direkte Einflussnahme
    4. Festhalten der simulierten Verläufe (z.B. auf einer Pinnwand)
      • Dokumentation auf Video oder Tonband soweit möglich
      • Das Planspiel wird bei einem festgefahrenen Spielverlauf durch die Spielleitung unterbrochen. In einem gemeinsamen Plenum mit allen Spielgruppen wird die Situation und der bisherige Spielverlauf kurz besprochen. Durch Setzung neuer Fakten kann das Spiel möglicherweise fortgesetzt werden
      • Die Spielphase ist nach Ablauf der festgelegten Zeit beendet
  • Auswertung des Planspiels
    • Emotionale Auswertung mit Herstellung einer Rollendistanz
    • Vorspielen der Videoaufnahmen (falls vorhanden)
    • Inhaltliche Auseinandersetzung und Reflexion über das abgelaufene Planspiel unter Berücksichtigung der Ziel- und Strategiesetzungen der einzelnen Planspielgruppen und der Spielverlaufsübersicht
    • Reflexion über den Gruppenprozess in den einzelnen Gruppen
    • Rückkopplung auf die Wirklichkeit, Transfers herstellen

    Im Unterschied zur Vorbereitungsphase und der Auswertungsphase lässt sich der eigentliche Spielverlauf nur schwer allgemeingültig schematisieren, da die einzelnen Etappen sehr stark von dem jeweiligen Thema bzw. Spielanlass abhängen. Darüber hinaus erfordert die einem Planspiel innewohnende Eigendynamik ein hohes Maß an Flexibilität der Spielleitung. [/S. 28:]

    Die Auswertungsphase sollte möglichst bald nach dem Planspiel erfolgen. Der größte Effekt wird erreicht, wenn die Spieler sich an ihre Einstellungen, Gefühle und Reaktionen während des Spiels noch erinnern können. Dies ist aber nur möglich, wenn zwischen Durchführung und Auswertung nicht zu viel Zeit vergangen ist. Der Lernprozess darf jedoch nicht abbrechen, nachdem die subjektiven Erfahrungen analysiert worden sind, sondern muss über die Verallgemeinerung (Realitätsnähe des Spiels, Konsequenzen und die berufliche Praxis) die gesamtgesellschaftlichen Strukturen und Wirkungszusammenhänge mitanalysieren. Die schülereigenen Erfahrungen werden damit aus ihrer Unmittelbarkeit herausgehoben und objektiviert.

    3.3 Einige Auswertungshinweise für das Planspiel

    1. Emotionale Auswertung, Rollendistanz
      Gefühlslage während der Spielphase in der Gruppe
      • Gab es Probleme des Miteinanderarbeitens?
      • Gab es persönliche Streitigkeiten?
      • Gab es problematische Phasen auf der Aktionsebene?
      • Gab es Phasen, wo das Planspiel besonders Spaß gemacht hat?
      Wichtig: Es findet im Plenum keine Bewertung statt.
    1. Inhaltliche Auswertung
      Ausgehend von den selbst gesetzten Zielen der Gruppe (Fragebogen):
      • Sind die Ziele, die die Gruppe am Anfang formuliert hat, erreicht worden?
      • Hatte die Gruppe mit ihrer Verhaltensweise/Problemlösung Erfolg gehabt?
      • Welche Gründe könnte es für das Erreichen des Ziels/Nichterreichen des Ziels geben?
      • Wie wurden Entscheidungen in der Gruppe gefällt?
      • Gab es während des Spiels Konflikte mit anderen Gruppen? Welche? Wie wurden sie ausgetragen?
      • Mit welchen Gruppen haben sie zusammengearbeitet? Warum?
      • Wie realitätsnah war das Spiel?
      • Welche neuen Erfahrungen, neue Erkenntnisse habe ich im Spiel gemacht?
    1. Weiterer Prozess im Unterricht
      • Wo sind fachliche Defizite aufgetreten und was muss noch genauer besprochen werden?
      • Wie soll/kann der Unterricht weitergehen?Bearbeitung der Einzel- und Gruppenaufträge

    Anmerkungen

    1. Vgl. Parsons, T.: The Social System. New York 1951; Darendorf, R.: Homo Sociologicus. 13. Aufl., Opladen 1993.
    2. Krappmann, Lothar: Lernen durch Rollenspiel. In: Klewitz, M./Nickel, H.-W.: Kindertheater und Interaktionspädagogik. 1. Aufl., Stuttgart 1992, S. 39.
    3. Vgl. Krappmann, Lothar: Neuere Rollenkonzepte als Erklärungsmöglichkeit für Sozialisationsprozesse. In: betrifft: erziehung, 4. Jg., 3/1991, S. 28 f.
    4. Shaftel, Fanny R./Shaftel, George: Rollenspiel als soziales Entscheidungstraining. München/Basel 1993, S. 64.
    5. Haack-Wegner, R./Lange, L.: Rollenspiel in der Berufsschule: Theorie und Praxis. In: Diskussion Deutsch. 8. Jg. Heft 34/77, S. 143.
    6. Ernst, u.a.: Das Rollenspiel im Unterricht. 1. Aufl., Ravensburg 1976, S. 31.
    7. Haack-Wegner, R./Lange, L.: a.a.O., S. 143.
    8. Vgl. u.a. Krappmann, Lothar: Neue Rollenkonzepte, a.a.O., S. 29-34. Goffmann, Erving: Interaktion: Spaß am Spiel - Rollendistanz. München 1993.
      ders.: Wir alle spielen Theater. München 1993.
    9. Habermas bezeichnet diese Balance zwischen der Aufrechterhaltung persönlicher und sozialer Identität als "Ich-Identität".
      Vgl. Habermas, Jürgen: Technik und Wissenschaft als Ideologie. Frankfurt/M. 1968, S. 13 ff.
    10. Haack-Wegner, R/Lange, L.: a.a.O., S. 144.
    11. Pressel, A.: Sozialisation. In Beck u.a.: Erziehung und Klassengesellschaft. München 1970, zitiert nach Haack-Wegner, R./Lange, L.: a.a.O., S. 145.
    12. "Lernaktive Methoden im Wirtschaftslehreunterricht", wie z.B. Planspiel "Arbeitsrecht im Betrieb", Bestell-Nr. 3675 oder Rollenspiel "Rechtsgeschäfte im Alltag", Bestell-Nr. 3677, erschien im Winklers Verlag, Gebrüder Grimm, Darmstadt.
    13. Kaiser, Franz-Josef: Der Beitrag aktiver partizipativer Methoden - Fallstudie, Rollenspiel und Planspiel zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen. In: Keim, Helmut (Hrsg.): Planspiel, Rollenspiel, Fallstudie a.a.O., S. 82.
    14. Vgl. dazu Kaul, Peter: Neuere Ansätze im Bereich der Didaktik der Informatik. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 87. Band, Heft 7 (1991), S. 585.
    15. Siehe dazu u.a. Broich, Josef: Anwärmspiele. 2. Aufl. Köln 1993.
      ders.: Rollenspiele mit Erwachsenen. Reinbek bei Hamburg 1980, S. 35-66.
      Schwäbisch, Lutz/Siems, Martin: Anleitung zum Sozialen Lernen für Paare, Gruppen und Erzieher. Reinbek bei Hamburg 1974.
      Antons, Klaus: Praxis der Gruppendynamik - Übungen und Techniken. 5., überarbeitete und ergänzte Auflage. Göttingen, Toronto, Zürich 1992.
      Jenisch, Jakob: Szenische Spielfindungen. 2., überarbeitete Auflage. Köln 1991.
  • Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Winklers Flügelstift 2/1998, S. 22-28.
    (c) 1998 Winklers Verlag, Darmstadt
    Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
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