Bernd O. Weitz unter Mitarbeit von Stefan Thomè
Inhalt
1. Intentionen
2. Falldarstellung
2.1 Grundinformationen zum Unternehmen
Arbeitsauftrag I
2.2 Stillegung des Standortes Kassel-Bettenhausen
Arbeitsauftrag II
3. Sozialplanverhandlungen
4. Sozialplanregelungen
Arbeitsauftrag III
5. Didaktisch-methodische Hinweise zu den Arbeitsaufträgen
6. Tatsächliches Ergebnis "Betriebsvereinbarung Couture-Mode"
7. Gesetzestextauszüge (Betriebsverfassungsgesetz)
Literatur
1. Intentionen
Im Rahmen der Arbeit mit der Fallstudie sollen die Schüler:
- Überlegungen zur Krisenbewältigung eines Unternehmens anstellen und die möglichen Konsequenzen für Interessengruppen im Unternehmen bedenken,
- Probleme von Betriebsänderungen kennenlernen,
- Rechtsschutzbestimmungen der Arbeitnehmer und der Unternehmer erfahren und anwenden,
- Grundlagen von Kündigungsschutzgesetz (KSG) und Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bei Sozialplanangelegenheiten kennenlernen und anwenden.
2. Falldarstellung
2.1 Grundinformationen zum Unternehmen
Das Textilunternehmen "Couture-Mode" ist im Bereich der Damenoberbekleidung für exklusive Mode und gute Qualität zu soliden Preisen bekannt. Es hat neben dem Hauptsitz in Hannover noch mehrere Produktionsstandorte und Verkaufsfilialen in Deutschland.
Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs der achtziger Jahre konnte das Unternehmen steigende Umsatz- und Gewinnzahlen verzeichnen, die bis 1991 anhielten. Die Konjunkturflaute im Bekleidungsbereich brachte danach auch für die "Couture-Mode" bei steigenden Produktionskosten - vor allem bedingt durch hohe Lohn- und Gehaltszahlungen - schwere Umsatzrückgänge mit sich.
Der Jahresumsatz lag 1993 bei steigenden Produktionskosten mit 12% unter dem ohnehin schon rückläufigem Umsatz des Vorjahres und die Prognosen für 1994 lagen noch darunter. Unter anderem auch deshalb, weil im Zuge des Mauerfalls und der Öffnung der Ostblockstaaten weitere Wettbewerber bei viel geringeren Lohnkosten (eine Näherin verdient in Deutschland brutto ca. 45 DM/Std. und in Rußland ca. 0,30 DM/Std.) auf den Bekleidungsmarkt drängen. Diese Veränderungen stellen die Unternehmensleitung von "Couture-Mode" vor tiefgreifende Probleme.
- "Couture-Mode" schaltet die Unternehmensberatung "Rat und Tat-GmbH" ein. Sie sollen nun als Mitarbeiter der Unternehmensberatung (auf ca. einer halben DIN-A4-Seite) dem angeschlagenen Unternehmen Vorschläge unterbreiten, welche Maßnahmen in dieser problematischen Situation getroffen werden könnten!
- Stellen Sie in einer Übersicht zusammen, welche Interessengruppen von den jeweiligen Maßnahmen (Vorschlägen) in welcher Weise betroffen sind.
2.2 Stillegung des Standortes Kassel-Bettenhausen
Die Unternehmensleitung von "Couture-Mode" entschied sich für die Verlagerung von Produktionsstätten nach Osteuropa und beschloß, den vergleichsweise kostenintensiven Produktionsstandort Kassel-Bettenhausen stillzulegen. Am 28. April 1994 gab die Unternehmensleitung die Stillegung des Betriebes zum 30. September 1994 bekannt.
Der folgende Auszug der Betriebsvereinbarung zum 28. April 1994 faßt zusammen: [/S. 34:]
|
- Versetzen Sie sich in die Lage der Unternehmensleitung und der betroffenen Mitarbeiter!
- Überlegen Sie, welche Konsequenzen sich aus der Unternehmensentscheidung, den Betrieb Kassel-Bettenhausen stillzulegen, ergeben.
3. Sozialplanverhandlungen
Ohne eine soziale Abfederung, die durch den sog. Sozialplan (4.) geschaffen werden soll, hätte die Entwicklung für die Arbeitnehmer viele tiefgreifende Probleme zur Folge.
Der folgende Auszug aus einem Sitzungsprotokoll zu den Sozialplanverhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern vom 23.03.1994 soll einen Eindruck von den Problemen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite vermitteln.
Exemplarische Mitarbeiterauflistung
Exemplarische Darstellung einiger betroffener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, stellvertretend für viele andere.
Name
|
Vorname
|
Alter
|
TZ/VZ
|
Betriebs- zugehörigkeit |
Brutto- einkommen |
verh.
|
Kinder
|
Cetin | Aydin |
63
|
VZ
|
16,08 Jahre
|
3.200
|
ja
|
-
|
Deuter | Petra |
39
|
VZ
|
22,5
|
2.972
|
verw.
|
2
|
Gärtner | Josefine |
35
|
VZ
|
13,5
|
3.600
|
nein
|
1
|
Mayer | Leoni |
52
|
TZ
|
35
|
1.506
|
ja
|
-
|
Peters | Frieda |
51
|
TZ
|
2,67
|
1.431
|
ja
|
-
|
Schmitt | Heinrich |
57
|
VZ
|
26,3
|
3.429
|
ja
|
-
|
Schmitt | Martin |
21
|
VZ
|
2,58
|
3.011
|
nein
|
-
|
Zeitler | Alberta |
44
|
TZ
|
23,25
|
1.579
|
ja
|
2
|
Zöllner | Klara |
54
|
TZ
|
31,08
|
1.533
|
ja
|
-
|
4. Sozialplanregelungen
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) sind Arbeitgeber und Betriebsrat verpflichtet, einen Sozialplan über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern in der Folge der geplanten Betriebsänderungen entstehen, zu vereinbaren. Da die individuelle Ermittlung des wirtschaftlichen Nachteils aber zu aufwendig ist, erfolgt die Ermittlung des wirtschaftlichen Ausgleichsbetrages pauschal nach bestimmten typischen Kriterien.
Grundsätzlich geht es in §§ 111 und 112 BetrVG nicht in erster Linie um finanzielle Ansprüche des einzelnen Arbeitnehmers, sondern um einen allgemeinen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes.
Die Entlassung des Arbeitnehmers bildet die für ihn schwerwiegendste Maßnahme des Arbeitgebers, da er einen wirtschaftlichen Nachteil sowohl in der Übergangszeit der Arbeitslosigkeit bis zur Aufnahme [/S. 35:] einer neuen Beschäftigung als auch in Bezug auf seine Anwartschaft aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis erfährt. Mit der Entlassung erleidet der Arbeitnehmer meist einen Verlust von Beistandsrechten, die mit seiner Betriebszugehörigkeit verbunden sind (z.B. Kündigungsfristen, Urlaubsdauer, Unverfallbarkeit einer betrieblichen Versorgungsanwartschaft, Gratifikationen, Weihnachtsgeld und Jubiläumszahlungen), es sei denn, sein neuer Arbeitgeber erkennt diese an und stellt ihn zu den gleichen Bedingungen ein. Aus den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zur Betriebsveränderung ergibt sich jedoch kein bindender Anhaltspunkt für die inhaltliche Gestaltung der Sozialpläne. Damit verfolgt man das Ziel, den Verhandlungspartnern die Möglichkeit zu geben, sowohl die Besonderheiten des Unternehmens und der betriebsändernden Maßnahme, als auch die konkrete soziale Situation der betroffenen Arbeitnehmer bei der Feststellung des Sozialplaninhaltes zu berücksichtigen.
Die rechtlichen Grundlagen zum Interessenausgleich und zu Sozialplanangelegenheiten sind im Arbeitsrecht ausgeführt. Hierzu insbesondere im Betriebsverfassungsgesetz, im Kündigungsschutzgesetz und im Arbeitsförderungsgesetz.
- Wie könnte Ihrer Meinung nach eine soziale Auswahl der Entscheidungen (Sozialplan) getroffen werden und welche Kriterien sollten dabei eine Rolle spielen?
- Entwerfen Sie einen Sozialplan!
Ihr Arbeitsergebnis wird anschließend mit dem in der Realität entwickelten Sozialplan verglichen.
5. Didaktisch-methodische Hinweise zu den Arbeitsaufträgen
Arbeitsauftrag I
Die Schülerinnen und Schüler sollen, nachdem sie die Fallproblematik erfaßt haben, in Gruppenarbeit konkrete Vorschläge machen, wie dem Unternehmen in der problematischen Situation geholfen werden kann. Sie sollen dabei bspw. Maßnahmen vorschlagen wie:
- Überstunden reduzieren bzw. vermeiden,
- betriebliche Kurzarbeit einführen,
- Zeitverträge auslaufen lassen,
- Kostensenkungsmaßnahmen durchführen,
- Rationalisierung des Betriebes bzw. Betriebsveränderungen,
- Verkaufsfördermaßnahmen durchsetzen
- etc.
Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler erkennen, daß - je nach Maßnahme - verschiedene Interessengruppen (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, öffentliche Interessen wie Gemeinde/Stadt, Kreise, Länder usw.) von den Einrichtungen betroffen sind.
Arbeitsauftrag II
Nachdem hier die Entscheidung des Unternehmens gefällt und den Schülerinnen und Schülern bekannt ist, sollen sich diese nun in die Lage der Arbeitgeber/ Unternehmensleitung und der Arbeitnehmer versetzen. Die Schülerinnen und Schüler überlegen - aufgeteilt in Arbeitgeber- und Arbeitnehmergruppen - welche Konsequenzen sich aus der Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, ergeben bzw. was das für sie selbst nun bedeuten kann.
Die Unternehmensleitung muß bspw. einen Sanierungsplan und einen Sozialplan erstellen, öffentliche Verärgerung vermeiden bzw. beseitigen, einen Imageverlust vermeiden, versuchen, die qualifizierten Arbeitnehmer zu halten, die Qualität der Produkte zu halten, etc.
Die Arbeitnehmer müssen z.B. über ihre persönliche Zukunft eingehend nachdenken, versuchen, ihre wirtschaftlichen Nachteile so gering wie möglich zu halten, [/S. 36:] sich tarif- bzw. arbeitsrechtlich gegen einschneidende Maßnahmen wehren (Streik/ Klage), einen sozial verträglichen Interessenausgleich fordern, etc.
Arbeitsauftrag III
Hier sollen die Schüler in Arbeitsgruppen anhand der Informationen über mögliche Entscheidungskriterien und Entscheidungskonsequenzen, die sich aus dem vorliegenden Sitzungsprotokoll, den Informationen zum Sozialplan und den Ergebnissen der vorangegangenen Arbeitsaufträge ergeben haben, einen Sozialplan für die exemplarisch dargestellten Fälle erarbeiten. Die Ergebnisse werden anschließend vorgestellt, gemeinsam analysiert und mit dem Originalsozialplan (6.) verglichen.
Zu den wichtigsten betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Sozialplanerstellung zählen u.a.:
- der Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses (zumutbare Versetzung in einen anderen Betrieb bzw. Unternehmensteil. Häufig mit Lohnausgleich oder Umschulung bzw. Weiterbildungsmaßnahmen verbunden)
- Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile bei Entlassung
- Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Fortbestand einer unmittelbaren Beziehung
zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen.
(1. Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes, 2. Überbrückungshilfen z.B. Zuschuß zum Arbeitslosengeld, 3. Pensionierungen)
- Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Fortfall aller unmittelbaren Beziehungen zum Unternehmen.
- Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Fortbestand einer unmittelbaren Beziehung
zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen.
Bei der Bearbeitung der Fallstudie wurde aus Gründen der Überschaubarkeit der Problematik des Falles auf eine tiefgehende Einbindung der rechtlichen Grundlagen des Kündigungsschutzgesetzes und des Arbeitsförderungsgesetzes verzichtet. Das Betriebsverfassungsgesetz mit den Paragraphen über die Sozialplanerstellung ist für die Fallbearbeitung jedoch notwendige Voraussetzung.
6. Tatsächliches Ergebnis "Betriebsvereinbarung Couture-Mode"
schließen folgende Betriebsvereinbarung
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Herr Breit, Mitglied des Betriebsrates: "(...) Lieber Herr Hausmann (AG Vertreter), ich kann als Betriebsratmitglied und Vertreter der Arbeitnehmer die geplanten einschneidenden Veränderungen nicht so ohne weiteres hinnehmen. Sicher müssen wir Ihre Entscheidung akzeptieren, aber es dürfte doch auch Ihnen bewusst sein, dass mit Ihrer kollektiven Entscheidung viele persönliche Schicksale und Existenzen verbunden sind, die man nach Möglichkeit mehr berücksichtigen und eventuell gesondert behandeln sollte. Da ist bspw. Frau Deuter, P., 39 Jahre, seit einem Jahr verwitwet und nun alleinstehend mit zwei Kindern (9 und 11 Jahre). Sie gehört seit 22,5 Jahren unserem Unternehmen an und gilt als ausgezeichnete Nähkraft, die mit viel Fleiß und Engagement ihre Arbeit verrichtet. Frau Deuter würde eine Entlassung ausgesprochen hart treffen, denn trotz ausgezeichneter Nähfertigkeiten und eines guten Führungszeugnisses, das wir ihr bestimmt ohne weiteres ausstellen könnten, hat sie, da sie über keinen Schulabschluss verfügt, wohl nur geringe Chancen, eine neue Arbeitsstätte als Näherin zu bekommen. Hinzu kommt, dass sie keinen Führerschein besitzt, d. h. sie ist relativ immobil. Bisher war die Fahrstrecke für sie kein Problem. Sie wohnt nur 5 Fahrradminuten vom Betrieb weg. Ein weiterer Fall wäre die Teilzeitkraft Frau Mayer, L. Sie ist 52 Jahre alt und gehört seit sage und schreibe 35 Jahren dem Betrieb an. Ihr Mann, 54 Jahre alt, wurde im Dezember 1992 von den Rationalisierungsmaßnahmen der Maschinenbaufirma im Nachbarort getroffen und ist seither arbeitslos und ohne Aussicht auf Wiederanstellung. Frau Mayer ist zwar mobil und flexibel, doch ähnlich wie bei ihrem Mann sind ihre Anstellungschancen mit 52 Jahren eher schlecht einzustufen. "(...)" Für sie, die ja schon regelrecht zum Inventar der Firma gehört, kann man doch nicht die gleichen Maßstäbe anlegen, wie z. B. für eine Arbeitnehmerin, die erst seit einem Jahr im Unternehmen tätig ist. Gerade auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die schon etwas älter sind, kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und kurz vor der Rente stehen, könnte man doch Möglichkeiten schaffen, sie angemessen in einen eventuellen Vorruhestand überwechseln zu lassen. Nach der Regelung des § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gilt doch, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Erreichen ihres 58. Lebensjahres vom Staat vorgezogenes Altersruhegeld in Höhe von 85 % ihres letzten Nettoeinkommens beanspruchen können. Nun könnte man doch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens über 56,5 Jahre alt sind und wie alle anderen Arbeitslosen 18 Monate Arbeitslosengeld erhalten, eine zusätzliche monatliche Abfindung in Höhe der Differenz zwischen diesen 85 % des Nettoeinkommens und dem niedrigeren Arbeitslosengeld auszahlen. Dadurch könnte Mitarbeitern wie z. B. Herrn Schmitt bis zum Erreichen des 58. Lebensjahres und dem damit verbundenen Anspruch auf das Altersruhegeld, ohne höhere Einkommenseinbußen über die Zeit geholfen werden. "(...)" Herr Hausmann, AG Vertreter: " Natürlich sehen Sie, Herr Breit, in erster Linie die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, doch vergessen Sie bitte nicht, dass Sie nur den von der Betriebsstillegung betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verpflichtet sind. Sie als Vertreter des Gesamtbetriebsrates wissen ebenso gut wie ich, dass jede Mark, die mehr in den Sozialplan einfließt, dem Unternehmen zur Sanierung entzogen wird und dadurch die Gesamtlage des Unternehmens und der noch im Unternehmen verbleibenden Arbeitnehmer weiterhin destabilisiert. Die Geschäftsführung kann auch nicht einfach so Ihren Vorschlagskatalog billigen, indem Sie Maßnahmen fordern wie:
Auch wir sind an einer gütlichen Übereinkunft interessiert, doch wenn wir uns in unserer Situation überhaupt auf irgendwelche Forderungen einlassen sollten, dann doch wirklich nur in absoluten Härtefällen."
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7. Gesetzestextauszüge (Betriebsverfassungsgesetz)
§ 111 Betriebsänderungen
Der Unternehmer hat in Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten
1. Einschränkung und Stillegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2. Verlegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3. Zusammenschluss mit anderen Betrieben,
4. grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.
§ 112 Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan
(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben. Das gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.
(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den So-zialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Präsidenten des Landesarbeitsamtes um Vermittlung ersuchen. Geschieht dies nicht oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vor-sitzenden der Einigungsstelle nimmt der Präsident des Landesarbeitsamtes an der Verhandlung teil.
(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und dem Vorsitzenden zu unterschreiben.
(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:
- Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
- Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
- Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.
Literatur
Beuthin, V. (1979): Der Sozialplan im Konkurs, Köln
Boden, M. (1988): Zweck und Reform der Sozialplanregelungen. Dissertation Universität zu Köln
Langemeyer, W. (1988): Schriften zur Personalwirtschaft (Bd. 1). Frankfurt a. M.
Löwisch, M. (1989): Betriebsverfassungsgesetz (2. Auflage). Heidelberg
Löwisch, M. (1991): Arbeitsrecht. Düsseldorf
Stein, H./ Weitz, B. O.(1993): Personalwirtschaft. Grundlagen - Berufsbildung - Personalentwicklung. Essen
Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Weitz, Bernd O. (1996): Fallstudienarbeit
in der beruflichen Bildung. (Sonderheft Wirtschaft und Gesellschaft im Beruf). Bad Homburg vor der Höhe:
Gehlen, S. 33-39.
© 2001 Bernd O. Weitz, Halle/Saale; © 2002 sowi-online, Bielefeld
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z. B. [/S. 53:].
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