Cäcilia Göppert
Inhalt
2. Schule und Lernen in komplexen Zusammenhängen
3. Schule und multikulturelles Lernen
4. Schule und Haushaltsführung
5. Schule und Verbrauchererziehung
6. Schule und globale Produktsysteme
1. Einleitung
Z u den stärksten und weitreichendsten Einflüssen, denen Staat, Unternehmen und private Haushalte ausgesetzt sind, zählt die Globalisierung - der Prozeß des Zusammenwachsens von Märkten. Die kleinste Einheit im globalen System ist das Individuum, das im Privathaushalt lebt. Als "Keimzelle der Gesellschaft" übernimmt der Haushalt wichtige Aufgaben. Die Globalisierung stellt auch die Heranwachsenden vor neue Herausforderungen, zu deren Bewältigung die Schule einen wichtigen Beitrag leisten kann.
Jugendliche sollen so erzogen werden, daß sie ihre gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben als Haushaltsmitglieder und Verbraucher selbstbewußt, kritisch und eigenverantwortlich bewältigen können. Schulbildung soll die Lernenden handlungsfähig machen und somit zur Grundlage für lebenslanges Lernen werden.
Durch die Globalisierung werden die Anforderungen an die Jugendlichen wachsen. Das Lernen in komplexen Zusammenhängen, das Lernen in multikulturellen Strukturen, die Rückbesinnung auf die Haushaltsführung, die Verbrauchererziehung im Bereich "Essen und Trinken" und die kritische Auseinandersetzung mit globalen Produktsystemen zählen zu den Auswirkungen der Globalisierung auf hauswirtschaftlichen Unterricht und schulische Verbrauchererziehung. Im weiteren wird über diese Auswirkungen berichtet und es werden Unterrichtsvorschläge für ein "globalzeitgemäßes" Lehren und Lernen abgeleitet.
2. Schule und Lernen in komplexen Zusammenhängen
Viele kleine Leute in vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.
(Weisheit der Mandinka in Afrika)
Stellen Sie sich eine Zwiebel mit mehreren Schalen vor. Die Schalen sind Wirkzonen und damit auch verschiedene Reichweiten unseres Handelns: Die erste Zone sind wir selbst, unsere Ernährung, unsere Körperlichkeit, unsere Naturerlebnisse. Die zweite Wirkzone bilden die Familie und die Wohnung, die dritte der Arbeitsplatz und die Schule, die vierte der Wohnort, die fünfte die Region, und die sechste Zone ist die Welt. 1L
Die Reichweiten unseres Handelns werden in der Schule zu wenig berücksichtigt. Wir müssen in der Schule der Zukunft mehr über den "Tellerrand" hinausschauen. Es ist die Aufgabe von Lehrenden, die Lernenden zu befähigen, mit der zunehmenden Komplexität zurechtzukommen. Fächerübergreifender, vernetzender und interdisziplinärer Unterricht darf nicht länger die Ausnahme bleiben, er muß zur Regel werden. Dies mag wie ein Kunststück erscheinen, denn der 45-Minuten-Takt, die vollen Lehrpläne und der Fachunterricht sind dabei nicht gerade förderlich. Die folgenden Unterrichtsvorschläge greifen Möglichkeiten des Lernens in komplexen Zusammenhängen auf.
Unterrichtsvorschlag 1:Ein Nahrungs- oder Genußmittel aus der Dritten Welt An einem Produkt, das im Welthandel eine große Rolle spielt und in Dritt-Welt-Ländern angebaut wird, werden komplexe Zusammenhänge im fächerverbindenden Unterricht herausgearbeitet. An Produkten der Dritten Welt können unter anderem weltwirtschaftliche Zusammenhänge, gegenseitige Abhängigkeiten und Gemeinsamkeiten aufgezeigt werden. Als Produkt bietet sich die Banane oder der Kaffee an. Die Verantwortung der Haushalte für die Eine Welt und deren Bewahrung im Sinne der Schöpfung wird thematisiert. Handlungsalternativen, wie z.B. der Kauf von Bananen 2L oder Kaffee 3L aus alternativem Handel, werden aufgezeigt. |
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Abb. 1: Kennzeichnung von Bananen und Kaffee aus alternativem Handel
Unterrichtsvorschlag 2:Erdbeer-Jogurt "Die Erdbeeren stammen aus Polen, die Bakterien aus Schleswig-Holstein, die Aluminiumdeckel werden aus dem Rheinland nach Stuttgart gekarrt: Bis so ein simpler Fruchtjogurt im Supermarkt-Regal landet, fahren Lastwagen durch halb Europa, mehr als neuntausend Kilometer weit..." . 4L Am Beispiel des Produkts Erdbeerjogurt kann die Komplexität aus dem Blickwinkel verschiedener Fächer angerissen werden. Im Unterricht werden die Vorgänge bei der Jogurtherstellung behandelt, Erdbeerjogurt wird hergestellt. Eine Exkursion in eine nahegelegene Molkerei wird durchgeführt. Das Angebot an Erdbeerjogurt in verschiedenen Geschäften wird erkundet. In sensorischen Tests werden Farbe, Konsistenz, Geruch und Geschmack verschiedener Erdbeerjogurts verglichen. Im Planspiel wird die Erdbeerjogurt-Fabrik "Ökonom-Erdbeer" und die Erdbeerjogurt-Fabrik "Ökolog-Erdbeer" gegründet. Für das nächste Schulfest wird die Produktion größerer Mengen Erdbeer-Jogurt vorbereitet. Eventuell werden einfache Jogurtgeräte benötigt, die selbst gebaut werden. Die Verkaufspreise werden kalkuliert. Marketing-Maßnahmen werden geplant, Werbeplakate und Erdbeerjogurt-Etiketten werden entworfen. Schließlich werden die vielfältigen Folgen der industriellen Fertigung für Natur, Gesellschaft und Wirtschaft exemplarisch anhand der Produktlinienanalyse Erdbeerjogurt aufgezeigt . 5L |
3. Schule und multikulturelles Lernen
"In der Kultur eines Volkes liegt nicht nur seine Individualität, sondern auch ein unermeßliches Potential an Energie und Kreativität. Werden Kulturen zusammengebracht, öffnen sich ungeahnte Chancen und Möglichkeiten: `Cross-culture makes the world go around´". 6L
Die Vision der multikulturellen Gesellschaft geht von einer zukünftigen humanen, toleranten und menschlich bereichernden Gesellschaft aus. Inwieweit kann es gelingen, die bei uns lebenden und vor allem in Zukunft noch zuströmenden Ausländer, Aussiedler und ethnischen Minderheiten zu integrieren? Ist es möglich, daß verschiedene ethnische, kulturelle und religiöse Gruppen in einem gemeinsamen wirtschaftlichen und politischen Rahmen jeweils ihre Eigenständigkeit behalten und dabei in geregelten und spannungsarmen Beziehungen zueinander stehen? 7L
Oder ist das Gegenteil der Fall? In der kurzen Zeit zwischen 1992 und 1994 nahm der Anteil der Ausländer mit intensiven Beziehungen zu Deutschen ab. Dieser starke Rückgang interethnischer Freundschaftsbeziehungen muß als Indiz für eine wachsende Distanz zwischen der ausländischen und der deutschen Bevölkerung gewertet werden. 8L Nach einer bisher unveröffentlichten Umfrage in einer Großstadt Nordrhein-Westfalens sind inzwischen mehr als 40 Prozent der Bewohner der Ansicht, "daß sich die Deutschen im eigenen Land gegen die vielen Ausländer wehren müssen".
Aufgrund der Ethnisierung von sozialen Problemen und fehlenden beruflichen Perspektiven der Jugendlichen spitzt sich die Lage zu. Es kämpfen sowohl Deutsche gegen Ausländer als auch Ausländer gegen Ausländer. So kam es in mehreren deutschen Städten unlängst zu Massenschlägereien, die sich junge Türken und Aussiedler lieferten. 9L
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Wie kann die Schule auf die Gefahr reagieren, daß die Bundesrepublik Deutschland zu einer gespaltenen Gesellschaft wird, in der ein solidarisches Miteinander von Deutschen und Menschen aus anderen Ländern immer weniger möglich ist? Wie kann die Schule immer wieder zeigen, daß Weltoffenheit, Neugier auf verschiedene Kulturen und andere Lebensweisen wesentlich zur Bereicherung des Lebens beitragen?
Multikulturelle Kommunikation sollte im Kindergarten beginnen und in der Schule kontinuierlich an mehreren Stellen gleichzeitig wachsen und gedeihen. Doch die Lenkung multikultureller Kommunikation ist nicht ganz einfach. Denn einerseits reagieren ausländische SchülerInnen oft sehr empfindlich, wenn man in der Schule über die Kultur ihres Landes spricht. Andererseits besteht bei den deutschen SchülerInnen die Gefahr, daß diese ihre ausländischen MitschülerInnen verletzen und angreifen. Sensibilität und Einfühlungsvermögen für das Mögliche und Unmögliche sind in besonderer Weise gefordert.
Gerade das "Essen und Trinken" unterscheidet und verbindet Menschen aus verschiedenen Kulturen. Das gemeinsame Einnehmen von Mahlzeiten hat gemeinschaftsbildende Wirkung und trägt zur Verständigung bei. Die folgenden Unterrichtsvorschläge fördern die multikulturelle Kommunikation. 10L
Unterrichtsvorschlag 1: Spurensuche von typisch deutschen Speisen und LieblingsspeisenIm Unterricht werden typisch deutsche Speisen und ihre Zutaten betrachtet. Viele der Zutaten stammen ursprünglich aus anderen Ländern, die unsere Eßkultur mitgeprägt haben. 11L Die Jugendlichen stellen eine Hitliste ihrer Lieblingsspeisen auf. Sicherlich sind Pizza, Döner, Spaghetti, Pommes Frites, Hamburger u.a. internationale Speisen mit dabei. Die Herkunft dieser Speisen wird erkundet. Die Heranwachsenden sollen die Internationalität ihrer Eßgewohnheiten erkennen. Unterrichtsvorschlag 2a: Einkaufen beim Italiener, Griechen, TürkenIn Kleingruppen gehen die Lernenden in ausländische Lebensmittelgeschäfte einkaufen. Ihre Aufgabe ist es, zu folgenden Bereichen Spezialitäten aus den Herkunftsländern vieler ausländischer SchülerInnen mitzubringen: Riechen, Tasten, Essen, Trinken. Nach Möglichkeit sollte in jeder Gruppe ein fachkundiger (ausländischer) Jugendlicher sein, der beim Suchen und Einkaufen von Obst, Gemüse, Gewürzen und anderen Lebensmitteln beraten und gegebenenfalls Dolmetscher spielen kann. Zurück in der Schule stellen alle Gruppen ihre mitgebrachten "Schätze" im Plenum der Klasse vor. Die Lebensmittel werden zunächst in der jeweiligen Landessprache angesprochen und dann erst - wenn möglich - in andere und die deutsche Sprache übersetzt. 12L |
Unterrichtsvorschlag 2b: Interkulturelles QuizDie Einkäufe aus Unterrichtsvorschlag 2a werden bei diesem Quiz verwendet. Jede Gruppe, die gemeinsam eingekauft hat, baut mit ihren mitgebrachten Lebensmitteln einen Länderstand auf. Bei jedem Stand bleibt ein fachkundiger Schüler stehen. Die anderen Jugendlichen gehen nun von Stand zu Stand und versuchen mit verbundenen Augen, durch Riechen, Tasten, Essen und Trinken die Produkte auf den einzelnen Tischen zu erraten. Auf vorbereiteten Laufzetteln werden die Antworten von den eingeteilten Schülern am Stand eingetragen. Wenn alle geraten haben, werden die Lösungen bekanntgegeben. 13L Die eingekauften Lebensmittel werden verarbeitet, daraus hergestellte Speisen werden gemeinsam verzehrt. |
Unterrichtsvorschlag 3: Ein multikulturelles Fest gemeinsam planen und gestaltenGenauso multikulturell wie die Klassenzusammensetzung soll auch dieses Fest sein. Bei der Planung und Gestaltung des Festes erfahren die Heranwachsenden etwas über Essen und Trinken, Sitten, Gebräuche, Kultur und Religion ihrer Klassenkameraden. Durch die Einbeziehung der Eltern kann die Verständigung von Erwachsenen verschiedener Nationen gefördert werden. |
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4. Schule und Haushaltsführung
Globalisierung kann das Ende garantierter Arbeitsplätze bedeuten. Wenn die Experten recht behalten, dann wird im nächsten Jahrtausend jeder fünfte Bürger Arbeit haben und in Wohlstand leben. Vier von fünfen werden jedoch keine Arbeit haben und in relativer Armut leben.
Gerade bei armen Menschen besteht gegenwärtig oft ein enormer Handlungsbedarf bezüglich Ernährungswissen und Wissen um preisgünstige Möglichkeiten der Herstellung von Speisen und Gerichten. Bildungsdefizite erschweren diesen Menschen einen sinnvollen Umgang mit Geld. Erschreckend ist auch, daß viele junge Erwachsene keine dreigliedrige Speisenfolge mehr zusammenstellen können. Mit originalen, unverfälschten und unverletzten Lebensmitteln, wie etwa einem ganzen, frisch gefangenen Fisch oder einem ganzen Blumenkohl, können sie nichts mehr anfangen . 14L
Wie ist es um unsere Jugend bestellt? Was lernen die Heranwachsenden von ihren Eltern über praktische Haushaltsführung? Immer weniger! Manche von ihnen sind bereits überfordert, wenn sie Eiweiß steif schlagen sollen, denn sie haben noch nie in ihrem Leben ein Hühnerei getrennt. Dafür können sie das Mikrowellengerät und den Dosenöffner bedienen - beides brauchen sie, um ihr tägliches, vergleichsweise teures "Covenience-Food" verzehrsfertig zu machen.
Die Schule soll - vorausschauend auf sich ändernde Lebensbedingungen - einen präventiven Beitrag zur zukünftigen haushaltsbezogenen Lebensbewältigung in relativer Armut leisten. Die "Konsumkinder" unserer Schulen sollen einen sinnvollen Umgang mit Geld erlernen. Sie sollen lernen, wie mit einfachen Zutaten und niedrigen Materialkosten schmackhaftes, abwechslungsreiches und ernährungsphysiologisch ausgewogenes Essen zubereitet werden kann. Der folgende Unterrichtsvorschlag leitet die Heranwachsenden zu einer wirtschaftlichen Haushaltsführung an.
Unterrichtsvorschlag: Fallbeispiel Familie PfiffikusFamilie Pfiffikus wohnt am Stadtrand einer Kleinstadt und ist sehr pfiffig. Sie handelt nach dem Motto "soviel sparen wie möglich und sowenig Geld ausgeben wie nötig". Sie haben immer genug zu essen und sie haben immer etwas auf der "hohen Kante" - denn man weiß ja nie, was kommt. Sie legen keinen Wert auf Markenartikel und Convenience-Produkte. Pfiffiges selber machen ist in! Die Lernenden werden aufgefordert, Pfiffikus-Rezepte ausfindig zu machen und mitzubringen. Im fachpraktischen Unterricht werden von Zeit zu Zeit Rezepte der Familie Pfiffikus gekocht. Ein "Pfiffikus-Koch- und Lebensbuch" wird erstellt. Situationen aus dem Leben der Familie Pfiffikus werden im Unterricht behandelt und in Rollenspielen dargestellt: - Familie Pfiffikus und das Haushaltsbuch - Familie Pfiffikus ernährt sich bewußt - Familie Pfiffikus und der Einkauf - Familie Pfiffikus und der Garten - Familie Pfiffikus und der Selbstversorgerhaushalt |
5. Schule und Verbrauchererziehung
Die Verbraucherverunsicherung nimmt zu. So vermag jeder fünfte Verbraucher in der Bundesrepublik Deutschland kein Lebensmittel zu nennen, welches ihm unter Gesundheitsaspekten unbedenklich erscheint. Vier von fünf Verbrauchern fühlen sich von einigen Lebensmitteln verunsichert. 15LEin wesentlicher Grund für das mangelnde Vertrauen der Verbraucher in die Qualität des derzeitigen Lebensmittel- und Nahrungsmittelangebots ist neben Lebensmittelskandalen die Globalisierung des Handels und die Internationalisierung der Verzehrsgewohnheiten. Für die Verbraucher ist es unter den Bedingungen der europäischen und internationalen Produktvielfalt immer schwieriger, das heutige Lebensmittel- und Nahrungsmittelangebot zu hinterfragen und zu beurteilen.
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Abb. 2: Produktneueinführungen im Lebensmittelhandel im Zeitraum von drei Monaten
http:www.vhb de/lebensmittelpraxis/neuprod/katalog/index.html
Alkoholfreie Getränke (21) Baby- und Kinderprodukte (12) Bier (7) Brot und Backwaren (3) Diät-, Reform-, Naturkost (4) Eiscreme (12) Feinkost und Delikatessen (5) Fertiggerichte ohne TK (22) Fisch (11) Fitneßkost und Sportlernahrung (2) Fleisch- und Wurstwaren (13) freiverkäufliche Arzneimittel (7) Frühstücksprodukte (4) Gewürze, Würzen (3) Haushaltspapiere und -folien (1) Hygienepapiere (13) Kaffee (2) Körperpflege (32) Kosmetik (7) |
Molkereiprodukte (gelbe Linie) (23) Molkereiprodukte (weiße Linie) (61) Nährmittel (10) Nonfood (10) Obst und Gemüse (5) Putz- und Pflegemittel (7) Sekt, Champagner (4) Speisefette und Öle (1) Spirituosen (13) Süßwaren (31) Suppen, Soßen (13) Tabakwaren, Zigaretten (5) Tee und Kakao (9) Tiefkühlkost (45) Waschmittel (7) Wein (6) [16.07.1997] |
Dem Verbraucher bleibt der Einblick in die ursprüngliche Erzeugung und die weiteren einzelnen Verarbeitungsstufen der Lebensmittel immer mehr verschlossen. Die Distanz und Entfremdung zum Werdegang der Nahrungsmittel wird immer größer. Gleichzeitig steigt jedoch das Informationsbedürfnis rund um das "tägliche Brot". Verbraucher erwarten zusätzliche Orientierungshilfen, da sie sich bei ihren Kaufentscheidungen am Leitmotiv des "nachhaltigen Konsums" orientieren . 16L
Abb. 3: Wie wichtig ist die Kenntnis der Herkunft verschiedener Produkte für den Verbraucher
Abb. 4: Das Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg
Schließlich leistet die virtuelle Einkaufswelt des Teleshoppings - per Knopfdruck können Produkte aus der ganzen Welt bestellt werden - einen weiteren Beitrag zur Orientierungskrise der Verbraucher.
Ein Ausweg aus dem Orientierungswirrwarr im Bereich "Essen und Trinken" ist die Rückbesinnung auf heimische Produkte der Region. Für regionale Produkte, die bestimmten Mindestanforderungen genügen, wird in Baden-Württemberg das "Herkunfts- und Qualitätszeichen" (HQZ) vergeben. 1
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In der Gastronomie setzt sich die "Regionale Speisekarte Baden-Württemberg" immer mehr durch. 2 Regionale Produkte geben dem Verbraucher Sicherheit und Halt. Sie weisen zudem hohe Qualität, Frische und kurze Vermarktungswege auf. Sie stärken die heimische Landwirtschaft sowie heimische Handwerks- und Industriebetriebe.
Außerdem werden regionale Lebensmittel saisonal angeboten. Es ist zu hinterfragen, ob wir die Jahreszeiten ignorieren und unsere Verzehrsgewohnheiten dem natürlichen Vegetationszyklus entgegensetzen sollen. Müssen es wirklich Weintrauben im Frühjahr, Erdbeeren in der Adventszeit und Spargel zu Silvester sein? Die folgenden Unterrichtsvorschläge dienen der Ausbildung eines kritischen und selbstbewußten Verbraucherverhaltens im Bereich "Essen und Trinken".
Unterrichtsvorschlag 1: Erzeugung und Verarbeitung von LebensmittelnDie Heranwachsenden informieren sich über lebensmittelerzeugende und lebensmittelverarbeitende Betriebe in der Region. Ein landwirtschaftlicher Betrieb und ein lebensmittelverarbeitender Handwerks- oder Industriebetrieb werden besichtigt. Im fachpraktischen Unterricht werden Getränke, Lebensmittel, Nahrungsmittel und Speisen hergestellt, mit denen sich der Haushalt normalerweise durch Marktentnahme versorgt (z.B. Saft, Margarine, Marmelade, Brot, Joghurt, Quark, Käse, Nudeln, Spätzle, Kuchen, Torte, Pommes frites aus rohen Kartoffeln, Hamburger). Die selbst produzierten Produkte werden mit gekauften Produkten anhand der Kriterien Ökologie, Sensorik, Ökonomie und Zeitaufwand verglichen. Unter dem Motto "Essen früher und heute" machen sich die Jugendlichen auf die Suche nach alten Rezepten und Speiseplänen. Sie vergleichen Oma`s Speiseplan mit ihrem eigenen und erstellen ein Kochbuch mit "Rezepten wie zu Großmutter`s Zeiten". Die hohen Verarbeitungsgrade vieler Fertig- und Halbfertiggerichte werden problematisiert. |
Abb 5: Der Speisezettel der Deutschen vor 30 Jahren und heute
Unterrichtsvorschlag 2: Auf den Spuren des "homo regionalis" und des "homo saisonalis"Die Lernenden erarbeiten in projektorientierten, arbeitsteiligen Gruppen Möglichkeiten regionalen und saisonalen Verbraucherverhaltens und problematisieren die internationale Produktvielfalt. Die Ergebnisse der Gruppen werden auf einer großen Wandzeitung dokumentiert. "Tips zum regionalen, saisonalen und umweltfreundlichen Einkauf" werden gesammelt, auf einem Infoblatt zusammengeschrieben und im Rahmen einer Schulhofaktion an SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern verteilt. Folgende Themen können von den Gruppen bearbeitet werden: - "Gemüse-Abo/Gemüse-Kiste" regionaler Direktvermarkter - Organisierte Einkaufsgemeinschaften "Food Coops" - Regionale Produkte auf dem Wochenmarkt und im Supermarkt - Regionale Produkte des ökologischen Landbaus - Das Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg - Die Regionale Speisekarte Baden-Württemberg 3 - Regionale und saisonale Spezialitäten - Verbraucherbefragung über regionales und saisonales Einkaufsverhalten - Erstellen einer saisonalen Jahreszeiten-Speisekarte - Obst und Gemüse aus "aller Herren Länder" - muß das sein? - Die Internationalisierung am Beispiel "Asian food" - Ökologischer Vergleich von regionalen und internationalen Produkten |
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6. Schule und globale Produktsysteme
Ein Beispiel:
Eine Gruppe von Teenagern macht in Berlin, São Paulo, Mexico City und New York eine kleine Stadttour, um ein paar Eindrücke von der Gegend zu gewinnen. In jeder dieser Städte besuchen sie ein örtliches Einkaufszentrum, wo die Kinder - die alle Levi`s tragen - Videospiele spielen, Cola trinken und bei McDonald`s einen Hamburger essen...
Ein weiteres Beispiel:
Weltweit bekommen jede Sekunde 140 Personen ihren "Stoff" und konsumieren ihn in wenigen Augenblicken. Die Umschlagplätze sind in jeder mittelgroßen deutschen Stadt zu finden, meist mitten im Fußgängerbereich. Man kann sie an großen, bunten Neonreklamen leicht erkennen, sie sehen stets gleich aus. Von gleicher Qualität ist auch der "Stoff" - er wird meist in "Viertelpfündern" gehandelt und kann aus verschiedenen Mischungen bestehen. Allen ist jedoch eins gemeinsam: die "Rohstoffe" kommen aus der ganzen Welt (Mehl, Zwiebeln aus den USA, Käse, Pommes aus Holland, Senf aus Bayern, Ketchup aus Italien, Verpackung aus Skandinavien)... 17L
Ungefähr alle dreieinhalb Stunden wird ein neues McDonald`s Restaurant auf unserem Globus eröffnet. In 75 Prozent aller Länder der Erde kann man sich Big Mäc & Co bereits schmecken lassen.
Für
Abb. 6:
manche Menschen ist McDonald`s geradezu zu einer heiligen Institution geworden. Und Ronald McDonald ist bei den Kindern fast schon so bekannt wie der Weihnachtsmann. 4
Die Welt verwandelt sich in ein globales Einkaufszentrum. Globale Produktsysteme sind auf Erfolgskurs. Das Erfolgskonzept globaler Unternehmen wird als "McDonaldisierung" bezeichnet.
Die erste Erfolgszutat der "McDonaldisierung" heißt Effizienz. So verfügt McDonald`s in den meisten Fällen über die bestmöglichen Mittel, um rasch vom Zustand des Hungers in den Zustand der Sättigung zu befördern. In einer schnelllebigen Gesellschaft hat Effizienz beim Stillen des Hungers und bei der Erfüllung vieler anderer Bedürfnisse einen großen Reiz. 18L
Eine weitere Erfolgszutat ist die Berechenbarkeit. McDonald`s bietet Essen und Service, die sich leicht quantifizieren und berechnen lassen. Es sieht aus, als bekäme man bei McDonald`s "mehr Essen fürs Geld". Quantität wird mit Qualität gleichgesetzt. Deshalb bestellen wir den "Big Mac", die "Großen Fritten". Zudem rechnen die Menschen oft aus, wie lange es dauert, zu McDonald`s zu fahren, zu essen und nach Hause zurückzukehren, und diesen Aufwand vergleichen sie dann mit der Zeit für die Zubereitung einer Mahlzeit zu Hause. 19L
Die dritte Erfolgszutat heißt Vorhersagbarkeit: Wir wissen, daß der "McMaffin", den wir in Rostock essen, unter allen praktischen Gesichtspunkten mit dem in München oder in einer anderen Stadt identisch sein wird. Und ebenso sind wir sicher, daß der von heute genauso schmecken wird wie der in einer Woche oder in einem Jahr. Der Erfolg des Vorbilds McDonald`s zeigt, daß viele Menschen heute lieber in einer Welt leben, in der nichts Unerwartetes geschieht. 20L
Die vierte Erfolgszutat ist die Kontrolle über die Menschen, die sich in die Welt von McDonald`s begeben, vor allem indem menschliche Arbeitskraft durch nichtmenschliche Technologie ersetzt wird. Dazu gehören Getränkeautomaten, die von selber
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abschalten, wenn das Glas voll ist, Friteusen, die klingeln, wenn die Pommes frites knusprig sind und vorprogrammierte Registrierkassen. Wer in Fast-food-Restaurants arbeitet, ist darauf gedrillt, eine sehr begrenzte Zahl von Tätigkeiten in genau vorgeschriebener Weise auszuführen. Auch die Menschen, die in Fast-food-Restaurants essen, werden kontrolliert, allerdings eher unterschwellig und indirekt. Warteschlangen, eine begrenzte Speisekarte, wenig Auswahlmöglichkeiten und unbequeme Stühle veranlassen den Kunden, genau das zu tun, was die Firma wünscht: schnell zu essen und dann wieder zu gehen. 21L
Abschließend ist noch die Werbung als Erfolgszutat zu nennen, die auf verschiedene Konsumgruppen zugeschnitten ist und hinter der ein perfektes Marketing steht.
Abb. 7: Globale Präsentation von McDonald`s im Internet:
McDonald`s ist der Modellfall der "McDonaldisierung". Bei der "McDonaldisierung" handelt es sich um ein globales Phänomen der modernen Wohlstandsgesellschaft. Es wirkt sich nicht nur auf die Gastronomie, sondern auch auf Ausbildung, Arbeitswelt, Reisen, Freizeitgestaltung, Ernährung, Politik, Familie und praktisch sämtliche anderen gesellschaftlichen Bereiche aus.
Kinder und Jugendliche sind ein wichtiger Kundenkreis von McDonald`s. Sie sind oft "kaufaul" und ziehen "Industriekost" natürlichen Lebensmitteln vor. Der Hamburger ist für manche von ihnen zu einem Grundnahrungsmittel geworden. Der folgende Unterrichtsvorschlag greift Möglichkeiten einer schülergemäßen Behandlung der "McDonaldisierung" auf.
Unterrichtsvorschlag: Die "McDonaldisierung" der JugendlichenDie "McDonaldisierung" kann umfassend und fächerübergreifend als Unterrichtsprojekt behandelt werden, z.B. anhand einiger der folgenden Gruppenprojektthemen:
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Fazit
Durch die fortschreitende Globalisierung wird das Leben für die Heranwachsenden immer schwieriger. Die Schule der Zukunft hat einen Beitrag zur Lebensbewältigung unter sich rasch ändernden Rahmenbedingungen zu leisten. Zeitgemäße Unterrichtsinhalte und -methoden sind ebenso zu fordern und zu fördern wie die Einführung, der Ausbau und die Verbindung von hauswirtschaftlichem Unterricht und schulischer Verbrauchererziehung in allen Schularten. Denn: "Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir."
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Anmerkungen
Cäcilia Göppert: Dipl.oec.troph., Berufsschullehrerin, früher beim Forschungsbereich Arbeitslehre an der Pädagogischen Hochschule Weingarten.
- Regionale Herkunftszeichen gibt es auch in anderen Bundesländern.
- Die Gastwirte, die an dem Projekt "Regionale Speisekarte" teilnehmen, verpflichten sich dazu, in einer separaten und optisch besonders gestalteten Karte nur Produkte aus Baden-Württemberg anzubieten. Schweinefleisch, Rindfleisch, Gemüse, Kernobst und Eier dürfen nur verwendet werden, wenn sie das Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg tragen.
- Verantwortlich für die Vergabe des Herkunfts- und Qualitätszeichens und für die Regionale Speisekarte Baden-Württemberg ist die MBW Marketing- und Absatzförderungsgesellschaft für Agrar- und Forstprodukte aus Baden-Württemberg mbH, Breitscheidstraße 69, 70176 Stuttgart.
- In einer amerikanischen Umfrage aus dem Jahr 1986 erkannten 96 Prozent der befragten Schulkinder den Namen Roland McDonald.
Literatur
- Michelsen, G., Siebert, H.: Ökologie lernen, Anleitung zu einem veränderten Umgang mit Natur. Frankfurt am Main 1985, S. 17.
- vgl. Ratz, J.: Bananen Eine Aktionsmappe für Grundschule und Sek. I. Mülheim an der Ruhr 1993.
- vgl. Ratz, J.: Kaffee Eine Aktivmappe. Mülheim an der Ruhr 1993.
- Hoppe, R. und Gross, P.: Ein Jogurt kommt in Fahrt. In: ZeitMagazin, Nr. 5, 29.01.1993, S. 14-17.
- vgl. Stiftung Verbraucherinstitut (Hrsg): Wege zu einem globalen umwelt- und sozialverträglichen Konsum. Aufgezeigt an der Produktlinienanalyse eines Lebensmittels. Berlin 1996.
- vgl. Bittner, A.: Cross culture makes the world go arround. Interkulturelles Management. In: Managerseminare, Nr. 11 (April 1993), S. 39-45.
- vgl. Esser, H.: Multikulturelle Gesellschaft als Alternative zu Isolation und Assimilation? In: Derselbe (Hrsg.): Die fremden Mitbürger. Düsseldorf 1983, S. 31.
- vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Datenreport 1997. Daten und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. Bonn 1997, S. 586.
- vgl. Schumacher, H.: Zeitbomben in den Vorstädten. In: Der Spiegel Nr. 16/14.04.1997, S. 78-97.
- weitere Unterrichtsvorschläge vgl.: Dümmel D. u.a.: Haushalt und Gesellschaft 8. Hauswirtschaft/Textiles Werken. Hannover 1995, S. 94-103.
- vgl. Bühler, H. u.a.: Global denken - lokal handeln. Sechs Beispiele für Globales Lernen in fächerverbindendem Unterricht Beispielband 1. Bad Honnef 1997, S. 41.
- Bieg-Körber M. u.a.: Fremd - oder was? Unterrichtsmaterial zum Thema : Ausländer, Fremde, Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus. Stuttgart 1994, S. 43.
- vgl. ebd., S. 43.
- vgl. Hilbrecht, K.: Eßkultur - was ist das und wozu braucht man sowas? In: Ökologie & Landbau, 25, 3/1997, S. 48.
- vgl. Boes, U.: Sind die Verbraucher verunsichert? - Ergebnisse einer aktuellen Meinungsumfrage. Vortrag im Rahmen der Wissenschaftlichen Tagung der BFE zum Thema "Ernährungsverhalten heute: Die Verbraucher sind verunsichert". Stuttgart, 01.11.1996.
- vgl. Steffens, H.: "Orientierungsprobleme der Verbraucher im Spannungsfeld zwischen eigenen Ansprüchen, Markt und Gesellschaft". Vortrag im Rahmen der wissenschaftlichen Tagung zum Thema "Die Kompetenz der Verbraucher in Sachen Ernährung - (k)ein Problem der Gesellschaft?", Stuttgart, 24.04.1996.
- Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen (Hrsg): Hauptsache - es schmeckt? Lebensmittelproduktion Umwelt Gesundheit Arbeitsmaterialien. Müllheim an der Ruhr 1993, S. 126.
- vgl. Ritzer, G.: Die McDonaldisierung der Gesellschaft. Frankfurt am Main 1995, S. 27f.
- vgl. ebd., S. 28f.
- vgl. ebd., S. 29.
- vgl. ebd., S.27-31.
Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Informationen zu Arbeit, Wirtschaft, Technik (AWT-Info) 16. Jg. (1997) H. 2, S. 17-24
(c) 1997 Cäcilia Göppert
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
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