Planspiel

Inhalt

  1. Kurze Beschreibung der Methode
  2. Zielsetzung
  3. Ablauf der Methode
  4. Forschungsstand
  5. Pro und Contra in der Anwendung
  6. Beispielthemen/-skizze für ein Umsetzungsbeispiel
  7. Literatur

1. Kurze Beschreibung der Methode

Ausgehend von einem realitätsnahen Konflikt sollen Planspiele, die ihren Ursprung in „Sandkastenspielen“ des Militärs zur Entwicklung strategischer Entscheidungen haben, Interessengegensätze extrapolieren und Entscheidungsdruck bei den Beteiligten auslösen. Unter den handlungsorientierten Methoden zählt das Planspiel zu den Großformen, dessen Durchführung trotz inzwischen vielfältiger, detailliert ausgearbeiteter Angebote mit einem vergleichsweise hohen organisatorischen Aufwand verbunden ist, da es sich in der Regel um ein Konglomerat aus unterschiedlichen Elementen handlungsorientierter Methodik handelt (Rollenspiel, Konferenzspiel, Hearing und Fallstudie) (Engartner 2010, 144-45). Dennoch bieten Planspiele die geradezu einzigartige Möglichkeit, lebensrelevante Situationen in sozialer Auseinandersetzung in den Unterricht zu integrieren und hierzu „Probehandlungen“ zu ermöglichen. Somit können Schüler(innen) zentrale Kompetenzen zur Bewältigung künftiger Lebens- und Arbeitssituationen erwerben. Insbesondere betrifft dies sozial-kommunikative Fähigkeiten, die im Planspiel wie in kaum einer anderen Methode durch Perspektivenübernahme qua Rollenarbeit und zielgerichtete Kommunikation nachhaltig gefördert werden (Engartner 2010, 149).

2. Zielsetzung

Das didaktische Potenzial von Planspielen liegt zum einen in ihrer Multidimensionalität: Sie ermöglichen es Schüler(inne)n nicht nur, Fachwissen zu erwerben und diskursiv umzusetzen, sondern auch methodisch-strategische Kompetenzen sowie sozial-kommunikative Fertigkeiten einzuüben (Klippert 1992, 240). Die aktive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff verspricht eine langfristige Festigung im Gedächtnis, prägen sich affektiv besetzte Erlebnissituationen, wie sie für Planspiele typisch sind, doch erwiesenermaßen nachhaltiger ein (Engartner 2010, 144). Darüber hinaus schaffen Planspiele besondere Lernumgebungen, in denen realitätsnahe Probehandlungen ermöglicht werden. Somit wird den Lernenden innerhalb eines sicheren Umfelds die Chance gegeben, die Konsequenzen von Handlungen ohne reale Auswirkungen erfahrbar zu machen. Schließlich bieten Planspiele bei der Wahl altersgerechter Simulationsszenarien einen adressaten- und problemorientierten Zugang zu gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen, indem komplexe Zusammenhänge modellhaft vereinfacht werden (Massing 1998, 27-28). Durch den Perspektivwechsel qua Rollenarbeit wird von den Schüler(inne)n verlangt, Positionen inhaltlich und institutionell zu beziehen und sich letztlich nicht nur in die übernommene „eigene“ Rolle, sondern auch die der „anderen“ hineinzuversetzen (Engartner et al. 2015, 197-98).

3. Ablauf der Methode

Planspiele lassen sich in drei Phasen gliedern. In einer Vorbereitungsphase (I), auch Briefing genannt, wird das Planspiel im Rahmen einer Einführung durch die/den Lehrende(n) zunächst kurz vorgestellt. Diese „Lagebeschreibung“ enthält wesentliche Informationen bezüglich des Settings, stellt einen übergeordneten Zusammenhang zwischen den einzelnen Rollen her und sorgt zudem für eine thematische Eingrenzung der Argumente. Der Lehrer nimmt in der Vorbereitungsphase eine wesentliche gestaltende Rolle ein, indem er u. a. „in einer ganz bestimmten didaktischen Absicht die Spielsituation auswählt und vorstrukturiert, den Spielrahmen festlegt und durch Informationen und Hinweise den Ablauf des Spielgeschehens und den damit verbundenen Lernprozess steuert“ (Kaiser/Kaminski 1999, 154). Zugleich ist es ihm vorbehalten, eine Verlaufsskizze zur Strukturierung des Spielverlaufs zu entwerfen und die „Makro“-Argumente auf den konkreten Sachverhalt (Lagebeschreibung zzgl. Hinweise auf den Rollenkarten) didaktisch aufzubereiten, damit die Schüler(innen) anschließend ihre jeweiligen Positionen pointiert darstellen, überzeugend begründen und gegen aufkommende Kritik verteidigen können. Nach der Einführung durch die/den Lehrende(n) informieren sich die Lernenden selbstständig über die Konfliktsituation, den Kontext sowie die Zielsetzung des Planspiels, die Gruppen werden eingeteilt und innerhalb der Gruppen werden die jeweiligen Rollen und Standpunkte erarbeitet (Massing 1998, 33-34).

Die eigentliche Spielphase (II), oder Simulation, untergliedert sich in eine Meinungs- und Willensbildungsphase, in der wiederum innerhalb der Gruppen die Gruppenmitglieder auf der Basis der bisher erarbeiteten Informationen ihre Interessen und Ziele artikulieren, Strategien zu deren Durchsetzung formulieren und mögliche Kompromisse festlegen (Massing 1998, 35). In der daran anschließenden Interaktionsphase tauschen die Gruppen untereinander Argumente aus, verhandeln, suchen Verbündete, überprüfen und ggf. modifizieren ihre Strategien im Verlauf der Diskussionen. Die/der Lehrende nimmt in dieser Phase vor allem eine Beobachterrolle ein, kann aber bei vorschnellen Kompromissen und realitätsfern erscheinenden Lösungen intervenieren (Massing 2004, 172). Nach der Interaktionsphase werden in der Anwendungsphase, zumeist in Form einer Konferenz, die Positionen und Lösungsansätze der jeweiligen Gruppen von Sprechern vorgetragen. An dieser Stelle sollten Kompromisse gefunden und endgültige Entscheidungen getroffen werden. Diese idealtypische Untergliederung –Willensbildungs-, Interaktions-, und Anwendungsphase– findet sich jedoch nicht allen Planspielarten gleichermaßen.

In einer abschließenden Reflexionsphase (III), auch Debriefing, verschiebt sich der Fokus erneut vom Handeln zum Denken. Da dieses Umschalten Lernenden sowie Lehrenden erfahrungsgemäß schwer fällt, zählt dieser Moment zu den anspruchsvollsten im Planspiel (Massing 2004, 173). Diese Phase zielt auf die Ergebnissicherung und gemeinsame Reflexion des Erlebten, um daraus Bezüge zur Realität herzustellen, alternative Szenarien durchzuspielen und Konsequenzen für reale Situationen abzuleiten (Kriz/Nöbauer 2008). Aufgrund der Potenziale für nachhaltiges Lernen gilt das Debriefing als wichtigste, jedoch häufig vernachlässigte Komponente bei der Planspielanwendung (Thatcher 1990; Crookall 2010). Die Reflexion erlaubt es den Schüler(inne)n bei gelingendem Transfer der unmittelbaren Erfahrungen während der Simulation auf andere Kontexte, „systeminhärente Zwänge und Zusammenhänge zu erkennen, alternative Sichtweisen und Handlungsoptionen zu entwickeln sowie Konsequenzen für zukünftiges reales Handeln und Entscheiden zu ziehen“ (Engartner et al. 2015, 198).

4. Forschungsstand

Fanden Planspiele zunächst vor allem im militärischen Bereich Anwendung (Geuting 1992, 318-22), wurden sie nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA und später auch in Deutschland ebenfalls im „Business-Management-Training“ eingesetzt (Massing 2004, 163). Nach einer regelrechten Planspieleuphorie in den 1960er und 70er Jahren ist die Methode bei der Aus- und Weiterbildung von Führungskräften in der Wirtschaft mittlerweile etabliert und wird in nahezu allen großen Unternehmen in Deutschland eingesetzt (Schwägele 2015, 13). Auch in den Sozialwissenschaften, allen voran der Politikwissenschaft und dort insbesondere der Teildisziplin der Internationalen Beziehungen, gewinnen Planspiele seit den 1960er Jahren vermehrt an Bedeutung. Erste wegweisende Studien an der John Hopkins University unter der Leitung des Soziologen James Coleman (Linvingston et al. 1973; Boocock 1994) und an der Northwestern University unter der Federführung des Politikwissenschaftlers Harold Guetzkow (Guetzkow et al. 1963; Guetzkow/Valdez 1980) wiesen auf die motivationalen, kognitiven und attitüdinalen Lerneffekte von Planspielen hin. Mittlerweile besteht weitgehend Konsens darüber, dass Planspiele gegenüber konventionellen Lehrmethoden deutliche Vorteile beim nachhaltigen Lernen und der Stimulierung von Interesse aufweisen (Bernstein/Meizlish 2003; Powner/Allendoerfer 2008; Druckman/Ebner 2008). Kritischere Stimmen verweisen dagegen auf die bekannten Nachteile der Planspielmethode wie überdurchschnittlichen Zeit- und Organisationsaufwand (Faria/Wellington 2004; Killian/Brandon 2009). Unklar ist darüber hinaus weiterhin, welche Aspekte im Planspiel wie konkret wirksam sind (Kriz 2011, 30). In der universitären, schulischen und politischen Bildung gilt Deutschland nach wie vor weitgehend als „Planspielentwicklungsland“ (Herz/Blättle 2000, 1), obwohl die Planspielmethode vermehrt als „in vielfältiger Weise den Anforderungen an neue Studiengänge und neuere didaktische Ziele“ gerecht werdendes didaktisches Instrument gepriesen wird (Muno et al. 2013, 160).

5. Pro und Contra in der Anwendung

Planspiele können vor dem Hintergrund der dargestellten didaktischen Potenziale als ein das Bildungsangebot grundlegend bereicherndes Lehr-/Lernformat angesehen werden. Sie bieten die Möglichkeit zu individuellem wie interaktivem Lernen und können einen nachhaltigen Beitrag zu eigenständigem politischen und gesellschaftlichem Handeln leisten (Engartner et al. 2015). Im Unterschied zu fragend-entwickelnden Unterrichtsmethoden ist bei Planspielen die Chance einer konkreten Überführung wissensbasierter Einstellungen in belastbare Verhaltensmuster gegeben. Die Methode eignet sich daher nicht nur zum Erwerb von kognitiven Fähigkeiten, sondern insbesondere auch von sozial-kommunikativen und strategischen Kompetenzen. Im Lichte zunehmender Politikverdrossenheit werden Planspiele vermehrt als wirksames Instrument zur Förderung von politischer Partizipation und Mündigkeit diskutiert (Engartner et al. 2015). Voraussetzung für die beschriebenen Lerneffekte ist allerdings eine gründliche Vor- und Nachbereitung der Spielphase. Ebenso wesentlich sind eine adressatengerechte Konzipierung des Szenarios, eine professionelle Anleitung durch die/den Lehrenden sowie eine sinnvolle Einbettung in eine passende Unterrichtseinheit.

Gegen eine Anwendung von Planspielen aus pragmatischer Perspektive spricht, dass mit ihnen ein vergleichsweise hoher organisatorischer Aufwand verbunden ist. Darüber hinaus wird argumentiert, dass Jugendliche in Planspielen zumeist Rollen einnehmen, die sie im realen Leben nie einnehmen werden und damit statt sie zu motivieren eher zur Desillusionierung und Entfremdung beitragen (Levine 2015, 142). Zudem wird angemerkt, dass Planspiele die Realität unzulässig verkürzen können (Breit 2007). Durch den Fokus auf einzelne Problemstellungen könnte den Schüler(inne)n vermittelt werden, politische und gesellschaftliche Probleme ließen sich relativ einfach lösen. Dadurch würden falsche Erwartungen in Bezug auf die Lösungsfähigkeit realer Politik geweckt. Im Hinblick auf diese Kritikpunkte ist ein möglichst professioneller Planspieleinsatz geboten, der die in der Simulation zu kurz kommenden systemischen Aspekte wie Macht- und Interessenkonflikte bei der gründlichen Vor- und Nachbereitung reflektiert (Engartner et al. 2015, 210).

6. Beispielthemen/-skizze für ein Umsetzungsbeispiel

Beispielhaft für ein in der Praxis bewährtes Planspiel ist „Der UN-Sicherheitsrat – eine wirksame Institution zur Herstellung des Friedens?“ zu nennen (Knittel/Neukirchen 1999; Knittel/Neukirchen 2001). Es ist für eine Gruppe ab 15 Personen geeignet und für die Sekundarstufe II konzipiert. Der Zeitaufwand beträgt etwa einen Tag. Die Materialen sind auf sowi-online kostenlos verfügbar (Knittel/Neukirchen 2001). Das UN-Planspiel hat zum Ziel, den Schüler(inne)n die formalen Optionen und Vorgehensweisen des UN-Sicherheitsrates zu erläutern, um aufzuzeigen, welche Problematiken bei der Entscheidungsfindung in diesem bisweilen von sehr unterschiedlichen Interessen geprägten Gremium auftreten können. Kenntnisse bezüglich politischer Prozesse und Resolutionen im internationalen Raum sollen vermittelt und die politische Analysefähigkeit gefördert werden. Zu diesem Zweck wird eine UN-Sicherheitsratssitzung simuliert, in der eine Resolution für eine fiktive Krisensituation verabschiedet wird, nachdem die Teilnehmergruppe zuvor in verschiedene Delegationen aufgeteilt, die UN-Charta ausgegeben und ein Rollenprofil bzw. eine Länderidentität zugewiesen wurde. Schließlich sollen die Schüler(innen) Resolutionsentwürfe zu konkreten Konflikten formulieren und im UN-Sicherheitsrat vorstellen (Engartner 2010, 146).

7. Literatur

  • Bernstein, Jeffrey L./Meizlish, Deborah S. (2003): Becoming Congress: A longitudinal study of the civic engagement implications of a classroom simulation, in: Simulation & Gaming, 34 (2), 198-219.
  • Boocock, Sarane (1994): The John Hopkins games program, in: Simulation & Gaming, 25 (2), 172-178.
  • Breit, Gotthard (2007): Gut gemeint ist nicht gut gemacht! Verstärkt Politik als Inhalt des Politikunterrichts Politikverdrossenheit?, in: Gotthard Breit/Peter Massing (Hrsg.), Politik im Politikunterricht. Wider den inhaltsleeren Politikunterricht. Schwalbach, Ts: Wochenschau Verlag, 47-65.
  • Crookall, David (2010): Serious Games, Debriefing and Simulation/Gaming as a Discipline, in: Simulation & Gaming, 41 (6), 898-920.
  • Druckman, Daniel/Ebner, Noam (2008): Onstage or behind the scences? Relative learning benefits of simulation role-play and design, in: Simulation & Gaming, 39 (4), 465-497.
  • Engartner, Tim (2010): Didaktik des Ökonomie- und Politikunterrichts. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh.
  • Engartner, Tim/Siewert, Markus B./Meßner, Maria Th./Borchert, Christiane (2015): Politische Partizipation ‘spielend’ fördern? Charakteristika von Planspielen als didaktisch-methodische Arrangements handlungsorientierten Lernens, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, 25 (2), 189-217.
  • Faria, Anthony J./Wellington, William J. (2004): A survey of simulation game users, former-users, and never-users, in: Simulation & Gaming, 35 (2), 178-207.
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  • Massing, Peter (1998): Handlungsorientierter Politikunterricht. Ausgewählte Methoden. Schwalbach/Ts: Wochenschau Verlag.
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  • Muno, Wolfgang/Meßner, Maria Th./Hahner, Natalie (2013): Politikdidaktik und Simulationen: Die EU-Simulation Model European Union Mainz, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, 23 (1), 159-171.
  • Powner, Leanne C./Allendoerfer, Michelle G. (2008): Evaluating Hypotheses about Active Learning, in: International Studies Perspectives, 9 (1), 75-89.
  • Schwägele, Sebastian (2015): Lerntransfer bei Planspielen. Analyse von Transferprozessen und Einflussfaktoren. Dissertation. Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
  • Thatcher, Donald C. (1990): Promoting Learning Through Games and Simulations, in: Simulation & Gaming, 21 (3), 262-273.

(c) 2016 Tim Engartner & Michael Schedelik; (c) 2016 sowi-online e. V., Bielefeld

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