Fallstudie zum Bereich Marketing: Robinson-Liste - Keine Werbung mehr im Briefkasten !? -

Bernd O. Weitz

Inhalt

1. Intentionen
2. Fallsituation
3. Arbeitsaufträge
4. Informationen
   4.1 Wie kommen die Unternehmen an Adressen und Daten potentieller Kunden ?
   4.2 Deutscher Direktmarketing Verband

 

1. Intentionen

Im Rahmen der Arbeit mit der Fallstudie sollen die Schüler:

  1. Vorgehensweisen von Unternehmen zur Beschaffung von Adressen und Daten potentieller Kunden in Erfahrung bringen,
  2. Möglichkeiten zur Eindämmung der Werbeflut in Privatbriefkästen zusammentragen und beurteilen,
  3. Direktmarketing als Instrument der gezielten Kundenansprache von Unternehmen erkennen und dessen Effizienz aus Unternehmersicht beurteilen,
  4. Vor- und Nachteile des Eintrages in die Robinson-Liste für den Verbraucher erfassen und beurteilen.

2. Fallsituation

Familie Reichert sitzt beim Abendessen. Das Hauptthema des hitzigen Gespräches ist heute der ständig überquellende Briefkasten. Die 18-jährige Vanessa (Auszubildende in einer Bank) ist besonders sauer, weil der Brief ihres Freundes Thomas aus dem überfüllten Briefkasten gerutscht und durch einen Regenschauer aufgeweicht ist. "Seht Euch das bloß mal an. Werbezettel und Anzeigenblätter und allein zwei Briefe an mich. In dem einen bietet man mir Sprachkurse an und in dem anderen preist man Bio-Babywäsche an. Beide Werbebriefe sahen für mich zunächst wie ganz normale Briefe aus. Ich habe glatt meine wertvolle Zeit mit dem Zeug vertan. Ich wäre froh, wenn man mich damit verschonen würde."

Vater Reichert, der eine kleine Möbeltischlerei betreibt, hält dagegen: "Ich habe nur einen Brief bekommen. Der sah recht amtlich aus. Drinnen waren Angebote eines Maklers, der in ganz Deutschland Wohnungen und Häuser vermittelt. Da waren ganz interessante Angebote dabei. Aber ich gebe zu, häufig ist wirklich nichts Brauchbares in den Werbebriefen und es wird auch immer mehr, was uns ungebeten ins Haus flattert." Der 19-jährige Fachoberschüler Andreas ist ebenfalls wenig begeistert von der Flut der Werbebriefe. Er hat einige Informationen aus einer Fernsehsendung zu diesem Thema parat: "Ich habe gehört, daß immer mehr Unternehmen meinen, daß es wenig bringt, wenn man alle Verbraucher gleichzeitig anspricht, wie z.B. im Werbefernsehen. Wirkungsvoller ist es wohl, wenn man ganz gezielt Leute anspricht bzw. anschreibt, die sich wahrscheinlich für ein bestimmtes Produkt interessieren. Ich habe z.B. heute einen Werbebrief für Motorradzubehör bekommen und laufend erhalte ich Schreiben von Verlagen, die mir Fachbücher für mein Berufsfeld anbieten." Mutter Reichert stimmt zu: "Da könnte was dran sein, ich bekomme hauptsächlich Werbebriefe, in denen für Hausfrauenkredite und Frauenzeitschriften geworben wird. Ich kann diesen Werbekram nicht mehr sehen. Manchmal würde ich am liebsten den Briefkasten zukleben. Ich möchte auch mal wissen, woher die eigentlich der Adressen für gezielte Werbebriefe bekommen." Familie Reichert ist sich einig: weniger oder keine Werbung wäre gut.

Vater Reichert merkt jedoch an, daß gar keine Werbung im Briefkasten letztlich bedeutet, wie auf einer einsamen Insel zu leben. Er hat auch von der Möglichkeit gehört, sich durch einen Antrag beim Verband der Werbetreibenden (Deutscher Direktmarketing Verband - DDV) von der Zusendung von Werbebriefen ausklammern zu lassen. Er stellt fest: "Wer auf diese Robinson-Liste kommt, ist frei von Werbung." [/S. 59:]

3. Arbeitsaufträge

Versetzen Sie sich in die Lage von Familie Reichert.

  1. Suchen Sie nach Möglichkeiten eines Privathaushalts, sich gegen unerwünschte Werbung und vor allem gegen Werbebriefe zu wehren. Informieren Sie sich hierzu beispielsweise auch bei einer Verbraucherberatungsstelle.
  2. Informieren Sie sich über Vor- und Nachteile, die aus Ihrer Sicht für den Verbraucher durch den Eintrag in die sogenannte Robinson-Liste des DDV entstehen.
  3. Erläutern Sie, wie Unternehmer, die eine gezielte briefliche Werbung betreiben wollen, an die Adressen von potentiellen Kunden gelangen können. Überlegen Sie, in welchen Fällen Sie selbst schon unbewußt Ihre Adresse und personenbezogene Daten zur Verfügung gestellt haben.
  4. Erläutern Sie, was unter Direktmarketing zu verstehen ist.
  5. Beurteilen Sie die folgende Aussage: "Wer auf die Robinson-Liste kommt, ist frei von Werbung."

4. Informationen

4.1 Wie kommen die Unternehmen an Adressen und Daten potentieller Kunden ?

Jährlich werden etwa 4,3 Milliarden adressierte Werbesendungen (Briefe, Broschüren etc.) von der werbetreibenden Wirtschaft versandt. Die Unternehmen versuchen dabei Streuverluste zu vermeiden. Das bedeutet, daß möglichst nur diejenigen umworben werden sollen, bei denen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, daß sie für das angebotene Produkt in Frage kommen.

Maßnahmen, mit denen sich ein Unternehmen mit dem Ziel, seine Waren oder Dienstleistungen abzusetzen, direkt oder individuell an potentielle Kunden wendet, können unter dem Begriff "Direktmarketing" zusammengefaßt werden. Hierzu zählen u.a. Werbebriefe (klassischer Postdienst oder mail-box bei PC-Nutzer), mit denen Kunden umworben werden. Hierzu zählen aber auch Direktansprachen mittels Telefon und Telefax.

Es liegt auf der Hand, daß für Direktmarketingmaßnahmen entsprechendes Adressen- und Datenmaterial selbst erhoben oder von anderen erworben werden muß. Die Wege, auf denen Unternehmen an Adressen und Daten potentieller Kunden kommen, sind vielfältig.

Zunächst versuchen die Unternehmen Daten zu nutzen, die ihnen selbst bereits zur Verfügung stehen. Das können Adressen und Informationen über Kunden sein, mit denen ein Unternehmen bereits Geschäfte getätigt hat (z.B. Geschlecht, Familienstand, Beruf, Zahlungsmoral, bisheriger Geschäftsumfang).

Verfügen Unternehmen nicht über ausreichendes Adressen- und Datenmaterial, so muß dies von anderen Unternehmen gekauft werden.

Über besonders umfangreiches Datenmaterial verfügen die Versandhäuser. Hier wird z.B. über die Kaufhäufigkeit, die Umsätze, die Produktgruppe, aus der gekauft wurde, und das Zahlungsverhalten der Kunden genau Buch geführt. Versandhäuser erhalten ihre Daten dadurch, indem sie ihren Kunden bei den Einkäufen Informationen abverlangen, wie zunächst die Adresse, an die geliefert werden soll. Häufig werden freiwillig abzugebende Daten, wie Alter, Familienstand und Beruf, gewünscht. Bei Kreditkauf fordern Versandhäuser die Angabe weiterer Daten, wie Einkommenshöhe und anderweitige Schuldverpflichtungen.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Unternehmen, die sich ausschließlich mit der Beschaffung des für Direktmarketingmaßnahmen erforderlichen Datenmaterials befassen. [/S. 60:]

Per Telefonbuchdatenbanken läßt sich z.B. ermitteln, wie viele Telefone unter der jeweiligen Hausnummer angeschlossen sind. Die Anzahl der Anschlüsse deutet etwa auf ein Ein- bzw. Mehrfamilienhaus oder sogar einen Wohnblock hin: Für Werber, die beispielsweise nur Hauseigentümer ansprechen wollen, sicher eine interessante Zusatzinformation.

Weiterhin wurden von darauf spezialisierten Unternehmen Softwareprogramme entwickelt, die es wie die nachfolgende Abbildung zeigt erlauben, für bestimmte Regionen u.a. konkrete Aussagen über die dort vorhandene Bevölkerungsstruktur und ihre Kaufkraft zu machen.

An die Daten der Verbraucher kommen Unternehmen auch durch Marktforschungsmaßnahmen, z.B. Befragungen von Privathaushalten. In vielen Fällen stellen jedoch Verbraucher Daten über sich unbewußt zur Verfügung. Dies geschieht insbesondere durch die Teilnahme an Preisausschreiben von Unternehmen.

4.2 Deutscher Direktmarketing Verband

Der Deutsche Direktmarketing Verband (DDV) ist ein Zusammenschluß Werbetreibender, die sich über einen Ehrenkodex besonders zur strikten Einhaltung der Datenschutzgesetze und seriösen Werbung verpflichtet haben. Zentrale Aufgabe des DDV ist die Führung der sogenannten Robinson-Liste. Mit dem Eintrag in diese Liste kann sich der Verbraucher von der Übersendung von Werbematerial der im DDV zusammengefaßten Unternehmen befreien lassen.

Die Liste aller nicht an Werbesendungen interessierten Personen wird gegen Gebühr den Mitgliedern des DDV, aber auch sonstigen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Diese Liste ist für die Unternehmen interessant, weil sie verhindern kann, daß den darin eingetragenen Personen Werbung wirkungslos verkauft wird bzw. sogar Widerstand gegen das Gesamtangebot des jeweiligen Unternehmens auslöst.

Der DDV ist Träger der Robinson-Liste, nimmt aber die Eintragungen in die Liste mangels entsprechender EDV-Ausrüstung nicht selbst vor, sondern hat hiermit ein Datenverarbeitungsunternehmen beauftragt.

Wer in die Robinson-Liste eingetragen werden möchte, wendet sich schriftlich oder telefonisch an den DDV und bekommt dann einen Antrag zugesandt mit der Bitte, diesen mit Namen und Adresse auszufüllen. Der Antrag wird direkt an das vom DDV beauftragte Unternehmen weitergeleitet. Mit Ausnahme des Portos für die Zusendung des ausgefüllten Antrags an den DDV entstehen dem Interessenten keine Kosten.

Jeweils zum Quartalsbeginn wird die Robinson-Liste aktualisiert, das heißt um neue Namen ergänzt und um nicht mehr aktuelle Daten bereinigt. Im günstigsten Fall kann also frühestens ein Vierteljahr nach Antragstellung die Zahl der Werbebriefe abnehmen. Sie wird natürlich nur bei den im DDV organisierten Unternehmen bzw. denen, die die Robinson-Liste erworben haben, wirksam. Für den völligen Stop von Werbebriefen von dem DDV zugehörigen Unternehmen kann dieser jedoch nicht garantieren, da es sich bei der Robinson-Liste um eine freiwillige Einrichtung handelt.

Der Eintrag in die Liste ist auf fünf Jahre begrenzt, danach kann ein neuer Antrag gestellt werden. Die Robinson-Liste hat derzeit 320000 Eintragungen, das entspricht einem Anteil von 0,6% der Gesamtbevölkerung der über 18-jährigen.

Adressen: Deutscher Direktmarketing Verband, Hasengartenstraße 14, 66189

Wiesbaden, Ruf (0611) 723370;

DDV Robinson-Liste, Postfach 1401, 71243 Ditzingen, Ruf (07156) 951010

 

Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Dies ist eine sehr leicht gekürzte Variante des unter gleichem Titel erschienenen Textes in: Weitz, Bernd O. (1996): Fallstudienarbeit in der beruflichen Bildung. (Sonderheft Wirtschaft und Gesellschaft im Beruf). Bad Homburg vor der Höhe: Gehlen, S. 58-61.
© 2001 Bernd O. Weitz, Halle/Saale
© 2002 sowi-online, Bielefeld
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
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