Filmanalyse, Filmproduktion

Kurzbeschreibung

Filme gibt es seit dem späten 19. Jahrhundert, zunächst als einfache Stummfilme, dann zunehmend mit einer eigenen künstlerischen Filmsprache ausgestattet und seit den späten 1920er Jahren auch als Tonfilm. Filme sind aus der modernen Mediengesellschaft nicht mehr weg zu denken; sie sind ein zentraler Teil der Unterhaltungsindustrie - und damit ein wichtiger Wirtschaftszweig - und werden über verschiedene Medien (Kino, Fernsehen, zunehmend auch Internet) verbreitet. Dabei wirken sie in hohem Maße meinungsbildend. Die unterschiedlichen Formen und Typen von Filmen (Spielfilme, Unterrichtsfilme, Dokumentationen, Trickfilme, private Filme usw.) können abhängig von der jeweiligen Zielsetzung auch als Medien in sozialwissenschaftlichen Fächern eingesetzt werden. Dies geschieht in der Regel in dreifacher Hinsicht:

  1. als Mittel der Veranschaulichung
  2. als Gegenstand der Analyse
  3. als eigenes Ausdrucksmittel der Schüler

1. Portrait Filmanalyse, Filmproduktion

Die Arbeit mit Filmen im Unterricht begründet sich ...

  • durch die große Bedeutung von Filmen in der Gegenwartsgesellschaft; für Hermann Giesecke ist der Film "eine politische Aussage sui generis" (Giesecke 1976, 158)
  • durch die Erfahrungen von Kinder und Jugendlichen, denn Filme sind ein zentraler, massenhaft konsumierter Bestandteil der Kinder- und Jugendkultur
  • durch ihre Anschaulichkeit
  • durch Forderungen nach einem handlungs- und produktionsorientierten Unterricht, der auch einen handelnden Umgang mit Filmen einschließt
  • durch die Einbeziehung des Ästhetischen und die Förderung ästhetischer Lernprozesse, deren Bedeutung auch für das politische Lernen in jüngster Zeit verstärkt betont wird

Filme werden daher eingesetzt ...

  1. als Mittel der Veranschaulichung: Mit Filmen können Phänomene, Probleme, Zusammenhänge, Kulturen etc. visuell dargestellt werden, die ansonsten nicht oder nur schwer direkt zugänglich, gefährlich oder schlicht völlig unanschaulich wären. Filme liefern hier Einblicke und Eindrücke, die die sprachlichen Informationen in Form von Texten und Lehrerinformationen um zusätzliche Dimensionen ergänzen können.
  2. als Gegenstand der Analyse: In Filmen spiegelt sich z. B. der Zeitgeist ihrer Entstehungszeit wider, sie können (vermutete oder tatsächliche) Publikumsbedürfnisse antizipieren, versuchen, Menschen zu beeinflussen usw. Alles dies kann durch eine unterrichtliche Analyse auf Grundlage einer Untersuchung der spezifischen filmischen Stilmittel (s.u.) aufgedeckt werden.
  3. als eigenes Ausdrucksmittel: Durch die Produktion eigener Filme setzen Schülerinnen und Schüler ihr unterrichtlich gewonnenes Wissen in ein anderes Medium um. Hierzu müssen sie auswählen, Schwerpunkte setzen, über die möglichen Bedürfnisse, Interessen und Vorerfahrungen der Zuschauer und damit die Rezeptionsbedingungen ihres Films nachdenken, die Mittel der Filmsprache bewusst einsetzen usw. Gleichzeitig stellen sie mit der Präsentation eines eigenen Films Öffentlichkeit her. Eine bescheidenere und daher unter den Bedingungen alltäglichen Unterrichts realistischere Variante ist die Bearbeitung eines vorhandenen Films (z. B. durch die Erstellung einer neuen Tonfassung, der Entwurf von Werbeplakaten zu einem Film usw.).

Vor allem die zweite und dritte Möglichkeit setzen Wissen über die Gattung und ihre Besonderheiten bei Lehrern und Schülern voraus. Filme bilden die Wirklichkeit nicht ab, sondern sie gehen selektiv und perspektivisch vor. Hierzu benutzen sie unterschiedliche Ausdrucksformen: die Kameraeinstellungen, das Licht, die Farben, die Geräusche, die Musik, den Schnitt, den Off-Text, die Dialoge etc. In verschiedenen Filmgenres wird diese Filmsprache sehr unterschiedlich verwendet; ein Industriefilm geht hier anders vor als ein Spielfilm, ein Werbespot anders als eine filmische Dokumentation oder ein Videoclip.

Filme wirken auf Menschen - auch und gerade auf Schüler - häufig emotional, manchmal auch suggestiv. Im Unterricht kommt es darauf an, die Wirkungsmächtigkeit von Filmen zu entmythologisieren durch die Entschlüsselung ihrer Herkunft und Machart, sowohl durch die Analyse vorhandener Filme als auch die Herstellung eigener. "Ziel ist die Entwicklung einer eigenen Urteilsfähigkeit im Umgang mit visualisierten Botschaften und die Kompetenz, bestimmte Botschaften filmisch umzusetzen." (Schelle 2000, 206) Dies ist auch ein wichtiger Beitrag zur Medienerziehung in einer von einer Bilderkultur geprägten Mediengesellschaft.

2. Herkunft und Entwicklung

Dass Filme auch bei der Unterstützung schulischer Lernprozesse eine Rolle spielten könnten, wurde von Pädagogen schon bald nach ihrer Erfindung entdeckt (das Folgende nach Reeken 2003, 97f.): Bereits 1907 gründete sich beispielsweise in Berlin eine "Kinematographische Reformvereinigung", die einen ersten Katalog mit Filmen für Volksbildungs- und Schulzwecke herausgab. Nach dem Ersten Weltkrieg richtete das Berliner Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht eine "Beratungs- und Prüfstelle für Lehrfilme" ein, seit 1920 entstanden in den größeren Städten Bildstellen und 1922 führte Hans Ammann den Begriff des "Unterrichtsfilms" in die didaktische Diskussion ein. Eine systematische Produktion von Unterrichtsfilmen setzte vor allem mit der Gründung der "Reichsstelle für den Unterrichtsfilm" (des heutigen "Instituts für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht" (FWU)) 1934 ein; bis 1944 entstanden hier mehr als 800 Unterrichtsfilme und wurde weit mehr als eine halbe Million Kopien ausgeliefert. Auch die pädagogische Diskussion nahm sich nunmehr vermehrt dem Film als unterrichtliches Medium an. Es ist allerdings sehr fraglich, ob Filme in jener Zeit tatsächlich in großem Ausmaß in den Schulen eingesetzt wurden.

Einen Schub erhielten die Diskussionen um den Einsatz von Filmen im Unterricht sowohl durch die technische Entwicklung als auch durch pädagogisch-didaktische Veränderungsprozesse: Die Einführung des Schulfernsehens seit den 1960er Jahren verbesserte die Verfügbarkeit spezifischer Unterrichtsfilme und erhöhte den Druck auf die Schulen und die Lehrer, dieses neue Angebot auch zu nutzen. Die didaktische Debatte verlagerte sich - obwohl sich die Einsatzmöglichkeiten von Filmen in Schulen vor allem durch die Durchsetzung der Videotechnik deutlich verbesserten - in den letzten Jahren allerdings von den "alten" "AV-Medien" auf die "Neuen Medien", vor allem auf die Arbeit mit Computern - wobei auch diese häufig von ähnlichem pädagogischen Optimismus begleitet ist wie die unterrichtliche Film- und Fernseharbeit in ihren Anfängen. Da viele CD-ROMs und manche webbasierten Angebote mittlerweile ebenfalls mit Filmsequenzen arbeiten, verbinden sich hier die Medien miteinander. Neuerdings werden, auch in den Angeboten der FWU, vermehrt DVD-Videos angeboten, die vor allem durch die neuen technischen Optionen verbesserte Zugriffsmöglichkeiten auf einzelne Filmstellen und -abschnitte ermöglichen und so die Analyse von Filmen erleichtern; zudem erleichtern sie die Produktion von Filmen, die nicht einfach von Anfang bis Ende gezeigt werden, sondern durch entsprechende Unterbrechungen und integrierte Arbeitsaufgaben didaktisch aufbereitet sind.

3. Hinweise zur praktischen Umsetzung

Selbstverständlich richtet sich der Einsatz eines Filmes nach den unterrichtlichen Zielsetzungen: In einer illustrativen Funktion besitzt er einen anderen Stellenwert in einer Unterrichtseinheit als motivierender und problematisierender Einstieg oder als Gegenstand einer detaillierten Filmanalyse, wo er im Mittelpunkt der Sequenz steht.

Bei der Analyse eines Filmes im Unterricht sind folgende Aspekte besonders zu beachten:

  • Filmanalyse muss in einem methodenorientierten Unterricht systematisch und reflektiert eingeübt werden. Hierzu ist insbesondere die Kenntnis der wichtigsten Elemente der Filmsprache (vgl. Reeken 2003, 101) zu vermitteln. Sehr hilfreiche Hinweise für Lehrerinnen und Lehrer (http://www.mediamanual.at/mediamanual/leitfaden/leitfaden.html) und Schüler (http://www.kinderfilm-online.de/kids/page/all-klar/filmspra.htm) finden sich im Internet.
  • Die Analyse kompletter Spielfilme ist außerordentlich zeitaufwändig und wohl nur in projektorientierten Arbeitsformen möglich. Sinnvoll ist hierbei neben der Analyse der Filmsprache auch die Einbeziehung von Zusatzinformationen, die durch eine intensive Recherche in einschlägigen Handbüchern und im Internet ermittelt werden können. Hierzu gehören Informationen über Entstehungsmotive, Finanzierung, Produzent, Regisseur, Drehbuchautor und andere beteiligte Personen und Institutionen, über die Dreharbeiten, über die Aufnahme bei der Kritik und beim Publikum etc. Außerdem ist es sinnvoll, die Wirkung eines Films auf die Zuschauer auch sozusagen "am eigenen Leibe" zu erfahren, also spontane Eindrücke, Emotionen etc. nach der ersten Vorführung zu äußern, auszutauschen, zu vergleichen und zu reflektieren.
  • Stärker in den alltäglichen Unterricht zu integrieren ist die gezielte Analyse von Filmausschnitten, von Werbe- und Industriefilmen, von Fernsehsendungen etc. bei der Behandlung entsprechender Themen.
  • Sinnvoll ist die Einbeziehung von Expertenbefragungen bzw. von Lerngängen zu außerschulischen Lernorten: Erkundend tätig werden können Schülerinnen und Schüler z. B. in Werbeagenturen, Film- und Fernsehstudios durch Beobachtung und Befragungen.
  • Die örtlichen Filmstellen halten in ihrem Angebot auch Filme bereit, die für die politische Bildung, den Geschichtsunterricht und die ökonomische Bildung zu verwenden sind, teilweise auch Unterrichtsfilme, die gezielt für Bildungszwecke produziert worden sind. Eine Übersicht findet sich auch im Internet auf der Seite des FWU, des Instituts für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (http://www.fwu.de).

Die Produktion von Filmen durch Schülerinnen und Schüler (z. B. in Form von Reportagen) ist durch die Verbreitung und leichte Handhabbarkeit von Videokameras deutlich erleichtert worden (vgl. die Beispiele in: http://www.sowi-online.de/methoden/film.htm). Da eine solche Produktion aber mindestens so zeit- und arbeitsaufwändig ist wie die Analyse ganzer Spielfilme, kann sie am ehesten in Projektform oder in Arbeitsgemeinschaften geschehen. Sinnvoll ist hierbei auch eine fächerübergreifende Vorgehensweise, insbesondere eine Kooperation mit dem Deutsch- und Kunstunterricht.

4. Literatur

Gabrysch, Ute; Kulbe, Hans (1979): Einsatzmöglichkeiten und Funktion von audiovisuellen Medien im politischen Unterricht. Berlin.

Giesecke, Hermann (1976): Methodik des politischen Unterrichts, 4. Aufl. München.

Metto, Michael; Paschen, Joachim (2000): Art. Film. In: Kuhn, Hans-Werner; Massing, Peter, Hg. 2000. Methoden und Arbeitstechniken (= Lexikon der politischen Bildung, Bd. 3). Schwalbach/Ts.: Wochenschau, 51-54.

Reeken, Dietmar von (2003): Arbeit mit Filmen. In: Ders., Hg. 2003. Handbuch Methoden im Sachunterricht. Baltmannsweiler, 97-106.

Schelle, Carla (2000): Videoarbeit. In: Kuhn, Hans-Werner; Massing, Peter, Hg. 2000. Methoden und Arbeitstechniken (= Lexikon der politischen Bildung, Bd. 3). Schwalbach/Ts.: Wochenschau, 204-206.

Schneider, Gerhard (1999): Filme. In: Pandel, Hans-Jürgen ; Schneider, Gerhard, Hg. 1999. Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts.: Wochenschau, 365-386.

 

sowi-online Originalbeitrag
© 2004 Dietmar von Reeken, Bielefeld;© 2004 sowi-online e. V., Bielefeld

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