Schüler entwickeln eigene Tafelbilder Einführung in die Technik des Strukturierens

Gerhard Leisenheimer

Inhalt

Umdenken tut Not!
Selektives Markieren und Exzerpieren
Ordnen vorgegebener Lernkarten
Eigenständiges Strukturieren
Fazit
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Materialien:

Mat. 1: Problemfrage: Mit welchen Mitteln werden wir zum Kauf verführt?
Mat. 2: 18 Lernkarten, die von Schülern geordnet wurden
Mat. 3: Tafelbildsymbole

 

Zu einem guten Unterricht gehört ein gutes Tafelbild. Es soll übersichtlich, farbig, klar gegliedert und gut gestaltet sein. Mit wenigen Sätzen oder Symbolen muss der Lerninhalt der Unterrichtsstunde in seiner Grundstruktur erkennbar sein. Die Frage ist nur, ob die Tafelbilder - wie im Schulalltag üblich - immer vom Lehrer entwickelt werden müssen? Die nachfolgende Unterrichtsskizze macht deutlich, dass die Schüler/innen durchaus in der Lage sind, eigene Tafelbilder zu strukturieren. Voraussetzung ist allerdings, dass sie entsprechende Strukturierungstechniken im Unterricht üben und lernen können.
Einige Übungsmöglichkeiten und -schritte werden im Folgenden am Beispiel des Themas "Einkaufen im Supermarkt" vorgestellt. Dazu liegt ein entsprechender Text vor (vgl. M 1), der den Schülern einen Überblick über die Verkaufspsychologie und die Käufer-Manipulation im Supermarkt gibt.

Umdenken tut Not!

Das Tafelbild des Lehrers erfüllt in gewisser Weise den Wunsch nach Objektivität. Wird es dann von den Schülern noch sorgfältig in das Hausheft übertragen, so ist für Eltern, Schüler, Kollegen und Schulleitung ein sichtbarer Nachweis für die Produktivität und Effizienz des Unterrichts vorhanden.
Die Frage ist nur, ob die Schüler/innen durch die rezeptive Übernahme des Lehrer-Tafelbildes wirklich erfolgreich "begreifen"? Zweifel sind angebracht! Denn das Begreifen des Lernstoffs verlangt - gerade in der Hauptschule -, dass die Schüler/innen das Lernmaterial möglichst eigenständig/eigenhändig organisieren, skizzieren und Beziehungen entdecken, die sich auf diesem aktiven Weg besser einprägen. In einem lehrerzentrierten Unterricht ist diese Kompetenz auf Schülerseite natürlich schwerlich zu erreichen. Denn das "... diktierte und reproduzierte Tafelbild vermittelt im besten Fall Wissen und erfordert lediglich eine mechanische Gedächtnisleistung" (vgl. Dörr, M: Tafelbilder. In: Pandel, H.J./ Schneider, G.(1985) (Hg.): Medien im Geschichtsunterricht. Düsseldorf, S. 187). Umdenken tut also not! Die nachfolgenden Trainingsschritte geben Anregungen, wie man die Kompetenz der Schüler/innen im Entwickeln eigener Tafelbilder schrittweise voranbringen kann.

Selektives Markieren und Exzerpieren

Der erste Trainingsschritt besteht darin, dass die Schüler/innen den vorliegenden Text (vgl. M 1) problembezogen auswerten müssen. Die betreffende Problemfrage ("Mit welchen Mitteln werden wir zum Kauf verführt?") ist zu Beginn der Stunde durch einen entsprechenden Lehrerimpuls aufgeworfen und an der Tafel notiert worden. Unter Berücksichtigung dieser Problemfrage arbeiten die Schüler/innen den Text "M 1" in Partnerarbeit durch und unterstreichen alle diejenigen Wörter oder halben Sätze, die eine Antwort auf die gestellte Frage geben. Dabei sind Lineal und Textmarker zu verwenden! Die von den Schüler/innen in gemeinsamer Absprache markierten Wörter/Halbsätze werden nun in einem weiteren Arbeitsschritt aus dem Text herausgezogen und am rechten Rand - oder auf einem gesonderten Blatt - notiert (vgl. M 1). Auf diese Weise üben sich die Schüler/innen im gezielten - problembezogenen - Reduzieren und Exzerpieren von Informationsmaterial.
Das Beherrschen dieser "Auszugstechnik" ist gleichsam die Grundvoraussetzung für ein gutes Tafelbild. Sie wird in meinem Unterricht regelmäßig und systematisch geübt (u.a. dadurch, dass ein auf Folie kopierter Text von den Schüler/innen auf problembezogene Wörter/Halbsätze abgesucht wird. Die Vorschläge der Schüler/innen werden im Plenum geprüft, ggf. auch verworfen und - sofern sie akzeptiert werden - an der Tafel notiert).

Ordnen vorgegebener Lernkarten

Die Schüler/innen haben also den Text "M 1" im Hinblick auf die gestellte Problemfrage bearbeitet, die Antworten markiert und auszugsweise am Rand notiert. Darauf aufbauend erfolgt eine erste Strukturierungsübung mit Hilfe vorbereiteter Lernkarten (vgl. M 2). Dazu wird die Klasse in mehrere Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe erhält 18 "Lernkarten" mit problembezogenen Antworten/Aussagen, die möglichst sinnvoll angeordnet werden müssen (vgl. M 2).
Diese Stichwortzettel im DIN-A-7-Format hat der Lehrer vorbereitet. Die Schüler/innen entwickeln nun in ihrer jeweiligen Gruppe ein Tafelbild, indem sie die beschrifteten Zettelchen (vgl. M 2) in eine sachlogische Struktur bringen. Dabei ist der Lehrer als Helfer und Berater erheblich gefordert. Konkret heißt dieses: Er muss die Schüler/innen immer wieder auf die Aussagen im Text verweisen (Textarbeit); er muss ihre Ordnungsversuche gezielt hinterfragen, und er muss sie natürlich bestärken, wenn sie auf dem richtigen Wege sind. Da in der Gruppenarbeit u.U. individuelle Lerndefizite verdeckt werden, empfiehlt es sich, ein abschließendes "Gesamtbild" an der Tafel zu entwickeln; eine Gruppe kann ihr Strukturmuster vorstellen, das nötigenfalls zu diskutieren und zu verändern ist. Bei dieser Gelegenheit kann der Lehrer noch einiges erklären und verdeutlichen.
Dazu gehört u.a. die Verwendung von Beziehungspfeilen und sonstigen Symbolen (vgl. M 3), die die Anschaulichkeit des Tafelbildes erhöhen. Der Einbau dieser Pfeile und Symbole muss vom Lehrer vorgemacht und erläutert werden; später müssen die Schüler/innen selbst damit fertig werden.

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Eigenständiges Strukturieren

In einem weiteren Trainingsschritt müssen die Schüler/innen einen anderen Text - analog zum geübten Vorgehen - eigenständig markieren, exzerpieren, reduzieren und strukturieren. Sie müssen ihre eigenen "Lernkärtchen" anlegen und in eine sinnvolle Ordnung bringen. Dabei fließen alle vorherigen Trainingsmomente ein:

  • die Schüler/innen erarbeiten einen Text nach der ihnen bekannten Methode;
  • sie beschriften aufgrund gemeinsamer Festlegungen in der Lerngruppe ihre "Lernkarten";
  • sie entwickeln mit Hilfe der "Lernkarten" und der Tafelbildsymbole ihr eigenes Tafelbild;
  • sie stellen ihren Tafelbild-Entwurf vor der Klasse vor und übernehmen diesen in ihr Heft (Verstärkung der Motivation). Hierbei ist es durchaus gewollt, dass jede Lerngruppe "ihr" Tafelbild ins Heft überträgt; nur bei gravierenden sachlichen Fehlern sollten Korrekturen erfolge

Fazit

Die skizzierte Strukturierungs-Arbeit war/ist für die Schüler/innen nicht nur eine interessante Tätigkeit, sondern mit zunehmender Übung sind sie auch immer besser in der Lage, aussagekräftige Tafelbilder zu entwickeln und den Mitschülern zu erläutern. Gleichzeitig wächst aber auch ihre Kompetenz, vorgegebene Strukturmuster wirksamer zu analysieren und zu verstehen - z.B. bei Darstellungen zu wirtschaftlichen oder politischen Zusammenhängen. Wichtig dabei ist allerdings, dass der Lehrer die nötige Experimentierbereitschaft und Toleranz mitbringt, die die Schüler/innen ermutigt, eigene Tafelbilder zu entwickeln.
Denn geplantes Lehrer-Tafelbild und Schüler-Tafelbilder können sich selbstverständlich voneinander unterscheiden! Doch wenn man den Lernerfolg der Schüler/innen nicht am genormten Tafelbild des Lehrers festmacht, sondern am Arbeitsprozess und der Präsentationsfähigkeit der Schüler/innen, dann wird man diese Diskrepanzen leicht "verschmerzen" können.

Zum Autor

Gerhard Leisenheimer, Rektor der Hauptschule Ransbach-Baumbach, Fachlehrer für Sozialkunde, Herrenhahnweg 26, 56410 Montabaur


Dieser Text ist ursprünglich unter gleichem Titel erschienen in: arbeiten+lernen/Wirtschaft, 2. Jg. (1992) Nr. 5, S. 20-22.
© 1992 Verlag Erhard Friedrich, Seelze; © 2001 Gerhard Leisenheimer, Montabaur
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
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