Claus U. Carls, Kurt W. Koeder
Inhalt
- Abgrenzung der Lehrformen
- Begriffliches - Simulation, Modell, Spiel
- Struktur von Planspielen
- Planspielarten
- Ablauf des Planspiels
- Anlässe und Zwecke eines Planspieleinsatzes
- Ausbildungswirkungen von Unternehmensplanspielen
Literatur
Abbildungen:
Abbildung 1: Aktive und passive Formen des Lehrens und Lernens
Abbildung 2: Spielverlauf als Regelkreis
Abbildung 3: Planspielablauf: Phasenverlauf der Spielzüge
Abbildung 4: Planspielanlässe
Abbildung 5: Zwecke der Planspielanlässe
1. Abgrenzung der Lehrformen
In der Pädagogik wird unter Lehrform bzw. Lehrmethode der Weg verstanden, "das pädagogische Verfahren und die diesem Verfahren zugeordneten Organisationsformen, die ein Lehrer im Unterricht wählt, um Schüler zu erfolgreichem Lernen zu führen bzw. erfolgreiches Lernen zu ermöglichen und dazu anzuregen" (1). Als Einteilungskriterium für die Lehrformen werden in dieser Abhandlung die Aktivität (2), d.h. das gegenseitige Verhalten von Lehrenden und Lernenden im Lernprozess herangezogen. Dieses Aktivitätsprinzip bezeichnet Stöcker als pädagogisch und didaktisch so bedeutsamen Grundsatz, der die Selbstständigkeit und die Selbsttätigkeit des Lernenden zu einem wesentlichen Faktor der Unterrichtsgestaltung macht (3). Als aktive Lehrformen werden hier die Unterrichtsformen bezeichnet, "mit denen der Lernende aus der rezeptiven Lernhaltung herausgeholt und zu Aktivität, Selbstbestätigung, experimenteller Haltung, praxisorientiertem Lernen angeregt wird" (4). Hierzu zählen (vgl. Abb. 1) das Lehrgespräch und die Simulationsformen des Lernens wie Fallstudie, Planspiel und Rollenspiel. [/S. 6:]
Abbildung 1: Aktive und passive Formen des Lehrens und Lernens (5)
2. Begriffliches - Simulation, Modell, Spiel
Unter dem Begriff Planspiel finden sich verschiedene Bezeichnungen wie Unternehmungsspiel, Simulations-, Wirtschaftsspiel. Rohn schreibt hierzu, es sei "kein Zufall, dass die Lehr- und Arbeitsmethode, die zum ersten Male das Üben und Experimentieren mit Entscheidungen ermöglicht, Planspiel heißt. Es bildet das beste Darstellungsmittel, den Entscheidungsprozess und damit den vorausgehenden Planungsvorgang sichtbar zu machen" (6). Das Planspiel besteht aus zwei Teilen, nämlich dem Modell und dem Spiel.
Der Grundgedanke ist die möglichst wirklichkeitsgetreue Nachbildung von Unternehmen als wirtschaftliche Aktionszentren. Ziel ist, die Wirklichkeit so weit als möglich zu simulieren, zu tun "als ob" am Modell eines Betriebes als vereinfachtem Abbild der Wirklichkeit. (7)
Man kann das ökonomische Planspiel als Nachbildung (Simulation) des Entscheidungsprozesses an Modellen aus dem realen betriebswirtschaftlichen Bereich bezeichnen. Es ist möglich, das Modell auf einen bestimmten Markt (Automarkt), eine Branche in der Volkswirtschaft (Waschmittelhersteller), auf ein Unternehmen (Elektrotechnik) oder einen Bereich innerhalb des Unternehmens (Produktion, Einkauf, Lagerhaltung) zu beziehen. (8) Anhand dieser modellhaften Nachbildung sollen dem Spielteilnehmer (Lernenden) Zusammenhänge einsichtig werden, deren Erkenntnis er sich auf Grund ihrer Fülle in der Realität nur schwer verschaffen könnte. Allerdings taucht hier das Problem auf, dass sich das aufgestellte Modell, je weiter es vereinfacht wird, umso mehr von der Realität, d. h. vom praktischen Beispiel eines Unternehmens entfernt, dadurch aber für den Spielteilnehmer umso überschaubarer wird. Auf der anderen Seite gilt, je wirklichkeitsgetreuer das Modell entworfen wird, desto unübersichtlicher muss es für den Spielteilnehmer zwangsläufig werden. (9)
Bei Planspielen mit hohem Abstraktionsgrad, sprich kleinem Entscheidungsspielraum und zunehmender Anzahl vereinfachender Annahmen, kann dabei die Auswertung der Entscheidung und Ermittlung der Entscheidungsergebnisse noch durch manuelle Auswertung unter Zuhilfenahme vorgefertigter Formulare und Tischrechner erfolgen. Enthält das Planspielmodell sehr viele Einflussgrößen und Aktionsparameter, erhöht dies die Aussagekraft der Entscheidungsergebnisse, notwendigerweise ist aber für die Durchführung der Einsatz einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage unumgänglich.
So sinkt mit zunehmender Anzahl vereinfachender Annahmen die Wirklichkeitsnähe des Spiels, die Übersichtlichkeit nimmt in der Regel zu.
Ein Planspiel, das in hohem Maße die realen unternehmerischen Verhältnisse abbildet, bringt viel Unübersichtlichkeit durch die Vielzahl der in die Entscheidung einfließenden Parameter und lässt demzufolge die Erreichung eines bestimmten Lernzieles fast unmöglich erscheinen.
In der Bezeichnung Planspiel steckt das Wort Spiel. Schon lange ist bekannt, dass das im Spiel Gelernte viel leichter erlernt und auch behalten wird. Das Spielen "mit dem Lerngegenstand ist der Weg zum Lerngegenstand". (10)
Im Allgemeinen definiert man Spiel als Aktivität außerhalb des Ernstraumes, die eher lustbetont ist. Damit ist von vornherein eine bessere Motivation ermöglicht, im Gegensatz zur Arbeit, mit der eher ein gewisser Zwang assoziiert wird. (11)
Den Vorteil einer besseren Motivation sollte man für den Unterricht nicht unterschätzen. (12) Das Planspiel kann hier eine Hilfestellung bieten, denn im Verlauf des "Spiels" wird der Lerngegenstand (Lehrstoff) auf spielerische Weise häufig im anderen Zusammenhang den Spielteilnehmern (Schülern) wieder vor Augen geführt. (13)
Spielfreiheit bedeutet aber trotzdem ernsthafte Auseinandersetzung des Spielteilnehmers "mit sich selbst und der Umwelt, nur, dass die Spielaktivitäten letztlich alle" von ihm selbst ausgehen. (14) [/S. 7:]
3. Struktur von Planspielen
3.1 Personelle Struktur
Mit dem ökonomischen Planspiel als einem Spielmodell werden Entscheidungsprozesse in einem Unternehmen simuliert. (15)
An der Durchführung eines Planspiels sind in der Regel mehrere Personenkreise beteiligt: Die Teilnehmer (Spieler), der/die Schiedsrichter und die Spielleitung. Bei umfangreicheren Planspielen kann es nötig werden, Schiedsrichter einzusetzen, die eng mit der Spielleitung zusammenarbeiten. (16) lm schulischen Bereich wird in der Regel die Funktion des Spielleiters und Schiedsrichters in Personalunion der Lehrer übernehmen.
3.2 Modellstruktur
Das Spielmodell setzt sich aus einem so genannten Aktions- und einem Reaktionsbereich zusammen. Im Aktionsbereich agieren die Schüler selbsttätig im Rahmen der Spielregeln und der übernommenen Rolle, z.B. als Leiter der Abteilung Rechnungswesen eines fiktiven Unternehmens, sammeln Informationen, wägen Alternativen ab und treffen Entscheidungen.
Der Reaktionsbereich besteht aus einer Simulation der inner- und außerbetrieblichen Bedingungen als Spielhintergrund, z.B. innerbetrieblich das gegebene Fertigungsprogramm, außerbetrieblich die Situation am Arbeitsmarkt, oder die Wettbewerbslage, mit dem sich die Spielteilnehmer auseinander zu setzen haben. Dieser Reaktionsbereich reagiert in bestimmter Weise auf die abgegebenen Entscheidungen der Spielteilnehmer und fügt gegebenenfalls zusätzliche Datenänderungen ein. (17)
Durch die Rückgabe der ausgewerteten Entscheidungsblätter (Ergebnisbericht) nach der jeweiligen Spielrunde an die Teilnehmer entsteht ein Rückkoppelungseffekt. Der Spielverlauf entspricht einem Regelkreis, der sich in Anlehnung an Bleicher (18) wie folgt darstellen lässt:
Abbildung 2: Spielverlauf als Regelkreis
Die Rückinformation zwischen den von den Schülern getroffenen Entscheidungen (Ursache) und den durch die Auswertung ermittelten Ergebnissen (Wirkung) ist ein charakteri[/S. 8:]stisches Merkmal der Planspielmethode; es kommt hierbei zu einer Lernverstärkung. (19) Die Rückgabe der Auswertungsblätter zu Beginn einer neuen Spielrunde verändert die Situation. Die Schüler sollen sich dabei die Folgen ihrer Entscheidungen klar machen. Damit kommt es zu einer unmittelbaren Verstärkung, die positiv oder negativ sein kann.
Aus der Theorie des Lernens ist bekannt, dass als wirksamste Art der Lernverstärkung eine umgehende Belohnung oder Abwertung (Lob - Tadel, richtig - falsch) angesehen werden kann.
Durch die Rückkoppelung sollen die Schüler (als Spielteilnehmer) zur eigenen Nachüberlegung (Reflexion) ihrer abgegebenen Entscheidungen angeregt werden, um durch Einsicht zu lernen und nicht nach dem "trial and error"-Prinzip herumzuprobieren. Bei einer positiven Verstärkung werden die Schüler den eingeschlagenen Weg fortsetzen. Bei einer negativen Verstärkung sollen sie durch intensives Überdenken ihrer Entscheidung Alternativlösungen herausarbeiten und daraufhin neue zielgerichtete Entscheidungen treffen.
Da das Planspiel mehrere Spielrunden umfasst, müssen von den Spielteilnehmern die Phasen des Entscheidungsprozesses zwar in formal gleicher Weise aber unter jeweils verschiedenen Konstellationen jedes Mal neu durchgeführt werden. (20) Der Lernprozess wird durch diese Wiederholung zusätzlich verstärkt, indem es zu einem variierten Üben kommt. (21)
4. Planspielarten
In den letzten Jahren hat sich je nach dem verfolgten Zweck eine Vielzahl von unter- schiedlichen Unternehmensspielen herausgebildet. (22)
4.1 Generelle und funktionale Unternehmensspiele
Man kann unterscheiden nach dem betrieblichen Umfang in so genannte generelle Unternehmensspiele, wobei auf der Unternehmensführung als Ganzes das Hauptinteresse liegt (z. B. bei der Entscheidung für die Entwicklung eines neuen Produktes mit seinen zu antizipierenden Auswirkungen auf Marktstellung, Kosten und Finanzierung), oder in so genannte funktionale Unternehmensspiele als Bereichsspiele. Hier wird lediglich ein Unternehmensbereich, z.B. die Kostenrechnung, in die Simulation einbezogen.
4.2 lnteraktive und nicht-interaktive Unternehmensspiele
Weiterhin kann man unterscheiden nach dem Verhältnis der Spieler zueinander in interaktive und nicht-interaktive Unternehmensspiele. Bei interaktiven Spielen, gelegentlich auch kompetitive Spiele genannt, beeinflussen die Entscheidungen der Spielteilnehmer über den Reaktionsbereich auch das Ergebnis der anderen Spielteilnehmer oder -gruppe, so z.B. die Preispolitik, wenn mehrere Firmen auf einem gemeinsamen Markt konkurrieren. (23) Im Gegensatz dazu beeinflussen bei nicht-interaktiven Planspielen die Entscheidungen der Spielteilnehmer sich nicht gegenseitig. Ein direkter Kampf der Spielgruppen gegeneinander findet nicht statt, obwohl grundsätzlich festzuhalten ist, dass im Verlauf des Planspiels ein Wettkampfcharakter fast automatisch auftritt. Dieser Effekt ist pädagogisch nicht unerwünscht, da er die Schüler zusätzlich motiviert. (24) Beachtenswert aber erscheint, dass zumindest im schulischen Bereich die interaktiven Spiele nicht geeignet erscheinen, da die Gefahr besteht, dass einzelne Spielteilnehmer versuchen, bewusst ihre Gegner zu bekämpfen; es kann z. B. durch Preisabsprachen oder Dumpingpreisen zu einem ruinösen Wettbewerb kommt, der das Lernziel des gesamten Planspiels gefährdet. Diese Gefahr sollte vom Lehrer gesehen und durch entsprechende Modellauswahl ausgeschaltet werden. Eine den Lernprozess anregende Wettbewerbssituation kann im Verlauf des Planspiels auch durch den Wettstreit zwischen den Gruppen um das beste Ergebnis erzielt werden. [/S. 10:]
4.3 Manuelle und computerunterstützte Spiele
Eine andere Unterscheidung kann nach den bei der Simulation benutzten rechnerischen Hilfsmitteln in manuelle oder computerunterstützte Spiele vorgenommen werden. Die Entscheidung der Spielleitung für manuelle bzw. computerunterstützte Berechnung dürfte ausschließlich nach Zweckmäßigkeits- (einfacher Modellbereich) und Wirtschaftlichkeitsgründen (Kosten der Computernutzung, Maschinenzeit, Aufwendung für Programmierung bzw. Software) zu treffen sein.
4.4 Programmierte und freie Spiele
Auch nach der Konstruktion des Modells in programmierte und freie Spiele kann unter- schieden werden. Bei den programmierten Unternehmensspielen sind nicht nur die Spielregeln, sondern auch die Modellreaktion (Reaktionsbereich) vorgegeben. Nur in diesem festen Rahmen entscheidet sich der Erfolg oder Misserfolg. Bei computerunterstützten Spielen ist das Programm nach diesen Regeln ausgelegt. (25) Im Gegensatz dazu werden im freien Spiel für den Spielablauf neben den Regeln durch eine variierte Dateneingabe und subjektive Beurteilung der Entscheidungen von Seiten der Spielleitung neue Situationen geschaffen. Ein relativ eng begrenzter Spielrahmen für Parameter ist nicht vorhanden. (26) Zufall und subjektive Bewertung z. B. von unkonventionellen Marketingmethoden werden möglich. Dadurch wird der Spielablauf jedoch undurchsichtig und nicht mehr objektiv nachvollziehbar.
5. Ablauf des Planspiels
Der Planspielablauf kann als eine dynamische Kette von Spielzügen (27) bezeichnet und in drei Phasen - wenn man die Einführung hinzunimmt in vier Phasen - eingeteilt werden. Vor Beginn des Spiels erfolgt durch den Spielleiter (Lehrer) eine kurze Einführung, in der der vorgesehene Ablauf erläutert und die Sozialform, innerhalb der das Unternehmensspiel abläuft, abgesprochen wird. Als hilfreich hat sich hier der Folieneinsatz erwiesen.
Daraufhin erfolgt die Präsentation der Ausgangslage, die dem Spielbeginn zu Grunde liegt. Diese Ausgangssituation wird durch die Spielelemente (Spielregeln, -rollen und -material) bestimmt. Die Schüler sollen die vorgesehenen Rollen übernehmen, sich z. B. in die Rolle des Einkaufsleiters der Abteilung eines bestimmten Unternehmens versetzen, sich außerdem mit den Spielregeln (28) vertraut machen, eventuell klärende Fragen stellen und das Spielmaterial durchsehen. Das Spiel- bzw. Informationsmaterial kann bestehen aus Angaben über das Produktionsprogramm, die Finanzlage, die Marktstellung, die Wettbewerbssituation usw., aus Diagrammen, Bilanzen, Kostenarten, Kalkulationsblättern u.a.m.
Mit der Vorgabe der Ausgangssituation ist vom Schüler das Problem herauszuarbeiten und zu formulieren und damit das Ziel anzugeben, beispielsweise den größten Marktanteil zu erkämpfen oder die Kosten möglichst gering zu halten. Aus didaktischen Gründen kann es sinnvoll sein, zusätzliche Aufgaben vorzugeben, z. B. Sonderwünsche der Geschäftsleitung, wie die Frage nach den günstigsten Finanzierungsquellen oder vorhandenen Rationalisierungsmöglichkeiten. (29)
Die eigentliche Durchführung des Planspiels besteht nun darin, Informationen zu sammeln, Lösungsalternativen herauszuarbeiten, diese kritisch zu bewerten und die Alternative(n), die im Hinblick auf das Ziel als die geeignetste(n) erscheint(en), auszuwählen (eigentliche Entscheidung). Das Entscheidungsblatt ist dann jeweils am Ende einer Spielrunde abzugeben. Skizzenhaft lässt sich der Ablauf in Anlehnung an Koller (30) wie folgt darstellen. [/S. 11:]
Abbildung 3: Planspielablauf: Phasenverlauf der Spielzüge
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6. Anlässe und Zwecke eines Planspieleinsatzes
Als Hauptanlässe zum Einsatz von Planspielen allgemein zählen die "Ernstfallsituation", die Ausbildungs- und Übungssituation.
Abbildung 4: Planspielanlässe
In der Ernstfallsituation werden primär schwierige Entscheidungen mit komplexen Entscheidungskonsequenzen spielerisch durchgeführt, um so unerwünschte Auswirkungen im Voraus erkennen und die Entscheidung korrigieren oder revidieren zu können. Die Ausbildungs- und Übungssituation tritt sowohl in Unternehmen als auch in Ausbildungsstätten zur Vorbereitung auf anspruchsvolle Entscheidungsaufgaben auf. Übungsspiele bezwecken vor allem die Übung des Entscheidungsverhaltens, darüber hinaus generell die Entwicklung bestimmter Verhaltensweisen wie Arbeiten in der Gruppe; Fällen von Entscheidungen unter Zeitdruck; Auswahl, Bewertung und Beurteilung relevanter Informationen, ggf. auch die Kontrolle des Verhaltens von Spielteilnehmern zwecks Beurteilung.
Abbildung 5: Zwecke der Planspielanlässe
Neben dieser Verhaltensentwicklung wollen Planspiele allgemein auch formale Fähigkeiten und Techniken üben (z. B. Planungsrechnung, Abrechnungstechnik, Bilanzanalyse) sowie Fähigkeiten, das, z. B. bei Einsatz eines ausbildungsnachgelagerten Planspiels, vorher erworbene theoretische Wissen in praktische Maßnahmen umzusetzen. Dies setzt beim einzelnen Spielteilnehmer ein gewisses Maß an Kooperationsbereitschaft und Durchsetzungsvermögen voraus und trägt somit zur Persönlichkeitsbildung bei.
Die Übung des Entscheidungsverhaltens betrifft in erster Linie lang- und kurzfristig (letztere vor allem i. R. der Ernstfallsituation) wirksame betriebspolitische Entscheidungen, z. B. Absatz-, Produktions-, Investitions- und Finanzentscheidungen, daneben Ziel- und Organisationsentscheidungen (Selbstorganisation der Spielergruppe). [/S. 13:]
Planspiele regen, da keiner der Spielteilnehmer für entstandene Verluste aufkommen muss, zum Experimentieren an. Oft leichtsinnig verfolgte Strategien werden eingeschlagen, um die im Modell verankerten, für die Spielteilnehmer unbekannten Wirkungen zu hinterfragen. Somit werden Erfahrungen gemacht, auf die der Einzelne im Rahmen seiner praktischen beruflichen Tätigkeit oft lange warten muss.
7. Ausbildungswirkungen von Unternehmensplanspielen
Unternehmensplanspiele erfüllen die von ihnen ausgehenden Zwecke nur, wenn sie nicht isoliert, sondern in Kombination mit anderen Ausbildungs- und Lehrmethoden praktiziert werden (31). Bei den klassischen Lehrmethoden wie Vorlesung, Vortrag usw. steht primär die Wissensvermittlung im Vordergrund, die Entwicklung und Aufforderung zu eigener konstruktiver Tätigkeit tritt in den Hintergrund.
Planspiele werden praktiziert, um theoretisch vorhandenes Wissen anwendungsbezogen umsetzen zu können. Es hat sehr starke Ähnlichkeit mit der praktischen Fallmethode, geht man von der Betrachtung nur einer einzigen Spielperiode aus. Fallstudien stellen immer ein Entscheidungsproblem zur Lösung, sie tragen somit statischen Charakter. Planspiele dagegen zeichnen sich aus durch ihre Dynamik, da sie eine Überprüfung der erzielten Ergebnisse und anhand der neuen Spielsituation erneut eine Entscheidung gestatten. Dieser sich über mehrere Spielperioden fortsetzende dynamische Prozess schafft den Spielteilnehmern die Möglichkeit, aus erkennbaren Entscheidungsfehlern zu lernen und während des Spiels eine Änderung des Entscheidungsverhaltens (Ziele, Strategien) vorzunehmen. Lehrmethodisch hat diese, zu dynamischem Denken und Verhalten erziehende Ausbildungsmethode den Vorteil, dass die Spielteilnehmer zur Ausarbeitung von zum Teil kurz-, zum Teil langfristig angelegten Aktionsplänen angeregt werden.
Da jede Entscheidung, im Rahmen von Konkurrenzspielen, einen Wettbewerbsvorteil oder -nachteil für das eigene Unternehmen bewirken kann, gehört die Entwicklung des Wettbewerbsdenkens bei den Spielteilnehmern zum Ausbildungsziel. Das eigene Unternehmen kann unter Konkurrenzdruck nur erfolgreich sein, wenn nach ökonomischen Prinzipien gearbeitet wird. Dies bedeutet eine interdependente Betrachtung aller unternehmerischer Entscheidungen im Hinblick auf das wirtschaftliche Ergebnis.
Das Unternehmensplanspiel erfordert die Bereitschaft sämtlicher Spielteilnehmer zur Kooperation. Aus dem Zusammenspiel dieser kooperativen Verhaltensweise mit der Koordination von Einzelentscheidungen resultiert der Erfolg kollektiven Handelns. So sollte der Dynamik des Spielcharakters auch eine Dynamik der Aufgaben und Besetzung unternehmerischer Kompetenz- bzw. Funktionsbereiche (Produktion, Absatz, Finanzierung, Beschaffung usw.) durch die Spielteilnehmer folgen. Dies mit dem Ziel, den Spielenden die Möglichkeit zu geben, Entscheidungen und deren Auswirkungen nicht nur bezogen auf das gute Abschneiden des eigenen Funktionsbereiches zu sehen (Ressortdenken), sondern im unternehmerischen Gesamtzusammenhang.
Literatur:
- Klafki, W.: Didaktik und Methodik. In: Groothoff, H.-H. (Hg.): Fischer-Lexikon Pädagogik. Frankfurt (M.) 1964, S. 52.
- Diese Kategorisierung in der pädagogischen Literatur wurde erstmals von E. Weber: Didaktik und Theorie des Unterrichts, Ansbach 1925, vorgenommen.
- Vgl. Stöcker, K.: Neuzeitliche Unterrichtsgestaltung. München 1970, S. 82.
- Bönsch, M.: Das Rollenspiel - Spiel oder Lernmethode? In: Die Realschule, Heft 3/1976, S. 153.
- Koeder, K.: Berufsbegleitendes Studium. Dissertation. Mannheim 1982, S. 191.
- Rohn, Walter Ernst, Führungsentscheidungen im Unternehmensplanspiel (Essen, 1964), S. 16-17.
- Vgl. Lüder, Klaus, a.a.O., S. 1377; Koller, Horst, Simulation und Planspieltechnik: Berechnungsexperimente in der Betriebswirtschaftslehre (Wiesbaden, 1969), S. 80; Andlinger, G.R., "Business Garnes - PLAY ONE!", in Harvard Business Review, March/April 1958, vol. 36, no. 2, S. 115-125, hier S. 115; Kaiser, Franz-Josef, a.a.O., S. 84/85; Rehm, Max, Das Planspiel als Bildungsmittel (Heidelberg, 1964), S. 45.
- Kaiser, Franz-Josef, a.a.O., S. 76/77.
[/S. 142:]
- Vgl. Lüder, Klaus, a.a.O., S. 1377; Höwelmann, Siegfried, a.a.O., S. 108.
- Bönsch, Manfred, Differenzierung des Unterrichts: Methodische Aspekte, 2. Aufl. (München, 1972), S. 3.
- Vgl. Roth, Wolfgang, "Das Spiel als effektive Form der Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlich-technischen Sachverhalten", in Technik und Wirtschaft im Unterricht, 1. Jg. 1973, Heft 2, 1973, S. 12-17, hier S. 12; Stöcker, Karl, a.a.O., S. 1.
- Roth, Heinrich, a.a.O., S. 227/228; Taylor, John I und Walford, Rex, Simulationsspiele im Unterricht (Ravensburg, 1974), S. 41.
- Vgl. Flitner, Andreas, Spielen - Lernen: Praxis und Deutung des Kinderspiels (München, 1972), S. 43/47.
- Roth, Wolfgang, a.a.O., S. 12.
- Vgl. Wittern, Jörn, Mediendidaktik: Ihre Einordnung In eine offen strukturierte Entscheidungstheorie des Lehrens und Lernens, Band 2 (Opladen, 1975), S. 21; Kaiser, Franz-Josef, a.a.O., S. 78; Lüder, Klaus, a.a.O.)., S. 1377.
- Vgl. Rehm, Max, a.a.O., S. 49-50.
- Vgl. Lüder, Klaus, a.a.O., S. 1378.
- Vgl. Bleicher, Knut, Planspiel UB 5, a.a.O., S. 16; Rohn, Walter, a.a.O., S. 12; Schöllhammer, Hans, "Bedeutung von nicht-maschinengebundenen Unternehmungsspielen als Methode zur Ausbildung von Führungskräften", in Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 16. Jg., Mai 1964, Heft 5, S. 328ff., hier S. 329.
- Vgl. Koller, Horst, a.a.O., S. 102; Tausch/Tausch sprechen hier von dem Gesetz des Effekts nach Thorndike, vgl. Tausch, Anne-Marie und Tausch, Reinhard, a.a.O., S. 102.
- Vgl. Koller, Horst, a.a.O., S. 102.
- Vgl. Stöcker, Karl, a.a.O., S. 138/139.
- Die Unterscheidung erfolgt in Anlehnung an Rohn, Walter Ernst, a.a.O., S. 50-54.
- Vgl. IBM-Unternehmungsspiel: Verkauf und Finanzierung, Spielerhandbuch (Stuttgart, 1967) oder das Planspiel CALL-MANAGE, das der Verfasser anlässlich einer SIL-Tagung im Febr. 1975 kennen gelernt hat; Wagner, Dieter, Das Unternehmensplanspiel "CALL-MANAGE" im Unterricht der berufsbildenden Schule, Druckschrift IBM (Stuttgart, 1974).
- Vgl. Stöcker, Karl, a.a.O., S. 135; Roth, Heinrich, a.a.O., S. 238.
- Vgl. z.B. das Planspiel "CALL-MANAGE".
- Vgl. Arbeitskreis Gamer, a. a. O, S. 160/161.
- Koller, Horst, a.a.O., S. 100.
- Zu den Anweisungen wie die Simulation verläuft vgl. Taylor, John und Walford, Rex, a.a.O., S. 24.
- Vgl. Planspiel VARIOMIN im praktischen Teil der Arbeit.
- Vgl. Koller, Horst, a.a.O., S. 101; Bleicher, Knut, Planspiel UB-5, a.a.O., S. 16.
- Vgl. Müller-Merbach, H.: Planspiele im akadem. Unterricht, in: BFuP 15/1963, S. 326-337 und 398-408.
Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Winklers Flügelstift A-3/1988, S. 5-14.
(c) 1988 Winklers Verlag, Darmstadt
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
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