Reinhard Gaßmann / Monika Greiner
1. Ständige Herausforderung
Schon ein kurzer Blick auf die Grafik zeigt das Auf und Ab, das alle Schülerwettbewerbe kennen. Daraus resultiert eine ständige Herausforderung und Aufgabe: Hemmnisse der Teilnahme zu überwinden und Motive für die Beteiligung zu schaffen. Schülerwettbewerbe sind zur Dynamik gezwungen. Sie müssen offen sein. Sie müssen reagieren auf die Signale ihrer Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich nicht nur, aber am deutlichsten, an den Ergebnissen ablesen lassen. Und sie müssen versuchen, selbst Impulse zu geben, mit denen die Freude am Fantasieren, Fragen und Feilen geweckt werden kann. Das soll am Beispiel des Schülerwettbewerbs des Landtags von Baden-Württemberg zur Förderung der politischen Bildung gezeigt werden. Der Beitrag umfaßt drei Abschnitte. Der erste geht auf die Frage ein, wer zur Teilnahme aufgerufen wird. Der zweite stellt Kriterien der Themenauswahl vor. Schließlich geht es noch darum, daß sich der Wettbewerb nicht mit der Teilnahme allein begnügt. Er will durch weiterführende Veranstaltungen Spaß an der politischen Bildung fördern.
Die Anfangsjahre standen im Zeichen der Suche nach jungen Leuten, die sich für den demokratischen Staat engagierten. Deswegen war es konsequent, sich an die Oberstufe zu richten und Aufsätze zu umstrittenen Politikfeldern zu verlangen. Schließlich suchte man Teilnehmer einer noch zu gründenden politischen Akademie. Nach anfänglichen Erfolgen trat der Wettbewerb ab dem Jahr 1968 in eine Krise. Die Teilnehmerzahlen sanken stetig, das Interesse der Schüler an der praktizierten Form nahm ab, der Wettbewerb war nicht mehr zeitgemäß. Der anfängliche Zweck, politische Talente zu entdecken und zu fördern, ließ sich so nicht verwirklichen. [1] Einstellen oder weitermachen hieß die Frage. Mit neuem Konzept versuchen, lautete die Antwort darauf.
Es begann eine Zeit der Neukonzeption. Die soeben gegründete Landeszentrale für politische Bildung erhielt vom Landtag den Auftrag zur Weiterführung des Wettbewerbs. Sie schuf ein eigenes Referat für diese Aufgabe. Einbeziehen aller Schularten und Anbieten neuer Arbeitsformen hieß die Devise jetzt. Auf diese Weise sollten mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Auseinandersetzung mit politischen Themen gewonnen werden. Der Gedanke der politischen Nachwuchsschulung fand keinen Platz mehr im Rahmen des Wettbewerbs.
Die steigende Tendenz und das Superergebnis des Jahres 1987 bestätigten den Landtag in seiner Entscheidung, den Wettbewerb weiterzuführen und von der Landeszentrale für politische Bildung veranstalten zu lassen. Mit zwei pädagogischen und einer sachbearbeitenden Stelle konnte die Landeszentrale von da an das erweiterte Spektrum des Wettbewerbs bearbeiten. Umsetzen der Wettbewerbsbeiträge und das Angebot von Seminaren zur Förderung des politischen Interesses, sowie die Verarbeitung von circa 25000 Daten pro Wettbewerb sind nur wenige Beispiele dafür.
2. Eckpunkte
1986 konnte man über den Stand des Wettbewerbs in der bereits zitierten Magisterarbeit lesen: "Der Beitrag, den der Schülerwettbewerb für die politische Bildung leistet, kann in folgenden fünf Punkten zusammengefaßt werden:
- Er fördert bei den Teilnehmern Ideenreichtum und freiwilliges Engagement und ruft dadurch neue Lernfreude und Wißbegierde hervor.
- All jene Möglichkeiten, die im Schulunterricht meist zu kurz kommen, wie freie Wahl des Themas, ideenreiche Ausgestaltung in selbstverantwortlicher Arbeit, können entfaltet werden.
- Meinungsbildung und Artikulationsvermögen werden gefördert durch ernsthafte und eigenständige Auseinandersetzung mit Themenstellungen, die das Ergebnis nicht vorwegnehmen.
- Er weckt die Neugier auf Politik und kann die Einsicht vermitteln, daß der Staat kein abstraktes Gebilde ist und Politik alle Lebensbereiche tangiert und schon aus diesem Grund nicht ausschließlich Angelegenheit weniger Berufspolitiker sein sollte.
- Über die Teilnahme hinaus bietet sich den Preisträgern in der persönlichen Begegnung mit Politikern und eigens für sie veranstalteten Seminaren eine positiv empfundene Ergänzung". [2]
Diese fünf Punkte kennzeichnen den Wettbewerb auch heute noch. Als besonders bedeutsam erwiesen sich die Seminare, deren Konzept und deren Praxis in einem eigenen Kapitel beschrieben wird. Viele lassen sich von der Aussicht auf eine Seminarteilnahme zur Teilnahme bewegen.
Anstrengungen zur Förderung des Wettbewerbs sind unerläßlich. Sie richten sich vor allem an die Lehrerinnen und Lehrer, ohne die nur wenige zur Teilnahme gewonnen werden könnten. Der Beirat Schülerwettbewerb des Landtags setzt eine große Zahl von zweiten und dritten Preisen aus, weil er die Bereitschaft, sich mit politischen Fragestellungen auseinanderzusetzen, unterstützen will. Einen der ersten oder gar einen der begehrten Förderpreise zu erringen, bedarf es jedoch großer Anstrengung.
Willi Lausen, Landtagsabgeordneter der SPD, legte 1957 ein umfangreiches Expose vor, aus dem nach langen kontroversen Diskussionen das ursprüngliche Konzept des Schülerwettbewerbs des Landtags zur Förderung der politischen Bildung hervorging. Der kulturpolitische Ausschuß des Landtags beschloß damals folgende Eckpunkte:
- Teilnahmeberechtigt sind alle Schülerinnen und Schüler der beiden letzten Gymnasial- und Berufsschulklassen.
- Acht aktuelle politische Themen stehen für die schriftliche Bearbeitung zur Auswahl.
- Ein Lehrer des Vertrauens berät und leitet die Arbeit an den Landtag.
- Die Sichtung erfolgt durch zwei Prüfer, von denen einer Lehrer, der andere eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens sein soll.
- Erster Preis ist ein dreitägiger Besuch in der Landeshauptstadt.
3. Ein Schülerinnenwettbewerb?
"Uns regt es heute zum Schmunzeln an, wenn wir erfahren, daß damals eine Vertreterin des Gymnasiums nachdrücklich betonte, sie könne sich unter keinen Umständen vorstellen, daß Mädchen einen politischen Aufsatz schreiben." [3] Willi Lausen hatte sich sogar eine Quotierung ausgedacht, damit die Mädchen nicht zu kurz kämen. Diese erwies sich bereits von Anfang an als überflüssig. Allen Unkenrufen zum Trotz erzielten die Mädchen im Durchschnitt bessere Erfolge. Sie wurden "von allen Preisrichtern wegen der Treffsicherheit des Urteils, der leidenschaftlichen Überzeugung, der stichhaltigen Argumente besonders gelobt." [4] So ist es auch heute noch. Von den 37 Förderpreisen, die zwischen 1988 und 1996 verliehen wurden, gingen 22 an Schülerinnen. Wesentlich mehr Mädchen sind interessiert, politische und gesellschaftliche Fragen weiterzuverfolgen.
Mädchen wählen andere Themen und Arbeitsformen als Jungen. 1995 wirkte sich das so aus. Ein Plakat zu einem Menschheitsproblem gestalteten 823 Teilnehmerinnen und 598 Teilnehmer, mit Arbeitslosigkeit befaßten sich 28 Schülerinnen und 50 Schüler, mit der Aussicht auf eine Welt ohne Krieg 81 beziehungsweise 107. Schließlich fällt noch auf, daß sich die Mädchen eher für literarische Formen, die Jungen häufiger für Facharbeiten entscheiden.
Ende der siebziger Jahre beschloß der Beirat, alle Schularten in den Wettbewerb einzubeziehen. Zuerst wurde die neunte Klasse der Hauptschulen, danach die neunte Klasse der Sonderschulen angesprochen. Seitdem erstreckt er sich von der neunten bis zur dreizehnten Klasse aller Schularten, mit einer Altersgrenze bei 25 Jahren.
Der Anteil der Schularten am Wettbewerb ist allerdings höchst unterschiedlich. Schätzungsweise die Hälfte seiner Teilnehmerinnen und Teilnehmer besucht ein Gymnasium, je ein Viertel eine Berufs- oder Realschule und je 5 Prozent eine Haupt- oder Sonderschule. Geht man der Frage nach, welche Quote die Schularten entsenden, ergibt sich schätzungsweise folgendes Ergebnis. 1995 hätten überschlägig insgesamt 495000 Schülerinnen und Schüler am Wettbewerb teilnehmen dürfen. Nimmt man an, daß etwas mehr als 10 Prozent davon ein starkes politisches Interesse hatten, konnte mit 50000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gerechnet werden. [5] Es waren aber nur dreitausend, ein halbes Prozent. Die Relation verbessert sich , wenn man die Zahlen aller politischen Wettbewerbe addiert. Bezogen auf die Schularten ergab sich folgendes Bild. Bei den Sonderschulen ließen sich 3,5 Prozent, bei den beruflichen Schulen 0,2 Prozent zur Teilnahme anregen. Dazwischen lagen Realschulen, Gymnasien, Hauptschulen mit 1,9, 1,3, 0,6 Prozent Anteil. Die Schularten waren also nicht repräsentativ am Wettbewerb beteiligt. Daran hat sich trotz beachtlicher Schwankungen von Jahr zu Jahr nichts wesentlich geändert.
Auch ausländische Schülerinnen und Schüler beteiligen sich selbstverständlich erfolgreich am Wettbewerb. Eine zahlenmäßige Aufschlüsselung ist jedoch nicht möglich, denn es gibt keine separate Erfassung.
4. Erfolg als Ansporn
Die Frage, was es für junge Leute sind, die sich an einem politischen Wettbewerb beteiligen, und welche Vorstellungen sie haben, beschäftigte Monika Kegelmann im Rahmen ihrer Magisterarbeit. [6] Auch wenn sich ihre Umfrage auf einige Jahrgänge von Erstpreisträgern beschränkt, können die Ergebnisse unserer Einschätzung nach auf die Gesamtgruppe übertragen werden.
Nur wenige haben ein ausgeprägtes Interesse an Politik oder sind gar politisch organisiert. Viele sind aber innerhalb oder außerhalb der Schule aktiv. Sie sind Klassensprecher oder Mitglied der Redaktion ihrer Schülerzeitung. Sie sind in Musik-, Sport- oder Kirchengruppen tätig. Sie sind nicht überdurchschnitlich erfolgreich in der Schule, haben aber an mehreren Fächern Interesse. Es sind also mit wenigen Ausnahmen ganz "normale" Schülerinnen und Schüler.
Dennoch gibt es Faktoren, die den Erfolg im Wettbewerb anscheinend begünstigen. Es kommt auf das richtige Maß an Heranführung, Beratung und Unterstützung an. Die volle Bedeutung der Überwindung zum ersten Schritt wird erst sichtbar, wenn man einen Blick auf Mehrfachteilnehmende wirft. Nahezu unabhängig von der Erstmotivation ist Erfolg Ansporn zu weiterer Teilnahme. Wer einmal mitmacht, gewinnt und gar weitere Angebote des Wettbewerbs kennenlernt, bei dem steigt die Bereitschaft zu erneuter Teilnahme erheblich. "Diese spezifische Möglichkeit des Schülerwettbewerbs des Landtags, Jugendliche durch besondere Veranstaltungen mit politischen Institutionen und Politikern in persönliche Verbindung zu bringen, ist diejenige-das lassen die Äußerungen der Ersten Preisträger schließen-, die weitaus eindrücklicher ein Verständnis für politische Institutionen und Zusammenhänge und einen Zugang und Interesse für diese bewirken als die Auseinandersetzung mit Politik in Form der Bearbeitung einer der Wettbewerbsaufgaben." [7]
Die Koppelung der großzügigen Vergabe von zweiten Preisen mit dem Angebot eines Seminarbesuches soll es also ermöglichen, noch mehr an Politik heranzuführen und die Erkenntnis zu vermitteln, daß der Staat kein abstraktes Gebilde ist.
Auch Schülerinnen und Schüler, die freiwillig und aus eigener Entscheidung arbeiten, berichten darüber, wie wichtig ihnen Beratung und Hilfe sind. Deswegen kann man die Bedeutung der Rolle der Lehrerinnen und Lehrer nicht hoch genug einschätzen. Die Landeszentrale für politische Bildung strebt enge Zusammenarbeit und gegenseitigen Erfahrungsaustausch mit ihnen an. In regelmäßigen Abständen bietet sie ihnen unterschiedliche Veranstaltungen an, aus denen immer auch wichtige Impulse für die Gestaltung des Wettbewerbs geschöpft werden. Auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer machen den Wettbewerb zu ihrer Sache indem sie Kritik und Anregungen formulieren. Sie nutzen die Gelegenheit des persönlichen Gespräches und schreiben Briefe. Sie folgen der Einladung zur konstruktiven Auseinandersetzung mit dem Wettbewerb und seiner Veranstalterin. Zwanzig fanden sich zu einem Wochenendseminar ein und zerbrachen sich die Köpfe darüber, wie sie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler zur Teilnahme begeistern würden. Ihre Gedanken wurden vom Beirat aufgegriffen und von der Landeszentrale umgesetzt. So realisierten sie ganz nebenbei eine Form der politischen Beteiligung.
5. Provokation um jeden Preis?
Von Anfang an sollten die Themen so formuliert werden, "daß sie provozierend wirken". Denn es sollte kein "Süßholz geraspelt" werden. Das provozierte nicht nur die Adressaten des Wettbewerbs, wie man sich bei der folgenden kleinen Auswahl gut vorstellen kann. 1965 lehnte es die Lehrerschaft eines Gymnasiums sogar ab, den Wettbewerb an der Schule durchzuführen. Stein des Anstoßes war die Frage, ob die Schule zum freien Bürger oder zum Untertan erziehe.
Weitere Themen lauteten:
- Braucht die Bundesrepublik Soldaten? (1957)
- Waren die Männer des 20. Juli im Recht? (1958)
- Zehn Millionen für 30 Gemälde? (1960)
- Brauchen wir neben dem Bundestag noch Landtage? (1963)
- Ist es heute noch gerechtfertigt, an öffentlichen Schulen Religionsunterricht zu erteilen? (1968)
- Ist die Wiedervereinigung überhaupt noch erstrebenswert? (1969)
Sicherlich war viel Mut bei den Veranstaltern vonnöten, die Frage nach der Wiedervereinigung oder nach dem Religionsunterricht zu stellen, wo es doch für beides klare Verfassungsbestimmungen gab. Sie wurden zumindest von den Schülerinnen und Schülern belohnt, denn diese gingen mit 218 beziehungsweise 113 Arbeiten auf die Provokation ein. Rein zahlenmäßig waren es jedoch längst keine Renner. Solche gab es bei den schriftlichen Themen auch immer wieder. Die folgenden brachten es auf mehr als 350 Einsendungen:
- Ist es richtig, die "Entwicklungsländer" auch auf Kosten unseres Lebensstandards zu fördern? (1960)
- "Es geht uns zu gut"-was halten Sie von diesem Schlagwort? (1962)
- Drogen, Rauschgift-warum, wozu? (1971)
- Werbung im Fernsehen. Beobachten sie einige Werbesendungen im Fernsehen und finden Sie heraus, mit welchen "Maschen" versucht wird, die Zuschauer anzusprechen. (1977)
- Welche Ursachen hat Ihrer Meinung nach der Terrorismus? (1977)
Offensichtlich wurde in diesen Fällen das richtige Thema zur rechten Zeit gestellt. Damit sollen zwei Gesichtspunkte der Themenwahl zum Ausdruck gebracht werden. Erstens muß beachtet werden, was in der öffentlichen Diskussion in der Luft liegt. Zweitens muß die Formulierung provokant und offen sein. Die höchste Zahl an schriftlichen Arbeiten überhaupt, nämlich 535, wurde 1977 mit "Werbung im Fernsehen" erzielt. -Weder provokant, noch aktuell: Damit ist die Begrenztheit des Erfolgs bei der Themenformulierung offenkundig. Trotzdem sind es Anhaltspunkte. Ein weiterer kommt noch hinzu. Alle Themen mit mehr als 1000 Einsendungen wurden nicht schriftlich, sondern als Plakat bearbeitet. Diese Arbeitsform gehörte zu den Neuerungen, mit denen man zu Beginn der siebziger Jahre den Wettbewerb wieder in Schwung bringen wollte. Die Formulierung dieser Aufgabenstellung erfordert besondere Aufmerksamkeit, denn sie muß einen Appell beinhalten. Es dauerte einige Zeit, bis das Plakat Anerkennung als Ausdrucksform des Wettbewerbs fand. Daran änderte zunächst weder sein Erfolg, noch seine Verbreitung als Mittel der politischen Auseinandersetzung etwas. Die Landeszentrale für politische Bildung stellte ziemlich bald Wanderausstellungen zusammen und verschaffte damit den Autorinnen und Autoren öffentliche Beachtung. Dazu weiter unten mehr.
Folgende Plakatthemen sprachen mehr als 1000 Bearbeiterinnen und Bearbeiter an:
- Plakat, das zum Frieden aufruft. (1981)
- Plakat, das auf die Bedrohung der Natur aufmerksam macht oder zu deren Erhaltung auffordert. (1983)
- Plakat, das auf Zukunftschancen aufmerksam macht oder vor Zukunftsrisiken warnt. (1984)
- Plakat, das Möglichkeiten zum Frieden aufzeigt. (1987)
Die Erweiterung des Teilnahmekreises hatte erhebliche Auswirkungen auf die Art der Formulierung der Themen. Die klassischen Aufsatzwendungen mußten nach und nach hinter altersgerechte Parolen zurücktreten. Wobei sich längst nicht jede als solche herausstellte. Einige Varianten dazu:
- Warum haben viele Leute von der Politik die Nase voll? (1992)
- Risiko-Droge gegen die Öde des Alltags? (1993)
6. Auswählen ist Trumpf
"Bitte machen Sie sich Gedanken über Sinn und Zweck eines politischen Wettbewerbs und unterbreiten Sie Vorschläge zur Steigerung der Attraktivität des Landtagswettbewerbs." Diese Einladung aus dem Jahr 1982 stieß zwar weitgehend auf taube Ohren. Die wenigen Einsendungen hatten eine umso größere Wirkung. Eine davon war die Aufnahme eines neuen Themas, besser gesagt Nicht-Themas. Denn es wurde angeregt, nicht alle Themen vorzugeben wie in der Schule. Vielmehr solle die Möglichkeit einer freien Wahl eingeräumt werden. Und das kam 1983 dabei heraus. 265 Schülerinnen und Schüler stürzten sich auf das sogenannte "Freie Thema". Es erschien in der folgenden Formulierung:
"Wählen Sie ein politisches Problem aus. Entwerfen Sie dazu einen Dialog, eine Kurzgeschichte, ein Gedicht, eine Glosse, einen Kommentar, einen Brief o. ä." Die Formulierung wurde einige Male geändert. Die Attraktion der Auswahl hält aber bis heute an. Deswegen gibt es seit 1995 sogar ein zweites freies Thema: "Welches politische Thema stellst du Dir selbst? Grenze es ein und formuliere es. Bearbeite es ausschließlich als Erörterung, Facharbeit, Kommentar, Reportage, Umfrage, Wandzeitung."
Es sind bei weitem nicht nur die Zahlen, die beeindrucken und die dafür sorgen, daß diese Wahlmöglichkeit erhalten bleibt. Die Qualität überzeugt. Die meisten Förderpreise wurden an literarische Schöpfungen des "Freien Themas" verliehen. Vielleicht auch ein Zeichen der Tradition der politischen Lyrik in Deutschland, wie Ruth Götting vermutet. [8] Aber auch eine Videoreportage und ein Plakat konnten sich schon in der Konkurrenz behaupten.
Die Auswertung mehrerer Jahrgänge der Arbeiten zum sogenannten freien Thema brachte bemerkenswerte Ergebnisse über die gewählten Themen, die bevorzugten Arbeitsformen und natürlich auch über die Autorinnen und Autoren. [9]
Es werden überwiegend tagesaktuelle Ereignisse aus der Bundespolitik aufgegriffen. Mit weitem Abstand folgen Lokales und Landespolitik. Die Sorge um den Frieden und um die Umwelt steht immer an erster Stelle. Die Schülerinnen und Schüler sind bemüht, ihre Themen so interessant wie möglich zu verpacken. Gedicht und Kurzgeschichte rangieren mit Abstand vorne. Viele wählen keine der angebotenen Formen, sondern fühlen sich zu anderen originellen Einfällen angeregt. Sie betreiben teilweise einen enormen Aufwand für ihre Werke. Das Musikvideo einer Dreiergruppe mit eigener Musik und eigenem Text erhielt auf Anhieb einen Förderpreis. Es überzeugte als Komposition, die die Bedeutung fremder Kulturen für Deutschland darstellte. Der Komponist und Interpret eines ausgezeichneten Protestliedes durfte sogar beim Jugendtreffen des Bundespräsidenten in Berlin auftreten. Außerordentlich originell und arbeitsintensiv war auch ein Comic, bei dem der Tod dem Menschen den Blick in die Zukunft eröffnet. Dieses "Freie Thema" wird wohl auch deshalb so gerne gewählt, weil es die Möglichkeit eröffnet, eigene politische Aussagen darzulegen, Anregungen zu geben und Politikerinnen und Politiker zu kritisieren. Trotz aller Unzufriedenheit nehmen sie ihre Mitmenschen und nicht zuletzt sich selbst in die Pflicht. "Wir fragen heute unsere Eltern, wie konntet ihr zulassen, daß Hitler an die Macht kam? Und was werden unsere Kinder einmal fragen? Wie konntet ihr zulassen, daß unsere Umwelt zerstört wurde?"
7. Kein Zahlenstreß
Um es noch einmal zu wiederholen: Es sind bei weitem nicht nur die Zahlen, die die Themenformulierung bestimmen. Bei vielen ist fast von vornherein klar, daß sich nur eine kleine Minderheit damit befassen wird. Und dennoch werden solche Themen gestellt, weil sie dem Beirat wichtig sind. Schulische Angelegenheiten gehören beispielsweise dazu. Nur selten fanden sie nennenswerten Anklang. Aber Schülerinnen und Schüler sollen ihre Gedanken zur Schule im Schülerwettbewerb äußern können.
Im Vorangegangenen wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Schülerinnen und Schüler erhebliche Vorbehalte gegen politische Fragestellungen haben. Das Verständnis der Wettbewerbsveranstalterin von Politik ist wesentlich weiter gefaßt als das seiner Teilnehmerinnen und Teilnehmer. So kommt es, daß diese manches politische Thema gar nicht als politisch betrachten. Bei der Bearbeitung stoßen sie aber zwangsläufig auch auf politische Zusammenhänge. Der Wettbewerb erstreckt sich andererseits aber auch bewußt auf historische, gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Bereiche. Er signalisiert damit, daß Politik nicht alles ist und geht davon aus, daß in allem auch etwas Politisches ist. Als Beispiel dafür kann ein Thema gelten, das 1979 erhebliche Resonanz fand:"'Jung und Alt verstehen sich nicht mehr.' -Nehmen Sie Stellung zu dieser Aussage und untersuchen Sie anhand einer Umfrage und aufgrund eigener Beobachtungen das Generationenproblem." Das Schwergewicht der Neukonzeption lag auf einem anderen Feld. Der Schülerwettbewerb wollte sich zu einem Forum der Begegnung und der Auseinandersetzung entwickeln.
8. Miteinander Neues entdecken
Die meisten Beiträge zum Schülerwettbewerb werden vom Landtag mit Preisen belohnt. Das Herauskommen und Mitmachen wird anerkannt. Das finden die jungen Leute toll. Sie freuen sich über die Aufmerksamkeit. Sie fühlen sich als Gesprächspartner akzeptiert. Ihre Gefühle, Gedanken und Ideen werden wahrgenommen und diskutiert.
Der Schülerwettbewerb wollte nun über die Teilnahme hinaus weitere Möglichkeiten zum Mitmachen anbieten. Für Jugendliche wurden Angebote geschaffen, die die kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen und Anregungen zur Mitgestaltung der Politik beinhalten sollten. Heranwachsende wollen ihre eigenen Erfahrungen machen. Fremdes ist exotisch und auch interessant. Neben Neugierde treibt auch der Wunsch nach Entdeckungen die jungen Leute an.
Mit Seminaren beabsichtigte die Landeszentrale für politische Bildung, bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Interesse an politischen Fragen zu vertiefen und neue Erfahrungen im außerschulischen Bereich zu ermöglichen. Voreingenommenheit gegenüber Politik sollte abgebaut, Selbständigkeit gefördert, Diskussions- und Argumentationsfähigkeit entwickelt, methodische Fertigkeiten vermittelt und soziale Kompetenz erlangt werden. Umweltschutz, Frieden, Kunst, Musik, Wirtschaft, Toleranz und vieles mehr waren die Themen der bald 100 Seminare und Begegnungen. Gespräche mit Fachleuten, Forschen vor Ort und Präsentation der eigenen Ergebnisse waren die Methoden. Spaß erleben, neue Freunde finden und Erfolgserlebnisse haben sollten dabei nicht zu kurz kommen.
Zwischen acht und zehn solcher Seminare stehen alljährlich zur Auswahl. Die Nachfrage ist groß und die meisten werden motiviert, beim nächsten Wettbewerb wieder mitzumachen. Die Seminare erfüllen damit nicht nur eine Fortbildungsaufgabe, sondern sie dienen direkt als Werbung für den Wettbewerb. Einige herausragende Begegnungen und Aktionen sollen vorgestellt werden.
9. Begegnen, Begreifen, Bewahren
20 Jugendliche aus Ungarn, der ehemaligen Sowjetunion, Thüringen und Baden-Württemberg sollten miteinander in der Gedenkstätte Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar eine Woche verbringen. In Zusammenarbeit mit Pädagogen und Historikern der Gedenkstätte wurde die Idee entwickelt, daß die jungen Leute über eine gemeinsame Aufgabe Sprachbarrieren überwinden. Im Team sollte eine Antwort zur Frage, wie ein Tag eines Lagerhäftlings abgelaufen sein könnte, erarbeitet werden. Gerade in der Begegnung mit Menschen aus anderen Ländern oder mit der Vergangenheit sollte Verstehen und Toleranz gefördert werden.
Aus der an das ehemalige Gelände des Konzentrationslagers angrenzenden sowjetischen Kaserne wurden vier junge Soldaten gewonnen. Aus Ungarn meldeten sich Studentinnen und aus Weimar fanden sich interessierte Schüler und Schülerinnen, die mit den baden-württembergischen Förderpreisträgern und Förderpreisträgerinnen ins Thema einsteigen wollten.
Gemeinsam legten sie die Gleisanlagen des damaligen Bahnhofs frei. Mit Schaufeln, Äxten und Harken wurde die Anlage von Unkraut und Gebüsch befreit. Es sollte kein Gras über diese Stätte mehr wachsen. Dabei entdeckten sie den lang vermißten Kilometerstein mit der Entfernung zum Weimarer Bahnhof und viele Fundstücke, wie Gewehrläufe, einen Eßnapf, Stiefel, Tellerscherben mit der Aufschrift "Waffen SS" . Im Archiv erforschten sie den Alltag im Lager und die Bedeutung der Gegenstände für die Häftlinge. Ihre Ergebnisse fixierten sie in einer Dokumentation. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Speziallager II, einem der Internierungslager mit dem Zweck der Entnazifizierung, regte Sascha aus Petersburg an, ein trauriges Lied zu dichten.
10. Begegnung mit dem Bundespräsidenten
Erich Iltgen, der erste sächsische Landtagspräsident nach der Wiedervereinigung, wollte nach dem Modell des baden-württembergischen Schülerwettbewerbs auch in Sachsen einen solchen etablieren. [10] In engster Zusammenarbeit mit dem sächsischen Landtag wurde der erste Schülerwettbewerb des Landtags von Sachsen 1991 ausgeschrieben und durchgeführt. Das Jahr 1992 markiert eine historische deutsch-deutsche Begegnung: Die erste gemeinsame Reise der Erstpreisträger und Erstpreisträgerinnen der Schülerwettbewerbe Sachsens und Baden-Württembergs. Höhepunkt der Reise war das Jugendtreffen des Bundespräsidenten in Berlin. In Schloß Bellevue präsentierte die Gruppe Plakate, Kurzgeschichten, Gedichte und ein Protestlied. Im Gespräch mit Richard von Weizsäcker stellten sie ihre Gedanken zur gerade aktuellen gesamtdeutschen Verfassungsdiskussion vor. Umweltschutz und das Recht auf Arbeit forderten sie als Grundrechte. Der Bundespräsident hörte aufmerksam zu und stellte seine Positionen dar. Wer hat schon die Gelegenheit, mit dem Bundespräsidenten zu diskutieren?
Die Jugendlichen genossen diesen Augenblick, der während der anschließenden Reise nach Schweden noch oft Gesprächsgegenstand war. Aber auch der Austausch von ganz Alltäglichem verband beide Gruppen zu einer. Daraus entwickelten sich Freundschaften, die nach der Reise mit Briefen und Besuchen aufrechterhalten wurden. Diese Erfahrung war Anstoß, weitere Begegnungen zwischen Schülerinnen und Schülern aus Sachsen und Baden-Württemberg zu ermöglichen.
11. Brücken bauen
Die Ersten Preisträger und Preisträgerinnen aus den Sonderschulen für Geistigbehinderte werden seit einiger Zeit auf ihrer Reise von Schülern und Schülerinnen aus anderen Schularten begleitet. Die guten Erfahrungen mit diesen Begegnungen ermutigten dazu, auch ein gemischtes Seminar anzubieten. Mit Sonderschul- und Theaterpädagogen wurden Überlegungen angestellt. Spielerische non-verbale Ausdrucksformen tragen wesentlich dazu bei, daß Schüler und Schülerinnen aller Schularten zu gleichberechtigten Partnern werden, so die Empfehlung. Ein Theaterprojekt wurde geboren. Brücken bauen war das Thema. Zu einstudierten Liedern und musikalischer Begleitung wurde ein Theaterstück improvisiert. Zunächst war jeder für sich, allmählich öffneten sich die Spieler und Spielerinnen und gemeinsam bauten sie eine Brücke. "Mir haben die Tage sehr, sehr viel gebracht. Zunächst hatte ich ein komisches Gefühl. Aber jetzt weiß ich, daß diese Menschen anders denken und fühlen. Sie haben die Welt lieber, wir sind egoistischer, sie sind offener, sie sind auf Liebe eingestellt und erwarten von der Welt Liebe", so brachte es eine Schülerin auf den Punkt.
12. Freude am Fragen
Die Schüler und Schülerinnen bekamen die Chance, mit Experten und Prominenten zu diskutieren. Eine Ministerin gab Auskunft über die tägliche Arbeit im Ministerium. Hinter den Kulissen des Landtags konnten die Jugendlichen der Frage nachgehen, wie der parlamentarische Dienst und das Protokoll arbeitet. Die Beobachtung einer Sitzung der Kinder-Enquete-Kommission oder eines Untersuchungsausschusses waren wichtige Einblicke in das parlamentarische Arbeiten. So manches Vorurteil wurde mit diesen Erfahrungen aufgelöst.
Welche Innovationsvorstellungen ein Konzern hat, erfuhren sie von einem Manager. Als es um die Frage der Organspende ging, wurde ein bekannter Internist eingeladen. Informationen aus erster Hand zu den Fürstenbergischen Handschriften vermittelte ein Historiker und Handschriftenkenner. Als die Rolle der NATO nach der Auflösung der Blöcke diskutiert werden sollte, stand eine Führungskraft der NATO zur Verfügung. Eine Designerin verriet Insiderkenntnisse zum neuesten Trend in der Mode. Eine Psychologin deckte auf, daß die Menschen ohne Vorurteile nicht leben können. Eine Verhaltensforscherin entschlüsselte die Ursprünge des menschlichen Verhaltens. Interessante Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen bewiesen, daß Politik in allem steckt, und darauf sollen die jungen Leute aufmerksam gemacht werden.
Einblicke in Behörden, Unternehmen und Einrichtungen zu gewinnen, war nicht nur Information direkt. Für einige gab es auch Orientierung für die eigene Berufswahl oder Auskunft darüber, wo Hilfe für Alltagsprobleme gefunden wird: Jugend- und Drogenberatungsstelle, Telefonseelsorge, Anlaufstelle für Nichtseßhafte, Pro Familia, Sozialamt und Schwäbische Tafel seien exemplarisch genannt.
13. Freude am Feilen und Fantasieren
Erfahrungen und Ergebnisse sollten von den jungen Leuten festgehalten werden. Sie schlüpften in die Rolle von Journalisten und verfassten Artikel und gestalteten Zeitungsseiten. Doch zuerst mußten sie sich mit den journalistischen Methoden auseinandersetzen. Wie wird eine Reportage geschrieben, wie wird ein Interview vorbereitet und wie können kurz und interessant Nachrichten verpackt werden? Informationen erhielten sie von Profis und aus direkter Anschauung. Als Beobachter einer Redaktionssitzung erfuhren sie, wie die aktuelle Agenturflut nach Ressorts vorsortiert, Arbeitsteilungen vorgenommen und ein erstes Erscheinungsbild der morgigen Zeitung diskutiert wird. Von nun an mußte schnell und diszipliniert gearbeitet werden. Immer mit Zeitdruck und der Vorgabe, sich an den Zeilenumfang zu halten. Diese Erfahrung machten auch die Schülerinnen und Schüler.
Wie ein Radiosender arbeitet, wurde nicht nur bei Rundgängen beobachtet, einige konnten mit den Profis zusammen an einer Produktion arbeiten. Tonbänder besprechen, Interviews sammeln oder gar Kommentare schreiben, das sind Arbeiten, die zunächst recht einfach aussehen. Wieviel exakte Planung und Koordinierung nötig ist, wurde im Schneideraum sichtbar. So wurde aus einem 60-Minuten Band ein Beitrag von 2 Minuten in zwei Stunden Schneidearbeit.
Auch mit literarischen und anderen künstlerischen Formen können Jugendliche ihr Anliegen an die Öffentlichkeit bringen. Die bunte Palette der Präsentation sollte geübt werden. Mit Tips von Literaten waren sie in der Lage, Kurzgeschichten und Gedichte zu entwickeln. Dabei wurde deutlich, daß ein Dichter nicht vom Himmel fällt, sondern daß damit harte Arbeit verbunden ist. Sich Kritik anhören müssen und alles nochmals umschreiben, waren Erfahrungen, die die Jugendlichen zunächst schwer ertragen konnten. Eine Produktion ist immer ein langer Prozeß und eigentlich ist er nie abgeschlossen, so erlebten es die Literatureinsteiger. Damit wuchs auch der Respekt vor Literatur.
Mit Vollblutmusikern nicht nur über Musik diskutieren, sondern Musik entdecken und spielen war ein weiteres tiefgreifendes Erlebnis. Rhythmische Grundübungen bauten Hemmungen ab. Jugendliche ohne Musik- oder Instrumentenkenntnisse wurden spielerisch an Musik herangeführt. Am Schluß präsentierten sie ihre Rock- und Hip-Hop-Songs in einer Show . Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen, und daß die Politik dabei nicht zu kurz kam, zeigt die Äußerung Peros, eines jungen Kroaten. "Ich habe meinen Hip-Hop-Song auf kroatisch gesungen. Der Text handelt vom Krieg in meiner Heimat. Ich hoffe, daß man auch mit dieser Musik etwas erreichen kann und gleichgültige Menschen wachrüttelt."
Nicht nur der Kopf, auch Hand und Fuß sollen zum Einsatz kommen. Ob bei Waldaktionen, beim Stallmisten im Zoo oder beim Bau von Fledermauskästen, immer ist dies auch mit Spaß verbunden. Viele bekamen dabei zum ersten Mal Blasen oder schlugen sich einen Hammer auf die Finger.
14. Freude am Spielen
Kommunikationsfertigkeiten sollen erlernt werden. Zuhören, Nachdenken, Hinterfragen und Argumentieren kann auf verschiedene Art und Weise geübt werden. Mal bei passiven Formen, wie bei Vorträgen, mal bei handlungsorientierten, wie bei Planspielen.
Wie Einwohner einer Stadt mit Nichtseßhaften umgehen, wie sich Delegierte auf einen Wahlkreiskandidaten einigen und wie eine Gemeinde ihre Stadtgeschichte reflektiert sind nur drei Themenbereiche, die in Planspielen angeboten werden. In jahrelanger Arbeit und Weiterentwicklung ist ein Konzept entwickelt worden, das durch das dynamische Rollen- und Situationsspiel große Anschauung erreicht. Es wurden Konflikte und Konfliktgruppen herausgearbeitet und in Spielanleitungen umgesetzt. Es war immer wieder erstaunlich, wie phantasievoll die Jugendlichen versuchten, selbst die komplexesten Probleme zu lösen. Da wurden Flugblätter und Leserbriefe herausgebracht, Demos und Infostände organisiert, Absprachen und Verträge abgeschlossen, Koalitionspartner gesucht und gewechselt. Das Schlüsselerlebnis war oft die Einsicht, daß ein friedliches Miteinander sehr viel schwieriger ist als man denkt. Es wurde Verständnis für die Langwierigkeit bei der Suche nach einem Kompromiß entwickelt.
15. Von Schülern für Schüler
Die Diskussion, wie Teilnehmerinnen und Teilnehmer weitergefördert werden könnten, beschäftigt den Schülerwettbewerb immer wieder. Die Idee, Jugendlichen, die engagiert an einem der Seminare teilgenommen hatten, die Möglichkeit zu bieten, ein Seminar selbst zu konzipieren, entstand daraus. Dieses Projekt setzte sich aus zwei Teilen zusammen, einer Werkstatt zur Vorbereitung und der Veranstaltungswoche selbst. Während der dreitägigen Werkstatt wurden Seminarerfahrungen ausgetauscht und Themen, die den Jugendlichen auf den Nägeln brennen, ergründet. Darauf aufbauend entwickelten sie dann ein Wochenprogramm, in das die Inhalte aufgenommen wurden, die sie für besonders wichtig und geeignet hielten. Auch methodische Gedanken wurden ausdiskutiert und zu einem Gesamtkonzept zusammengefügt.
So entstanden Wochenseminare zum Thema "Rußland und wir" mit sächsischen Schülerinnen und Schülern und zum "Thema M - Orientierung heute", in dem moralische Ansprüche der Gegenwart beleuchtet wurden. Beide Wochenseminare waren ein großer Erfolg. Es zeigte sich, daß je höher die Beteiligung an der Seminarkonzeption umso höher die Identifikations- und Leistungsbereitschaft der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war. Ein Modell, das fortgeführt und ausgebaut wird.
16. Pfiffige Präsentation von Plakaten
Plakatausstellungen mit preisgekrönten Arbeiten aus dem Schülerwettbewerb werden in Schulen, Banken, Tagungsstätten und Volkshochschulen immer wieder ausgestellt. Es ist klar, daß bei den Eröffnungsveranstaltungen Plakate auch von deren Gestalterinnen und Gestaltern selbst vorgestellt wurden. Daraus entstand die Idee der Vernissage-Aktion, einer pfiffigen Präsentation von Plakaten. Sie hat die Voraussetzung, daß sich die Interessierten mit Spaß und Nachdenklichkeit auf politische Fragen einlassen. Mit unterschiedlichen Methoden sollen Ergebnisse aufgearbeitet und diese der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Eine unterhaltsame Präsentation soll es werden. Aufhänger dafür ist eine Plakatausstellung. Mit eigenen aufbereiteten Positionen in die Öffentlichkeit zu gehen, fällt den meisten Jugendlichen sehr schwer. Sich darin zu üben und verschiedene Methoden politischen Handelns kennenzulernen, will der Schülerwettbewerb fördern. Die Aktionsvorbereitung als Projekt kann sich über mehrere Tage ziehen. Zu Thesen aus Plakaten kann eine Umfrage gestartet werden. Gedichte, Lieder und Spiele können aus Plakataussagen heraus entwickelt werden. Auch Sketche unterstreichen Absichten von den Plakatkünstlern. Ein Ausstellungskatalog und eine Moderation bieten Orientierung für die Vernissagebesucher. Die Vernissage-Aktion ist sehr aufwendig, und das Vorbereitungsteam muß sehr konzentriert arbeiten. [11]
Das Lernen mit projektorientiertem Arbeiten ist für die Schülerinnen und Schüler trotz großem Aufwand sehr attraktiv. Sie machen wichtige Erfahrungen beim Präsentieren und genießen die Aufmerksamkeit der Zuschauer. In diesem Projekt spiegeln sich wesentliche Elemente des didaktischen Entwurfs des Schülerwettbewerbs. Am Anfang steht die Aufforderung "Komm heraus-mach mit!". Dann gibt es nicht nur Preise für die Beiträge, sondern es werden weitere Plattformen angeboten, die dem Mitmachen Sinn verleihen. Es sind dies Veröffentlichungen wie die Nachlese, Plakat- oder Arbeitsmappen, vor allem aber Veranstaltungen zur Förderung der politischen Bildung wie sie hier beschrieben wurden. Und solche, die die Dynamik des Wettbewerbs erst noch hervorbringen wird.
Anmerkungen:
1) Diese und die folgenden Ausführungen stützen sich
auf die Magisterarbeit von Claudia Fesenbeck: Der Schülerwettbewerb des Landtags von
Baden-Württemberg zur Förderung der politischen Bildung, Tübingen 1986
2) a.a.O., S. 93ff.
3) a.a.O., S. 18
4) a.a.O., S. 29
5) Martina Gille, Winfried Krüger, Johann de Rijke, Helmut Willems: Das Verhältnis
Jugendlicher und junger Erwachsener zur Politik: Normalisierung oder Krisenentwicklung?
In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament B 19, 1996, S.
3 - 17, hier: S. 6
6) Monika Kegelmann: Der Schülerwettbewerb des Landtags von Baden-Württemberg zur
Förderung der politischen Bildung. Konzeption und Praxis, Tübingen 1989.
7) ebda., S. 91
8) Ruth Götting: Textsortenbeschreibungen zu Aufsätzen aus dem Schülerwettbewerb des
Landtags, Tübingen 1990
9) Barbara Radtke: Schülerwettbewerb als politisches Stimmungsbarometer. In: Bürger im
Staat, Heft 2/1987, S. 124 - 126
10) Schülerwettbewerb 1991 des Sächsischen Landtags zur Förderung der politischen
Bildung.
11)) Ablaufplan einer Vernissage-Aktion in der Mappe
"Orientieren-Produzieren-Präsentieren"
Veröffentlichungen des Schülerwettbewerbs:
Abschlußbericht. Jetzt Nachlese. Erscheint jährlich
Krieg und Frieden aus Schülersicht (Stuttgart, o.J.)
Orientieren-Produzieren-Präsentieren. Eine Mappe mit Projektideen (Stuttgart, o.J.)
Plakatmappe. Baut Brücken-Chancen und Probleme friedlichen Zusammenlebens (Stuttgart,
o.J.)
Plakatmappe. Der Gesundheit auf der Spur (Stuttgart, o.J.)
Plakatmappe. Für die Natur Konsum mit Kontur (Stuttgart, o.J.)
Plakatmappe. Zusammenleben mit Ausländern (Stuttgart, o.J.)
Tips zum Mitmachen (Stuttgart, 3. Aufl., 1996)
Anforderungen bitte schriftlich an:
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
Schülerwettbewerb
Sophienstraße 28-30
70178 Stuttgart
(c) 1997 Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart
sowi-online dankt der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg sowie den VerfasserInnen für die freundliche Genehmigung zum "Nachdruck" dieses Textes im Internet.
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